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Keine Nachsicht der Fristversäumnis gem § 6 Abs 1 IESG bei fehlender Klärung der Antragstellung durch den Parteienvertreter

MARGITMADER

Über das Vermögen der AG wurde mit Beschluss vom 17.2.2020 das Konkursverfahren eröffnet. Das Arbeitsverhältnis des Kl endete durch Austritt des Kl am 28.2.2020. Am 7.10.2020 erfuhr der Klagevertreter, dass noch keine Beantragung der offenen Forderungen bei der IEF-Service GmbH vorgenommen worden war. Mit Schreiben vom 9.10.2020, das am 13.10.2020 bei der Bekl einging, beantragte der Klagevertreter die Auszahlung von Insolvenz-Entgelt sowie die Nachsicht für die Fristversäumnis. Die IEF-Service GmbH wies den Antrag als verspätet ab.

Die außerordentliche Revision des Kl wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Dem Kl gelang es nicht, eine grobe Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht – das von einer auffallenden Sorglosigkeit des Kl und seines Vertreters ausging – aufzuzeigen.

Nach § 6 Abs 1 IESG ist der Antrag auf Insolvenz-Entgelt bei sonstigem Ausschluss jeweils binnen sechs Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 1 Abs 1 IESG oder eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art 3 Abs 3 der EU-Insolvenzverordnung im Inland oder binnen sechs Monaten ab Kenntnis von einem Beschluss nach § 1 Abs 1 Z 2 bis 6 IESG zu stellen. Diese Frist beginnt ua mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses neuerlich zu laufen, wenn das Arbeitsverhältnis nach dem Insolvenzstichtag endet. Wird der Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, sind die Rechtsfolgen der Fristversäumung nachzusehen, sofern berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen. Dies ist insb dann der Fall, wenn dem AN die Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens billigerweise nicht zugemutet werden kann oder ihm die betragsmäßige Angabe seiner Ansprüche nicht rechtzeitig möglich ist. Dadurch sollen Härtefälle, die sich vor der Novellierung dieser Bestimmung durch eine restriktive Handhabung des § 71 AVG (Wiedereinsetzung) durch den VwGH ergaben, vermieden werden. Aber nicht jedes Versäumnis rechtfertigt die Nachsicht. Es ist daher im Einzelfall – unter Anwendung nicht besonders strenger Kriterien – zu prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen. Die Nachsicht der Rechtsfolgen ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Fristversäumung vom AN durch auffallende Sorglosigkeit verschuldet wurde. Derselbe Maßstab muss auch für die Fristversäumung durch einen Bevollmächtigten des AN gelten, um eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der unvertretenen AN zu vermeiden.

Der Kl vertrat die Rechtsansicht, dass die Antragsfrist nicht ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu rechnen sei und die Antragsfrist am 7.10.2020 bereits abgelaufen gewesen sei. Seiner Auffassung nach beginne die Sechsmonatsfrist nur dann neuerlich zu laufen, wenn das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Sechsmonatsfrist – gerechnet ab Insolvenzeröffnung – beendet worden sei. Der Kl übersieht dabei, dass diese Rechtslage bereits mit der Novelle BGBl I 2005/102BGBl I 2005/102 geändert wurde. Wenn das Gesetz nunmehr in § 6 Abs 1 Z 1 IESG auf das Ende des Arbeitsverhältnisses „nach dem im ersten Satz maßgeblichen Zeitpunkt“ Bezug nimmt, ist damit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemeint.

Das Berufungsgericht ist daher richtigerweise davon ausgegangen, dass die Frist für die Antragstellung bei der Bekl mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses begann und – verlängert durch § 2 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG) – erst am 7.10.2020 endete. Damit wäre dem Vertreter des Kl an diesem Tag noch eine fristwahrende Antragstellung möglich gewesen. Das in der Revision erstattete Vorbringen, wonach noch eine Kontaktaufnahme mit dem Kl zur Abklärung nötig gewesen wäre und die Forderung im Antrag auch konkret aufgeschlüsselt werden müsse, ist unbeachtlich, da dies im bisherigen Verfahren nicht vorgebracht worden ist. Im Übrigen entspricht die Aufschlüsselung der Forderungen der Anmeldung im Insolvenzverfahren, die bereits im Mai 2020 vorgenommen worden war. Sowohl dem Kl als auch seinem Vertreter war die Notwendigkeit einer eige235nen Antragstellung bei der IEF-Service GmbH bekannt. Sie gingen nur davon aus, dass diese schon durch den jeweils anderen erfolgt sei, ohne dass je darüber gesprochen worden wäre.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach im Anlassfall von einer groben Sorgfaltswidrigkeit auszugehen sei, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums. Dass die Frist nur geringfügig überschritten wurde, reicht nicht aus, die Verspätung zu rechtfertigen.

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.