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Ruhen einer All-in-Vereinbarung und Elternteilzeit: Berechnung des Verdienstes (Variante 2)

GREGORKALTSCHMID

Der Kl ist seit Oktober 2015 bei der Bekl als Angestellter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangt der KollV für Angestellte der Banken und Bankiers zur Anwendung.

Der von der Bekl formulierte Dienstvertrag enthält ua folgende Bestimmungen:

„6. Arbeitszeit

Die NAZ beträgt 38,5 Stunden pro Woche.

… Es wird davon ausgegangen, dass im Durchschnitt 25 Mehr- und Überstunden pro Monat geleistet werden.

8. Entgelt

8.1 Das monatliche Gesamtentgelt beträgt brutto Euro 7.400.

8.2 Der Dienstnehmer wird in die Beschäftigungsgruppe E und Gehaltsstufe 7 (zweites Verweildauerjahr) eingestuft. Künftige kollektivvertragliche Vorrückungen und Umreihungen sind auf die Überzahlung gegenüber dem kollektivvertraglichen Gehaltsschema anzurechnen.

… 8.5 Mit den bezahlten Entgeltleistungen sind alle Arbeitsleistungen, insbesondere Überstunden, Mehrstunden und Zuschläge, sowie Reise- und Wartezeiten auf Dienstreisen vollständig abgegolten. Alle Parteien gehen davon aus, dass die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen immer eingehalten werden; sollte das ausnahmsweise einmal nicht der Fall sein, sind auch solche Arbeitszeiten im obigen Sinne abgegolten.“

Der Kl bezog zuletzt ein All-in-Gehalt von € 8.028,32 brutto mal 14. Er trat mit 21.5.2020 eine Elternteilzeit gem § 8 VKG zu 30,75 Wochenstunden an.

Die Bekl kürzte für diese Zeit sein All-in-Gehalt auf € 5.280,66 brutto monatlich, davon € 2.873,58 als Grundgehalt gem § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG, und teilte ihm mit, dass während der Elternteilzeit tatsächlich anfallende Mehr- und Überstunden einzeln verrechnet würden.

Der Kl begehrt die Differenz auf ein monatliches Gehalt von € 6.412,23 brutto. Das Herausrechnen von Mehr- und Überstundenentgelt aus dem All-in-Gehalt sei unzulässig, weil keine Überstundenpauschale vereinbart worden sei, sondern mit dem Gehalt auch andere Leistungen abgegolten worden seien. Die tatsächliche Erbringung von Überstunden habe in der Vergangenheit überhaupt keine Rolle gespielt.

Die Bekl wandte ein, der Dienstvertrag sehe vor, dass mit dem überkollektivvertraglichen Grundgehalt 25 Mehr- und Überstunden abgegolten werden. 29Während der Elternteilzeit könne der Kl gesetzlich nicht zu Überstundenarbeit verpflichtet werden, sodass die Grundlage für eine anteilige Fortzahlung des dafür gewidmeten Pauschalentgelts wegfalle.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit € 1.806,67 brutto teilweise statt und wies das Mehrbegehren ab. Während der Elternteilzeit könne die Bekl vom Kl die vereinbarte Mehr- und Überstundenarbeit nicht mehr verlangen, sodass das arbeitsrechtliche Synallagma gestört wäre, wenn sie weiterhin anteilig Entgelt dafür entrichten müsste. Da im von der Bekl formulierten Dienstvertrag keine Angabe des Grundgehalts und keine Gewichtung des Überstundenanteils und der sonstigen mit dem Pauschale abgegoltenen Leistungen enthalten seien, komme nach § 915 ABGB nur die für den Kl günstigste Berechnungsvariante mit dem niedrigstmöglichen, dem kollektivvertraglichen Mindestentgelt entsprechenden Ansatz für die herauszurechnenden Mehr- und Überstunden in Frage.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kl erhobenen Berufung keine Folge und billigte die rechtliche Begründung des Erstgerichts.

Der OGH ließ die Revision des Bekl zu, gab ihr aber keine Folge.

Dazu führte er aus:

„…

[31] 4. Der OGH hat sich jüngst in der Rechtssache 9 ObA 83/22d [siehe dazu: Ruhen einer All-in-Vereinbarung und Elternteilzeit zu 9 ObA 83/22d in diesem Heft] der Auffassung angeschlossen, dass während der Elternteilzeit bei All-in-Vereinbarungen (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts ruht, der über das Grundentgelt hinaus für die Leistung von Mehr- und Überstunden bezahlt wird. Tatsächlich dann während der Elternteilzeit geleistete Mehr- und Überstunden sind im Wege der Einzelverrechnung abzugelten.

[32] Maßgeblich ist danach der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS-Justiz RS0014160; RS0113932; RS0014205). Würden im Dienstvertrag die Anzahl der Mehr- und Überstunden festgehalten, die mit dem jeweiligen Gehalt abgegolten werden, ist die All-in-Vereinbarung so zu verstehen, dass diese von ebenfalls pauschal abgegoltenen weiteren Mehrleistungen und sonstigen Bezügen abgrenzbar und ausreichend bestimmt sind.

[33] 5. Die hier zu beurteilende All-in-Klausel unterscheidet sich vom Anlassfall der Entscheidung 9 ObA 83/22d insoweit, als nicht eine bestimmte Anzahl von monatlichen Überstunden als im Fixgehalt inkludiert bezeichnet wurde, sondern die Formulierung lautet, es werde „davon ausgegangen, dass im Durchschnitt 25 Mehr- und Überstunden pro Monat geleistet werden“.

[34] Die Interpretation der Vorinstanzen, dass auch diese Formulierung objektiv betrachtet so verstanden werden muss, dass Überstunden in diesem Ausmaß vom AG verlangt werden können, bei Bedarf zu leisten sind und mit dem Fixgehalt pauschal abgegolten werden, ist schlüssig und nicht rechtsirrig.

[36] Es verbleibt damit die Frage, welcher Teil des Gesamtentgelts auf die zeitlichen Mehrleistungen anzurechnen ist.

[37] Bis zur Höhe des Mindestentgelts ist eine für 25 Mehr- und Überstunden gebührende Entlohnung eindeutig betraglich bestimmbar, weil die Streitteile im Dienstvertrag davon gar nicht wirksam nach unten abweichen hätten können.

[38] Im Ergebnis verbleibt dem Kl durch das Herausrechnen (nur) des niedrigstmöglichen, dem Mindestlohn entsprechenden Überstundenpauschales aus dem All-in-Gehalt seine gesamte kollektivvertragliche Überzahlung auch als Basis für das aliquote Teilzeitentgelt.

[41] 7. Der Umstand, dass das All-in-Gehalt des Kl inklusive des Entgelts für 25 monatliche Mehr- und Überstunden überkollektivvertraglich war, ist offenkundig und unstrittig. Das Gleiche gilt für das ermittelte Teilzeitentgelt.

[42] 8. Der Revision des Kl war daher nicht Folge zu geben.“

Anmerkungen:

Auch bei All-in-Vereinbarungen ist das Teilzeitentgelt während einer Elternteilzeit ohne den Anteil für zeitliche Mehrleistungen zu berechnen, falls dieser betragsmäßig bestimmbar ist.

In den Erläuterungen zu Ruhen einer All-in-Vereinbarung bei Elternteilzeit und Berechnung des Verdienstes (Variante 1) in diesem Heft wird die Behandlung von Überstundenpauschalen im Vergleich zu unterschiedlichen Varianten von All-in-Vereinbarungen beleuchtet.