121Familienzeitbonus: Anteilige Auszahlung zulässig
Familienzeitbonus: Anteilige Auszahlung zulässig
Unterbricht der Vater für den gesamten beantragten Anspruchszeitraum seine Erwerbstätigkeit, um sich aus Anlass der Geburt eines Kindes seiner Familie zu widmen und fehlt es während des Antragszeitraums nur an einzelnen Tagen an der Erfüllung einer der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG, so besteht (nur) für die Tage, an denen alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus.
Gegenstand des Verfahrens war der vom Kl geltend gemachte Anspruch auf Familienzeitbonus aus Anlass der Geburt seines Sohnes am 27.8.2019 für den Zeitraum von 1.9. bis 30.9.2019.
Im Zeitraum von 1.9. bis 30.9.2019 lebte der Kl mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn in einem Einfamilienhaus. Die Gemeinde ordnete dem Haus im Zug des Dachgeschoßausbaus zwei Top-Nummern zu. Die Eltern der Lebensgefährtin wohnten im Obergeschoß (Top 2). Der Kl wohnte im hier relevanten Zeitraum mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind im Erdgeschoß (Top 1), wobei die hauptwohnsitzliche Meldung der Lebensgefährtin und des gemeinsamen Kindes bis 5.9.2019 auf Top 2 lautete.
Die bekl Österreichische Gesundheitskasse lehnte den Antrag des Kl auf Familienzeitbonus mit Bescheid ab, weil die Mutter erst ab 5.9.2019 gemeinsam mit dem Kl und dem Kind hauptwohnsitzlich gemeldet war, sodass es an einem gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG fehlte.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zuerkennung des Familienzeitbonus für den Zeitraum von 1.9. bis 30.9.2019 statt. Das Berufungsgericht wies aber das Klagebegehren über Berufung der Bekl mit der Begründung ab, dass die Mutter und das Kind nicht während des gesamten beantragten Bezugszeitraums an der gemeinsamen Adresse mit dem Kl gemeldet gewesen waren. Zwar schade eine höchstens bis zehn Tage verspätete Hauptwohnsitzmeldung an dieser Adresse nicht, die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG gelte jedoch für das Kind und nicht für dessen Mutter.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Kl.
Die Revision war zulässig und auch teilweise berechtigt.
„1. Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts gemäß § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG:
1.1 Anspruch auf Familienzeitbonus hat ein Vater für sein Kind, sofern (ua) gemäß § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG er, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben. Ein gemeinsamer Haushalt liegt gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch „hauptwohnsitzlich“ gemeldet sind. Eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht (§ 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG).
1.2 […] Für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts […] müssen […] zwei Elemente erfüllt sein: Es muss eine auf längere Zeit gerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des beziehenden Elternteils und des Kindes an derselben Wohnadresse bestehen (vgl dazu 10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68) und beide müssen an dieser Adresse auch „hauptwohnsitzlich“ gemeldet sein (10 ObS 17/19a SSV-NF 33/17 mwH). […]
[…]
1.5.1 Das Meldegesetz verknüpft das Entstehen der Meldepflicht mit der Tatsache der Aufnahme oder Aufgabe einer Unterkunft (§ 2 Abs 1 MeldeG). […] Die Unterkunftnahme beginnt mit dem erstmaligen widmungsmäßigen Gebrauch der Unterkunft und hängt bloß von objektiven, äußeren (faktischen) Umständen ab (10 ObS 121/18v SSV-NF 33/15 mwH). Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden (§ 3 Abs 1 MeldeG).
1.5.2 Weder das FamZeitbG noch das MeldeG definieren den in § 2 Abs 3 FamZeitbG verwendeten 250Begriff der Adresse (Wohnadresse). […] Ein Wohnsitz eines Menschen ist gemäß § 1 Abs 6 MeldeG an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben. Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist wiederum an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen (vgl zu diesem Begriff § 1 Abs 8 MeldeG) zu machen (§ 1 Abs 7 erster Halbsatz MeldeG). Der Tatbestand des „Wohnsitzes“ beruht auf zwei Aspekten, einerseits der tatsächlichen Unterkunftnahme und andererseits der Absicht, bis auf weiteres dort (zumindest) einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben […].
1.6 Für die Bestimmung des Begriffs der Adresse (Wohnadresse) gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG ist […] der Wohnungsbegriff maßgeblich, da insbesondere die Unterkunftnahme in einer Wohnung die Meldepflicht auslöst (§ 3 Abs 1 MeldeG). […] Befinden sich mehrere Wohnungen in einem Gebäude, so sind diese in der Regel entsprechend den landesrechtlichen Vorschriften nach Tür- oder Topnummer zu bezeichnen […].
1.7 Befinden sich daher in einem Gebäude (einem Wohnhaus) zwei Wohnungen, die wie im vorliegenden Fall mit zwei unterschiedlichen Topnummern von der Meldebehörde – das ist gemäß § 13 Abs 1 MeldeG der Bürgermeister – bezeichnet wurden, so verfügen diese Wohnungen nach der dargestellten Rechtslage auch gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG über unterschiedliche Adressen (Wohnadressen). […] Auf die weiteren in der Revision dargestellten Umstände – nur ein Haupteingang, gemeinsame Wärmeversorgung, einheitlicher Wasseranschluss etc – kommt es hingegen nicht an.
1.8 Zwischenergebnis: Für den Zeitraum von 1.9.2019 bis 4.9.2019 liegt kein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG vor, weil es in diesem Zeitraum an einer gemeinsamen „hauptwohnsitzlichen“ Meldung des Klägers und des anderen Elternteils fehlt. […]
3. Höhe und Dauer des Anspruchs:
3.1 Nach der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht auch dann kein Anspruch auf Familienzeitbonus, wenn die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG nicht für den gesamten, vom Vater gewählten Anspruchszeitraum erfüllt ist, mag ein gemeinsamer Haushalt auch in einer den Mindestzeitraum des § 3 Abs 2 FamZeitbG erreichenden oder überschreitenden Dauer von zumindest 28 Tagen vorliegen (10 ObS 101/19d SSV-NF 33/48; 10 ObS 109/18d SSV-NF 32/67; RS0133088). […]
3.2 Diese Rechtsprechung ist in der Lehre auf Kritik gestoßen. […]
Unter Beachtung der […] Kritik und der unionsrechtlichen Vorgaben [RL 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige] ist eine neuerliche Auseinandersetzung mit den Bestimmungen der §§ 2 und 3 FamZeitbG erforderlich:
4. Anspruchsberechtigung:
4.1 Die materielle Anspruchsberechtigung regelt unter dieser ausdrücklichen Überschrift § 2 FamZeitbG. […]
4.2 Der Zweck des Familienzeitbonus für Väter wird in den Gesetzesmaterialien wie folgt beschrieben (ErläutRV 1110 BlgNR 24. GP 1): „Erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, sollen eine finanzielle Unterstützung erhalten. […]“Anspruchsberechtigt sind daher Väter, die sich in Familienzeit befinden und die alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.
4.3 Höhe, Dauer und Antragstellung regelt § 3 FamZeitbG. […]
4.4 § 3 FamZeitbG enthält in seinen Absätzen 1 und 2 materiell-rechtliche Regelungen über die Höhe und Dauer des Anspruchs. § 3 Abs 3 FamZeitbG ist hingegen eine verfahrensrechtliche Vorschrift über die Fristen zur Antragstellung und Festlegung der Anspruchsdauer bei Antragstellung. In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu auszugsweise (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 3): „Der Familienzeitbonus wird auch aus verwaltungsvereinfachenden Gründen als pauschaler Tagesbetrag ausgestaltet, es besteht jedoch kein anteiliger (tageweiser) Anspruch auf den Bonus. […]“
4.5 Aus dem Wortlaut des – für die Anspruchsberechtigung maßgeblichen – § 2 FamZeitbG ergibt sich nicht zwingend, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus materiell nicht auch für einen kürzeren Zeitraum als den nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 3 Abs 3 FamZeitbG gewählten bestehen kann. Aus § 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG folgt lediglich, dass der Vater sich im gesamten Zeitraum, in dem ein Anspruch besteht, in Familienzeit befinden muss, die zwischen 28 und 31 Tage beträgt. Zutreffend ist daher, dass die Festlegung eines verbindlichen Anspruchszeitraums gemäß § 3 Abs 3 FamZeitbG allein für das Verwaltungsverfahren maßgeblich ist, nicht jedoch für die Frage der Anspruchsberechtigung (I. Faber, DRdA 2022, 21). […]
4.6 Dass dem FamZeitbG eine rechtmäßige anteilige Auszahlung des Bonus nicht fremd ist, ergibt sich etwa auch aus § 7 Abs 3 letzter Satz FamZeitbG. […]
5. RL (EU) 2019/1158 und Gebot der richtlinienkonformen Interpretation:
5.1 Die RL 2019/1158 wurde am 12.7.2019 im Amtsblatt veröffentlicht (ABl L 188/79) und trat gemäß ihrem Art 21 am zwanzigsten Tag nach dieser Veröffentlichung, daher am 1.8.2019 in Kraft. Sie ist gemäß ihrem Art 20 Abs 1 bis 22.8.2022 251[Anm.: 2.8.2022] von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind jedoch bereits vor diesem Zeitpunkt und ab Inkrafttreten einer Richtlinie verpflichtet, es so weit wie möglich zu unterlassen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit der Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf von deren Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde […]. […]
5.4 Der sachliche Anwendungsbereich der RL 2019/1158 ist im vorliegenden Fall eröffnet, weil der Kläger nach seinen – insofern unstrittigen – Angaben im Antrag auf Zuerkennung des Familienzeitbonus Angestellter, daher Arbeitnehmer im Sinn des Art 2 RL 2019/1158 ist. Darüber hinaus setzt die hier nicht strittige Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG eine unmittelbar vor Bezugsbeginn in den letzten 182 Tagen ausgeübte kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit voraus. Die in Anspruch genommene Familienzeit im Sinn des § 2 Abs 4 FamZeitbG entspricht zweifellos einem „Vaterschaftsurlaub“ im Sinn des Art 3 Abs 1 lit a RL 2019/1158. Die Gewährung eines Familienzeitbonus dient insbesondere der finanziellen Unterstützung und sozialversicherungsrechtlichen Absicherung während der Inanspruchnahme eines Anspruchs auf Freistellung anlässlich der Geburt eines Kindes gemäß § 1a Abs 1 VKG, BGBl 1989/651. Diese Bestimmung wurde für Geburten ab 1.9.2019 (hier daher noch nicht anwendbar) in Umsetzung der RL 2019/1158 geschaffen […].
5.5 Die Dauer der Familienzeit von mindestens 28 Tagen, übersteigt – ebenso wie der Zeitraum von einem Monat gemäß § 1a Abs 1 VKG – die unionsrechtlich vorgesehene Mindestdauer von 10 Tagen Vaterschaftsurlaub, was gemäß Art 16 Abs 1 RL 2019/1158 zulässig ist. […].
5.6 Vor dem Hintergrund dieser unionsrechtlichen Zielsetzungen und Regelungen ergibt sich für die Auslegung der §§ 2 und 3 FamZeitbG daher, dass der Gesetzgeber in zulässiger Weise verlangt, dass die Familienzeit zumindest 28 Tage beträgt […]. Die Familienzeit sollte daher nicht gestückelt oder tageweise in Anspruch genommen werden […].
Es entspricht aber weder den Intentionen des FamZeitbG noch der RL 2019/1158, in einem Fall wie dem vorliegenden den Anspruch des Klägers auf Familienzeitbonus gänzlich zu verneinen. Der Kläger hat […] die Zuerkennung des Familienzeitbonus im Ausmaß von 30 Tagen beantragt und war bereit, in diesem Zeitraum einen gleichwertigen Anteil an Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu übernehmen. Er befand sich im gesamten gewählten Zeitraum in Familienzeit, unterbrach also seine Erwerbstätigkeit und widmete sich ausschließlich der Familie. Während des gesamten Zeitraums bestand eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Klägers, des Kindes und des anderen Elternteils. Bloß während der ersten vier Tage des gewählten Zeitraums fehlte es an der für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts formal zusätzlich erforderlichen gemeinsamen „hauptwohnsitzlichen“ Meldung.
In einem Fall wie dem vorliegenden würde der gänzliche Verlust des Anspruchs bei Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung der Intention der RL 2019/1158, Männern einen Anreiz zur Übernahme eines gleichwertigen Anteils an Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu bieten, damit Frauen relativ betrachtet weniger unbezahlte Familienarbeit leisten, widersprechen. Die mit der Bestimmung des § 2 Abs 3 FamZeitbG verfolgte legitime Verwaltungsvereinfachung durch das Verlangen einer gemeinsamen „hauptwohnsitzlichen“ Meldung […] kann im konkreten Fall auch dadurch erreicht werden, dass der Familienzeitbonus anteilig für den Teil des Anspruchszeitraums ausgezahlt wird, in dem eine gemeinsame „hauptwohnsitzliche“ Meldung besteht.
5.7 Ergebnis: Unterbricht der Vater für den gesamten beantragten Anspruchszeitraum, der zwischen 28 und 31 Tagen umfassen muss, seine Erwerbstätigkeit, um sich aus Anlass der Geburt eines Kindes seiner Familie zu widmen (Familienzeit), und fehlt es während des Antragszeitraums nur an einzelnen Tagen an der Erfüllung einer der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG, so besteht (nur) für die Tage, an denen alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus.“
Der Familienzeitbonus gebührt gem § 3 Abs 2 FamZeitbG ausschließlich für eine ununterbrochene Dauer von 28, 29, 30 oder 31 aufeinanderfolgenden Kalendertagen und innerhalb eines Zeitraums von 91 Tagen ab dem Tag der Geburt des Kindes. Gem § 3 Abs 3 FamZeitbG ist die Anspruchsdauer bei der Antragstellung verbindlich festzulegen und kann später nicht geändert werden. Nach der bisherigen Rsp bestand daher kein Anspruch auf Familienzeitbonus, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nur während eines Tages des gewählten Anspruchszeitraums nicht verwirklicht waren (OGH 30.7.2019, 10 ObS 101/19d).
Der gänzliche Wegfall des Anspruchs im Fall des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen auch nur an einem Tag des gewählten Bezugszeitraums steht im Widerspruch zum Zweck der Gewährung eines Familienzeitbonus. Der Bonus als finanzielle Unterstützung soll nach den dargestellten Gesetzesmaterialien Väter dazu motivieren, sich nach der Geburt des Kindes intensiv dem Kind und der Familie zu widmen. Daher wurde diese harte Sanktion des Verlusts des gänzlichen Anspruchs auch von der Lehre immer wieder kritisiert.
Die RL 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige trat am 1.8.2019 in Kraft. Sie ist gemäß ihrem Art 20 Abs 1 bis 2.8.2022 von den Mitgliedstaaten 252umzusetzen. Die Gerichte der Mitgliedstaaten sind jedoch bereits vor diesem Zeitpunkt verpflichtet, das innerstaatliche Recht entsprechend der Ziele der RL auszulegen.
Der Kl hat – iSd ErwGr 11 der RL 2019/1158 – die Zuerkennung des Familienzeitbonus im Ausmaß von 30 Tagen beantragt. Er befand sich in Familienzeit gem § 2 Abs 4 FamZeitbG und hat Betreuungs- und Pflegeaufgaben übernommen. Die RL 2019/1158 bestimmt eine unionsrechtlich vorgesehene Mindestdauer von 10 Tagen Vaterschaftsurlaub. Eine Überschreitung dieser Mindestdauer ist zulässig. Während des gesamten Zeitraums bestand eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Kl mit dem Kind und dem anderen Elternteil. Allerdings während der ersten vier Tage fehlte es an der für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts formal erforderlichen gemeinsamen hauptwohnsitzlichen Meldung. Der gänzliche Verlust des Anspruchs und die Aufrechterhaltung der bisherigen Rsp würde der Intention der RL 2019/1158 widersprechen. Die mit der Bestimmung des § 2 Abs 3 FamZeitbG verfolgte Verwaltungsvereinfachung durch das Verlangen einer gemeinsamen hauptwohnsitzlichen Meldung kann im konkreten Fall auch dann erreicht werden, wenn der Familienzeitbonus anteilig ausgezahlt wird.
Dem Kl gebührte somit Familienzeitbonus für jenen Zeitraum innerhalb des von ihm gewählten Anspruchszeitraums, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG erfüllt waren. Somit war der außerordentlichen Revision teilweise Folge zu geben.
Höhe, Dauer und Antragstellung regelt § 3 FamZeitbG. Die Dauer der Familienzeit von mindestens 28 Tagen nach dem FamZeitbG übersteigt die unionsrechtlich vorgesehene Mindestdauer von 10 Tagen Vaterschaftsurlaub, was gem Art 16 Abs 1 RL 2019/1158 zulässig ist. Demgegenüber wird die unionsrechtlich vorgesehene Vergütung in Höhe des Krankengeldes (vgl Art 8 Abs 2 RL 2019/1158) mit dem Satz von € 22,60 täglich für den Familienzeitbonus nicht in jedem Fall erreicht. § 3 FamZeitbG werde daher nach den Vorgaben der bis 2.8.2022 umzusetzenden RL (vgl Art 20 Abs 1 RL 2019/1158) zu adaptieren sein.