Rechtsprobleme im Zusammenhang mit Gleitzeit und der pauschalen Abgeltung von Überstunden

MICHAELGOGOLA /CHRISTIANDUNST
1..
Die Grundlagen des österreichischen Arbeitszeitrechts

Bereits in seiner Stammfassung BGBl 1969/461 verfolgte das Arbeitszeitgesetz (AZG) das Ziel der Schaffung eines modernen Arbeitszeitrechts unter Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf 40 Stunden.* Bis heute legt das AZG Grenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit fest und setzt sich im Wesentlichen aus öffentlich-rechtlichen Normen zusammen, deren Einhaltung staatlich überwacht und gegebenenfalls mittels Sanktionen durchgesetzt wird. Im Kern verfolgt das AZG somit den Gedanken des AN- bzw Gesundheitsschutzes.*

Jedoch enthält es in seinem Abschnitt 6a auch vertragsrechtliche Bestimmungen, die hinsichtlich ihres Geltungsbereiches von jenen der öffentlich-rechtlichen Regelungen bereits insofern abweichen, als sie grundsätzlich „für Arbeitsverhältnisse aller Art“ (§ 19b Abs 1 AZG) gelten. Im Hinblick auf das AZG lassen sich somit ein öffentlich-rechtlicher und ein vertragsrechtlicher Teil unterscheiden. Die Aufgabe der vertragsrechtlichen Bestimmungen des AZG liegt Heilegger* zufolge in erster Linie darin, das Weisungsrecht des/der AG einzuschränken und für die Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestimmte Richtlinien aufzustellen, von denen nur zugunsten des/der AN abgegangen werden kann.

Wie Risak* betont, treten neben den Schutzgedanken des AZG jedoch auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen – iS einer Umverteilung von Arbeit – und kommt der gesetzlichen Eingrenzung der Arbeitszeit insb auch freiheitsbegründende Wirkung zu, da so den Arbeitenden die Möglichkeit gegeben wird, ihre auf diese Weise entökonomisierte Zeit anders als für die Arbeit zu nutzen, nämlich vor allem zur Selbstverwirklichung. Gerade hierin ist wohl der fortschrittliche Charakter der im AZG vorgenommenen Arbeitszeitbegrenzung zu erblicken.

Im Nachgang der mit dem Inkrafttreten des AZG umgesetzten Arbeitszeitverkürzung und -begrenzung setzte jedoch sukzessive eine gegenläufige Entwicklung ein, die sich vor allem auf eine Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitszeitrechts richtet.* Zuletzt entschied sich die Gesetzgebung im Zuge der Novelle BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53 zu einer Anhebung der zulässigen Höchstarbeitszeitgrenzen und weiteren Flexibilisierungsschritten wie Möglichkeiten zur Ausdehnung der Normalarbeitszeit bei Gleitzeit sowie zur Verkürzung der Ruhezeiten im Gastgewerbe, was gerade vor dem Hintergrund des vom AZG verfolgten Schutzgedankens in besonderem Maße kritikwürdig erscheint.*

2..
Die Gleitzeit, ihre Voraussetzungen und ihre Wirkung

Mit der Novelle BGBl I 1994/446 wurde ein zwar in der Praxis bereits gelebtes, in rechtlicher Hinsicht allerdings noch nicht geregeltes Arbeitszeitinstrument gesetzlich verankert, indem Gleitzeit nunmehr auf eine rechtliche Grundlage gestellt wurde. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte erfuhr selbige nicht unwesentliche Modifizierungen vor allem durch die Novellen BGBl I 2007/64BGBl I 2007/64 und zuletzt durch BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53. Diese Änderungen betrafen vor allem neue Regelungen in Richtung eines eigenen Betriebsvereinbarungstatbestandes zur Einführung der Gleitzeit – bei Fehlen eines BR auch die Einführung mittels Einzelvertrages – und zuletzt uA die nicht unbedenkliche Ausweitung der zulässigen täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden.

§ 4b Abs 2 AZG legt dabei vier Parameter als Mindestinhalt fest, ohne die eine Gleitzeit(betriebs)vereinbarung nicht wirksam geschlossen werden kann.* Das Modell der Gleitzeit ist dem Grunde nach auf die zeitliche Souveränität der AN ausgerichtet, indem innerhalb der vereinbarten Rahmen60bedingungen Beginn und Ende der täglichen Normalarbeitszeit selbst bestimmt werden können. Probleme bereiten insb jene Fallkonstellationen, in denen die für die Gleitzeit konstitutive Selbstbestimmtheit der eigenen Arbeitszeitgestaltung durch einen Eingriff des/der AG durchbrochen wird. Einerseits kann dies durch Kern-(bzw Soll-)Arbeitszeiten geschehen, die per se eine Anwesenheitsverpflichtung mit sich bringen oder aber im Rahmen der Anordnung von Arbeitsleistungen. Dabei geht es einerseits um die Abgrenzung, wie viel an Einschränkung der zeitlichen Souveränität seitens des/der AN ein Gleitzeitmodell vertragen kann und andererseits, inwieweit Eingriffe in diese zu einer anderen Bewertung der Arbeitsleistung iS von Mehr- und Überstunden führen können.

Gerade der Aspekt der zeitlichen Souveränität der AN im Rahmen der Gleitzeit wird von Jöst* besonders stark betont und idZ die sogenannte „25-Prozent-Regel“ aufgestellt, wonach bei einer zugelassenen Normalarbeitszeit von zehn Stunden pro Tag (von Jöst als „Basis-Gleitzeitmodell“ bezeichnet) das sich im Vergleich zur gesetzlichen Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag ergebende Mehr an täglicher Normalarbeitszeit jedenfalls dem zeitlichen Selbstbestimmungsrecht des/der AN zufallen müsse (10 : 8 Stunden). Im Basis-Modell müssten somit zumindest zwei Stunden und damit 25 % der Normalarbeitszeit durch den/die AN verfügt werden können, eine darüber hinausgehende Begrenzung der Gleitmöglichkeit sei nicht zulässig und so dürfe etwa auch eine Kernzeit maximal 75 % der fiktiven Normalarbeitszeit betragen, im Basis-Modell daher maximal sechs Stunden.

Im Rahmen der Arbeitszeitnovelle 2018 wurde in § 4b Abs 4 AZG die Möglichkeit der Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden eingeführt, soweit die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Jöst* passt vor diesem Hintergrund die „25-Prozent-Regel“ des Basis-Modells an das zwölfstündige Gleitzeitmodell („erweitertes Modell“) an. Bei diesem müsse derselben Logik folgend die Selbstbestimmungsmöglichkeit des/der AN zumindest 50 % betragen (12 : 8 Stunden), somit dürfe die Kernzeit maximal vier Stunden umfassen.

Wenngleich die von Jöst entwickelten Regeln im Hinblick auf den Aspekt der zeitlichen Souveränität der AN einen guten Ansatzpunkt darstellen, stellt sich die Frage, ob sie auch als weitgehend genug anzusehen sind. § 4b Abs 1 AZG ist uE dahingehend zu lesen, dass eine Dispositionsmöglichkeit über Beginn und Ende (jedoch nicht: Beginn oder Ende) der Arbeitszeit gemeint ist. Dies erscheint umso wesentlicher, als die Möglichkeit des ganztägigen Zeitausgleichs lediglich beim zwölfstündigen Gleitzeitmodell eine Voraussetzung bildet. Dass bei diesem die zeitliche Selbstbestimmtheit des/der AN in wesentlich größerem Ausmaß zu gewährleisten ist, erscheint innerhalb der von Jöst angestellten Überlegungen folgerichtig, führt jedoch zum etwas paradox wirkenden Ergebnis, dass, soll ein möglichst großes Ausmaß an zeitlicher Selbstbestimmtheit gewährleistet werden, ein möglichst umfangreiches Gleitzeitmodell gewählt werden muss.

3..
Gleitzeit und Überstunden

Grundsätzlich definiert § 6 AZG, wann Überstunden vorliegen. Dies ist stets dann der Fall, wenn die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit (iSd § 3 Abs 1 AZG) überschritten wird. Anders bei Gleitzeit, wo unter der Voraussetzung der Selbstbestimmtheit und damit weitreichender Zeitsouveränität des/der AN bis zu zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich an Normalarbeitszeit zulässig sein können. Gerade für die in diesem Beitrag noch zu behandelnden Fälle der Kombination von Pauschalvergütungsmodellen mit Gleitzeit ist die Klärung der Frage des Entstehens von Überstunden in diesem Modell – entgegen der Ansammlung von reinen Normalarbeitszeit-Gutstunden – essentiell.

Von den in § 4b AZG festgelegten Parametern bzw Grundvoraussetzungen der Gleitzeitvereinbarungen kommt insb der Dauer der Gleitzeitperiode besondere Bedeutung hinsichtlich des Entstehens von Überstunden zu, ist sie doch jener Zeitraum, innerhalb dessen ein Ausgleich von Zeitguthaben und Zeitschulden iS einer Durchrechnung erfolgen soll und am Ende desselben auch die Überstundenfrage steht. Für die Frage, in welchem täglichen zeitlichen Band die Arbeitsleistung – und damit Erwerb und Verbrauch von Gutstunden – überhaupt möglich sein soll, ist der Gleitzeitrahmen von besonderer Bedeutung. Außerhalb desselben erbrachte Arbeitsleistungen sind per se nicht mehr „normalarbeitszeitfähig“ und mangels einer anderen Kategorisierungsmöglichkeit von Arbeitsleistungen als Überstunden anzusehen. Wie bereits oben erwähnt, wird die Dauer der Gleitzeitperiode durch ein Höchstausmaß von Zeitguthaben und Zeitschulden allfälliger Übertragungsmöglichkeiten als drittes Element einer gültigen Gleitzeitvereinbarung ergänzt.

Schwieriger zu klären und im gegebenen Zusammenhang von besonderem Interesse ist die Festmachung jener Überstunden, die innerhalb der an sich normalarbeitszeitfähigen Gleitzeit-Rahmenbedingungen entstehen, weil eine Durchbrechung der Zeitsouveränität mittels Anordnung von DG-Seite oder der Erbringung von notwendigen Über61stundenleistungen erfolgt ist. Hinsichtlich des Eingriffs des/der AG in die Zeitsouveränität der AN durch Anordnung von Arbeitsleistungen bei Gleitzeit wurde im Zuge der AZG-Novelle 2018, wie Felten* schreibt, nun eine „Klarstellung“ durch die Einführung des § 4b Abs 5 AZG getroffen. Dieser legt fest, dass, wenn der/die AG Arbeitsstunden anordnet, die über die gesetzliche tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit (§ 3 Abs 1 AZG) hinausgehen, diese als Überstunden gelten.

Innerhalb bereits im Rahmen der Gleitzeitvereinbarung festgelegter Kernzeiten ist uE wohl nicht davon auszugehen, dass Überstunden entstehen können, da der/die AN zu diesen Zeiten jedenfalls zu arbeiten gehabt hätte. Eine Durchbrechung der Zeitsouveränität liegt in diesem Fall in der Regel also nicht vor.* Denkbar wäre dies lediglich dann, wenn die wöchentliche Normalarbeitszeit gem § 3 Abs 1 AZG bereits überschritten wurde und sodann die Regelung des § 4b Abs 5 AZG greift.

Risak* argumentiert mit Verweis auf den Wortlaut des § 4b Abs 5 AZG, es komme nicht auf die Lage der Arbeitszeit (ob also angeordnete Stunden innerhalb oder außerhalb der fiktiven Normalarbeitszeit liegen), sondern bloß auf deren Volumen an. Führen angeordnete Stunden – unabhängig von deren Lage innerhalb des Arbeitstages – zu einer Überschreitung der gesetzlichen Normalarbeitszeit, handle es sich dabei nach dieser Sichtweise um Überstunden.

Teilweise wurde in diesem Zusammenhang in der älteren Literatur* (also vor der Novelle 2018) vertreten, dass der fiktiven Normalarbeitszeit eine bedeutende Rolle zukomme, nunmehr soll die Überstundenthematik rein über § 4b Abs 5 AZG gelöst werden. Gerade vor dem Hintergrund der für die Gleitzeit konstitutiven Zeitsouveränität der Beschäftigten lässt sich jedoch fragen, ob mit der Bestimmung des § 4b Abs 5 AZG zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Überstunden in der Gleitzeit ausschließlich bei Überschreitung der gesetzlichen Normalarbeitszeiten entstehen können, oder ob vielmehr lediglich klargestellt werden sollte, dass bei Überschreitung der Normalarbeitszeit gem § 3 Abs 1 AZG jedenfalls Überstunden anfallen.

Es gibt gute Gründe, die fiktive Normalarbeitszeit auch im Zusammenhang mit der Entstehung von Überstunden als relevant anzusehen. Vor allem in jenen nicht selten anzutreffenden Konstellationen, in denen die zeitliche Souveränität des/der AN durch eine Anordnung von Arbeitsleistungen von DG-Seite durchbrochen wird, die fiktive Normalarbeitszeit bereits überschritten, das Arbeitsvolumen von acht Stunden pro Tag aber noch nicht erreicht wurde (etwa bei späterem selbstgewählten Arbeitsbeginn), stellen sich zahlreiche Fragen.

Wird das Ende der fiktiven Normalarbeitszeit überschritten, entstünden noch keine Überstunden (bei Anordnung von Arbeitsleistungen innerhalb des Tagesvolumens iSd § 3 Abs 1 AZG) und müssten diese Stunden wohl als nicht selbst bestimmte Normalarbeitszeit außerhalb der fiktiven Normalarbeitszeit angesehen werden. Dies ist insofern problematisch, als Überstundenarbeit eben noch nicht vorliegt, und damit auch kein „Ablehnungsrecht“ in Form berücksichtigungswürdiger Interessen iSd § 6 Abs 2 AZG gegeben ist. Im Rahmen der Normalarbeitszeit könnten AN lediglich Dienstverhinderungsgründe geltend machen, wobei diese einer qualifizierteren Begründung bedürfen als berücksichtigungswürdige Interessen bei Überstundenleistungen, entgegen der Intention des § 4b Abs 3 Z 4 AZG.

Nicht zuletzt ist die Durchbrechung der zeitlichen Souveränität im Rahmen der Gleitzeit besonders problematisch, können damit, ohne weitere Konsequenzen befürchten zu müssen, Arbeitsleistungen bis zu acht Stunden pro Tag – bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit – angeordnet werden.

In dieser Hinsicht trifft § 4b Abs 5 AZG keine abschließende Feststellung des Entstehens von Überstunden. Vieles spricht dafür, dass bei einem Eingriff des/der AG in das zeitliche Selbstbestimmungsrecht der AN durch die Anordnung von Arbeitsstunden zu Zeiten, in denen der/die AN ansonsten nicht gearbeitet hätte, Überstunden entstehen. Dabei sind die Grenzen der fiktiven Normalarbeitszeit ebenso maßgebend wie die Neuregelung in § 4b Abs 5 AZG.

4..
Pauschalentlohnung

In der arbeitsrechtlichen Praxis finden Pauschalentlohnungssysteme immer häufiger Anwendung. Waren sie ursprünglich für „leitende Angestellte“ iwS gedacht, finden wir sie heute in einer Vielzahl von Standardverträgen entweder als echte oder unechte Überstundenpauschale oder aber als All-In-Vertrag, dessen entgeltrechtliche Wirkung nicht nur auf Mehr- und Überstunden beschränkt sein kann. So können daneben auch Reise- und Bereitschaftszeiten, Zuschläge, mitunter auch Sonderzahlungen, nicht aber Urlaubsentgelt oder Urlaubsersatzleistung abgegolten sein.*

Gemeinsam ist derartigen Systemen, dass sie häufig unter einem hohen Maß an Intransparenz leiden, 62weshalb der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl I 2015/152BGBl I 2015/152 unter dem Titel „Entgelt bei Pauschalvereinbarungen“ darauf reagiert und die Angabe des für die Berechnung von Entgeltbestandteilen zugrundeliegenden Grundlohns gesetzlich verankert hat. Bei Fehlen desselben soll zwingend der orts- und branchenübliche Grundlohn zugrunde gelegt werden. Obwohl diese Regelung nur für nach der Novelle abgeschlossene All-In-Verträge Anwendung findet, zeigt die Beratungspraxis, dass auch Altverträge im Lichte der Neuerungen Änderungen erfahren haben, meist jedoch unter Zugrundelegung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes.

Aber nicht nur die oftmals fehlende Bezugsgröße Gehalt – insb bei Altverträgen – ist für die den Pauschalvergütungen häufig innewohnende Intransparenz verantwortlich. Hinzu kommt, dass innerhalb eines vereinbarten Zeitraumes – bei Fehlen einer Vereinbarung wird von der Judikatur ein Jahr als angemessen erachtet – der/die AG von der Bezahlung von Überstunden „entbunden“ ist und erst im Rahmen einer dann zwingend durchzuführenden Deckungsprüfung ein Vergleich der geleisteten Arbeitsstunden mit den geleisteten Entgelten erfolgt.* Die Konsequenz aus der Nichtbeachtung dieser Abrechnungsverpflichtung liegt darin, dass vor diesem Zeitpunkt (Deckungsprüfung) ein Verfall von Ansprüchen daraus nicht eintreten kann und bis zum Vorliegen einer entsprechenden Abrechnung die zustehende Abgeltung als gestundet gilt. Am Rande erwähnt seien in diesem Zusammenhang auch die – teils erheblichen – verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen nach § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG). AG sind also gut beraten, die Deckungsprüfung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

4.1..
Neuerungen durch die AZG-Novelle 2018

Insb mit Blick auf die Frage, wo die Grenzen einer zulässigen pauschalen Abgeltung liegen, hier vor allem im Hinblick auf „unzulässige Überstunden“, wurde von der Judikatur* wiederholt klar Stellung bezogen. Zusammenfassend betrachtet, können über die Höchstgrenzen hinaus erbrachte Überstunden ebenfalls durch ein Pauschale gedeckt sein, es bedarf dazu jedoch eines ausdrücklichen Parteiwillens, welcher im Zweifel nicht anzunehmen ist.* Allerdings erscheint fraglich, ob eine Vereinbarung, wonach unzulässige – und mit verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion belegte – Arbeitsstunden in die Abgeltung einbezogen werden, tatsächlich rechtswirksam geschlossen werden kann. Schon der Übung des redlichen Verkehrs folgend können derartige Stunden wohl kaum Gegenstand einer Einzelvereinbarung sein, weshalb die inhaltliche Richtigkeit der E des OLG insgesamt hinterfragenswert erscheint.

Im Lichte der neuesten und wohl auch bislang massivsten Eingriffe in das AZG durch die Novelle BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53 haben auch Pauschalentlohnungen eine zumindest mittelbare Einschränkung erfahren. Die Ausweitung der Höchstgrenzen der Arbeitszeit auf zwölf Stunden täglich und bis zu 60 Stunden wöchentlich wurde flankierend mit Maßnahmen zur Sicherstellung der Freiwilligkeit ausgestattet. So können AN, die wegen der Ablehnung der Leistung von Überstunden, die die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschreiten, gekündigt werden, die Kündigung bei Gericht anfechten, und es wird den AN gem § 10 Abs 4 AZG eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Abgeltung solcher Stunden in Geld oder mittels Zeitausgleich eingeräumt. Zwar ist die Wirksamkeit dieser gesetzlichen Festlegungen angesichts des typischerweise im Arbeitsverhältnis bestehenden wirtschaftlichen Ungleichgewichts als eher überschaubar anzusehen, dennoch hat vor allem die Wahlmöglichkeit mittelbare Auswirkungen auf Pauschalvergütungsmodelle.

Durch die erwähnte Novelle mit der nunmehr generellen Ausweitung der zulässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit wurden im Grunde zwei verschiedene Kategorien von Überstunden eingeführt. Während Überstunden bis zu zehn Stunden am Tag und 50 Stunden in der Woche einer Begründung ihrer Ablehnung bedürfen und mittels Einzelvereinbarung oder KollV darüber disponiert werden kann, ob die Abgeltung der Überstunden in Form von Zeit oder Geld erfolgt, ist dies bei darüber hinausgehenden Stunden gänzlich anders. Gerade das im Falle ihrer Leistung den AN zustehende – einseitige – Wahlrecht, ob derartige Stunden in Geld oder in Zeit zu vergüten sind, haben für All-In-Vereinbarungen und Überstundenpauschalen erhebliche Auswirkungen.

Die jedenfalls einseitig zwingende und unabdingbare Bestimmung des § 10 Abs 4 AZG legt fest, dass dieses Wahlrecht möglichst frühzeitig, spätestens am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraumes auszuüben ist. Der frühestmöglich denkbare Zeitpunkt ist in dieser Hinsicht wohl jener der Überstundenleistung selbst und somit ist auch davon auszugehen, dass dieses Wahlrecht für jede einzelne Stunde in dieser Kategorie gesondert zusteht.* Folgte man der Rechtsansicht, derartige Überstunden vorweg in einer Pauschale abgelten zu können, führt dies zwangsläufig zur Umgehung des Wahlrechts und dieses würde sohin ins Leere laufen.* Wäre etwa im Rahmen von All-In-Vereinbarungen eine vertragsrechtlich vereinbarte Einbeziehung der 11. und 12. Stunde bzw jener Arbeitszeiten über 50 Wochenstunden zulässig, hätte dies eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zur Folge: Jene, die von ihrem Wahlrecht 63der Abgeltung in Zeit im Rahmen von Pauschalvergütungssystemen Gebrauch machen, wären gegenüber jenen, die eine geldwerte Vergütung verlangen, bevorteilt – da wohl eine „doppelte“ Abgeltung in Zeit und in Geld in Form der Pauschalvergütung erfolgen müsste. Nicht unberücksichtigt bleiben soll auch die Regelung des § 7 Abs 6 AZG, der bei Ablehnung derartiger überlanger Arbeitszeiten nicht nur die Anfechtung einer allenfalls ausgesprochenen Kündigung erlaubt, sondern darüber hinaus ein Benachteiligungsverbot, vor allem hinsichtlich des Entgelts, vorsieht. Damit erscheint nicht nur bei Weigerung zur Leistung derartiger Überstunden eine Kürzung des Pauschalentgelts unzulässig, sondern auch im Umkehrschluss eine unterschiedliche Behandlung jener AN, die von ihrem Wahlrecht in dem Sinne Gebrauch machen, dass sie eine Abgeltung in Zeit wünschen. Daher ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Abgeltung von Überstunden der 11. und 12. Tagesarbeitsstunde auch für jene AN zusätzlich – also neben dem bestehenden Pauschale – erfolgen muss, die sich im Rahmen ihres Wahlrechts gegen eine Abgeltung in Zeit und für eine Abgeltung in Geld entscheiden.* Nicht zuletzt kann dem Bestehen von Ablehnungs- und Wahlrecht für die Abgeltung der 11. und 12. Tagesarbeitsstunde (bzw bei Überschreitung von 50 Wochenarbeitsstunden) wohl auch ein Wunsch der Gesetzgebung nach einer Einschränkung überbordender Arbeitszeiten entnommen werden. Vieles spricht daher für eine Begrenzung von Pauschalen auf das frei verfügbare Feld von bis zu zehn Stunden täglich und 50 Stunden wöchentlich.

5..
Gleitzeit und Systeme der Pauschalentlohnung

Ein im arbeitsrechtlichen Alltag immer wieder hervortretendes Problem ist die Kombination von Gleitzeitvereinbarungen und Pauschalentlohnungssystemen. Beispiele, die auch in der Literatur* vertreten sind, legen nahe, dass eine Art „Aufrechnung“ jener mit der Pauschale abgedeckten Stunden möglich sein soll. In der Praxis werden damit oftmals am Beginn einer Gleitzeitperiode die im Pauschale abgedeckten Stunden dem Gleitzeitkonto als Minus vorgeschrieben und erst nach Erreichen eines positiven Saldos der Erwerb von Guthaben an Normalarbeitszeit ermöglicht und damit zum „Gleiten“ berechtigt. Vor allem bei All-In-Vereinbarungen ist oftmals die gänzliche Streichung von bereits erwirtschafteten Guthaben unter Berufung auf die bestehende Überzahlung zu bemerken – selbstbestimmtes Gleiten wird so beinahe verunmöglicht.

Gleich ist allen hier in der Praxis anzutreffenden Systemen der immanente Wunsch, neben der Überzahlung nicht auch noch großzügigere Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Zeit aus angesparten Guthaben heraus zu ermöglichen. Die Gefahr, hier nicht nur die Gleitzeitvereinbarung selbst zunichte zu machen, sondern im Ergebnis noch zusätzliche Ansprüche vergüten zu müssen, ist dabei groß. In Summe gesehen ist, wie bereits oben näher erläutert, auch im Rahmen der Gleitzeit klar, wann, wo und wie Überstunden entstehen können. Auch die neue Regelung in § 4b Abs 5 AZG, die darauf verweist, wann jedenfalls Überstunden entstehen, geht selbst davon aus, dass Normalarbeitszeit – ebenso Guthaben an Normalarbeitszeit im Rahmen der Gleitzeit – und Überstunden jedenfalls unterschiedliche Grundlagen haben und dementsprechend auch nicht vermengt werden dürfen.

Gleitzeit und Pauschalentlohnungssysteme können nach der hier vertretenen Ansicht zwar grundsätzlich nebeneinander bestehen, die gesetzlich vorgegebenen Rahmenbedingungen dieses Arbeitszeitmodells iSd § 4b AZG müssen aber jedenfalls eingehalten werden. Im Kern geht es um die Arbeitszeit-Souveränität auf AN-Seite.

Wird etwa, wie oft praktiziert, dem Gleitzeitkonto (etwa im Rahmen einer Überstundenpauschale von 20 Stunden) ein Minussaldo vorangestellt, nach dessen Einarbeitung erst Guthaben an Normalarbeitszeit erwirtschaftet werden können, ist die zeitliche Souveränität de facto kaum mehr gegeben. Im Rahmen des Modells 10/50 würde ein/e AN im Rahmen einer erhöhten Normalarbeitszeit-Verpflichtung wohl einige Zeit an der Aufarbeitung dieser Stunden arbeiten müssen. Das Fehlen von Gutstunden (etwa wenn nur aufgebaute positive Gleitzeit-Guthaben gemäß Vereinbarung verbraucht werden können) schließt in diesem Sinne eine selbstbestimmte Gestaltung von Beginn und Ende der täglichen Normalarbeitszeit – zumindest bis zum Abbau des negativen Zeitsaldos – aus und führt im Ergebnis dazu, dass lediglich die zeitliche Lage des Beginns, nicht aber des Endes im Rahmen einer allfälligen Kernzeitvereinbarung frei gewählt werden könnte. Das tägliche Ausmaß der Arbeitszeit muss aber jedenfalls ein solches sein, das dem Ausmaß der täglichen fiktiven Normalarbeitszeit entspricht, sonst entstünden „Minusstunden“* im Rahmen der Gleitzeit. Als Ergebnis dieser Überlegungen liegt in derartigen Fällen 64kein Gleitzeitmodell iSd § 4b AZG mehr vor, weshalb § 3 AZG zur Anwendung kommt.*

Ein weiterer Aspekt, der hier Beachtung finden muss, besteht in der unterschiedlichen Rechtsnatur von Normalarbeitszeit und Überstundenarbeit. Während erstere der vertraglichen Grundvereinbarung unterliegt, ist zweitere jedenfalls einer eigenen Kategorie zuzuordnen, besonders gekennzeichnet durch die Verpflichtung, der Überstundenanordnung entgegenstehende berücksichtigungswürdige Interessen der AN wahrzunehmen. § 6 Abs 1 Z 2 AZG gibt darüber hinaus einen weiteren Anhaltspunkt für die Klärung der gegenständlichen Frage einer Verrechnung von Pauschalentlohnungssystemen mit Gleitzeitguthaben. Danach liegt Überstundenarbeit erst dann vor, wenn „die tägliche Normalarbeitszeit überschritten wird, die sich auf Grund der Verteilung dieser wöchentlichen Normalarbeitszeit gem den §§ 3 bis 5a und 18 Abs. 2 ergibt“. Im System der Gleitzeit ist damit klar, dass die zugrundeliegende Intention des Aufbaus und späteren Verbrauches von „Plusstunden“ jene ist, dass diese nur aus den oben angeführten Gründen einer sofortigen oder späteren Qualifikation als Überstunden zugänglich sind.

6..
Fazit

Zusammenfassend ist zunächst festzuhalten, dass die Bestimmbarkeit der Arbeitszeitgestaltung durch die AN als für das Modell der Gleitzeit konstitutiv anzusehen ist. Dies bedeutet, dass eine Dispositionsmöglichkeit sowohl über den Beginn als auch über das Ende der Arbeitszeit eines bestimmten Tages gegeben sein muss und auch Kernzeitregelungen nicht unbeschränkt möglich sind, sondern hinsichtlich ihres Umfanges in einem angemessenen Verhältnis zur Normalarbeitszeit stehen müssen.

Betreffend das Entstehen von Überstunden im Rahmen von Gleitzeitmodellen legt nun § 4b Abs 5 AZG fest, dass jene Stunden, die der/die AG anordnet und die über die gesetzliche tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit iSd § 3 Abs 1 AZG hinausgehen, als Überstunden gelten. Jedoch regelt § 4b Abs 5 AZG das Entstehen von Überstunden bei Gleitzeit nicht abschließend: So ist davon auszugehen, dass es sich bei jenen Arbeitsstunden, die auf Anordnung durch den/die AG nach Ende der fiktiven Normalarbeitszeit, jedoch vor Erreichen der gesetzlichen (täglichen) Normalarbeitszeit geleistet werden, ebenfalls um Überstunden handeln muss.

Entlohnungsmodelle, wie Überstundenpauschalen und All-in-Vereinbarungen, sind inzwischen in der Arbeitswelt weit verbreitet, haben durch die jüngste Novelle des AZG, BGBl I 2018/53BGBl I 2018/53, und die Verankerung des Wahlrechts in § 10 Abs 4 AZG sowie des Ablehnungsrechts in § 7 Abs 6 AZG jedoch eine Einschränkung in einem solchen Sinne erfahren, dass Überstunden in der 11. und 12. täglichen Arbeitsstunde gesondert – also neben einem bestehenden Pauschale – abgegolten werden müssen.

Die Kombination von Gleitzeitmodellen und pauschaler Abgeltung von Mehrleistungen sorgt in der Praxis für besondere Problemstellungen. So ist im Ergebnis betrachtet eine Kombination von Gleitzeit- und Pauschalentlohnungssystemen zwar grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch Einschränkungen. Ein vorgelagerter Abbau von in Überstundenpauschalen abgedeckten Stunden würde nicht nur der bisherigen Sichtweise des OGH* – Überstundenpauschalen müssen nicht erfüllt werden – widersprechen, sondern führt auch zu einer gesetzlich nicht gedeckten Vermengung von Normalarbeitszeit auf der Grundlage des § 4b AZG mit Überstundenarbeit iSd § 6 AZG, die durch besonderen Arbeitsbedarf geprägt ist, bis hin zu einer in dieser Hinsicht nicht gesetzlich gedeckten erhöhten Normalarbeitszeit. Gleiches gilt auch für das fortlaufende Streichen von Plusstunden im Rahmen von All-In-Vereinbarungen. Das stärkste Argument liegt jedoch in der unzulässigen Beschränkung bis hin zur kaum mehr vorhandenen Souveränität der AN, die allerdings den Kern des Arbeitszeitmodells der Gleitzeit darstellt. In dieser Hinsicht sind derartige Verrechnungssysteme, die einen Abbau von Überstunden vor „Eintritt“ in Möglichkeiten des Gleitens vorsehen, gesetzlich nicht gedeckt und Zweifel an der Zulässigkeit derselben in höchstem Maße angebracht.

Soll ein fairer und gerechter Umgang mit Pauschalvergütungssystemen ebenso gewährleistet werden wie ein den rechtlichen Rahmenbedingungen des § 4b AZG entsprechendes Gleitzeitmodell, so müssen während und nach der Gleitzeitperiode Mehr- und Überstunden bereits einem Überstundenverrechnungskonto zugeordnet, sich aus der Gleitzeit ergebende Guthaben an Normalarbeitszeit entsprechend der Gleitzeitvereinbarung (andernorts) zugeschrieben werden. 65