24Keine Geschäftsführerhaftung für Verzugszinsen bei Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge an die Insolvenzmasse
Keine Geschäftsführerhaftung für Verzugszinsen bei Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge an die Insolvenzmasse
Die Revisionswerberin war von 19.10.2007 bis 10.4.2012 (gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer) vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführerin einer GmbH. Über das Vermögen der GmbH wurde mit Gerichtsbeschluss vom 21.6.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet und letztlich mit Beschluss vom 21.12.2015 nach Schlussverteilung mit einer Quote von 9,4 % rechtskräftig aufgehoben. Die Revisionswerberin hatte die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeiträume April bis inklusive November 2011 an den zuständigen Sozialversicherungsträger (damals die steirische Gebietskrankenkasse [GKK]) gezahlt. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde die Zahlung 43erfolgreich angefochten und die geleisteten Beiträge am 15.7.2015 an die Insolvenzmasse rückerstattet.
Daraufhin erließ die GKK am 4.5.2016 einen Bescheid mit Rückstandsausweis iHv € 100.093,51 und sprach aus, dass die Revisionswerberin die aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren seit Fälligkeit (weiterhin) schulde. Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde beim BVwG, welches die Beschwerde als unbegründet abwies.
Das BVwG stellte dabei fest, dass die Revisionswerberin im November und Dezember 2011 insgesamt € 105.145,90 an die GKK gezahlt und diese die Zahlung angenommen habe. Die Leistung sei vom Masseverwalter im Insolvenzverfahren erfolgreich angefochten und die GKK letztlich verpflichtet worden, den Betrag an die Insolvenzmasse zu refundieren. Rechtlich führte das BVwG aus, dass die Voraussetzungen für die Haftung gem § 67 Abs 10 ASVG gegeben seien, weil die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden durch den Primärschuldner vorliege, diese ziffernmäßig bestimmt seien und eine schuldhafte Verletzung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch die Revisionswerberin vorliege, welche kausal für die Uneinbringlichkeit gewesen sei.
Die Revisionswerberin erhob außerordentliche Revision und brachte vor, dass das BVwG zu Unrecht Verzugszinsen zuerkannt habe, obwohl die Beiträge ursprünglich zur Gänze bezahlt und von der Behörde erst in Erfüllung der Anfechtungsentscheidung am 15.7.2015 rückerstattet worden waren. Es sei bis dahin jedenfalls kein Verzug vorgelegen, sondern die GKK habe das Geld zur Verfügung gehabt. Darüber hinaus liege eine „Judikaturdivergenz“ betreffend der Geschäftsführerhaftung bei einer nachträglich erfolgreich angefochtenen Beitragszahlung vor.
Der VwGH hält fest, dass die Revision aufgrund des erstgenannten Grundes hinsichtlich der vom Erstgericht zuerkannten Verzugszinsen zulässig und auch begründet ist. Nach Rsp des VwGH umfasst die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs 10 ASVG auch die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugszinsen, wenn die Beiträge iSd § 59 Abs 1 ASVG nicht (fristgerecht) gezahlt werden. Das Institut der Verzugszinsen hat dabei keinen pönalen Charakter bzw ist keine Sanktion für eine schuldhafte Zahlungsverspätung, sondern beruht auf bereicherungsrechtlichen Gedanken und dient der Vorteilsausgleichung.
Demnach ist das Vorbringen der Revisionswerberin berechtigt und sie in ihren Rechten verletzt, wenn ihr Verzugszinsen (auch) für den – sich von der vorläufigen Zahlung der Beiträge (laut Feststellungen im November und Dezember 2011) bis zur Rückerstattung nach erfolgreicher Anfechtung (am 15.7.2015) erstreckenden – Zeitraum auferlegt werden. Ein Zuspruch für Verzugszinsen kommt für jenen Zeitraum grundsätzlich nicht in Betracht, in denen der Versicherungsträger ohnehin die zunächst gezahlten Beiträge zu seiner Verfügung hatte. Es bedarf in diesem Fall nach Ansicht des VwGH keines wirtschaftlichen Äquivalents zum Ausgleich eines Zinsverlustes der GKK bzw eines Zinsvorteils der GmbH. Würden für den Zeitraum dennoch Verzugszinsen zugesprochen werden, würde dies zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der GKK führen.
Das BVwG wird nach Ansicht des VwGH daher im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, in Bezug auf welche fälligen und rückständigen Beiträge jeweils für welche Zeiträume der GKK Verzugszinsen iSd Rechtsausführungen des VwGH zustehen.