4Unrichtige Angaben in Informationsschreiben der Geschäftsführung begründen keinen Rechtsanspruch
Unrichtige Angaben in Informationsschreiben der Geschäftsführung begründen keinen Rechtsanspruch
Ob eine Willenserklärung oder eine Wissenserklärung vorliegt, muss im Einzelfall anhand des Wortlauts der Erklärung und allfälliger näherer Umstände, wie im Zusammenhang stehender Erklärungen und/oder Verhaltensweisen der Beteiligten, geprüft werden.
Eine Wissenserklärung allein löst nur in bestimmten Konstellationen – bei besonderer gesetzlicher Anordnung – Rechtsfolgen aus, bewirkt aber regelmäßig als solche nicht den Abschluss des Rechtsgeschäfts, über das sie bloß Mitteilung macht.
Auch eine unrichtige Wissenserklärung begründet daher keinen Rechtsanspruch der AN über die darin getätigten (unrichtigen) Aussagen.
[1] Der Kl ist seit November 1990 bei der Bekl bzw ihrer Rechtsvorgängerin als Omnibuslenker beschäftigt. Sein Dienstverhältnis unterliegt den allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB). Der Kl hat Anspruch auf eine Reisegebührenpauschale pro geleisteter Dienstschicht im Kraftwagenfahrdienst. Deren Höhe betrug gem Pkt 15 der „Betriebsvereinbarung gemäß Art 7 des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 über die Fahrgebühren für das Kraftwagenfahrpersonal“ zunächst 6,15 €. Mit dem am 19.11.2020 zwischen der Bekl und deren Zentralbetriebsrat abgeschlossenen „1. Nachtrag“ zur genannten BV wurde die Pauschale auf 8,80 € erhöht.
[2] Der Kl erhielt vor dem 1.10.2018 ein rechts oben als „GF-INFO 19. Juli 18“ bezeichnetes und von zwei Geschäftsführern der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerin unterfertigtes Schreiben folgenden Inhalts (Beilage ./B):
„Die Buskollektivvertrags-Verhandlungen betreffend KV-Reform 2018 sind abgeschlossenWas der neue Kollektivvertrag unseren LenkerInnen bringtLiebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!Die Kollektivvertragspartner haben sich nach langen KV-Verhandlungen auf nachstehende Änderungen geeinigt, welche ab 01. Oktober 2018 in Kraft treten. 441.) Der Stundenlohn wird für die Lohnkategorien „Kraftfahrer“ und „Berufskraftfahrer“ um 1,30 Euro erhöht. In der Lohntabelle wird der niedrigste Monatslohn somit bei 2.126,90 Euro liegen.Die Erschwerniszulagen gemäß Punkt 2a und 2d (2. Teil) sind nun in diesen erhöhten Monatslohn eingerechnet. Dadurch werden die Zulagen auch beim 13. und 14. Monatslohn berücksichtigt, wodurch sich diese um über 500 Euro im Jahr erhöhen.2.) Der Durchrechnungszeitraum wird angepasst und beträgt nun einheitlich fünf Wochen. Gleichzeitig wurde die maximal tägliche Normalarbeitszeit für die LenkerInnen gemäß Punkt III/2a (1. Teil) mit 10 Stunden vereinbart. Damit kann nun dem lang geforderten Wunsch vieler MitarbeiterInnen nach mehr zusammenhängende Freizeit Rechnung getragen werden.Gleichzeitig wird eine weitere Harmonisierung mit jenen MitarbeiterInnen, die dem Dienstplan A24 unterliegen, erreicht. Damit sind die Rahmenbedingungen für die Planung weitgehend vereinheitlicht.AVB-MitarbeiterInnen, bei welchen die unter Punkt 1 angeführten Lohnerhöhungen nicht wirksam werden, erhalten im Gegenzug eine Erhöhung der Fahrgebühren um 2,65 Euro auf 8,80 Euro pro Fahrtag. Es werden auch Instruktorenpositionen neu vergeben bzw. nachbesetzt.Mit diesem Kollektivvertragsabschluss ist unser Postbus wieder besser für den Wettbewerb am Markt gerüstet. In den nächsten Wochen werden wir in den Verkehrsleitungen für offene Fragen zu diesem Thema Sprechstunden anbieten.Mit freundlichen Grüßen [...]“
[3] Der Kl ist ein AVB-Mitarbeiter, bei dem die unter Pkt 1 der Beilage ./B angeführten Lohnerhöhungen nicht wirksam geworden sind (unstrittig).
[4] Der Kl begehrt mit seiner Klage gestützt auf das genannte Schreiben für die Zeit von Oktober 2018 bis April 2020 657,23 € sA. Es handle sich um die Differenz zwischen der ihm pro Fahrtag ausbezahlten Reisegebühr von 6,15 € und der von ihm pro Fahrtag beanspruchten Reisegebühr von 8,80 €.
[5] Die Bekl wandte ein, beim Schreiben habe es sich lediglich um eine allgemeine, nicht an den Kl persönlich adressierte Information über die Kollektivvertragsverhandlungen gehandelt, aus der der Kl keinen Anspruch ableiten könne. Außerdem erhob sie ua einen Verfallseinwand.
[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. [...]
[7] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil (in Rechtskraft erwachsenen) hinsichtlich der Abweisung einer Teilforderung in Höhe von 5,33 € samt 8,58 % Zinsen ab 1.4.2020 (betreffend zwei Fahrtage für März 2020). In Bezug auf eine Teilforderung von 164,30 € (betreffend die Monate November 2019 bis April 2020) gab es der Berufung des Kl Folge und verurteilte die Bekl zur Zahlung samt Zinsen. Im Übrigen – somit in Hinsicht auf das Mehrbegehren von 487,60 € samt Zinsen für die Monate Oktober 2018 bis Oktober 2019 – wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
[9] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung, es stünden keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Lösung an, nicht zu. [...]
[12] Die außerordentliche Revision ist [...] zulässig [...]. Die außerordentliche Revision ist auch berechtigt. [...]
[13] 1. Eine Willenserklärung liegt vor, wenn die Äußerung auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist, also Rechte und Pflichten zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Bei einer Wissenserklärung geht es demgegenüber darum, dass die eine Partei der anderen oder beide Parteien übereinstimmend sich bloß ihre Vorstellungen über bestimmte Tatsachen mitteilen, jedoch keinen Willen dahin äußern, mit der Erklärung bestimmte Rechtsfolgen bewirken zu wollen. Ob eine Willenserklärung oder eine Wissenserklärung vorliegt, muss im Einzelfall an Hand des Wortlauts der Erklärung und allfälliger näherer Umstände, wie im Zusammenhang stehender Erklärungen und/oder Verhaltensweisen der Beteiligten, geprüft werden. Dabei ist nicht die subjektive Auffassung des Erklärenden oder der Wille der einen oder anderen Partei maßgeblich, sondern wie der Empfänger die Erklärung bei objektiver Betrachtungsweise verstehen musste (8 ObA 16/19i [Pkt 1.1. und 1.2.] mwN).
[14] 2. Eine Wissenserklärung allein löst nur in bestimmten Konstellationen – bei besonderer gesetzlicher Anordnung – Rechtsfolgen aus, bewirkt aber regelmäßig als solche nicht den Abschluss des Rechtsgeschäfts, über das sie bloß Mitteilung macht (8 ObA 34/05s = DRdA 2006/43 [Kerschner] mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0028344 [T4]; aus der 45 Literatur zB Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 863 Rz 9; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 863 Rz 6; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 859 ABGB Rz 10).
[15] 3. Aus dem Wortlaut des Schreibens Beilage ./B geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass es sich um keine Willens-, sondern um eine Wissenserklärung der Bekl handelt:
[16] Das Schreiben ist (rechts oben) als „GF-INFO“ bezeichnet, also als eine Information (der Geschäftsführung = GF). Durch die (durch größere Schrift hervorgehobene) Überschrift „Was der neue Kollektivertrag unseren LenkerInnen bringt“
erfährt der Leser, dass es sich um eine Information über den Inhalt des KollV handelt. Auch der folgende Satz „Die Kollektivvertragspartner haben sich nach langen KV-Verhandlungen auf nachstehende Änderungen geeinigt, welche ab 01. Oktober 2018 in Kraft treten.“
kann nur dahin verstanden werden, dass das Nachstehende die im KollV enthaltenen Neuerungen referiert. Auch auf Grund des ersten Satzes im letzten Absatz „Mit diesem Kollektivvertragsabschluss ist unser Postbus wieder besser für den Wettbewerb am Markt gerüstet.“
muss der Leser davon ausgehen, dass das Voranstehende grundsätzlich den KollV wiedergibt.
[17] Vor diesem Hintergrund – der Veränderung der kollektiven „Entgeltbedingungen“ – ist aber auch der Satz „AVB-MitarbeiterInnen, bei welchen die unter Punkt 1 angeführten Lohnerhöhungen nicht wirksam werden, erhalten im Gegenzug eine Erhöhung der Fahrgebühren um 2,65 Euro auf 8,80 Euro pro Fahrtag.“
zu verstehen. Dass die Höhe der Fahrgebühr Regelungsgegenstand der BV – und nicht, was das Schreiben suggeriert, des KollV – ist und deren Erhöhung auf 8,80 € erst zwei Jahre später vereinbart wurde, macht die Wissenserklärung der Bekl unrichtig, sie aber nicht zu einer Willenserklärung. Dass die Bekl durch das Schreiben Beilage ./B eine über den KollV (oder die BV) hinausgehende Verpflichtung übernehmen wollte, ist seinem Wortlaut nicht zu entnehmen; insb indiziert auch die Wendung „im Gegenzug“ keine freiwillige Erhöhung der Gebühren durch die Bekl selbst. Es sind auch keine sonstigen – außerhalb des Schreibens liegenden – Umstände ersichtlich, die eine solche Annahme tragen würden.
[18] 4. Aufgrund dieses Inhalts des Schreibens musste dessen Adressaten – und somit auch dem Kl – klar sein, dass die Bekl bzw deren Rechtsvorgängerin mit dem Schreiben nicht über die bestehende BV bzw den KollV hinaus Rechte und Pflichten begründen und damit die Rechtslage gestalten, sondern nur die Rechtslage erläutern wollte (vgl 9 ObA 503/88; RS0013962 [T3]). Dass diese Erläuterung teilweise unrichtig ist, nämlich in Bezug auf die Erhöhung der Fahrgebühren auf 8,80 €, hat – wie bereits vom Erstgericht erkannt – keine Änderung der Ansprüche des Kl zur Folge. Dass er im Vertrauen auf die Richtigkeit der im Schreiben genannten Erhöhung der Reisepauschale disponierte, hat der Kl zu keinem Zeitpunkt vorgetragen (vgl RS0014012; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 863 Rz 10; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 863 Rz 8 mwN).
[19] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellt die Beilage ./B damit keine taugliche Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren dar. Es war das die Klage abweisende Ersturteil, soweit der Gegenstand des Revisionsverfahrens reicht, wiederherzustellen. [...]
Die Definitionen zur Abgrenzung von Wissens- und Willenserklärungen sind an sich klar: Demnach liegt eine Willenserklärung immer dann vor, wenn die Äußerung auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist. Im Gegensatz dazu spricht man von Wissenserklärungen, wenn es der erklärenden Partei nur darum geht, ihre Vorstellungen über bestimmte Tatsachen mitzuteilen.
In der vorliegenden E zeigt sich jedoch, dass eine Anwendung dieser Definitionen auf den Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Der OGH hatte zu beurteilen, in welche dieser beiden Kategorien ein Rundschreiben, das von den Geschäftsführern der AG an alle Mitarbeiter:innen des Unternehmens ausgesendet wurde und in dem gewissen Gruppen von AN eine Erhöhung ihrer Fahrtzulage in Aussicht gestellt wurde, fällt.
Eine Willenserklärung ist nach hA (Welser/Kletečka, Grundriss des bürgerlichen Rechts I15 [2018] Rz 315 ff; F. Bydlinski, Willens- und Wissenserklärungen im Arbeitsrecht, ZAS 1976, 83) eine Äußerung, die den Willen zum Ausdruck bringt, die Rechtslage zu gestalten. Sie ist darauf gerichtet, Rechtsfolgen in Geltung zu setzen, Rechte und Pflichten zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. In Österreich ist die gemäßigte Rechtsfolgentheorie als herrschend anzusehen. Demnach muss nur erkennbar sein, dass die gewollten Wirkungen von der erklärenden Person als rechtlich verbindlich angestrebt werden. Die Erklärung muss aber nicht alle potentiellen Rechtsfolgen umfassen, die das Gesetz für den betreffenden Typus vorsieht (Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 869 ABGB Rz 9 [Stand 1.11.2014, rdb.at]).
Wissenserklärungen hingegen sind reine „Nachrichten über Tatsachen“ (Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 Rz 325), sie geben nur die (rechtlich unverbindliche) Meinung des Erklärenden wieder. Diese Meinung kann sich dabei sowohl auf Umstände in der wirklichen Welt als auch auf die Rechtslage zu einem bestimmten Zeitpunkt beziehen. Wissenserklärungen können keine Rechtsfolgen auslösen, weil sie inhaltlich gar nicht auf solche gerichtet sind (F. Bydlinski, ZAS 1976, 84). Allerdings kann der Gesetzgeber einer reinen Wissenserklärung ausdrücklich Rechtsfolgen zuordnen.
Ob es sich bei einer bestimmten Aussage des AG um eine Willens- oder Wissenserklärung handelt, ist nach den Auslegungskriterien der §§ 914 f 46ABGB zu ermitteln (so schon Gschnitzer in Klang/Gschnitzer [Hrsg], Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch IV/12 [1968] 9). Demnach ist grundsätzlich vom Wortlaut der Erklärung auszugehen, es sind aber darüber hinaus alle Umstände einschließlich der redlichen Verkehrsübung heranzuziehen, die Schlüsse auf die Absicht des Erklärenden erlauben. Im Rahmen der Auslegung kann sich daher auch ergeben, dass „eine Erklärung, die ihrem isoliert betrachteten Wortlaut nach eine bloße Wissenserklärung ist, doch einen Rechtsgestaltungswillen dokumentiert“ (F. Bydlinski, ZAS 1976, 84). Gemeint ist mit dieser Aussage, die auch gerne in der Judikatur (RIS-Justiz RS0028344; siehe etwa OGH 3.4.2008, 8 ObA 79/07m) wiedergegeben wird, aber nur, dass sich durch die Auslegung nach § 914 ABGB ergeben kann, dass eine Äußerung, die auf den ersten Blick eine Wissenserklärung zu sein scheint, tatsächlich eine Willenserklärung ist.
Es ist nun genau dieser Schritt – also die Interpretation der Inhalte eines Schreibens, das von den Geschäftsführern eines Unternehmens an die AN versandt wurde –, welcher im vorliegenden Sachverhalt kontrovers ist. Während das Berufungsgericht davon ausgeht, dass die Zusage der Erhöhung der Fahrgebühren für all jene Mitarbeiter:innen, die nicht dem KollV unterliegen, als einseitige Willenserklärung des AG einzuordnen ist, vertritt der OGH (und vor ihm das Erstgericht) die diametral entgegengesetzte Ansicht: Es handle sich dabei um eine reine Wissenserklärung über den Inhalt einer (geplanten) BV.
Letztlich überzeugen die Ausführungen des OGH. Zum einen ist schon der Titel des versandten Schreibens als „Information“ ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Inhalt des Schreibens keine Ansprüche begründen, sondern nur über die bestehende Rechtslage ab einem gewissen Stichtag aufklären soll. Da es in der Belegschaft sowohl AN gibt, die dem KollV unterliegen, als auch AN, die von dessen Anwendungsbereich nicht erfasst sind, erscheint eine derartige Information hilfreich, um einen kompakten Überblick über die Änderungen im Entlohnungsschema der AN zu geben. Im Informationsschreiben wird beispielsweise auf die Rechtslage für die AN, die dem KollV unterliegen, ab dessen Inkrafttreten aufgeklärt. Auch damit soll aber kein eigener Anspruch der AN begründet, sondern nur auf die Inhalte des KollV hingewiesen werden. Auch eine Interpretation aus der Sicht des objektiven Empfängers lässt keine andere Deutung zu, wird doch im Schreiben mehrere Male der in Kürze bevorstehende Abschluss des KollV erwähnt. In diese Lesart lassen sich auch die weiteren Aussagen im Informationsschreiben einordnen, in denen es eben um die Erhöhung der Fahrgebühren für jene Personen geht, die diesem KollV nicht unterliegen. Zwar wird im Schreiben selbst nicht explizit auf eine andere Rechtsquelle (nämlich eine noch abzuschließende BV) als Grundlage dieser Erhöhung hingewiesen, genauso wenig lässt sich jedoch die Formulierung des Textes als einseitiges Angebot zur Änderung des Vertrages deuten. Es handelt sich daher bei dem Informationsschreiben um eine Wissens- und keine Willenserklärung.
Auch die Tatsache, dass die in der Aussendung enthaltene Information – in Bezug auf jene AN, die dem KollV nicht unterliegen – falsch ist, kann nichts an dieser Qualifikation ändern. Laut Informationsschreiben sollen jene AN, die nicht unter die Kollektivvertragserhöhung fallen, im Gegenzug ab 1.10. die Erhöhung um 2,65 EUR erhalten. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Formulierung „im Gegenzug“ bedeute, dass die einen AN den höheren Lohn laut KollV und die anderen parallel dazu die Fahrgelderhöhung erhalten. Die in der Aussendung enthaltenen Aussagen über die Erhöhung der Fahrgebühren für die AN, die nicht dem KollV unterliegen, beziehen sich auf die (irrige) Annahme der Geschäftsführer, dass eine diesbezügliche BV ebenfalls kurz vor dem Abschluss stehe. ME ist die Formulierung aber so zu lesen, dass die Belegschaft bloß über die ab einem Stichtag bestehende Rechtslage – in diesem Fall die Inhalte der BV – aufgeklärt werden soll. Der in Frage stehende Satz, insb die Formulierung „im Gegenzug“, könnte, für sich allein stehend, tatsächlich in beide Richtungen interpretiert werden. Allerdings muss er mE immer im Zusammenspiel mit den anderen Inhalten des Informationsschreibens gelesen werden. Genauso wie die AN über die Erhöhung der Löhne auf Grundlage des KollV aufgeklärt werden sollen, sollen auch jene AN, die diesem nicht unterliegen, über die Erhöhung der Fahrlöhne auf Grundlage der BV informiert werden. Ein sich aus dem Informationsschreiben ergebender direkter Anspruch der AN auf Lohnerhöhungen kann daraus aber keinesfalls abgeleitet werden.
Schließlich argumentiert das Berufungsgericht, dass der Kl auf Grund der Form und Übermittlung des Informationsschreibens auf deren Inhalt vertrauen durfte. Der OGH hält dem entgegen, dass der AN niemals behauptet habe, im Vertrauen auf die Richtigkeit der im Schreiben versprochenen Erhöhung der Reisepauschale disponiert zu haben. Zu untersuchen ist daher, inwieweit das Vertrauen des AN die Abgrenzung von Wissens- und Willenserklärungen beeinflussen kann.
Auf das Vertrauen des Empfängers darf laut F. Bydlinski (ZAS 1976, 84) nur ausnahmsweise abgestellt werden. Ein „undifferenzierter Vertrauensschutz zugunsten des Dienstnehmers“ habe nämlich zur Folge, dass die ursprüngliche Unterscheidung zwischen Willens- und Wissenserklärungen verschwimmt. In Anlehnung an § 871 ABGB kann einer Wissenserklärung dann Erfüllungswirkung zukommen, wenn dem Erklärenden die Wissenserklärung zurechenbar ist und der andere Teil im guten Glauben nachhaltig disponiert hat (so auch Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 863 ABGB Rz 10; Riedler in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar5 [2021] § 863 Rz 8 mwN). An der Zurechenbarkeit der Erklärung besteht im konkreten Sachverhalt kein Zweifel, handelt es sich bei den Geschäftsführern doch um direkte Vertreter des AG (vgl dazu Resch, 47 Inhaltskontrolle im Arbeitsvertrag, in Jabornegg/ Resch/Stoffels, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht [2007] 53 [58]). Da sich in den Sachverhaltsfeststellungen keine Angaben dazu finden, ob der AN schon in Erwartung der Lohnerhöhungen disponiert hat, fehlt daher eine wesentliche Voraussetzung, um das Vertrauen des AN in das von den Geschäftsführern versandte Schreiben schützen zu können. Daher ist auch hier dem OGH rechtzugeben. Das bloße Vertrauen des AN reicht für sich genommen noch nicht aus, um ausnahmsweise aus der Wissenserklärung Rechtsfolgen ableiten zu können.
Die Ausführungen des OGH sind überzeugend. Bei der Abgrenzung von Wissens- und Willenserklärungen ist vom Auslegungsregime der §§ 914 f ABGB auszugehen. Andere Wertungen, etwa die Frage, ob der AN ein gewisses Vertrauen auf den Inhalt der Erklärungen aufgebaut hat, sind im Regelfall nicht zu berücksichtigen. Nur ausnahmsweise kann ein derartiges Vertrauen dazu führen, dass einer reinen Wissenserklärung Erfüllungswirkung zukommt.