Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung aufgrund von Kostensteigerungen
Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung aufgrund von Kostensteigerungen
Homeoffice hat sich seit Beginn der COVID-19-Krise zu einem fixen Bestandteil der Arbeitswelt entwickelt. Lediglich ein Sechstel jene/r AN, deren Tätigkeit prinzipiell homeofficefähig ist, will gänzlich auf Homeoffice verzichten. Unter den befragten AG lehnt ein Drittel die Arbeitserbringung der Beschäftigten im Homeoffice ab. Die relative Mehrheit (44 %) der AN mit Erfahrung hinsichtlich Arbeitserbringung im Homeoffice wünscht sich für die Zukunft, ein bis zwei Tage pro Woche im Homeoffice zu arbeiten, unter den befragten AG bevorzugen sogar zwei Drittel, dass ihre Beschäftigten ein bis zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten.* Mit 1.4.2021 präzisierte der Gesetzgeber anlässlich der COVID-19-Krise die Parameter für das Arbeiten in der Wohnung im Zuge des Homeoffice-Gesetzespakets.
Jedoch stellen die seit Jahresbeginn massiven Preissteigerungen, vor allem bei Strom- und Heizkosten, sowohl AN als auch AG nun vor zusätzliche Herausforderungen.
Für AN wird aufgrund der gestiegenen Kosten im Homeoffice, sollten diese nicht vom/von der AG übernommen werden, regelmäßig großes Interesse daran bestehen, wieder dauerhaft auf ihren Arbeitsplatz im Betrieb zurückzukehren. Andererseits werden AG aus Kostengründen daran interessiert sein, dass AN mehr Zeit im Homeoffice verbringen, um dadurch die im Betrieb entstehenden Kosten für Strom und Heizung zu senken.
Der vorliegende Beitrag soll daher überblicksmäßig die rechtlichen Möglichkeiten der Auflösung einer abgeschlossenen Homeoffice-Vereinbarung unter dem Blickwinkel der gestiegenen (Energie-)Kosten darstellen.
Die im Zuge des Homeoffice-Gesetzespakets eingeführte Bestimmung des § 2h Abs 4 AVRAG trifft Festlegungen, unter welchen Bedingungen eine einmal geschlossene Homeoffice-Vereinbarung – abgesehen von der jedenfalls bestehenden Möglichkeit der einvernehmlichen Auflösung – wieder beendet werden kann. So kann die Vereinbarung von einer Arbeitsvertragspartei bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Letzten eines Kalendermonats gelöst werden. In concreto bedeutet dies, dass ein/e AN, der/die die Beendigung seiner/ihrer Homeoffice-Vereinbarung aus einem wichtigen Grund am 2.11. erklärt, noch bis 31.12., sprich – im äußersten Fall – knapp zwei Monate, die Arbeitsleistung im Homeoffice erbringen muss.
Die Homeoffice-Vereinbarung kann gem § 2h Abs 4 AVRAG jedoch auch eine Befristung sowie Kündigungsregelungen enthalten. Die Möglichkeiten zur Befristung bzw zur Vereinbarung weiterer Kündigungsbestimmungen bestehen somit neben der gesetzlichen Auflösungsmöglichkeit des § 2h Abs 4 AVRAG. So kann zugunsten des/der AN auch eine kürzere Kündigungsfrist oder eine Kündigungsmöglichkeit ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes vereinbart werden. Aus der einseitig zwingenden Wirkung des § 2h Abs 4 AVRAG schließen Auer-Mayer/Dullinger* jedoch, dass die vom/von der AG einzuhaltende Kündigungsfrist keinesfalls kürzer sein dürfe als gesetzlich vorgesehen, dass also zwar vom Erfordernis eines wichtigen Grundes, nicht jedoch zugunsten des/der AG, von der einzuhaltenden Frist abgegangen werden könne. Trost* weist in diesem Zusammenhang überdies darauf hin, dass Dauerschuldverhältnissen das Recht, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig aufzulösen, immanent ist, selbst wenn es vertraglich nicht ausdrücklich erwähnt oder gesetzlich nicht geregelt wäre.
Fraglich ist, wann ein „wichtiger Grund“ iSd § 2h Abs 4 AVRAG vorliegt, der eine der Vertragsparteien zur einseitigen Auflösung der Homeoffice-Vereinbarung berechtigt. Den Erläuterungen* zum Homeoffice-Gesetzespaket zufolge können wichtige Gründe etwa in wesentlichen Veränderungen der betrieblichen Erfordernisse oder wesentlichen Veränderungen der Wohnsituation des/der AN gelegen sein, die die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice nicht mehr erlauben.
ArbeitgeberInnenseitig wird etwa eine nicht zufriedenstellende Arbeitsleistung des/der AN oder ein dringender Bedarf an der Leistungserbringung des/der AN im Betrieb zum Rücktritt ermächtigen. Auf Seiten des/der AN können auch andere, nicht die Wohnsituation betreffende Gründe zur Auflösung der Homeoffice-Vereinbarung berechtigen. Darunter fallen zB eine relevante Änderung des Tätigkeitsbereiches oder eine die Zusammenarbeit beeinträchtigende Isolierung des/der AN durch die Arbeitserbringung außerhalb des Betriebes sowie das Auf66treten finanzieller Zusatzbelastungen, soweit der/die AG die entstehenden Kosten nicht ersetzt.*
Bremm/Mayr* zufolge gehe es um längerfristige Veränderungen, also solche, die zumindest zwei Monate oder länger andauern, da eine kürzere Dauer der Veränderung bereits durch die von § 2h Abs 4 AVRAG vorgegebene Kündigungsfrist und den Kündigungstermin auszuschließen sei. UE ist jedoch davon auszugehen, dass auch bei bloß kurzer Dauer der Veränderung ein Rücktritt – unter Einhaltung der Kündigungsfrist gem § 2h Abs 4 AVRAG – auch kurzfristiger möglich sein wird, zumal weder dem Gesetzeswortlaut noch den Erläuterungen eine bestimmte Mindestdauer des den wichtigen Grund darstellenden Ereignisses zu entnehmen ist. Gerade im Hinblick auf die derzeitigen Kostensteigerungen ist allerdings ohnehin davon auszugehen, dass diese über einen Zeitraum von zwei Monaten hinaus andauern werden, und daher eine Kündigungsmöglichkeit gem § 2h Abs 4 AVRAG jedenfalls vorliegen wird.
Unter dem Eindruck der derzeit umfangreichen Preissteigerungen kann also davon ausgegangen werden, dass eine Auflösungsmöglichkeit seitens des/der AN jedenfalls dann besteht, wenn die Kostensteigerung – etwa für die Datenverbindung oder für Strom und Heizung – im Vergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht nur geringfügig ausfällt und der mit dem/der AG vereinbarte Kostenersatz in keinem angemessenen Verhältnis zu den marktüblichen Preisen (zB angebotener Datenverbindungen) mehr steht. Freilich wird in derartigen Konstellationen der/die AN jedoch bereits aufgrund der Treuepflicht den/die AG vor Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung auf die Kostensteigerung hinzuweisen und diesem/dieser die Gelegenheit zur Übernahme der Kosten einzuräumen haben.
Fraglich ist, ob – abseits eines zur Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung berechtigenden fristgebundenen wichtigen Grundes iSd § 2h Abs 4 AVRAG – Umstände eintreten können, die es dem/der AN mangels Vereinbarung zusätzlicher Kündigungsregeln ermöglichen, ohne Einhaltung einer Frist die Homeoffice-Vereinbarung zu kündigen.
Neben der soeben dargestellten Beendigungsmöglichkeit gem § 2h Abs 4 AVRAG könnte auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage als Instrument zur sofortigen Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung in Frage kommen. Die Rechtsfigur des Wegfalls der Geschäftsgrundlage* ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Nach stRsp* setzt die Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls oder auch Änderung der Geschäftsgrundlage eine derart grundlegende Veränderung der bei Eingehen der Verpflichtung bestehenden Verhältnisse voraus, dass im Beharren auf die Verpflichtungen, deren Erfüllung dem Schuldner nicht zumutbar ist, geradezu ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben erblickt werden müsste. Der von beiden Vertragsparteien anerkannte Vertragszweck darf auch nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden sein. Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wird jedoch nur eingeschränkt und als ultima ratio zur Vertragsauflösung herangezogen, wenn die Änderungen der Verhältnisse in keiner Weise vorauszusehen war und überdies nicht jener Partei zuzuschreiben sind, die sich auf die Änderung beruft.
Wurde eine Homeoffice-Vereinbarung unmittelbar nach Inkrafttreten des Homeoffice-Gesetzespakets 2021 abgeschlossen, so wird man hinsichtlich dieser Vereinbarungen wohl davon ausgehen können, dass bei Vertragsabschluss eine derartig umfangreiche Preissteigerung nicht vorauszusehen war.
Da aber das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur als letztes Mittel gegenüber anderen Möglichkeiten, rechtsgeschäftliche Bindungen zu beseitigen, heranzuziehen ist,* scheitert aufgrund der Kündigungsmöglichkeit der Homeoffice-Vereinbarung die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage schon am Ultima-ratio-Grundsatz. Weiters wird es jedoch dem/der AN in den allermeisten Fällen zumutbar sein, bis zur Kündigung der Homeoffice-Vereinbarung, sprich für längstens zwei Monate, an der Vereinbarung festzuhalten. Auch wenn sich die Strom- bzw Heizkosten massiv erhöhen und damit zwangsläufig die Kosten für das Arbeiten im Homeoffice für den/die AN steigen, kann die Homeoffice-Vereinbarung somit nicht mit sofortiger Wirkung unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gelöst werden.
Neben der Pflicht des/der AG, den Beschäftigten aufgrund von § 2h Abs 3 AVRAG Kostenersatz für die von den AN bereitgestellten digitalen Betriebsmittel zu leisten, besteht – grundsätzlich – Anspruch auf Ersatz aller weiteren Aufwendungen von AN, soweit diese im Zusammenhang mit der Leistungserbringung entstanden sind, gem § 1014 ABGB analog. Darunter fallen etwa Kosten für Strom, Heizung oder gewisses Büromaterial. § 1014 ABGB ist jedoch dispositiver Natur,* weshalb durch Vereinbarung auch zulasten des/der AN von der Anwendung des § 1014 ABGB abgegangen werden kann. Dies gilt jedoch nicht unbeschränkt, sondern lediglich innerhalb bestimmter Grenzen, 67insb jener der sittenwidrigen Überwälzung des UnternehmerInnenrisikos auf die AN, welche jedenfalls dann vorliegt, wenn der Anschaffungs- und Erhaltungsaufwand, den der/die AN zu tragen hat, dazu führt, dass das kollektivvertragliche Mindestentgelt unterschritten wird – lediglich eine Überzahlung kann daher zur Deckung von Ersatzansprüchen gem § 1014 ABGB herangezogen werden.* Eine Unterschreitung des kollektivvertraglich festgelegten Mindestentgelts ist bereits aufgrund der drastischen verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionen des § 29 LSD-BG (Unterentlohnung) nicht anzuraten.
In der Praxis werden vielfach Kostenersatzpauschalen in Betriebsvereinbarungen oder Einzelvereinbarungen festgelegt, mit denen sowohl Ansprüche nach § 2h Abs 3 AVRAG als auch solche nach § 1014 ABGB abgegolten werden sollen. Deckt die Höhe des Pauschales infolge von Kostensteigerungen bei zB Strom- oder Heizkosten die bestehenden Ansprüche nicht mehr (vollständig) ab, bestehen also über das Pauschale hinausgehende Ansprüche gem § 1014 ABGB, kann dies bei entsprechender Höhe den/die AN zum Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung ermächtigen. Allerdings ist – wie bereits ausgeführt – davon auszugehen, dass den/die AN die Obliegenheit trifft, den/die AG auf die gestiegenen Kosten hinzuweisen, sodass mit einer Erhöhung des Pauschales reagiert werden kann.
Eine Möglichkeit bestünde aus Sicht des/der AN auch darin, dem/der AG – analog zum bekannten und auf AG-Seite oftmals gebrauchten Instrument der Änderungskündigung – den Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung unter Anführung der nicht nur geringfügigen Kostensteigerung als „wichtigen Grund“ zu erklären und einer Fortsetzung der Homeoffice-Vereinbarung nur unter der Bedingung einer Erhöhung des (pauschalen) Kostenersatzes zuzustimmen.
Fraglich ist, wie vorgegangen werden kann, wenn AN auf der Grundlage von § 2h Abs 4 AVRAG den Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung erklären und der/die AG aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis beendet.
Gem § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann eine Kündigung bei Gericht angefochten werden, wenn die Kündigung wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung von durch den/die AG in Frage gestellte Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den/die AN erfolgt ist. Mit diesem Anfechtungstatbestand reagiert der Gesetzgeber darauf, dass aus Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes der AN Ansprüche nicht geltend macht.* Dadurch sollen insb Vergeltungskündigungen vermieden werden.*
Will nun ein/e AN aufgrund eines wichtigen Grundes, wie zB Kostensteigerungen, die Homeoffice-Vereinbarung fristgerecht lösen und wird deswegen gekündigt, so kann die Kündigung angefochten werden. Anfechtbar ist eine Kündigung daher, wenn der/die AG nach Auflösung der Homeoffice-Vereinbarung durch den/die AN diese/n nicht an den vereinbarten Arbeitsort zurückkehren lässt. Anfechtbar ist eine Kündigung jedoch auch dann, wenn der/die AG den Anspruch auf Rückkehr auf den vorigen Arbeitsort erfüllt, aber wegen der Geltendmachung des Rechts auf Auflösung der Homeoffice-Vereinbarung durch den/die AN die Kündigung ausspricht.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Zuge des Homeoffice-Gesetzespakets eine – einseitig zwingende – Beendigungsregel für Homeoffice-Vereinbarungen in § 2h Abs 4 AVRAG gesetzlich verankert wurde. Diese sieht vor, dass sowohl AG als auch AN die Homeoffice-Vereinbarung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Letzten eines Kalendermonats lösen können.
UE stellt eine während des Vollzuges der Homeoffice-Vereinbarung eingetretene Kostensteigerung einen zum Rücktritt von der Homeoffice-Vereinbarung berechtigenden wichtigen Grund dar, soweit die Kostensteigerung im Vergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht nur geringfügig ausfällt und der vereinbarte Kostenersatz in keinem angemessenen Verhältnis zu den marktüblichen Preisen steht. Den/die AN trifft jedoch die Obliegenheit, den/die AG vor Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung auf die Kostensteigerung hinzuweisen. Dies gilt auch für den Fall, dass Kostenersatzpauschalen vereinbart sind, deren Höhe aufgrund der gestiegenen Kosten nicht mehr ausreichend ist.
Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommt im Hinblick auf eine Beendigung der Homeoffice-Vereinbarung nicht in Betracht, da der Wegfall der Geschäftsgrundlage lediglich als ultima ratio gegenüber anderen Beendigungsmöglichkeiten heranzuziehen ist.
Löst ein/e AN aufgrund des wichtigen Grundes der Kostensteigerung die Homeoffice-Vereinbarung fristgerecht und wird deswegen gekündigt, so kann die Kündigung auf der Grundlage von § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG angefochten werden. 68