12Entlassung gemäß § 82 lit f GewO 1859 ist nicht berechtigt, wenn bisher lediglich andere Dienstpflichtverletzungen abgemahnt wurden
Entlassung gemäß § 82 lit f GewO 1859 ist nicht berechtigt, wenn bisher lediglich andere Dienstpflichtverletzungen abgemahnt wurden
Der bei der Bekl als Wachorgan beschäftigte Kl war für die Überwachung einer Baustelle eines Kunden der Bekl zuständig. Er hatte die Aufgabe, ein- und ausfahrende LKW sowie Arbeiter zu überprüfen. Im letzten halben Jahr vor seiner Entlassung rief er im alkoholisierten Zustand drei- oder viermal seinen Vorgesetzten auf dessen privaten Handy an und bezeichnete alle auf der Baustelle beschäftigten Mitarbeiter des Kunden mit einem Schimpfwort. Nachdem der Kl anschließend in einem Einzelfall in einem Telefonat mit einer Mitarbeiterin dieses Kunden alle Mitarbeiter des Kunden auf dieselbe Weise beschimpft hatte, wurde er von der Bekl entlassen. Etwa zwei Wochen vor diesem Vorfall war der Kl von der Bekl wegen verschiedener Verletzungen von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Dienstübergabe sowie wegen eines ungebührlichen Verhaltens gegenüber seinem Vorgesetzten (aggressives Auftreten) verwarnt worden.
Die Berufungsinstanz stellte zu der von der Bekl ausgesprochenen Entlassung fest, dass das Verhalten des Kl weder die Voraussetzungen der beharrlichen Pflichtverletzung iSd § 82 lit f GewO 1859 noch die einer groben Ehrbeleidigung iSd § 82 lit g GewO 1859 erfüllt.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz zurück.
Laut der Rsp ist unter einer Dienstpflichtvernachlässigung iSd § 82 lit f GewoO 1859 die Nichterfüllung oder nicht gehörige Erfüllung der dem DN aus dem Dienstvertrag, der Arbeitsordnung, dem KollV oder Gesetz treffenden, mit der Ausübung des Dienstes verbundenen und ihm zumutbaren Pflichten zu verstehen. Unter „beharrlich“ ist laut OGH die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des zum Ausdruck gelangenden Willens zu verstehen, die Dienste oder die Befolgung der Anordnung zu verweigern. Nach Ansicht des OGH muss sich die Weigerung daher entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein, dass auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Angestellten mit Grund geschlossen werden kann. Nur im ersten Fall bedarf es einer vorangegangenen Ermahnung oder einer wiederholten Aufforderung zur Dienstleistung bzw Befolgung der Anordnung.
Der OGH führte dazu in seiner Urteilsbegründung weiterhin aus, dass ein AN nicht explizit wegen Vernachlässigung gerade der Pflichten verwarnt worden sein muss, deren Nichteinhaltung dann zur tatsächlichen Entlassung führte. Der Entlassungstatbestand des § 82 lit f GewO 1859§ 82 lit f GewO 1859 erfordert aber, dass der AN in einer dem Ernst der Lage angepassten Weise zur Einhaltung seiner Dienstpflichten aufgefordert wird. Zweck der Ermahnung ist es vor allem, den AN über seine mangelhaften Leistungen in Kenntnis zu setzen, ihn zur Einhaltung seiner 23Pflichten aufzufordern und ihm nochmals Gelegenheit zur Leistungsverbesserung zu geben. Die Ermahnungen/Verwarnungen müssen daher erkennen lassen, auf welches Verhalten des AN sie sich beziehen, in welchen Umständen also der AG die Nichterreichung des Arbeitserfolgs erblickt und welches Verhalten der AG vom AN in Hinkunft verlangt.
Nach Auffassung des OGH musste der Kl im vorliegenden Fall durch die ausgesprochene Verwarnung der Bekl betreffend verschiedener Verletzungen von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Dienstübergabe sowie wegen eines ungebührlichen Verhaltens des Kl gegenüber seinem Vorgesetzten aber (noch) nicht erkennen, dass die Bekl (auch) sein ungebührliches Verhalten gegenüber Mitarbeitern ihres Kunden in keiner Weise toleriert, sondern die Bekl von ihm auch eine anständige Begegnung mit ihren Kunden als Inhalt seiner Dienstpflichten ansieht und verlangt.
Zudem stellte der OGH fest, dass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts vertretbar war, dass die einmalige abfällige Äußerung des Kl über Mitarbeiter des Kunden der Bekl in einem Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin dieses Kunden noch nicht als derart schwerwiegend anzusehen sei, dass es vor Ausspruch der Entlassung keiner Abmahnung bedurft hätte.