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Einsetzen eines Cochlea-Implantats als zumutbare Operation

JÖRGTRETTLER

Dem 1963 geborenen Kl wurde eine Invaliditätspension für 24 Monate zugesprochen. Das Begehren des Kl auf Zuerkennung einer über die 24 Monate hinausgehenden (unbefristeten) Pension wurde im Berufungsverfahren abgewiesen. Das Berufungsgericht begründete dies damit, dass sich der Gesundheitszustand des Kl durch das Einsetzen und Verwenden einer Hörprothese (Cochlea-Implantat) kalkülsrelevant bessern würde und daher die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer unbefristeten Invaliditätspension nach § 256 ASVG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem SRÄG 2012) nicht vorliegen würden.

Der OGH wies die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Kl zurück. Zur Begründung verwies der OGH auf die in der höchstgerichtlichen Rsp herausgearbeiteten Grundsätze hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Operation. Nach der stRsp sei die Frage, ob sich Versicherte einer der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dienenden Operation unterziehen müssen, nach den Umständen des Einzelfalls immer individuell für den Betroffenen zu beurteilen. Dabei sei zum einen auf objektive (auf die mit der Maßnahme verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten, die Folgen unter Berücksichtigung erforderlicher Nach- oder Folgebehandlungen und die damit verbundenen Schmerzen bzw Beeinträchtigungen) und zum anderen auf subjektive (wie körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse) Zumutbarkeitskriterien abzustellen. Je gravierender der durch die in Frage stehende Heilbehandlung oder Operation bedingte Eingriff sei, umso mehr würde dabei das Recht der Versicherten auf körperliche Integrität in den Vordergrund treten und letztlich die Obliegenheit zur Duldung von Eingriffen beschränken.

Nach Ansicht des OGH steht die Beurteilung der Vorinstanzen mit diesen Grundsätzen im Einklang. 245Da die Vorinstanzen festgestellt hatten, dass das Einsetzen von Cochlea-Implantaten eine Routineoperation darstellt, kein über das allgemeine Operationsrisiko hinausgehendes Risiko besteht und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs 70 % beträgt, erachtete der OGH die Behauptung des Kl, dass ihm die Operation aufgrund der besonderen Risiken und eines ungewissen Ausgangs der Behandlung nicht zumutbar sei, für nicht überzeugend.

Es mag sein, dass der Eingriff – über die anschließende Schulung hinaus – mit der Implantation des Geräts hinter dem Ohr und der Wartung des Geräts verbunden ist. Welche Beeinträchtigungen damit einher gingen, die den Kl so belasten, dass die geschilderte Abwägung zu seinen Gunsten ausschlagen müsste, legt er nicht offen. Nach dem OGH stehen daher längerfristige Behandlungen im Zusammenhang mit dem Einsetzen des Cochlea-Implantats der Zumutbarkeit ebenso wenig grundsätzlich entgegen wie das (höhere) Alter des Versicherten.

Soweit der Kl die Erfolgsaussichten der Behandlung auch aufgrund seiner mangelnden Bereitschaft zur Mitwirkung in Abrede stellt, weil der „Misserfolg vorprogrammiert“ sei, handelt es sich dabei laut OGH nicht um eine Frage der Zumutbarkeit, sondern eine Frage der Verletzung der Mitwirkungspflicht, welche sich in diesem Stadium aber noch nicht stelle. Die Verweigerung einer möglichen und zumutbaren medizinischen oder beruflichen Rehabilitation, die dem Versicherten wieder eine Berufsausübung ermöglichen und damit zu einem Wegfall des Risikos der geminderten Arbeitsfähigkeit führen würde, habe den Anspruchsverlust zur Folge, weil es der Versicherte eben nicht in der Hand haben solle, durch Verweigerung einer zumutbaren Therapie den (Weiter-)Bezug der Pension zu erreichen. Umso weniger könne die frühzeitige oder vorsorgliche Einnahme einer die (zumutbaren) Behandlung grundsätzlich ablehnenden Haltung durch den Kl zum Entfall seiner Mitwirkungspflicht führen.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision daher zurückzuweisen.