Zeitliche Dimension der Konkurrenzklausel
Zeitliche Dimension der Konkurrenzklausel
Das Arbeitsrecht bewegt sich stets im Spannungsverhältnis zwischen den unterschiedlichen Interessen der AN und AG. Dies wird vor allem auch im Bereich der Vorschriften über die Konkurrenzklausel und Konkurrenzverbote offensichtlich.
Von der Konkurrenzklausel (nachvertragliches Beschäftigungsverbot) ist das während des aufrechten Arbeitsverhältnisses bestehende gesetzliche Konkurrenzverbot zu unterscheiden. Das Konkurrenzverbot (§ 7 Abs 1 AngG) ist ein Ausfluss der Treuepflicht des AN zum AG und verbietet Angestellten iSd § 1 AngG, ein selbstständiges kaufmännisches Unternehmen zu betreiben oder im Geschäftszweig des AG für eigene oder fremde Rechnung Handelsgeschäfte zu machen. Für Arbeiter findet sich die einschlägige Bestimmung in § 82 lit e Fall 2 GewO 1859. Der AN kann entlassen werden, wenn er ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein der Verwendung abträgliches Nebengeschäft betreibt. Für Arbeiter ist die gesetzliche Nebenbeschäftigungsbeschränkung insofern schwächer ausgeprägt als für Angestellte.*
Einerseits soll die Arbeitskraft des AN für den AG geschont werden und andererseits dem AG einen Schutz vor konkurrenzierender Tätigkeit des AN bieten, wobei eine tatsächliche Konkurrenzierung ebenso wenig wie ein konkreter Schadenseintritt vorausgesetzt werden.*
Ja, es ist grundsätzlich zulässig, über die gesetzlichen Anhaltspunkte hinaus weitere Konkurrenzverbote (vertragliche Nebenbeschäftigungsverbote) zu vereinbaren und die Verpflichtungen des AN zu verstärken. § 7 AngG ist nicht im Katalog des § 40 AngG genannt und daher nicht zwingend. Derartige Verbote sind jedoch anhand eines strengen Maßstabes auf ihre Sittenwidrigkeit zu prüfen, wobei vor allem die wirtschaftlichen Interessen von AG und AN sowie die Art der zwischen diesen vereinbarten Arbeitsbeziehungen zu beachten sind.*
Der OGH nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf eine mittelbare Drittwirkung des Grundrechts der Erwerbsfreiheit nach Art 6 Abs 1 StGG und des Grundsatzes der AN-Freizügigkeit des Art 45 AEUV.* Die mögliche Sittenwidrigkeit einer solchen Vereinbarung ist anhand einer Interessenabwägung zu prüfen und dann anzunehmen, wenn die AN-Interessen durch die Klausel unangemessen stark beeinträchtigt werden.
§ 36 Abs 1 AngG umschreibt die Konkurrenzklausel als „Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird“. Da AN nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ihrer Erwerbstätigkeit weitgehend frei sind,* versuchen die AG, gewisse AN über ihre punktuellen gesetzlichen Verpflichtungen hinaus durch vertragliche Vereinbarungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in ihrem Sinne zu binden. Es kann festgehalten werden, dass der historische Gesetzgeber Konkurrenzklauseln nur äußerst zurückhaltend und in engen Grenzen zulassen wollte.*
Die Regelungen über die Konkurrenzklausel dienen der Bewältigung eines Interessenkonfliktes. Der AN hat ein Interesse daran, den Arbeitsvertrag ohne Nachteile zu kündigen und nach beendetem Arbeitsverhältnis seine Kräfte und Kenntnisse ungehemmt entfalten zu können. Der AG will die Konkurrenz von seinen Kunden fernhalten, seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse schützen und die von ihm erarbeiteten wirtschaftlichen Werte zu seinen Gunsten nutzen. Zu diesen Positionen tritt ein öffentliches Interesse: Wertvolle wirtschaftliche Kräfte sollen nicht unter dem Schutz der Rechtsordnung brachgelegt werden.*
Der Faktor Zeit spielt bei der Konkurrenzklausel in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Zunächst stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Konkur263renzklausel abgeschlossen werden muss und in weiterer Folge, für welchen Zeitraum die Verpflichtung aus der Vereinbarung bestehen soll.
Das Gesetz spricht dies insoweit an, dass die Verpflichtung die Zeit nach Beendigung betreffen muss. Die Beschränkung darf den Zeitraum eines Jahres nicht übersteigen und ua nach ihrer Zeitdauer keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des AN enthalten. Es stellt sich aber die Frage, ob Vereinbarungen, die eine Beschränkung für die Zeit vor Beendigung des Vertragsverhältnisses beinhalten, auch von der Konkurrenzklausel erfasst werden können, die sogenannte Vorauswirkung der Konkurrenzklausel.
Der Schutz des AG vor Konkurrenzierung soll durch eine Konkurrenzklausel iSd § 36 AngG aber nicht weiter ausgedehnt werden als im Gesetz vorgesehen ist und daher auch keine Vorauswirkung äußern, weil damit die im Gesetz vorgesehene Interessenabwägung zu Ungunsten des AN verändert werden würde. Einerseits endet nämlich die Treupflicht des AN zum AG regelmäßig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses;* andererseits bezieht sich der zeitliche Geltungsbereich von Konkurrenzklauseln, die inhaltlich lediglich Schadenersatzansprüche sowie allenfalls Unterlassungsansprüche begründen, aber expressis verbis gem § 36 Abs 1 AngG nur auf die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.*
Die Formulierung „für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses“ ist als konstitutives Element der Bestimmung des Konkurrenzklauselbegriffs anzusehen, sodass die §§ 36 f AngG auf Vereinbarungen, die eine Beschränkung der Erwerbstätigkeit während des Arbeitsverhältnisses vorsehen, nicht anzuwenden sind.*
Die Geltendmachung der Konkurrenzklausel (soweit diese nicht durch die Unterschreitung der Wertgrenzen unwirksam ist)* durch den AG hängt von der Art der Lösung des Arbeitsverhältnisses ab (§ 37 Abs 1 und 2 AngG). So kann sich der AG nicht auf die Konkurrenzklausel berufen, wenn er schuldhaft Anlass zur Lösung durch den AN gibt. § 37 AngG ist eine einseitig zwingende Bestimmung zu Gunsten des AN (§ 40 AngG).*
Nein, die bloße Ankündigung bzw in Aussichtstellung, in einem Konkurrenzunternehmen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses tätig werden zu wollen, löst keinesfalls eine Konventionalstrafe aus. Die Ankündigung, eine Konkurrenzklausel nicht einhalten zu wollen, kann unter Umständen bloß die Ankündigung bedeuten, eine unwirksame Vereinbarung nicht einhalten zu wollen. Aber auch, wenn unter dieser Ankündigung der Fall zu verstehen war, dass der AN in Kauf nehmen werde, sich auch an eine wirksame Vereinbarung nicht halten zu wollen, ist damit noch nicht gesagt, dass sich hierin eine Haltung offenbare, die vermuten lasse, dass der AN nicht mehr die Interessen des AG vertreten werde;* dies stellt auch keinen Entlassungsgrund dar.
Der OGH sprach in einer erst kürzlich ergangenen E vom 29.11.2021 (8 ObA 85/21i) aus, dass die Gründung einer GmbH vor Ende des Arbeitsverhältnisses im Geschäftsbereich des AG als bloße Vorbereitungshandlung nicht unter das Konkurrenzverbot fällt, sodass daraus auch keine Vertrauensunwürdigkeit iSv § 27 Z 1 AngG begründet werden kann.
Die Ankündigung eines Angestellten, die Konkurrenzklausel nach seinem Ausscheiden nicht einhalten zu wollen, rechtfertigt nicht den Schluss auf eine moralische Unzuverlässigkeit.*
Will sich der AN beruflich verändern und führt er deshalb Vorbereitungsgespräche, sind diese im Hinblick auf die grundsätzlichen Zielsetzungen des Bestandschutzrechtes und der Freiheit der Arbeitsplatzwahl sowie der verfassungsrechtlich gewährleisteten Erwerbsfreiheit iSd Art 6 StGG als unbedenklich anzusehen.*
Wenn der AG auf eine bloße Ankündigung des AN hin, nach Ende des Arbeitsverhältnisses konkurrenzierend tätig werden zu wollen, den AN zur Zahlung einer vereinbarten Konventionalstrafe auffordert, ist diese nicht gerechtfertigt, weil eine Fälligkeit der Konventionalstrafe zu diesem Zeitpunkt nicht eintreten kann. Daher darf der AG auch das Gehalt des Angestellten nicht kürzen, da er ansonsten vertragsbrüchig wird; er verletzt Recht! Die Entgeltvorenthaltung des AG berechtigt sodann den AN zum Austritt. Zudem liegt Lohn- und Sozialdumping vor, wenn der AG eine fällige Forderung nicht zahlt. Die vereinbarte Konventionalstrafe steht auch in keinem rechtlichen Zusammenhang mit den Entgeltansprüchen des AN, weshalb der AG nicht berechtigt ist, die Schadenersatzforderung gegen den Gehaltsanspruch des AN aufzurechnen (§ 293 Abs 3 EO).*
Das ASG Wien gab genau in solch einem erstgerichtlichen Urteil* dem Klagebegehren des AN auf Entgeltvorenthaltung vollinhaltlich statt.264
„Sowohl aus dem Gesetzestext als auch aus dem Text der im Dienstvertrag vereinbarten Klausel ergibt sich, dass die Konkurrenzklausel eine Verpflichtung des Arbeitnehmers begründet, die sich auf die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann gegen die Konkurrenzklausel nicht verstoßen werden (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer Angestelltengesetz § 37 (Stand 01.03.2005, rdb.at) Rz 53; OGH 9 ObA 101/92).
Aus diesem Grund kann ein Anspruch aus der Konkurrenzklausel auch nicht vor der Beendigung des Dienstverhältnisses entstehen. Dem zur Folge war die vereinbarte Konventionalstrafe während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht fällig und konnte damit auch nicht wirksam gegen die Gehaltsansprüche des Klägers aufgerechnet werden. Gemäß § 37 Abs 1 AngG kann der Arbeitgeber aufgrund des berechtigten vorzeitigen Austritts wegen Entgeltvorenthaltung die Konkurrenzklausel nicht mehr geltend machen.“
Das OLG Wien* bestätigt die Rechtsansicht des Erstgerichtes betreffend die Rechtsverletzung durch den AG und bekräftigte, dass eine Konventionalstrafe, die auf dem Verstoß gegen eine Konkurrenzklausel beruht, vor Ende des Dienstverhältnisses weder entstehen noch fällig werden kann.
Da im ersten Prüfungsschritt die Beendigungsart für die Anwendung der Konkurrenzklausel ausschlaggebend ist, erübrigt sich aufgrund des berechtigt vorzeitigen Austritts des AN wegen Entgeltvorenthaltung die weitere inhaltliche Prüfung der Konkurrenzklausel.
Damit wird klargestellt, dass der AG, unabhängig von der Frage, ob eine Aufrechnung überhaupt zulässig gewesen wäre, nicht berechtigt war, dem AN sein Gehalt vorzuenthalten. Der Austritt des AN war daher berechtigt, was dazu führt, dass der AG gem § 37 Abs 1 AngG – selbst wenn der AN sofort nach der Beendigung des Dienstverhältnisses gegen die Konkurrenzklausel verstoßen haben sollte – keine Ansprüche aus der Verletzung gegen die Konkurrenzklausel geltend machen kann.
Im Hinblick auf die Vereinbarung einer Beschränkung der Erwerbstätigkeit für die Zeit vor und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zu differenzieren: Jener Teil der Beschränkungen, der nach Ende des Arbeitsverhältnisses wirken soll, ist zweifellos unmittelbar am Konkurrenzklauselrecht zu messen; beim anderen Teil ist das Konkurrenzverbot beachtlich.
Der AN verstößt nicht gegen die vereinbarte Konkurrenzklausel, wenn er im aufrechten Arbeitsverhältnis bloß ankündigt, für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden zu wollen.
Die Erklärung eines AN, im aufrechten Arbeitsverhältnis nach Ende des Arbeitsverhältnisses für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden zu wollen, ist ohne Belang. Selbst dann, wenn ursprünglich das Motiv der AN-Kündigung dieses war. Wenn der AG in der Annahme, dass die Konventionalstrafe während des aufrechten Arbeitsverhältnisses fällig wird, diese gegen die Gehaltsansprüche des AN aufrechnet, ist der nachfolgende Austritt des AN wegen Entgeltvorenthaltung berechtigt, sodass gem § 37 Abs 1 AngG der AG aufgrund des berechtigten Austritts allfällige Ansprüche aus der Verletzung der Konkurrenzklausel nicht geltend machen kann.