111Kein Beginn des Fristenlaufs für Einspruch gegen Zahlungsbefehl bei Zustellung an Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens
Kein Beginn des Fristenlaufs für Einspruch gegen Zahlungsbefehl bei Zustellung an Arbeitnehmer des beklagten Unternehmens
Die bekl GmbH erhob am 7.5.2021 Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl. Der Kl machte geltend, dass dieser Einspruch verspätet erfolgt sei, da der Zahlungsbefehl bereits am 7.4.2021 zugestellt worden sei, wie sich aus dem Zustellnachweis ergebe. Die bekl GmbH steht hingegen auf dem Standpunkt, dass am 7.4.2021 die Einspruchsfrist noch nicht zu laufen begonnen habe, weil der Zahlungsbefehl nicht vom Geschäftsführer selbst in Empfang genommen worden war – dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt im Ausland –, sondern von einem AN der GmbH. Streitgegenständlich war daher die Frage, ob die Zustellung eines Zahlungsbefehls an einen AN der bekl GmbH bereits die Einspruchsfrist zu laufen beginnen lässt.
Das Erstgericht wies den von der bekl GmbH am 7.5.2021 erhobenen Einspruch aufgrund des Zu238stellnachweises vom 7.4.2021 als verspätet zurück.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Bekl hingegen Folge und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens durch Einleitung der Streitverhandlung auf. Auf Grundlage von Erhebungen des Erstgerichts über die ordnungsgemäße Zustellung ging das Rekursgericht davon aus, dass es der Bekl gelungen sei, trotz Vorliegens eines (formal) unbedenklichen Zustellnachweises den von ihr behaupteten Zustellmangel glaubhaft zu machen. Da sich der Geschäftsführer der Bekl im Zeitraum vom 8.3. bis 18.5.2021 im Libanon aufgehalten habe, sei die Zustellung des Zahlungsbefehls nicht am 7.4.2021 mit der Ausfolgung an eine AN der Bekl, sondern frühestens mit der Abholung des Zahlungsbefehls durch den Sohn des Geschäftsführers der Bekl am 10.4.2021 und die anschließende Weiterleitung an den Anwalt der Bekl wirksam geworden. Der am 7.5.2021 erhobene Einspruch sei daher rechtzeitig.
Dagegen erhob der Kl außerordentlichen Revisionsrekurs, der vom OGH jedoch zurückgewiesen wurde.
Der OGH hielt in diesem Zusammenhang fest, dass die vom Zusteller erstellten Zustellausweise öffentliche Urkunden sind, die – wenn sie die gehörige äußere Form aufweisen – den Beweis erbringen, dass die Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist. Der Zustellnachweis begründet daher auch den vollen Beweis des darin angeführten Tags der Zustellung.
Selbst bei unbedenklichem Zustellnachweis steht dem Empfänger aber der „Gegenbeweis“ nach § 292 ZPO offen. Werden Zustellmängel behauptet, die – wie im vorliegenden Fall – nicht offenkundig sind, müssen sie glaubhaft gemacht werden.
Der Revisionsrekurswerber zweifelt nicht mehr an, dass sich der Geschäftsführer der Bekl im Zeitraum von 8.3. bis 18.5.2021 im Ausland aufgehalten hat. Er macht aber als erhebliche Fehlbeurteilung geltend, die am 7.4.2021 erfolgte Ersatzzustellung an eine AN der Bekl wäre ungeachtet des Auslandsaufenthalts des Geschäftsführers dennoch bereits an diesem Tag wirksam geworden, weil der Sohn des Geschäftsführers als empfangnahmebefugter Vertreter iSd § 13 Abs 3 Zustellgesetz (ZustG) zu qualifizieren sei. Eventualiter sei der Sohn als ein zur Entgegennahme gerichtlicher Schriftstücke bevollmächtigter Vertreter der Bekl iSd § 13 Abs 2 ZustG anzusehen, der sich regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe. Der am 7.5.2021 erhobene Einspruch sei somit jedenfalls nach Ablauf der vierwöchigen Einspruchsfrist (mit 5.5.2021) erfolgt und deshalb verspätet.
§ 16 Abs 2 ZustG eröffnet die Möglichkeit der Ersatzzustellung ua an einen AN des Empfängers, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder – im Fall einer juristischen Person – ein Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
Der Kreis der nach § 13 Abs 3 ZustG zur Empfangnahme befugten Vertreter richtet sich nach den die Organisation der juristischen Person regelnden Vorschriften. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann jedem Geschäftsführer, der für die Gesellschaft zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, rechtswirksam zugestellt werden. Dies lässt sich aus den Firmenbucheintragungen feststellen. Aus dem nach Einsicht in den Firmenbuchauszug vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt ergibt sich jedoch nicht, dass der Sohn des Geschäftsführers für die Zeit des Auslandsaufenthalts des Geschäftsführers zu diesem Personenkreis gehört hätte.
Nach dem vom Revisionsrekurswerber für seinen Standpunkt weiters ins Treffen geführten § 13 Abs 2 ZustG darf bei Zustellungen durch Organe eines Zustelldienstes oder der Gemeinde auch an eine zur Empfangnahme solcher Dokumente bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf dem Dokument ausgeschlossen ist. Ob der Sohn des Geschäftsführers als eine zur Empfangnahme von Zustellstücken bevollmächtigte Person iSd § 13 Abs 2 ZustG auch die Abwesenheit des Geschäftsführers der Bekl von der Abgabestelle infolge länger andauernden Auslandsaufenthalts ausschließen hätte können, war hier nicht zu beurteilen. Wie das Rekursgericht ausführte, lässt sich nämlich aus dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt rechtlich nicht ableiten, ob die vom Geschäftsführer seinem Sohn bereits im Jahr 2011 (schriftlich) erteilte Bevollmächtigung im Namen der nunmehr bekl GesmbH erfolgt ist oder im eigenen Namen des Geschäftsführers erteilt worden war.
Der behauptete Zustellmangel (die Vorschriftswidrigkeit der am 7.4.2021 erfolgten Übergabe des Schriftstücks an die AN der Bekl) wurde nach Ansicht des OGH glaubhaft gemacht bzw erwiesen. 239