SchnittlerPersonalrecht in Zeiten der digitalen Universität

Verlag des ÖGB, Wien 2021, 160 Seiten, Taschenbuch, € 36,–

WALTER J.PFEIL (SALZBURG)

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Überall dort, wo die Leistungserbringung nicht an den jeweiligen Betrieb gebunden, sondern durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik an fast beliebigen Orten und zu nahezu beliebigen Zeiten möglich ist, wurde und wird das verstärkt genutzt. Das gilt natürlich auch für die Universitäten, insb im Hinblick auf eine ihrer Kernaufgaben, die wissenschaftliche Lehre. Diese Umstellung ist nicht an allen österreichischen Universitäten gleich gut gelungen, was oft mit unzureichender Infrastruktur und mühsamen bürokratischen Abläufen, aber nicht selten – wie der Autor dieser Zeilen (nicht zuletzt selbst-) kritisch anmerken muss – auch mit Bereitschaft und Fähigkeiten der Lehrenden wie der Studierenden zu tun hat(te).

Inwieweit die personalrechtlichen Rahmenbedingungen an den Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002 (UG) und dem „Uni-KollV“ ein Hemmnis für die Digitalisierung sind oder diese doch befördern können, ist die zentrale Frage des vorliegenden Bandes. Dieser ist als Nr 13 in der von Günther Löschnigg und Bernd-Christian Funk herausgegebenen Schriftenreihe zum österreichischen und internationalen Universitäts- und Hochschulrecht erschienen. Beide hatten die Leitung des gleichnamigen Instituts an der JKU Linz inne, an der die Autorin auch einige Jahre beschäftigt war. Obwohl mittlerweile als Senior Consultant in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung tätig, ist Christina Schnittler dieser Materie verbunden geblieben und hat die vorliegende Untersuchung im Rahmen eines von der Arbeiterkammer Steiermark finanzierten Forschungsprojekts ausgearbeitet.

Die Schrift behandelt praktisch alle Personalrechtsbereiche, die von der Digitalisierung durchdrungen werden (können), gleichsam entlang der Chronologie eines Arbeitsverhältnisses. Der Bogen wird dabei von der Anbahnung (insb mit Blick auf digital gestützte Bewerbungsverfahren) über die „Digitalisierung der Arbeitsorganisation“ (mit den Unterkapiteln Arbeitsmittel, Arbeitszeit bzw Arbeitsort) und „digitalisierungsbedingten Änderungen der Arbeitsinhalte und -pflichten“ bis hin zur „Interessenvertretung ‚an‘ der ‚virtuellen Universität‘„ und den „Auswirkungen der Digitalisierung auf den Bestand der Arbeitsverhältnisse“ gespannt. In allen Kapiteln geht es zunächst darum, allgemeine arbeitsrechtliche Fragen für den Bereich der Universitäten zu „übersetzen“. Besonders spannend sind natürlich jene Themenfelder, die wegen der faktischen bzw rechtlichen Gegebenheiten an den Universitäten spezifische Probleme aufwerfen.

Daraus können im Rahmen einer Rezension nur einige wenige Aspekte angesprochen werden. Praktisch besonders wichtig erscheint hier etwa die Frage der Geltung von Betriebsvereinbarungen auch für die „Altbediensteten“ der Universitäten, die noch BeamtInnen oder (de facto) Vertragsbedienstete sind. Schnittler scheint dies zu bejahen (32 f bzw 97 oder 121 f), worin ihr – mit Blick auf §§ 125 und 135 UG – zuzustimmen ist, sofern daraus kein Widerspruch zu zwingenden Vorgaben des öffentlichen Dienstrechts resultiert.

Weniger überzeugend ist dagegen die These einer „nachträglichen Regelungslücke“ im Hinblick auf die Ausnahme für leitende Angestellte in §§ 34 Abs 9 und 31 Abs 10 Uni-KollV (bzw § 110 Abs 1 Z 2 UG), wo jeweils von der Fassung der Ausnahmebestimmung in § 1 Abs 2 Z 8 Arbeitszeitgesetz (AZG) vor der Novelle BGBl I 2018/53ausgegangen wird (56 ff). Diese Einschränkung der Geltung der Arbeitszeitregelungen für das (angestellte) Universitätspersonal mag zumindest methodisch für das Verhältnis zwischen AZG und UG argumentierbar sein. Weder materiell noch methodisch lässt sich daraus aber eine Erweiterung der Ausnahmen von den Arbeitszeitbegrenzungen des Uni-KollV begründen, würde das doch auf eine – von hM zutreffend abgelehnte – dynamische Verweisung auf Regelungen eines anderen Normsetzers hinauslaufen. Eine solche wird in der Folge ja auch im Hinblick auf die Ausweitung der maximalen täglichen Normalarbeitszeit bei Gleitzeit durch die oben angeführte AZG-Novelle verneint, die damit nach § 34 Abs 5 Uni-KollV weiter bei zehn Stunden liegt (64).

Das Fehlen von Vorgaben für Arbeitszeitaufzeichnungen durch Angehörige des wissenschaftlichen Personals in § 110 UG, aber auch im öffentlichen Dienstrecht, wird mit Recht als unionsrechtlich problematisch eingestuft (insb 73, 110 f). Dass dabei nicht auf die gleiche Einschätzung in der Neuauflage des Personalrechts-Kommentars von Pfeil/Grimm/Schöberl verwiesen wird, ist dem fast gleichzeitigen Erscheinen dieses und des vorliegenden Bandes im Herbst 2021 geschuldet. Viel wichtiger ist ohnedies, dass die am 1.4.2021 in Kraft getretenen Homeoffice-Regelungen in § 2h Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) noch Berücksichtigung gefunden haben (79 ff). Für die Praxis besonders wertvoll dürften hier – wohl an den meisten Universitäten – die Ausführungen zur Bereitstellung digitaler Arbeitsmittel bzw die stattdessen zulässigen Kostenersatzansprüche sein (97 ff).

Hochinteressant, auch wenn dabei noch einiges dogmatisches Neuland beschritten werden muss, sind 170 auch die Kapitel über die Konsequenzen einer Weigerung, sich im Hinblick auf „digital skills“ weiterzubilden (147 f) sowie zu den Rahmenbedingungen für „automatisierte Leistungsbewertungen“, welche im Uni-KollV als Voraussetzung für Gehaltsvorrückungen vorgesehen sind (148 ff).

Diese Beispiele machen deutlich, welch vielfältige und unterschiedliche Probleme sich für das „Personalrecht in Zeiten der digitalen Universität“ stellen. Sie werden von Christina Schnittler durchwegs mit großer Sachkunde dargestellt, in gut verständlicher Weise aufbereitet sowie mit abgewogenen und meist auch überzeugenden Argumentationen einer Lösung nähergebracht.

Der Band ist daher nicht nur mit dem Personalrecht der Universitäten befassten oder daran interessierten Personen zu empfehlen, sondern auch all jenen, die sich – in der Rechtsanwendung oder rechtspolitisch – mit den Auswirkungen der Digitalisierung in der bzw für die Arbeitswelt auseinandersetzen müssen. Und das müssten mittlerweile wohl alle sein, die mit Arbeitsrecht zu tun haben.