112Kein Anspruch auf Bildungsteilzeitgeld bei Familienzeitbonusbezug in den letzten sechs Monaten vor Antritt der Bildungsteilzeit
Kein Anspruch auf Bildungsteilzeitgeld bei Familienzeitbonusbezug in den letzten sechs Monaten vor Antritt der Bildungsteilzeit
Ein seit 16.8.2017 beschäftigter AN vereinbarte mit seinem AG eine Bildungsteilzeit im Zeitraum 16.4.2018 bis 22.2.2020. Vor Beginn der Bildungsteilzeit bezog er im Zeitraum 7.3. bis 6.4.2018 einen Familienzeitbonus gem § 4 Abs 2 Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG). Das Arbeitsmarktservice (AMS) wies seinen Antrag auf Bildungsteilzeitgeld mit der Begründung ab, dass unmittelbar vor Beginn der Bildungsteilzeit keine ununterbrochene, sechsmonatige Beschäftigung mit gleichbleibender wöchentlicher Arbeitszeit vorliegen würde und daher die Voraussetzung gem § 26a Abs 1 Z 3 AlVG nicht erfüllt sei.
In seiner Beschwerde machte der Beschwerdeführer insb verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Zeiten des Kinderbetreuungsgeldbezuges und des Bezuges eines Familienzeitbonus im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 26a Abs 1 Z 3 AlVG geltend. Dieser Regelung zufolge sind Zeiten, die gem § 14 Abs 4 AlVG auf die Anwartschaft anzurechnen sind, wie Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung mit unveränderter Normalarbeitszeit zu werten. Gem § 14 Abs 4 lit b AlVG zählen dazu ua auch Zeiten des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld, wenn innerhalb der für die Anwartschaft maßgeblichen Rahmenfrist mindestens 14 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen. Die Nichtberücksichtigung des Familienzeitbonus bei Beurteilung der Frage, ob ein ununterbrochenes, sechsmonatiges Dienstverhältnis mit gleichbleibender Arbeitszeit iSd § 26a Abs 1 Z 3 AlVG vorliegt, würde eine gegen den Gleichheitssatz verstoßende und somit rechtswidrige Auslegung des Gesetzes durch die belangte Behörde darstellen. Der Beschwerdeführer begründete die Unsachlichkeit weiter damit, dass es sich beim FamZeitbG inhaltlich um einen Teil des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) handle (der Familienzeitbonus wird gem § 2 Abs 7 KBGG auf einen späteren Kinderbetreuungsgeldbezug angerechnet), sodass eine Differenzierung im Rahmen des Bildungsteilzeitgeldes schon allein aus diesem Grund unzulässig sei. Dass Regelungen über den Familienzeitbonus in § 14 AlVG fehlen, halte der Beschwerdeführer für eine planwidrige Lücke. Eine analoge Anwendung des § 14 AlVG auch auf den Familienzeitbonus würde zu einem verfassungskonformen Ergebnis führen.
Das BVwG hat die Beschwerde abgewiesen und dies damit begründet, dass der Familienzeitbonus im AlVG zwar insofern Berücksichtigung findet, als dieser zur Erstreckung der Rahmenfrist führen kann (§ 15 Abs 3 Z 6 AlVG), er stellt aber keine Anwartschaft iSd § 14 AlVG dar. Dass der Gesetzgeber den Familienzeitbonus nicht in die Regelung des § 14 AlVG aufgenommen hat, ist aus Sicht des erkennenden Senats nicht als planwidrige Lücke zu werten, eine analoge Anwendung des § 14 AlVG sei deshalb abzulehnen.
Folgende Erwägungen legte das BVwG seiner Entscheidung zugrunde:
Das Gleichheitsgebot (Art 7 B-VG) verbietet es dem Gesetzgeber, Differenzierungen zu schaffen, die sachlich nicht begründbar sind. Der VfGH betont allerdings regelmäßig die rechtspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers: Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden. Daher können auch mehrere, inhaltlich voneinander abweichende Bestimmungen gleichheitsmäßig sein. Der Gesetzgeber darf von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen; dass dabei Härtefälle entstehen, macht ein Gesetz noch nicht gleichheitswidrig. Der Gleichheitsgrundsatz setzt dem Gesetzgeber insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen.
Aus den Erläuterungen zu BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53, mit dem der Familienzeitbonus eingeführt und das KBGG reformiert wurde, ergibt sich für das BVwG, dass beide Gesetze Gemeinsamkeiten aufweisen – sie stützen sich zB im Wesentlichen auf idente verfassungsrechtliche Grundlagen – und nicht gänzlich getrennt voneinander betrachtet werden können; der Familienzeitbonus stellt im Regelfall einen vorgezogenen Kinderbetreuungsgeldbezug für Väter dar. Aus Sicht des BVwG überwiegen aber dennoch die Unterschiede und verfolgen die Gesetze eine unterschiedliche Zielsetzung. Folgende Unterschiede sieht das BVwG als besonders relevant an:
Es bestehe kein Rechtsanspruch auf die Familienbonuszeit, sondern lediglich auf „Väterfrühkarenz“ gem § 1a VKG. Im Gegensatz dazu haben AN aber Anspruch auf eine Karenz bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes, wenn sie mit diesem im gemeinsamen Haushalt leben (§ 15 240MSchG, § 2 VKG). Auch besteht während des Familienzeitbonus – im Gegensatz zur Karenz aus Anlass der Mutterschaft – kein ausdrücklicher Kündigungsschutz. Beim Familienzeitbonus handelt es sich – anders als beim Kinderbetreuungsgeld – aus unionsrechtlicher Perspektive nicht um eine Familienleistung, sondern um eine Vaterschaftsleistung iSd Art 3 Abs 1 lit b der VO 883/2004, da sie nicht für die Erbringung von Erziehungsleistungen gewährt wird, sondern in den ersten Lebensmonaten eines Neugeborenen zusteht und daher gleich zu behandeln ist wie die Leistungen bei Mutterschaft. Der Bonus gebührt für einen ununterbrochenen Zeitraum von 28 bis 31 Tagen, der zur Gänze innerhalb des Zeitfensters von 91 Tagen ab der Geburt des Kindes liegen muss, die einmal gewählte Anspruchsdauer kann nicht verändert werden. Im Gegensatz dazu können Eltern einander maximal zweimal beim Bezug des Kinderbetreuungsgeldes abwechseln. Ein Unterschied besteht auch hinsichtlich der Möglichkeit eines Zuverdienstes: Während der Familienzeit muss sich der Vater ausschließlich seiner Familie widmen und zu diesem Zweck die Erwerbstätigkeit unterbrechen; er hat auch jegliche andere (also selbst eine geringfügige) Erwerbstätigkeit zu unterlassen und darf zeitgleich weder Leistungen aus der AlV noch Entgeltfortzahlung durch den/die AG erhalten. Während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld ist ein Zuverdienst jedoch möglich. Hinzu kommt, dass der Familienzeitbonus eine vorherige Erwerbtätigkeit des Vaters voraussetzt (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG), die eben während des Bezugs des Familienzeitbonus unterbrochen wird, während das Kinderbetreuungsgeld unabhängig von einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit bezogen werden kann. Aus Sicht des BVwG besonders hervorzuheben ist, dass mit dem FamZeitbG nicht eine längere zeitgleiche Abwesenheit beider Elternteile vom Arbeitsmarkt gefördert, sondern lediglich eine kurzfristige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ermöglicht werden soll, die dem Beziehungsaufbau zwischen Vater und Kind sowie der Unterstützung der Mutter in den ersten Lebenswochen des Kindes dient und den Vater im besten Fall zur späteren Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld motiviert. Dagegen zielt das Kinderbetreuungsgeld auf eine längerfristige Unterstützung zur Kinderbetreuung ab.
Aus Sicht des erkennenden Senates steht daher – wie auch der Name des Gesetzes klar zum Ausdruck bringe – die „Familie“ im Vordergrund des FamZeitbG, nicht jedoch der das KBGG bestimmende Gedanke der (längerfristigen) „Kinderbetreuung“ und „Erziehung“ sowie das öffentliche Interesse an der Betreuung von Kindern durch einen Elternteil während der ersten Lebensmonate/-jahre.
Aus Sicht des BVwG handelt es sich daher nicht um „gleiche“ Gesetze bzw um Inhalte, die „gleich“ behandelt werden müssen. Dass der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum genutzt hat, sei nicht zu bemängeln. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen.
Der VfGH hat die Behandlung der Beschwerde unter Verweis auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung eines Systems der sozialen Sicherheit wie der Arbeitslosenversicherung abgelehnt.
(Entscheidung nicht veröffentlich)