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Keine Konkurrenzierung ohne Gewerbeberechtigung. Oder doch?

MICHAELGEIBLINGER (LINZ)
  1. Der Begriff „Geschäftszweig“ ist eng auszulegen und umfasst nur die vom AG tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit.

  2. Der formale Mangel einer noch unzureichenden Gewerbebewilligung und Betriebsanlagengenehmigung steht der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 7 AngG nicht entgegen.

  3. Eine Verletzung des Konkurrenzverbots setzt voraus, dass durch die konkurrenzierende Tätigkeit des DN schutzwürdige Interessen des DG verletzt werden.

[1] Die Kl produziert und vertreibt Trocknungssysteme für Schuhe und Bekleidung. Der Bekl war als leitender Angestellter für die Kl tätig und unterlag dabei auch einem vertraglichen Konkurrenzverbot. Er gründete am 14.7.2014 mit zwei weiteren Gesellschaftern ohne das Wissen der Kl die D* GmbH, bei der er in leitender Funktion tätig ist. Die D* GmbH produziert Schuhtrockner und liefert diese seit 2014 an die P* BV, die auch eine der Hauptkundinnen der Kl ist. Am 30.4.2016 wurde das Dienstverhältnis des Bekl zur Kl einvernehmlich gelöst.

[2] Die Kl verfügt seit dem Jahr 1999 über eine Gewerbebewilligung für Großhandel, erhielt aber erst im Jahr 2019 eine Berechtigung für das Gewerbe der Mechatronik für Elektromaschinen und Automatisierung einschließlich des Zusammenbaus von Trocknungsgeräten. Im Jahr 2020 wurde der Kl eine entsprechende Betriebsanlagengenehmigung erteilt. Nach den Feststellungen des Erstgerichts verfügte die Kl zuvor „nicht vollinhaltlich über alle notwendigen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen“.

[3] Die Kl begehrt vom Bekl die Rechnungslegung über die Lieferungen an die P* BV von August 2014 bis April 2016 und die Zahlung des sich daraus ergebenden Ertrags, in eventu 180.803,98 € sA.

[4] Der Beklwendet ein, dass sich die Kl nicht auf einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot berufen dürfe, weil sie über keine Gewerbe- und Betriebsanlagengenehmigung für die Herstellung von Trocknungsanlagen verfügt habe und deshalb gar nicht zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebs berechtigt gewesen sei. 154

[5] Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Erstgericht dem Rechnungslegungsbegehren statt. Dass die Kl gewerberechtliche Vorschriften missachtet habe, stehe einer Berufung auf das Konkurrenzverbot nach § 7 AngG nicht entgegen. Darüber hinaus habe es der Bekl als leitender Angestellter der Kl selbst nicht für notwendig empfunden, für die Einhaltung dieser Vorschriften zu sorgen.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese E.

[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Bekl [...].

[8] Die Kl beantragt in der [...] Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen [...].

[9] Die Revision ist wegen des Fehlens von Rsp des OGH zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Angestellte dürfen nach § 7 AngG ohne Bewilligung des DG „in dem Geschäftszweige des Dienstgebers“ weder für eigene noch für fremde Rechnung Handelsgeschäfte tätigen, widrigenfalls der DG die Herausgabe der bezogenen Vergütung beanspruchen kann. Der Gesetzgeber will damit die Konkurrenzierung und eine damit verbundene Schädigung der Unternehmensinteressen des DG verhindern (Sacherer in Reissner, AngG3 § 7 Rz 15). Der Betrieb eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens außerhalb des Geschäftszweigs des DG verstößt zwar auch gegen das Konkurrenzverbot des § 7 AngG, begründet aber mangels Konkurrenzierung keinen Herausgabeanspruch des DG (RIS-Justiz RS0122011).

[11] 2. Die ältere Rsp hat den Begriff des „Geschäftszweiges“ weit gezogen und angenommen, dass sich das Verbot des § 7 AngG nicht nur auf Geschäfte erstrecke, die der DG tatsächlich betreibt, sondern auch auf solche, die er nach der Zweckwidmung seines Handelsgewerbes betreiben kann (RS0027870). Nach nunmehr stRsp des OGH umfasst der „Geschäftszweig“ des DG aber nur die von ihm tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit (RS0027854; RS0027870 [T1]; ebenso Schwarz/Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung [1975] 89; Resch in Löschnigg, AngG10 § 7 Rz 18; Pfeil in Neumayr/Reissner, Zell-Komm3 § 7 AngG Rz 13).

[12] 3. Nach Kuderna fallen solche Handelsgeschäfte, zu deren Betrieb der DG nicht berechtigt ist, die er aber dennoch betreibt, nicht unter den Schutz des § 7 AngG, weil insoweit keine schutzwürdigen Interessen des DG erkennbar seien (Kuderna, Das Entlassungsrecht [1994] 100). Auch nach Reissner kommt es auf den „befugtermaßen“ tatsächlich ausgeübten Geschäftszweig an (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 36 Rz 88). Nach Pfeil ist, wenn der DG seine Tätigkeit unbefugt ausgeübt hat, zumindest keine Entlassung des DN möglich (Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 7 AngG Rz 13).

[13] 4. Demgegenüber sind nach Resch nach dem Zweck des Konkurrenzverbots auch unbefugt ausgeübte Tätigkeiten des DG geschützt, wenn durch diese unbefugten Tätigkeiten eine Kaufmannseigenschaft nach § 1 AngG begründet wird, die dem Schutz zugrundeliegt (Resch, Arbeitsvertrag und Nebenbeschäftigung [1991] 62). Nach der Rsp hängt die Kaufmannseigenschaft nicht von der Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften ab (3 Ob 782/52 = RS0061519). Dies spricht dafür, dass alleine der formale Mangel einer noch unzureichenden Gewerbebewilligung und Betriebsanlagengenehmigung der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 7 AngG nicht entgegensteht.

[14] 5. Auch die stRsp zum Wettbewerbsrecht steht seit jeher auf dem Standpunkt, dass die gewerberechtlichen Befugnisse für die Beurteilung der Teilnahme am geschäftlichen Verkehr und das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ohne Bedeutung sind (RS0077586). Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 14 UWG können deshalb unabhängig davon geltend gemacht werden, ob der Kl zur Ausübung seines Gewerbebetriebs befugt ist (RS0079597). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die betreffende unternehmerische Tätigkeit schlechthin verboten wäre, wie dies etwa auf den Suchtgifthandel zutrifft (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rz 90; Görg, UWG § 14 Rz 271).

[15] 6. Eine Verletzung des Konkurrenzverbots setzt freilich voraus, dass durch die konkurrenzierende Tätigkeit des DN schutzwürdige Interessen des DG verletzt werden. Dass ein DG noch nicht über alle erforderlichen gewerbe- und betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungen verfügt, bedeutet jedoch nicht, dass er kein Interesse an der ungestörten Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs hätte. So berührt im Allgemeinen die Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften vorweg (vgl § 873 ABGB) weder die Gültigkeit der abgeschlossenen Verträge noch den sich daraus ergebenden Entgeltanspruch (RS0016757; RS0016770; RS0029666), im Übrigen besteht stets die Möglichkeit, allenfalls erforderliche gewerbe- und betriebsanlagenrechtliche Genehmigungen nachzuholen, wie dies die Kl auch tatsächlich getan hat.

[16] 7. Die Herstellung und der Vertrieb von Schuhtrocknern ist eine an sich erlaubte Tätigkeit. Selbst wenn der Kl damals noch nicht über die nötigen gewerbe- und betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungen verfügte (vgl im Übrigen § 371c Abs 1 GewO), verstieß die konkurrenzierende Tätigkeit des Bekl im Geschäftszweig der Kl gegen § 7 AngG, was einen Anspruch der Kl auf Herausgabe des Ertrags begründet. Der Revision des Bekl war daher nicht Folge zu geben.

[...]

ANMERKUNG
1.
Problemaufriss

Der OGH hatte in der gegenständlichen E das Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen mit arbeitsrechtlichen Folgen zu beurteilen. In concreto lag der E die Frage zu Grunde, ob das Konkurrenzverbot des § 7 AngG vom DN auch dann zu beachten ist, wenn der DG nicht über sämtliche notwendige verwaltungsrechtliche Genehmigungen, wie Gewerbebewilligung und Betriebsanlagengenehmigung, verfügt. Der OGH kam zum Ergebnis, dass trotz fehlender Gewer- 155bebewilligung und trotz fehlender Betriebsanlagengenehmigung beim DG § 7 AngG vom DN zu beachten ist und trotz unzureichender verwaltungsrechtlicher Genehmigungen Ansprüche gem § 7 AngG durchsetzbar sind.

2.
Analyse
2.1.
Das Zusammenspiel von Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht

Dass öffentlich-rechtliche Genehmigungen auf die Beschäftigung von DN Einfluss haben und in einer Wechselwirkung zueinander stehen, ist nicht neu. Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht stehen in einem unmittelbaren Konnex.

IdS setzt bspw die gem § 16 ARG ohnehin örtlich und zeitlich sehr eingeschränkte und nur im unbedingt notwendigen Ausmaß zulässige Beschäftigung von AN auf Märkten und marktähnlichen Veranstaltungen während der Wochenend- oder Feiertagsruhe eine Bewilligung des Marktes oder der marktähnlichen Veranstaltung der Gemeinde nach der GewO 1994 voraus (Lutz/Heilegger/Dunst, Arbeitsruhegesetz6 [2022] § 16 Rz 16 ff). Des Weiteren ist die zulässige Beschäftigung von AN in Verkaufsstellen an Samstagen nach 18 Uhr, an Sonntagen, aber auch an Feiertagen gem § 5 Öffnungszeitengesetz von einer Verordnung des Landeshauptmanns abhängig (Nöstlinger, Öffnungszeitengesetz [2005] 132; Lutz/Heilegger/Dunst, Arbeitsruhegesetz6 § 13 Rz 19). Ebenso bedarf es gem §§ 16 ff AÜG in vielen Fällen der grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften einer Verordnung oder einer Bewilligung (Schindler in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht I3 [2018] § 16a AÜG Rz 3 ff ).

Die aufgezeigten Beispiele verdeutlichen, dass das Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer verwaltungsrechtlichen Genehmigung in einem unmittelbaren Konnex zu arbeitsrechtlichen Folgen steht. IdS zB, dass die zulässige Beschäftigung von AN an das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung gekoppelt ist bzw umgekehrt die Beschäftigung von AN ohne entsprechende Genehmigung nicht erlaubt ist.

Im Gegensatz zu den soeben aufgezeigten Beispielen knüpft § 7 AngG die erlaubte bzw unerlaubte Konkurrenzierung – zumindest dem Wortlaut nach – nicht unmittelbar an eine verwaltungsrechtliche Genehmigung. Zentrales Element für die erlaubte bzw nicht erlaubte Konkurrenzierung und etwaige Ansprüche nach dem Konkurrenzverbot ist vielmehr die Tätigkeit im Geschäftszweig des DG (vgl zB RIS-Justiz RS0122011). Wenngleich der Begriff des Geschäftszweigs in § 7 AngG nicht ausdrücklich auf eine Gewerbebewilligung rekurriert, sehen viele in der Praxis zumindest einen mittelbaren Konnex zwischen dem Vorliegen einer Gewerbeberechtigung und der Begründung des Geschäftszweigs und folglich einen mittelbaren Konnex zwischen dem Vorliegen einer Gewerbeberechtigung und einer etwaigen Konkurrenzierung. MaW: Für die Befugnis zur

Ausübung eines Geschäftszweigs wird in praxi auf die gewerberechtliche Bewilligung abgestellt. Dementsprechend erfolgt auch die Beurteilung, ob eine Konkurrenzierung iSd § 7 AngG im Raum steht, idR anhand zweierlei Kriterien. Erstens, ob es deckungsgleiche Gewerbeberechtigungen beim aktuellen AG (aus der Sicht des AN im aktuellen Angestelltenverhältnis) und bei der Nebentätigkeit des AN gibt und zweitens, ob die Gewerbeberechtigung des aktuellen AG auch tatsächlich ausgeübt wird (vgl Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel [1996] 204). Wird die Nebentätigkeit (= Tätigkeit im Rahmen des selbstständigen kaufmännischen Unternehmens oder beim anderen AG) durch den Angestellten nicht im Rahmen einer deckungsgleichen Gewerbeberechtigung erbracht, weil der aktuelle AG diese Gewerbeberechtigung gar nicht inne hat, wird darin idR in praxi selten eine Konkurrenzierung erblickt.

Dass dieser mittelbare Konnex zwischen verwaltungsrechtlicher Genehmigung und arbeitsrechtlichen Folgen durch die gegenständliche E als gänzlich obsolet und durchbrochen gilt, halte ich aufgrund des bisher bewährten Zusammenspiels zwischen Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht für höchst umstritten (aA Mazal, Fehlen gewerberechtlicher Grundlagen beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit des Konkurrenzverbots, ecolex 2022, 827).

2.2.
Der Geschäftszweig und die Vertrauenstheorie

§ 7 Abs 1 AngG stellt beim Konkurrenzverbot – beinahe gleichlautend wie § 36 Abs 1 Z 2 AngG bei der Konkurrenzklausel – darauf ab, ob der Angestellte „in dem Geschäftszweige des Dienstgebers“ agiert. Was unter dem Geschäftszweig des DG zu verstehen ist, wird im AngG nicht determiniert. Das AngG lässt eine Legaldefinition vermissen.

Nach stRsp ist der Begriff „Geschäftszweig“ eng auszulegen (RIS-Justiz RS0027854). Der OGH nimmt in der gegenständlichen E richtigerweise darauf Bezug und führt basierend auf Kuderna (Das Entlassungsrecht [1994] 100) und Reissner (in Marhold/Burgstaller/Preyer [Hrsg], AngG [Losebl] § 36 Rz 88) aus, dass § 7 AngG unangewendet bleiben soll, wenn der DG unberechtigterweise bzw unbefugtermaßen Tätigkeiten ausübt. Der OGH kommt aber im Ergebnis dazu, dass § 7 AngG auch bei unberechtigterweise bzw unbefugtermaßen ausgeübten Tätigkeiten zum Tragen kommt, weil die Kaufmannseigenschaft nicht von der Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften abhängt (vgl Rz 12 f der E).

Für das Gros der AN beurteilt sich allerdings eine allfällige Konkurrenzierung sehr wohl danach, ob der aktuelle AG die Tätigkeit befugtermaßen ausübt oder nicht. Für den Umstand, ob die Tätigkeit befugtermaßen ausgeübt wird oder nicht, vertrauen viele Beschäftigte auf das Vorliegen einer gültigen Gewerbeberechtigung. Der Blick ins Gewerberegister und die Tatsache, ob eine Gewerbeberechtigung vorliegt oder nicht, hat für AN und auch im Rahmen der Rechtsberatung jene Publikations- 156 und Klarstellungsfunktion, die dazu beiträgt, eine mögliche Konkurrenzierung zu beurteilen (vgl zur Publikations- und Klarstellungsfunktion: Geiblinger, Formgebote im Arbeitsrecht [2018] 43 f).

IdS definiert auch Resch den Geschäftszweig des AG als jenen beruflichen Tätigkeitsbereich, der befugtermaßen von ihm ausgeübt wird. Seines Erachtens ist der Geschäftszweig des AG aus dem Blickwinkel des AN zu definieren und im Lichte der Vertrauenstheorie entscheidend, von welchem Geschäftszweig ein objektiver redlicher Vertragspartner in der Lage des AN ausgehen durfte (Resch in Löschnigg/Melzer [Hrsg], Angestelltengesetz II11 [2021] § 36 Rz 36 f).

Auf die Bedeutung der Vertrauenstheorie wird in der gegenständlichen OGH-E nicht (ausreichend) Bezug genommen. Selbst wenn die Kaufmannseigenschaft nach dem OGH nicht von der Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften abhängt (RIS-Justiz RS0061519), so muss das Vorliegen des Geschäftszweigs und eine mögliche Konkurrenzierung doch anhand objektiver Umstände beurteilt werden können. Sie ist primär davon abhängig zu machen, ob die notwendigen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen vorliegen oder nicht. Im Vertrauen auf das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung kann nämlich der AN iSd Vertrauenstheorie feststellen, ob überhaupt eine Wettbewerbssituation vorliegt oder nicht, zumal es ansonsten für den AN als Vertragspartner keine anderen objektiven Möglichkeiten gibt, mit Klarheit zu beurteilen, ob er sich auf eine Konkurrenzierung einlässt oder nicht (vgl Resch in Angestelltengesetz II11 § 36 Rz 37, wonach es für den AN klar sein muss, auf welche Beschränkung er sich einlässt).

2.3.
Vermögensschutzorientierte Fürsorgepflicht

Im Ergebnis wird es auch unter Berücksichtigung der §§ 18 AngG und 1157 ABGB, welchen eine vermögensschutzorientierte Fürsorgepflicht immanent ist (Binder/Schindler in Löschnigg/Melzer [Hrsg], Angestelltengesetz II11 § 18 Rz 111), geboten sein, notwendige verwaltungsrechtliche Genehmigungen unverzüglich einzuholen und etwaige diesbezügliche Verfahrensschritte zur Erlangung der Genehmigungen gehörig fortzusetzen, um den beschäftigten AN Klarheit hinsichtlich möglicher Nebentätigkeiten zu schaffen (vgl zu den Beispielen, dass Maßnahmen der Fürsorgepflicht unverzüglich zu setzen sind: Marhold in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 18 Rz 7 ff). Der Umstand, dass in der gegenständlichen E zwischen der ersten (rückwirkend) erachteten „Konkurrenzierung“ im Jahr 2014 und der Erlangung der notwendigen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen in den Jahren 2019 und 2020 rund ein halbes Jahrzehnt verging, hätte auch im Hinblick auf die mangelnde Fürsorgepflicht auf das Urteil Einfluss haben müssen.

Werden notwendige verwaltungsrechtliche Genehmigungen erst mit derartiger Verspätung beantragt und erfolgt die verspätete Beantragung aus einem unlauteren nicht vertretbaren Motiv, zB AN in dem Glauben der Nichtkonkurrenzierung zu belassen, kann darin uU auch eine rechtsmissbräuchliche Rechtsausübung iSd § 1295 ABGB erblickt werden, selbst wenn – wie der OGH in der E anführt – die Möglichkeit besteht, gewerbe- und betriebsanlagenrechtliche Genehmigungen nachzuholen (vgl Rz 15 der E).

2.4.
Eingeschränkte Relevanz der gegenständlichen E

Die gegenständliche E betrifft einen leitenden Angestellten. Ob dieser (maßgeblichen) Einfluss auf die Beantragung der notwendigen Gewerbebewilligung und der notwendigen Betriebsanlagengenehmigung für die Bekl gehabt hat oder nicht, ergibt sich nicht eindeutig aus dem Text der OGH-E. Lediglich aus dem in der OGH-E in aller Kürze zitierten Ergebnis der E des Erstgerichts lässt sich entnehmen, dass es der Bekl als leitender Angestellter der Kl selbst nicht für notwendig empfunden habe, für die Einhaltung dieser Vorschriften zu sorgen (vgl Rz 5 der E). Ob dadurch dem Kl ein mangelndes Vertrauen und eine mangelnde Redlichkeit angelastet werden kann, dafür sind die Anhaltspunkte in der E zu vage. Unabhängig davon wird die gegenständliche E, wenn überhaupt, lediglich für eine sehr eingeschränkte Beschäftigtengruppe Relevanz haben. Lediglich für leitende Angestellte, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Beantragung von Genehmigungen haben und die die Beantragung in der Absicht unterlassen, die mangelnden Genehmigungen für eine Konkurrenzierung auszunutzen, kann ein Anwendungsbereich erblickt werden. Für das Gros der AN, die keinen Einfluss auf die Beantragung von Genehmigungen haben, sollte hingegen die gegenständliche E keine Auswirkung haben. Das Vertrauen in die mittelbare Verknüpfung zwischen dem Vorliegen bzw Nichtvorliegen einer Gewerbeberechtigung und dem Begriff des Geschäftszweigs sollte nach wie vor als objektives Grundprinzip gelten und die maßgebliche Zäsur für die Beurteilung einer etwaigen Konkurrenzierung bilden. Auch für rechtsberatende Berufe sollte dieser Konnex maßgeblich sein; andernfalls verkomplizieren sich klare Aussagen in der Rechtsberatung zusehends.

2.5.
Der Geschäftszweig im Lichte der EUTransparenzrichtlinie

Abschließend ist noch die seit 1.8.2022 geltende EU-Transparenz-RL 2019/1152 zu erwähnen, welche Mindestvorgaben für Mehrfachbeschäftigungen vorsieht (EU-RL 2019/1152/EU vom 20.6.2019, ABl 186/105). Nach Art 9 Abs 1 leg cit haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ein AG einem AN weder die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses mit einem anderen AG verbieten noch ihn deswegen benachteiligen darf. Gem Art 9 Abs 2 leg cit dürfen die Mitgliedstaaten jedoch Bedingungen festlegen, bei deren Vorliegen AG aus objektiven Gründen die Mehrfachbeschäftigung beschränken dürfen. Diesbezüglich wird idZ insb die Vermeidung von 157Interessenkonflikten angeführt (Burgstaller/Preyer in Auer-Mayer/Burgstaller/Preyer, AngG § 7 Rz 53/1 [Stand 1.8.2022, rdb.at]).

Wenn mit Interessenkonflikten eine Nebentätigkeit im Geschäftszweig des DG gemeint ist, besteht im Hinblick auf § 7 AngG, aber auch im Hinblick auf § 36 AngG, legistischer Handlungsbedarf, den Begriff „Geschäftszweig“ transparent und objektiv zu definieren, um den AN iSd Transparenz-RL größtmögliche Rechtssicherheit hinsichtlich möglicher Nebentätigkeiten zu bieten. Denn immerhin wird ein möglicher Interessenkonflikt für das Gros der AN erst dadurch sichtbar, wenn deckungsgleiche Gewerbeberechtigungen bestehen, die vom AG auch faktisch ausgeübt werden.

3.
Zusammenfassung

Das Ergebnis des gegenständlichen Urteils überzeugt nicht, zumal es dem ansonsten bewährten Zusammenspiel von Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht zuwiderläuft, der Vertrauensschutz des DN auf verwaltungsrechtliche Genehmigungen in den Hintergrund rückt und auch Aspekte der Fürsorgepflicht, der ordentlichen Rechtsausübung und des Europarechts nicht in die E eingeflossen sind. Die gegenständliche E wird allerdings, wenn überhaupt, lediglich für eine sehr eingeschränkte Beschäftigtengruppe Relevanz haben.