116Kein Berufsschutz für Notfallsanitäter – Verweisbarkeit auf gesamten Arbeitsmarkt
Kein Berufsschutz für Notfallsanitäter – Verweisbarkeit auf gesamten Arbeitsmarkt
Der Kl erlernte den Beruf eines Gas- und Wasserinstallateurs und ist seit 1.10.1990 bei der Wiener Berufsrettung als Sanitäter/Notfallsanitäter tätig, ab dem 12.6.2003 als Notfallsanitäter iSd Sanitätergesetzes (SanG). Er hat bei der Wiener Berufsrettung insgesamt 980 Ausbildungsstunden zurückgelegt. Der Kl ist seit dem Stichtag 1.2.2020 nur mehr in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im Sitzen, Stehen und Gehen auszuüben. Er kann aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls nicht mehr als Sanitäter arbeiten, ist jedoch in der Lage, beispielsweise als Tagportier tätig zu sein.
Den Antrag des Kl auf Berufsunfähigkeitspension vom 30.1.2020 lehnte die Bekl mit Bescheid vom 8.6.2020 ab, weil Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Der Kl brachte in der Klage vor, dass er als Notfallsanitäter Berufsschutz genieße, weil dieser Beruf einem gelernten Arbeiterberuf oder auch einem Angestelltenberuf gleichzuhalten sei.
Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kl ungelernte Arbeitertätigkeiten verrichtet habe und demnach auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisbar sei. Diese Entscheidung bestätigte das Berufungsgericht mit dem Hinweis, dass der Beruf des Notfallsanitäters jedenfalls nicht als Angestelltentätigkeit iSd § 1 AngG einzustufen sei und die verhältnismäßig kurze Ausbildung zum Notfallsanitäter vom Umfang her nicht an einen Lehrberuf mit durchschnittlich dreijähriger Lehrzeit heranreiche.
Der OGH hat die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Kl brachte vor, dass seine Tätigkeit als Notfallsanitäter als Angestelltentätigkeit in Form der Verrichtung höherer, nicht kaufmännischer Dienste anzusehen sei. Der OGH verwies in seiner Entscheidung auf die Rsp zu den allgemeinen Erfordernissen und Indizien zur Annahme eines höheren nichtkaufmännischen Dienstes sowie darauf, dass die Frage, ob eine konkrete Tätigkeit einen höheren nichtkaufmännischen Dienst darstellt, im konkreten Einzelfall zu beurteilen ist (OGH 27.4.2021, 10 ObS 63/21v; OGH 16.6.2008, 8 ObA 39/08f). Das Fehlen höchstgerichtlicher Rsp zu einer konkreten Berufstätigkeit begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung. Die Beurteilung der Vorinstanzen bewegte sich nach Ansicht des OGH im Rahmen der höchstgerichtlichen Rsp. So üben etwa auch ein Pflegehelfer (RS0084962), eine Kindergartenhelferin (RS0084962), ein OP-Gehilfe (RS0084962) oder ein Prosekturgehilfe (RS0084962) keine Angestelltentätigkeiten aus.
Die Ausbildung eines Notfallsanitäters reicht nach Ansicht des OGH auch nicht an diejenige des – eine Angestelltentätigkeit verrichtenden (RS0084962) – diplomierten Krankenpflegepersonals heran. Im Tätigkeitsbereich des Kl nach § 10 SanG stehen vielmehr manuelle Arbeiten und den Notarzt unterstützende Tätigkeiten im Vordergrund. Das (wenn auch eigenverantwortliche) Setzen notfallmedizinischer Maßnahmen durch den Notfallsanitäter ist nur eingeschränkt vorgesehen, wenngleich im Fall des Kl besondere Notfallkompetenzen (§ 11 SanG) hinzukommen. Auch wenn es sich bei der Tätigkeit um eine (für das menschliche Leben) verantwortungsvolle und sozial wertvolle Tätigkeit handelt, hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen im Rahmen der zitierten Rsp. Dem steht die vom Kl zitierte OGH-E vom 13.9.2017, 10 ObS 97/17p, nicht entgegen, weil dort der (als Notfallsanitäter und Einsatzfahrer beschäftigte) Kl inhaltlich eine Angestelltentätigkeit ausübte, was dem damaligen Verfahren als nicht mehr strittig zugrunde gelegt wurde.