120Karenz im Anschluss an Papamonat – Familienzeitbonus geht nicht verloren
Karenz im Anschluss an Papamonat – Familienzeitbonus geht nicht verloren
Der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus geht nicht dadurch verloren, dass er im unmittelbaren Anschluss an den Zeitraum des Bezugs des Familienzeitbonus oder im Anschluss an eine wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgehende, mit dem DG vereinbarte Unterbrechung der Erwerbstätigkeit eine Karenz nach dem Väter-Karenzgesetz (VKG) in Anspruch nimmt.
Der Kl bekam am 5.7.2020 einen Sohn und nahm bei seinem AG anlässlich der Geburt eine Freistellung („Papamonat“) von 1.8. bis 30.8.2020 in Anspruch. Mit Schreiben vom 13.8.2020 teilte er seinem AG mit, von 31.8.2020 bis 4.7.2022 Karenz in Anspruch zu nehmen. In der Zeit von 31.8. bis einschließlich 3.9.2020 war er von einem AG nicht zur SV gemeldet und übte auch keine Erwerbstätigkeit aus. Ab dem 4.9.2020 bezog er Kinderbetreuungsgeld.
Der Kl beantragte Familienzeitbonus von 1.8. bis 30.8.2020. Dieser Antrag wurde von der bekl Österreichischen Gesundheitskasse mit Bescheid vom 22.12.2020 mit der Begründung abgewiesen, der Kl habe im Anschluss an den Antragszeitraum eine Väterkarenz angetreten und dazwischen nicht gearbeitet.
Die Vorinstanzen gaben der dagegen erhobenen Klage statt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil zur maßgeblichen Frage keine höchstgerichtliche Rsp vorliege.
In ihrer Revision vertritt die Bekl im Wesentlichen die Auffassung, dass der Kl seine Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar nach dem Bezugszeitraum wieder aufgenommen habe, sodass keine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG vorliege.
Der OGH hält die Revision für zulässig, jedoch nicht für berechtigt.
„[…]
1.3. Das FamZeitbG selbst definiert den in § 2 Abs 4 FamZeitbG enthaltenen Begriff der „Unterbrechung“ der vor Bezugsbeginn tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) nicht. Aus dem Gesetzeszweck und dem 247Gesamtzusammenhang lässt sich aber entnehmen, dass eine Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums zur Gänze zu unterbleiben hat. […]
1.5. Der Oberste Gerichtshof hat – worauf die Vorinstanzen bereits hingewiesen haben – schon zu einem Fall Stellung genommen, in dem die zwischen dem Vater und dem Arbeitgeber vereinbarte Freistellung – in casu um vier Tage – über den Zeitraum des beantragten Bezugs von Familienzeitbonus hinaus reichte (10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]). Nach dieser Entscheidung geht der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus nicht dadurch verloren, dass der mit dem Dienstgeber vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht (vgl RS0132552).
2.1. […] Aus dem festgestellten Sachverhalt lassen sich die Gründe dafür, dass der Kläger nicht bereits ab dem 31.8.2020 Kinderbetreuungsgeld bezog, nicht entnehmen. Aufgrund der Feststellungen kann auch nicht beurteilt werden, ob er bereits ab dem 31.8.2020 einen Anspruch auf Karenz nach § 2 VKG hatte – was die Beklagte bestreitet – oder nicht. Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall – wie sogleich ausgeführt – nicht an.
2.2. Selbst wenn der Kläger in den Tagen zwischen der Inanspruchnahme von Familienzeit und dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes keinen Anspruch auf Karenz nach dem VKG hatte (dass er einen solchen Anspruch auch ab dem 4.9.2020 nicht gehabt hätte, behauptet die Beklagte nicht), ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass zwischen ihm und seinem Arbeitgeber Einigkeit über das Unterbleiben der Arbeitsleistung (auch) vom 31.8.2020 bis zum 3.9.2020 bestand. Damit liegt ein Sachverhalt vor, der dem in der Entscheidung 10 ObS 10/19x entschiedenen Fall entsprach, in dem der Vater mit dem Arbeitgeber von vornherein eine Freistellung vereinbart hatte, die um vier Tage über die beantragte Bezugsdauer des Familienzeitbonus hinausging.
3.1. Entscheidend im vorliegenden Fall ist die Frage, ob die auf den (beantragten) Bezug des Familienzeitbonus folgende Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG ohne dazwischen erfolgte Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit dem Bezug des Familienzeitbonus entgegensteht. […]
3.3. § 2 Abs 4 FamZeitbG verlangt die Unterbrechung der – in § 2 Abs 1 Z 5 legal definierten – Erwerbstätigkeit, ohne zu normieren, dass die Erwerbstätigkeit unverzüglich oder zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufgenommen werden muss.
3.4. Die Materialien führen lediglich aus, dass die Erwerbstätigkeit „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden müsse […] (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).
3.5. In der Literatur werden unterschiedliche Standpunkte vertreten:
3.5.1. Nach Holzmann-Windhofer muss der Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit exakt mit dem Bezugszeitraum des Familienzeitbonus übereinstimmen. Die Inanspruchnahme einer Väterkarenz nach dem VKG sei ohne Schaden erst nach erfolgter Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit möglich, wofür hypothetisch ein Tag reiche. Das folge daraus, dass eine lückenlos an die Familienzeit anschließende Väterkarenz nicht die Gleichstellungserfordernisse in den 182 Tagen davor (gemeint: gemäß § 2 Abs 7 FamZeitbG) erfülle, weshalb ihre Inanspruchnahme nicht als Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit gelte (Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, Kinderbetreuungsgeldgesetz [2017] 287, insb FN 17).
3.5.2. Hingegen vertreten Burger-Ehrnhofer (Glosse zu 10 ObS 10/19x, ÖJZ 2019/90, 606 [608 f]),Schrattbauer (Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [257]) undSonntag (in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG3 [2020] § 2 FamZeitbG Rz 18b), eine an die Familienzeit des Vaters anschließende Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG sei für den Anspruch auf Familienzeitbonus unschädlich.
3.5.3. Nach Burger-Ehrnhofer – auf die sichSchrattbauer und Sonntag stützen – kann von einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wohl nur ausgegangen werden, wenn sie nach einer Pause wieder aufgenommen werde. Das FamZeitbG regle aber nicht, dass dies unmittelbar nach dem Ende des Bezugs des Familienzeitbonus erfolgen müsse. Schließe sich an die für den Bezug von Familienzeitbonus notwendige „Arbeitspause“ eine weitere Zeit der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit an, so sei das für den zuvor bezogenen Familienzeitbonus nur dann relevant, wenn im Anschluss daran gar keine Erwerbstätigkeit mehr aufgenommen werde. Auch eine längere Freistellung, etwa durch Inanspruchnahme einer Väterkarenz, stehe dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegen, weil dadurch weder der Zweck des Familienzeitbonus noch der einer Väterkarenz konterkariert werde. Mit dem FamZeitbG habe der Gesetzgeber danach getrachtet, klar zu regeln, dass der Familienzeitbonus nur jenen Vätern zukomme, die sich während des Bezugs tatsächlich um die Familie kümmerten. Dies sei durch das Erfordernis der absoluten Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zum Ausdruck gebracht worden. Der Familienzeitbonus solle daher auch dann gebühren, wenn sich Väter noch mehr engagierten und ihre Familienzeit so legten, dass sie im Anschluss daran Väterkarenz in Anspruch nehmen könnten (Burger-Ehrnhofer Glosse zu 10 ObS 10/19x, ÖJZ 2019, 606 [608 f]). […]
4.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG als Voraussetzung für den Familienzeitbonus zwar verlangt, dass der Vater in den letzten 182 Tagen „unmittelbar“ vor Bezugsbeginn durchgehend eine kran248ken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, dass aber kein – gleichsam spiegelbildliches – Erfordernis besteht, diese Erwerbstätigkeit „unmittelbar“ (taggenau) nach Bezugsende bzw Ende der Familienzeit (wieder) auszuüben.
Die Rechtsansicht Holzmann-Windhofers, die von einer solchen quasi spiegelbildlichen Verpflichtung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit „unmittelbar“ im Anschluss an den Bezug des Familienzeitbonus ausgeht (wie sich aus der Bezugnahme auf die Gleichstellungsbestimmung des § 2 Abs 7 FamZeitbG ergibt), wurde daher vom Obersten Gerichtshof bereits abgelehnt. […]
4.2. Auch zu den Ausführungen in den Materialien, die Erwerbstätigkeit müsse „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden, wurde bereits klargestellt, dass der Hinweis im Zusammenhang damit steht, dass die Beendigung der zuvor ausgeübten Erwerbstätigkeit zum Anspruchsverlust führen soll (10 ObS 10/19x SSV NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]).
4.3. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs steht die Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG im Anschluss an die Familienzeit der Erfüllung der Voraussetzung der (bloßen) Unterbrechung der Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht entgegen. […]
5. Im vorliegenden Fall ist das Dienstverhältnis des Klägers nicht beendet. Es besteht […] kein Anhaltspunkt dafür, dass er seine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit nach Ablauf der Karenz nach dem VKG nicht wieder aufnehmen wird. Es ist daher vom Vorliegen einer Unterbrechung seiner Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG auszugehen.“
Gegenstand des Verfahrens sind im Allgemeinen Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, die über die Dauer des (beantragten) Bezugs des Familienzeitbonus hinaus gehen bzw direkt an diese anschließen. § 2 Abs 4 FamZeitbG verlangt die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch den Vater, um sicherzustellen, dass er sich in dieser Zeit ausschließlich der Familie widmet. Die Materialien führen aus, dass die Erwerbstätigkeit „im Anschluss an die Familienzeit“ weitergeführt werden müsse (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2). Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Erwerbstätigkeit unmittelbar im Anschluss an den Zeitraum des Bezugs des Familienzeitbonus weitergeführt werden muss und welche Unterbrechungen, die darüber hinaus reichen, den Anspruch auf Familienzeitbonus nicht vernichten.
Die erste Frage des vorliegenden Verfahrens, ob eine mit dem DG vereinbarte, um wenige Tage über die Dauer des beantragten Familienzeitbonus hinausgehende Unterbrechung der Erwerbstätigkeit für den Anspruch auf Familienzeitbonus schädlich ist, wurde vom OGH schon in der E vom 19.2.2019, 10 ObS 10/19x, verneinend beantwortet. In dieser Vorentscheidung vereinbarte der Vater mit dem AG eine Freistellung, die um vier Tage über den Zeitraum des beantragten Familienzeitbonus hinaus reichte. Im vorliegenden Fall teilte der Vater seinem AG mit, ab 31.8.2020 – also direkt im Anschluss an seinen Papamonat – Karenz in Anspruch zu nehmen. Ob der Kl schon ab 31.8.2020 oder erst ab 4.9.2020 Anspruch auf eine solche Karenz hatte, ist nicht relevant, weil in jedem Fall Einigkeit zwischen AG und Kl über das Unterbleiben der Arbeitsleistung bestand. Für den Fall, dass der Kl in dieser Zeit keinen Anspruch auf Karenz hatte, entspricht der vorliegende Sachverhalt hinsichtlich der wenigen Tage zwischen 31.8. und 4.9.2020 dem bereits entschiedenen Fall. Die sohin wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgehende Unterbrechung der Erwerbstätigkeit steht daher dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegen.
Bisher noch unbeantwortet und im vorliegenden Fall entscheidend ist jedoch die Frage, ob eine Karenz nach dem VKG, die direkt nach dem (beantragten) Bezug des Familienzeitbonus in Anspruch genommen wird, dem Bezug des Familienzeitbonus entgegensteht. Der OGH beschäftigt sich diesbezüglich mit den unterschiedlichen Standpunkten, die in der Literatur zu dieser Frage vertreten werden, und schließt sich der Meinung von Burger-Ehrnhofer,Schrattbauer undSonntag (Quellen siehe oben),Reissner (Der „Papamonat“ aus sozialrechtlicher Sicht, ASoK 2019, 402 [410]) sowie Blasl (Exakte Deckung von Karenzierung und Bezugszeitraum für Anspruch auf den Familienzeitbonus erforderlich? ASoK 2019, 311 [313]) an. Demnach ist für eine Unterbrechung nach § 2 Abs 4 FamZeitbG zwar die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit notwendig, nicht jedoch, dass diese Wiederaufnahme unmittelbar nach dem Ende des Bezugs des Familienzeitbonus erfolgt. Begründet wird diese Ansicht damit, dass auch durch eine längere Freistellung, etwa durch eine Väterkarenz, weder der Zweck des Familienzeitbonus noch jener der Väterkarenz konterkariert wird. Tatsächlich soll mit dem FamZeitbG geregelt werden, dass der Familienzeitbonus nur Vätern, die sich in dieser Zeit tatsächlich um die Familie kümmern, zugutekommt. Um dies zu erreichen, wurde die absolute Unterbrechung der Erwerbstätigkeit als Erfordernis eingeführt. Wenn sich Väter über die Familienzeit hinaus noch mehr engagieren und im Anschluss an diese Väterkarenz in Anspruch nehmen, sollte der Familienzeitbonus genauso gebühren (Burger-Ehrnhofer Glosse zu 10 ObS 10/19x ÖJZ 2019, 606 [608 f]). Diese Ansicht steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Ziel des Familienzeitbonus, der in der Ermutigung von Vätern, sich unmittelbar nach der Geburt ausschließlich der Familie zu widmen, besteht (Vorblatt und WFA 249ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 4 f). Es wäre nicht schlüssig, Väter, die sich darüber hinaus noch länger der Familie widmen, für ihr Engagement, nur weil es über das von der Gesetzgebung angestrebte Mindestmaß hinausgeht, mit dem Verlust ihres Anspruches auf Familienzeitbonus zu bestrafen.
Zusammenfassend geht daher der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf Familienzeitbonus nicht verloren, wenn er im Anschluss an den Zeitraum des Bezugs des Familienzeitbonus eine Karenz nach dem VKG in Anspruch nimmt.