Aus-, Fort- und Weiterbildung im Arbeitsverhältnis
Aus-, Fort- und Weiterbildung im Arbeitsverhältnis
Einleitung, Begriffsdefinition
Verpflichtung zur Aus-, Fort- und Weiterbildung während des Arbeitsverhältnisses
Problemaufriss
Arbeitsvertrag und Verpflichtung zur Absolvierung von Schulungsmaßnahmen
Durch Gesetz vorgegebene Schulungsmaßnahmen
Kostentragung bei Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung
Verpflichtung des AG zur Aus-, Fort- und Weiterbildung
§ 1014 ABGB analog
Fürsorgepflicht
Maßnahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung als Arbeitszeit
Ausgewählte Rechtsfragen zum Rückersatz von Ausbildungskosten
Anwendung von § 2d AVRAG auf Ausbildungen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses
Pauschalierung vs Konkretisierung der Ausbildungskosten
Vom neuen AG übernommene Ausbildungskosten und § 2d AVRAG
Fazit
Das Thema der Aus-, Fort- und Weiterbildung im Arbeitsverhältnis ist – wie so oft im Arbeitsrecht – geprägt durch widerstreitende Interessenlagen. Während AN durch derartige Schulungsmaßnahmen zusätzliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben (wollen), die diese bei ihrem AG oder am Arbeitsmarkt allgemein (gewinnbringend) verwerten können, haben AG ein (berechtigtes) Interesse daran, dass die derart investierten Summen als Kenntnis- bzw Fertigkeitsgewinn der AN dem eigenen Unternehmen erhalten bleiben. Aus diesem Spannungsverhältnis ergeben sich zahlreiche Rechtsprobleme, die den Umfang des Artikels weit überschreiten würden. Ausgehend davon beschäftigt sich vorliegende Aufarbeitung mit ausgewählten Fragestellungen zu diesem Thema rund um die Bereiche Verpflichtung zur Bildungsmaßnahme und Kostentragung, Arbeitszeit und Urlaub sowie Rückersatz von vom AG bezahlten Ausbildungskosten.
Für die Zwecke der nachfolgenden Aufarbeitung sind die Begriffe Aus-, Fort- und Weiterbildung zu Beginn kurz zu definieren, weil mit diesen voneinander zu unterscheidenden Schulungsmaßnahmen teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden sind:*
Eine Fortbildung soll die Berufsausübung lege artis gewährleisten und somit eine Erhaltung bzw Aktualisierung bereits erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse zum Inhalt haben (zB Seminare zur aktuellen Judikatur). 108 Weiterbildungen bestehen im Gegensatz dazu im Erwerb zusätzlicher Qualifikationen, Kenntnisse und/oder Fähigkeiten (von Spezialwissen) im Rahmen desselben Tätigkeitsbereichs, so zB in der Setzung eines Schwerpunkts als Jurist im Bereich Arbeitsrecht oder der Vertiefung von Kenntnissen in einem Spezialbereich der Pflege. Es geht dabei also um eine Erweiterung bereits in der Ausbildung erworbener (Grund-)Kenntnisse.
Unter Ausbildungen sind hingegen Maßnahmen zu verstehen, die zu einer Erweiterung des Tätigkeitsbereichs iSd Erwerbs neuer Grundbefähigungen führen. Dabei wird neues Wissen in einem neuen als dem bisherigen (vereinbarten) Tätigkeitsbereich vermittelt.
Eine Verpflichtung des AN zur Absolvierung von Aus- und insb von Fort- sowie Weiterbildungsmaßnahmen kann sich aus gesetzlichen Regelungen (zB § 37 HebG, § 49 ÄrzteG, §§ 4 Abs 2, 63 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz [GuKG] in Bezug auf Gesundheitsberufe,* § 19b GüterbefG hinsichtlich Berufskraftfahrer oder § 14 Abs 8 ZTG betreffend Ziviltechniker), aus kollektivvertraglichen Bestimmungen (zB § 10 KollV für Universitäten) oder aus vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Fehlen derartige Verpflichtungen, ist zu untersuchen, ob AN im Arbeitsverhältnis dennoch einseitig angewiesen werden können, Aus-, Fort- und/oder Weiterbildungsmaßnahmen zu absolvieren. Enthält der Arbeitsvertrag einen allgemeinen Verweis auf die Notwendigkeit der Durchführung solcher Schulungen, ist die Reichweite derartiger Klauseln fraglich.
AN müssen andere Dienste als vertraglich vereinbart – abgesehen von Fällen der Treuepflicht – nicht leisten.* Das Weisungsrecht des AG besteht in der Regel nur im Rahmen der vereinbarten Dienstpflicht und erlaubt diesem, die konkrete Arbeitspflicht unter Berücksichtigung arbeitstechnischer Erfordernisse und dem Organisationsgefüge des Betriebs zu konkretisieren.*
Für den Inhalt der Arbeitspflicht ist primär die Einzelvereinbarung, dh die konkrete vertragliche Ausgestaltung, maßgebend (§ 1153 ABGB, § 6 AngG). Da in den meisten Fällen die Dienstaufgaben der AN nur allgemein umschrieben werden,* mangelt es in aller Regel an klaren und bestimmten Regelungen, ob, und wenn ja, welche Aus-, Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen in welchem Ausmaß arbeitsvertraglich geschuldet werden.* Der konkrete Vertragsinhalt ist sohin regelmäßig nach den §§ 914 f ABGB (zB aus der Berufsbezeichnung bzw der restlichen Beschreibung der Arbeitspflicht) bzw subsidiär iS eines Rückgriffs auf die § 1153 ABGB, § 6 AngG zu bestimmen, wonach den Umständen nach entsprechende, angemessene Dienste oder dem Ortsgebrauch angemessene Dienste zu leisten sind. Zur näheren Konkretisierung sind die jeweiligen Berufs-, Geschäfts- und Verkehrssitten heranzuziehen. * Fragen zum Inhalt der Arbeitspflicht stellen daher in der Regel eine Einzelfallbewertung dar. Dennoch wird gegenständlich der Versuch einer Systematisierung unternommen.
Nach dem OGH* gehört eine Fortbildung eines Versicherungsvertreters, obwohl vertraglich keine Fortbildungsverpflichtung vereinbart wurde, zum Gegenstand der geschuldeten üblichen Dienste des Arbeitsverhältnisses. Da die für die Tätigkeit relevanten Umstände einem häufigen Wandel unterliegen, sei eine entsprechende Fortbildung und Instruktion notwendig. Durch diese Fortbildung werde es dem AN überhaupt erst ermöglicht, seine Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben, weswegen die Fortbildung als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen anzusehen ist.
Auch wenn es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handelt, erscheint insb die zuletzt getroffene Aussage durchaus verallgemeinerungsfähig. Man wird daher über die Vertragsauslegung iSd §§ 914 f ABGB (zB aus der Berufsbezeichnung oder der Umschreibung der Aufgaben bzw Position des AN) oder subsidiär aus den § 1153 ABGB, § 6 AngG grundsätzlich eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des AN zur Fort- und unter Umständen auch zur Weiterbildung immer dann anzunehmen haben, wenn der AN erst dadurch seine Tätigkeit (in gewissen Bereichen) ordnungsgemäß ausüben kann. MaW trägt grundsätzlich jeder Arbeitsvertrag – auch ohne konkrete Abrede – eine Verpflichtung des AN zur Fort- und unter Umständen auch zur Weiterbildung in sich.* Hinsichtlich 109 der konkreten Intensität der Bildungsverpflichtung können sich Unterschiede nach den einzelnen Berufssparten, Tätigkeitsbereichen oÄ ergeben.
Diese allgemeine vertragliche Verpflichtung zur Fort- und unter Umständen zur Weiterbildung unterliegt jedoch Beschränkungen. So ist eine Verpflichtung dort nicht anzunehmen, wo Schulungen thematisch den arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeits- bzw Aufgabenbereich des AN verlassen.* Die von der Arbeitspflicht erfassten Schulungen dürfen lediglich den Zweck verfolgen, die ordnungsgemäße Erfüllung der vereinbarten Dienste zu ermöglichen. Ausbildungen und große Teile von Weiterbildungen können daher dem AN in der Regel im Wege des Direktionsrechts des AG ohne konkrete Vereinbarung einseitig nicht angewiesen werden (zu Weiterbildungen siehe sogleich).
Ebenso ist die allgemeine Fort- und Weiterbildungsverpflichtung mit den individuellen Fähigkeiten eines AN zu begrenzen. Insb schuldet der AN nur die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme sowie ein redliches Bemühen, nicht jedoch den positiven Abschluss derselben.* Auch schuldet der AN nur durchschnittlich sorgfältige Dienste.* Die Arbeitspflicht kann daher nur jene Fortbildungskurse umfassen, die dem AN (wieder) jenen Wissensstand vermitteln, der von einer ordentlichen, gewissenhaften und pflichtgetreuen Durchschnittsperson seines Berufszweigs zum Zeitpunkt der Fortbildung angenommen werden kann. Fachliche Spezialausbildungen oder Fortbildungen zur Optimierung der Arbeitsleistung (also Weiterbildungen iSd vertretenen Begriffsdefinition) sind von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung damit grundsätzlich nicht erfasst.* Andererseits kann das diesbezügliche Direktionsrecht des AG dort seine Grenze erreichen, wo AN zu Schulungsmaßnahmen verpflichtet werden, die keinen neuen Kenntnisgewinn mehr bringen können (zB studierter Arzt, der laufend Erste-Hilfe-Schulungen zu absolvieren hat).
Behauptet ein AN besondere Fähigkeiten (zB durch die Vorlage von Zeugnissen), kann § 1299 ABGB eine Konkretisierungshilfe für die Frage der vertraglichen Fortbildungsverpflichtung darstellen.* Sachverständige iSd § 1299 ABGB haben für die typischen Fähigkeiten ihres Berufsstands (lege artis) einzustehen. Der AN schuldet daher in diesen Fällen durchschnittliche Dienste entsprechend den Regeln der Kunst. Dies muss auch dann gelten, wenn sich das Berufsbild aufgrund technologischer oder fachlicher Weiterentwicklungen ändert bzw weiterentwickelt. Damit hat der AN im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung solche Fortbildungen zu absolvieren, die es diesem (theoretisch) ermöglichen, seine Arbeitsleistung nach den Regeln der Kunst zu erbringen. Ob der Erfolg schlussendlich eintritt, darf aufgrund allgemeiner arbeitsrechtlicher Grundsätze keine Rolle spielen. Der AN muss jedoch theoretisch über jene Kenntnisse verfügen, die es ihm erlauben, nach den Regeln der Kunst zu arbeiten.
Dafür spricht auch, dass der AG Dritten gegenüber (vertraglich) Dienste entsprechend den Regeln der Kunst schuldet.* Eine solche Leistungserbringung ist nur dann denkbar, wenn die von ihm beschäftigten AN theoretisch die Fähigkeiten und Kenntnisse haben, lege artis zu handeln. Um ein unbeschränkbares Haftungsrisiko des AG abwenden zu können, muss es diesem rechtlich möglich sein, seinen AN Fortbildungen anzuordnen, sodass diese zumindest theoretisch lege artis handeln können; das diesbezügliche weitere Fehlerrisiko liegt selbstverständlich aber weiterhin beim AG. Dies erfordert wiederum, dass es sich dabei um eine arbeitsvertragliche Verpflichtung handelt.*
Eine allgemeine Verpflichtung zur Weiterbildung, also die Vermittlung von Spezialkenntnissen im grundsätzlich gleichbleibenden Tätigkeitsbereich, ist dem Arbeitsvertrag ohne ausdrückliche Vereinbarung in der Regel hingegen nicht zu entnehmen, da es sich dabei nicht mehr um ein reines Auffrischen der Kenntnisse handelt. Aber auch Weiterbildungen können mE ohne ausdrückliche Vereinbarung ausnahmsweise arbeitsvertraglich geschuldet werden, so zB dann, wenn ein AG sich in einem Geschäftsfeld spezialisieren möchte (zB allgemeiner Elektronikfachhandel spezialisiert sich ausschließlich auf Computer) oder tatsächlich Digitalisierungen einen derartigen Wandel des Arbeitsprofils mit sich bringen, dass Weiterbildungen erforderlich sind. In diesen Fällen ist eine Interessenabwägung anzustellen, die für den AN auf eine Zumutbarkeitsabwägung hinausläuft. Dabei ist zu beachten, ob die Weiterbildungsmaßnahmen für die Beschäftigung des AN beim bisherigen AG unbedingt erforderlich bzw notwendig sind. Auch sind die individuellen Umstände des AN (Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit) zu berücksichtigen. Gegebenenfalls könnte der AG verpflichtet sein, im Fall des Vorliegens individueller Umstände, die eine Weiterbildung schwierig machen, dem AN einen Ersatzarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Verneint man die Zumutbarkeit für den AN, bedürften derartige Weiterbildungen einer gesonderten Vereinbarung.
Zusammenfassend sind Fortbildungen auch ohne explizite vertragliche Regelung als arbeitsvertragliche Verpflichtung aufzufassen. Während Weiterbildungen in Sonderfällen ohne konkrete Abrede arbeitsvertraglich verpflichtend sein können, müssen Verpflichtungen zur Ausbildung jedenfalls 110 auf expliziter vertraglicher Vereinbarung beruhen, können bei einer lediglich allgemein gehaltenen Verpflichtung zum Besuch von Schulungsmaßnahmen also nicht einseitig angewiesen werden. Dies gilt wohl selbst dann, wenn im Arbeitsvertrag eine allgemeine Verpflichtung zur „Aus-, Fort- und Weiterbildung“ geregelt wird. In aller Regel wird eine Vertragsauslegung wohl ergeben, dass sich AN jedenfalls nicht zur Absolvierung von Ausbildungen verpflichten wollten, die noch dazu durch den AG einseitig angewiesen werden könnten.
Ebenso wie kollektivvertragliche Verpflichtungen* sind auch gesetzlich normierte (berufsrechtliche) Fort- und Weiterbildungsverpflichtungen im Endeffekt als arbeitsvertragliche Verpflichtungen der AN anzusehen. Zwar bleibt eine Missachtung der Fortbildungsverpflichtung berufsrechtlich oftmals sanktionslos (so sieht zB das GuKG bei Krankenschwestern und -pflegern keine berufsrechtlichen Folgen vor, so die Fortbildung nicht durchgeführt wird)* und spricht der OGH* hinsichtlich derartiger Fortbildungen von „von dritter Seite auferlegten“
Maßnahmen. Da AN iS obiger Ausführungen dem AG aber ein Bemühen schulden, die vereinbarte Tätigkeit anhand der typischen Fähigkeiten des Berufsstands zu erbringen, ist davon auszugehen, dass diese dem AG gegenüber auch die Durchführung der Fortbildungsveranstaltungen vertraglich schulden.* Unterstützt wird diese These durch Normen zB im Gesundheitsrecht, die AG ausdrücklich dazu verpflichten, die regelmäßige Fortbildung des nichtärztlichen Personals sicherzustellen (zB § 11d Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz [KAKuG]).* Ein Sicherstellen der Fortbildung ist aber wohl nur dann denkbar, wenn die Fortbildungsverpflichtung unter das Direktionsrecht des AG fällt, sohin arbeitsvertraglich verpflichtend ist.
Problematisch ist, dass einschlägige gesetzliche Regelungen in vielen Fällen lediglich ein Stundenausmaß der Fortbildungsverpflichtung vorgeben, nicht aber, welche Kurse bzw Inhalte zu absolvieren sind.* Besuchen AN derartige Veranstaltungen auf eigene Initiative, ist tunlichst darauf zu achten, der vertraglichen Fortbildungsverpflichtung gerecht zu werden (und nicht zB Seminare lediglich zu einem Thema durchzuführen und andere Themen außen vor zu lassen). Kommt der AN diesen Anforderungen nicht nach, könnten sich darüber hinausgehende vertragliche Fortbildungsverpflichtungen ergeben. Denkbar wäre auch, dass Änderungen der Berufsregeln so umfangreich ausfallen, dass sie durch die berufsrechtlichen Fortbildungsverpflichtungen nicht abgedeckt werden können.* Insofern könnte die grundsätzlich bestehende arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung weitergehender sein, als es die Berufsrechte erfordern. Der AN ist aber zumindest verpflichtet, die im Berufsrecht geforderten Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen. Selbst wenn aufgrund geringer Neuerungen die arbeitsvertragliche Pflicht zur Fortbildung geringer ausfallen würde, als das gesetzlich geforderte Ausmaß es verlangt, ist der AN verpflichtet, die Befähigung zur Berufsausübung zu erhalten.*
Eine derartige vertragliche Verpflichtung wird wohl auch dann anzunehmen sein, wenn es aufgrund einer Gesetzesänderung während des aufrechten Arbeitsverhältnisses notwendig wird, zur Erhaltung der bisherigen Berufsqualifikation eine Aus- bzw Weiterbildung zu absolvieren. Der OGH* spricht in diesen Fällen zwar davon, dass es sich um eine „von dritter Seite“ auferlegte Ausbildungspflicht handelt, sohin der AG nicht zur Ausbildung des AN verpflichtet war, jedoch ist vielmehr fraglich, ob es sich dabei nicht um eine arbeitsvertragliche Ausbildungsverpflichtung des AN (gegenüber dem AG) handelt. Gerade dann, wenn die vereinbarte bzw bisherige Tätigkeit des AN auch jenen Bereich umfasst, in welchem nunmehr die Aus- bzw Weiterbildung verpflichtend vorgesehen wird, kann diese berufsrechtliche Verpflichtung als arbeitsvertragliche Pflicht angesehen werden. Zwar müsste der AN diese für seine (selbstständige) Berufsausübung auch dann durchführen, wenn er in keinem Arbeitsverhältnis steht, jedoch erfordert gerade sein Anstellungsverhältnis in der konkreten Situation die erforderliche Aus- bzw Weiterbildung.* Auch an dieser Stelle werden aber Zumutbarkeitserwägungen iSd Ausführungen zu Weiterbildungen durchzuführen sein.
Bildungsmaßnahmen, die aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw zum Zwecke der weiteren Ausübung der Dienstpflicht (auch von Gesetzes wegen) notwendig bzw erforderlich sind, stellen somit zusammenfassend arbeitsvertragliche Verpflichtungen der AN dar.
Ist der AG gesetzlich oder kollektivvertraglich zur Ausbildung seiner AN verpflichtet (zB nach dem 111 BAG), hat dieser die Kosten der Ausbildung zu tragen. Ein Rückersatz von Ausbildungskosten ist in diesen Fällen unzulässig.* Dieser ursprünglich durch die Judikatur etablierte Grundsatz wurde nunmehr auch unionsrechtlich vorgezeichnet. So normiert Art 13 Transparenz-RL 2019/1152, dass AN Fortbildung kostenlos angeboten als Arbeitszeit angerechnet werden und möglichst während der Arbeitszeit stattfinden soll, wenn der AG aufgrund gesetzlicher und/oder kollektivvertraglicher Regelungen verpflichtet ist, AN im Hinblick auf die Arbeit, die sie ausüben, Fortbildungen anzubieten. Nach ErwGr 37 der RL 2019/1152 dürfen diese Kosten dem AN weder in Rechnung gestellt noch vom Entgelt einbehalten oder abgezogen werden.
Zu beachten ist, dass der unionsrechtliche Begriff der „Fortbildung“ in Art 13 RL 2019/1152 weit zu verstehen ist und insb auch Ausbildungen umfasst.* Wann iSd RL 2019/1152 davon auszugehen ist, dass AG gesetzlich oder kollektivvertraglich dazu „verpflichtet“ sind, den AN Fortbildungen „anzubieten“, wird nicht weiter definiert. Schöffmann* weist zutreffend darauf hin, dass davon jedenfalls Lehrverhältnisse iSd BAG betroffen sind; dies entspricht im Endeffekt auch der derzeitigen hA zum BAG. Berufsrechtliche Fortbildungsveranstaltungen seien nach Schöffmann von Art 13 RL 2019/1152 hingegen nicht erfasst, weil die diesbezügliche Pflicht zur Durchführung der Ausbildung den AN und nicht den AG treffe. Dieser Ansicht kann wohl zumindest in jenen Bereichen nicht gefolgt werden, in denen AG von Gesetzes wegen ausdrücklich dazu verpflichtet werden, die regelmäßige Fortbildung (gem § 11d KAKuG zB des nichtärztlichen Personals) sicherzustellen. Aber auch sonst ist fraglich, ob Art 13 RL 2019/1152 (der die Überschrift „Pflichtfortbildungen“ trägt) nicht weiter zu verstehen ist. Zu beachten ist, dass Art 13 RL 2019/1152 ausdrücklich nicht von einer Verpflichtung des AG zur „Durchführung“ der Fortbildung spricht, sondern lediglich von einer Verpflichtung des AG spricht, Fortbildungen anzubieten. So wird bei berufsrechtlichen Fortbildungsverpflichtungen zB bereits jetzt vertreten, dass AG verpflichtet sind, AN die Durchführung dieser Maßnahmen auch während der Arbeitszeit zu ermöglichen.* Darüber hinaus liegen gerade derartige Maßnahmen im immanenten Interesse des AG, sollen die AN dadurch doch befähigt werden, weiterhin ihre Tätigkeit lege artis auszuüben. Beachtet man diese Erwägungen, könnte durchaus die Ansicht vertreten werden, dass AG aufgrund gesetzlicher Regelungen (zB Fürsorgepflicht) verpflichtet sind, AN im Hinblick auf ihre Arbeit, die sie ausüben, Fortbildungen anzubieten. IS einer richtlinienkonformen Interpretation müsste damit aber auch eine Kostentragungspflicht des AG für derartige Fortbildungen einhergehen.
Liegt eine Verpflichtung des AG zur Ausbildung nicht vor bzw möchte man berufliche Fortbildungsverpflichtungen nicht als von Art 13 RL 2019/1152 erfasst sehen und bestehen keine vertraglichen oder sondergesetzlichen Bestimmungen zur Kostenübernahme (zB §§ 14, 24 Gefahrgutbeförderungsverordnung), bedarf es eines Rückgriffs auf allgemeine Regelungen des Zivilrechts. In der Lehre und Judikatur wird dabei sowohl auf die Fürsorgepflicht als auch auf § 1014 ABGB analog zurückgegriffen.*
Der OGH geht davon aus, dass Kosten von Bildungsmaßnahmen dann, wenn diese arbeitsvertraglich verpflichtend sind, nach § 1014 ABGB analog durch den AG zu übernehmen sind.* Auch Stärker* sowie – sich diesem anschließend – Stadler* gehen davon aus, dass das Know-how eines AN als Betriebsmittel iwS angesehen werden könne, welches im Arbeitsverhältnis der AG zur Verfügung zu stellen hat, weswegen der AG in dienstlichem Interesse liegende Fortbildungen zu finanzieren habe.
Diesen Ansichten ist vollinhaltlich zuzustimmen. Werden AN arbeitsvertraglich zu Aus- und Weiterbildungen verpflichtet, besteht unzweifelhaft eine Kostentragungspflicht nach § 1014 ABGB analog.
Nichts anderes gilt für Fortbildungen (zur Erhaltung der Qualifikation), die ohne spezielle vertragliche Vereinbarung arbeitsvertraglich geschuldet werden, da diese notwendig sind, um die geschuldete Arbeitspflicht ordnungsgemäß zu erfüllen. So wird der Aufwand der Fortbildung nahezu ausschließlich deshalb getätigt, um den Interessen des AG zu dienen, da dieser den AN nur einsetzen kann, wenn er zumindest theoretisch über Kenntnisse lege artis verfügt.* Dabei ist zu beachten, dass der AG gegenüber seinen Kunden verpflichtet ist, Dienste lege artis zu erbringen. Ohne Fortbildungen seiner Mitarbeiter zur Erhaltung der Qualifikation ist es für den AG aber nicht möglich, seine AN ohne erhebliches Haftungsrisiko zur Erbringung der Dienste einzuteilen. Für den AG sind derartige Fortbildungen daher essentiell. Auch wenn bei solchen Fortbildungen in gewissem Maße zur Erhaltung der Qualifikation auch Interessen des AN betroffen sind, steht das betriebliche Interesse deutlich im Vordergrund. So stellen Fortbildungen für den AN keine Marktwertsteigerung dar, sondern führen lediglich zu einer Erhaltung des Marktwerts. 112
Damit hat der AG auch Aufwendungen für jene Fortbildungen zu tragen, die AN ausgehend von ihrem Berufsrecht absolvieren müssen. Auch diese sind arbeitsvertraglich geschuldet und sollen der Erhaltung der Kenntnisse entsprechend den Regeln der Kunst des jeweiligen Berufs dienen. Das Interesse an derartigen Fortbildungen auf Seiten des AG überwiegt deutlich, womit eine Kostentragung nach § 1014 ABGB analog anzunehmen ist. Es mag zwar zutreffen, dass AN in gewissen Bereichen ohne diese Fortbildungen ihren Beruf nicht mehr ausüben können, dennoch wird ein AN nur deswegen solche Fortbildungen durchführen (so er nicht selbstständig tätig ist), damit er für den AG einsatzfähig ist.* Im Übrigen wäre eine Ersatzpflicht der Aufwendungen selbst dann anzunehmen, wenn eine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Absolvierung derartiger berufsrechtlich vorgeschriebener Ausbildungen nicht angenommen wird, da auch diese für die Geschäftsbesorgung, dh die Arbeit, notwendig sind.
Die Rechtsansicht, wonach die durch Aus-, Fortund Weiterbildungen vermittelten Kenntnisse Güter des AN darstellen und nach der Verkehrsauffassung vom AN selbst bereitzustellen sind,* überzeugt nicht. Auszugehen ist davon, dass die Betriebsmittel im Arbeitsverhältnis vom AG bereitzustellen sind.* Die Frage, welche Güter der AN nach der Verkehrsauffassung selbst bereitzustellen hat, ist sohin eng zu beantworten. Die anfängliche persönliche und fachliche bzw rechtliche Befähigung, einen Beruf auszuüben, mag zwar in der Verantwortung des AN liegen (zB Führerschein, Ausbildung zur Krankenschwester). Werden derartige Ausbildungen bzw Kenntniserwerbe aber erst während des Arbeitsverhältnisses erforderlich bzw stellen AG AN im Wissen um mangelnde Kenntnisse für die vereinbarte Tätigkeit und die Notwendigkeit von Aus- und Fortbildungen ein, ist der AG zur Kostentragung nach § 1014 ABGB analog verpflichtet. Nach allgemeinen Grundsätzen ist für den Aufwandersatz nach § 1014 ABGB entscheidend, dass der AG dem AN eine Aufgabe überträgt und es in Kenntnis dieses Umstands erforderlich ist, dass der AN eigene Güter für die Zwecke des AG einsetzt. Wird der Aufwand somit aufgrund des Arbeitsverhältnisses getätigt, ist eine Kostentragungspflicht des AG grundsätzlich gegeben.
Wird eine Qualifikation durch den AN vor einem Arbeitsverhältnis erworben, fallen Nachschulungen und Weiterbildungen während des Arbeitsverhältnisses, die darauf aufbauen, dennoch unter den Anwendungsbereich von § 1014 ABGB analog.*
Ebendies muss für berufsrechtliche Fortbildungen gelten, stellt der AG diese doch mit dem Wissen ein, dass Fortbildungen absolviert werden müssen. Gerade bei gesetzlich verpflichtend durchzuführenden Fortbildungen sowie solchen, im Rahmen derer die gesetzlich geforderten Kenntnisse lege artis vermittelt werden, sind diese für die Zwecke des AG unstrittig „notwendig“ iSd § 1014 ABGB.*
Nur in seltenen Fällen kann an eine Kostenteilung gedacht werden. Übt eine Person neben ihrer unselbstständigen Tätigkeit zB auch eine selbstständige Tätigkeit aus (Arzt, Hebamme), ist zu prüfen, in welchem Interesse eine derartige Fortbildung steht. Ist der Nutzen beiden Bereichen annähernd gleich zuzuordnen, könnte man an eine Teilung des Aufwands denken.*
Zuletzt ist zu beachten, dass der Aufwandersatz nach § 1014 ABGB analog auch dann gebühren kann, wenn der konkrete Aufwand durch den AN initiiert wird.* Absolvieren AN somit Fort- und Weiterbildungen, welche für sie arbeitsvertraglich verpflichtend sind, ist ein Aufwandersatz nach § 1014 ABGB analog auch dann anzunehmen, wenn der AG davon vor Absolvierung der Maßnahme keine Kenntnis hat.* Dennoch wird in einem solchen Fall genau zu überprüfen sein, ob die Ausbildung tatsächlich im Interesse des AG lag.
Zu beachten ist schlussendlich, dass § 1014 ABGB grundsätzlich abdingbar ist. ME ist eine Abdingung von § 1014 ABGB im Zusammenhang mit Schulungsmaßnahmen aber in aller Regel dann sittenwidrig, wenn der AN zum entsprechenden Aufwand (also der Schulung) gesetzlich oder arbeitsvertraglich verpflichtet ist und dieser für das Arbeitsverhältnis und die Aufrechterhaltung der Kenntnisse notwendig ist.* Aufwendungen für Fortbildungen, die zum Erhalt der Kenntnisse lege artis erforderlich sind bzw vom Berufsrecht vorgeschrieben werden, können somit nicht auf den AN überwälzt werden, zumal das an die AN bezahlte Gehalt auch die Teilnahme an derartigen Fortbildungsmaßnahmen abdeckt. Dann jedoch, wenn mit der vertraglichen Kostenüberwälzung auf den AN eine Entgelterhöhung einhergeht oder AN ein weit über dem KollV liegendes Entgelt beziehen sowie der entsprechende Aufwand damit nicht unverhältnismäßig im Widerspruch steht, erscheint eine (teilweise) Abbedingung von § 1014 ABGB analog denkbar.* Dies gilt insb dann, wenn berücksichtigungswürdige Eigeninteressen des AN an der Schulungsmaßnahme bestehen. Allgemein wird man schon aufgrund der allgemeinen Drucksituation im Arbeitsverhältnis davon ausgehen müssen, dass ein Abdingen der Kostentragungspflicht nur vor Absolvierung der Schulungsmaßnahme zulässig ist.
In Teilen der Lehre wird vertreten, dass eine Verpflichtung zur Kostentragung insb bei gesetzlich verpflichtenden Fortbildungsmaßnahmen auch aus 113 der Fürsorgepflicht des AG gegenüber dem AN abgeleitet werden kann.* Richtig ist zwar, dass der AG im Rahmen seiner sachlichen Fürsorgepflicht die Voraussetzungen für die Absolvierung notwendiger Fortbildungen zu schaffen hat, sofern dies dem AN nicht alleine möglich ist.* Darunter ist mE jedoch keine Kostentragungspflicht des AG zu verstehen, zumal aus der Fürsorgepflicht als Schutzpflicht bzw Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag nur in seltenen Fällen eine Entgeltzahlungspflicht bzw Verpflichtung zur Bezahlung eines Aufwandes abgeleitet werden kann.*
Während arbeitsvertraglich verpflichtenden Bildungsmaßnahmen stellt der AN dem AG seine Arbeitskraft zur Verfügung. Ausgehend davon wurde bereits bisher vertreten, dass in einem solchen Fall Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG gegeben ist.* Nunmehr hat sich der EuGH* erstmals mit der Frage des Vorliegens von Arbeitszeit während der Absolvierung einer Ausbildungsveranstaltung auseinandergesetzt. Konkret war ein Fall zu beurteilen, in dem ein AN vom AG angewiesen wurde, 160 Stunden beruflicher Fortbildung zu absolvieren, um die Voraussetzungen für die Ausübung der öffentlichen Dienstleistung zu erfüllen. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass der AN dem AG während der Zeit der beruflichen Fortbildung iS von Art 2 Nr 1 RL 2003/88 zur Verfügung stand, weswegen Arbeitszeit vorgelegen ist. Dabei war es unerheblich, dass die Fortbildungsverpflichtung auf nationale Rechtsvorschriften zurückzuführen ist und der AG auf Basis dieser Normen verpflichtet war, AN die Fortbildung vorzuschreiben. Unerheblich war ferner, dass die Ausbildung teilweise außerhalb der normalen Arbeitszeit lag sowie, dass sich die Tätigkeit während der beruflichen Fortbildung von der Tätigkeit unterscheidet, die der AN im Rahmen der gewöhnlichen Aufgaben ausübt.
Blickt man auf die unionsrechtlichen Grundlagen, war der Ausgang des Verfahrens wenig überraschend. Die RL 2003/88 kennt keine Zwischenkategorien zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit. Sämtliche Zeiten, die nicht als Ruhezeit anzusehen sind, sind daher zur Arbeitszeit zu zählen.* Ähnlich differenziert auch das AZG zwischen Arbeitszeit, Ruhezeit und Freizeit, wobei Arbeitszeit als „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“ definiert wird (§ 2 Abs 1 Z 1 AZG).*
Ausgehend davon wird man auch im Anwendungsbereich des AZG davon auszugehen haben, dass Bildungsmaßnahmen, die für AN arbeitsvertraglich verpflichtend sind, als Arbeitszeit iSd § 2 AZG anzusehen sind. Dabei ist es mE unerheblich, ob die Absolvierung der Bildungsmaßnahme direkt angewiesen wurde oder auf einer Vereinbarung beruht.* Arbeitszeit liegt demgemäß auch vor, wenn AN (ohne explizite vertragliche Regelung) eine berufsrechtlich verpflichtende Fortbildung absolvieren, weil die Teilnahme daran arbeitsvertraglich verpflichtend ist (siehe oben). Der Umstand, dass die Bildungsmaßnahme als Voraussetzung für die Durchführung der relevanten Tätigkeit gesetzlich vorgeschrieben ist, ist nach dem EuGH für die Qualifikation des Zeitraums als Arbeitszeit irrelevant (Rn 43). Dabei ist es ebenso unerheblich, ob die Teilnahme an der Veranstaltung auf Anweisung oder Eigeninitiative des AN erfolgt. In all diesen Fällen liegt Arbeitszeit iSd § 2 AZG vor. Dass Arbeitszeit in diesen Fällen immer nur dann vorliegt, wenn AN zuvor an ihre AG entsprechend herantreten,* ist mE zu kurz gegriffen, zumal nach hA Arbeitszeit (nämlich Mehrleistungen) auch dann vorliegt, wenn AN – trotz fehlender Anweisung – Arbeitsleistungen erbringen und AG diese entgegennehmen. Erfüllt der AN durch die eigeninitiativ ausgewählte Fortbildung eine arbeitsvertragliche Verpflichtung, die in diesem Sinne auch dem AG zugutekommt, ist von Arbeitszeit auszugehen, sofern nicht eine vertragliche Vereinbarung dahingehend getroffen wurde, dass die Teilnahme an Fortbildungen vorweg abgestimmt werden muss.
Nur dann, wenn die Bildungsmaßnahme die arbeitsvertragliche Verpflichtung überschreitet, kann sich die Frage stellen, wie mit diesen Zeiträumen umzugehen ist. Sind Schulungsmaßnahmen zwar nicht arbeitsvertraglich verpflichtend, kann der AG aus der Teilnahme der AN aber einen Mehrwert erzielen, muss im jeweiligen Einzelfall konkret geprüft werden, ob die Teilnahme tatsächlich freiwillig war oder doch durch den AG (uU durch subtilen Druck) im Endeffekt angewiesen wurde.* Es ist somit eine Gesamtbetrachtung im jeweiligen Einzelfall anzustellen. Je eher die Maßnahme im Interesse des AG liegt, desto wahrscheinlicher ist Arbeitszeit anzunehmen. Je weniger die Schulungsmaßnahme mit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit in Verbindung steht, desto eher wird keine Arbeitszeit vorliegen, dies auch deswegen, weil in diesen Fällen das Element der Freiwilligkeit der AN wohl deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Die nunmehr auch vom EuGH bestätigte Auffassung, dass in den oben beschriebenen Fällen Arbeitszeit vorliegt, stellt AG im Übrigen durchaus vor schwierige Fragestellungen, wenn man beachtet, 114 dass viele Schulungen in den Abendstunden oder am Wochenende, also nach bzw außerhalb der vereinbarten Lage der Arbeitszeit, stattfinden. Damit ist nicht nur die tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeit, sondern sind auch die (täglichen und wöchentlichen) Ruhezeiten, das Thema der Ersatzruhe sowie insb das Verbot der Arbeitsleistung am Wochenende unmittelbar betroffen. Zwar kennt das AZG für Zeiten, in denen AN geringer beansprucht werden, diverse Sonderregelungen (zB §§ 5, 5a AZG, § 20a AZG betreffend Rufbereitschaft, § 20b AZG betreffend Reisezeit), die Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme ist mit diesen Ausnahmebestimmungen aber nicht vergleichbar, zumal aufgrund der notwendigen Anwesenheit, geistigen Aufmerksamkeit, Konzentration und potentieller körperlicher Betätigung jedenfalls von echter Arbeitszeit auszugehen sein wird.* Treten AN eigeninitiativ Schulungsmaßnahmen an, werden diese iSd Treuepflicht darauf achten müssen, die obigen Ruhezeiten und höchstzulässigen Arbeitszeiten einzuhalten bzw nicht zu überschreiten.
Unzulässig ist aufgrund obiger Ausführungen somit auch die Vereinbarung von Urlaub während vertraglich verpflichtender Ausbildungen, ebenso die Vereinbarung von Zeitausgleich.
Aufgrund komplexer Arbeitsaufgaben müssen AN vermehrt bereits vor Aufnahme der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ausführliche Schulungsmaßnahmen durchlaufen. In vielen Fällen werden derartige Schulungen im Rahmen von sogenannten Ausbildungsverhältnissen durchgeführt, die dem Arbeitsverhältnis zeitlich vorgelagert sind. Vereinbart wird dabei in der Regel, dass das Unternehmen dem AN die allgemein verwertbare Ausbildung bezahlt. Geregelt wird, dass das Unternehmen nach Abschluss der Ausbildung rechtlich nicht verpflichtet ist, den AN zu übernehmen. Wird hingegen ein Arbeitsverhältnis unternehmensseitig angeboten und sodann abgeschlossen, ist der AN bei sonstigem (anteiligen) Kostenrückersatz für einen vordefinierten Zeitraum an den AG gebunden. Nimmt der AN das Angebot zum Abschluss des Arbeitsvertrags hingegen nicht an, ist er verpflichtet, die Ausbildungskosten zur Gänze zu bezahlen. Da derartige Vereinbarungen auch während der Dauer des nachfolgenden Arbeitsverhältnisses in vielen Fällen von den Grundsätzen des § 2d AVRAG, insb von der monatlichen Aliquotierungsregelung, abweichen, ist zu prüfen, ob § 2d AVRAG auf derartige Fallkonstellationen anzuwenden ist.
Die bisherige höchstgerichtliche Rsp* geht dabei zusammengefasst davon aus, dass § 2d AVRAG auf derartige Konstellationen aufgrund des Umstands, dass bei Unterzeichnung der Vereinbarung nur ein Ausbildungsverhältnis und kein Arbeitsverhältnis vorliege, nicht zur Anwendung gelangt. Darüber hinaus sei in der Ausbildungsvereinbarung gerade keine Verpflichtung vereinbart worden, wonach der AN ein Arbeitsverhältnis zum AG eingehen muss, weswegen auch keine unzulässige Überwälzung des Ausbildungsrisikos auf den AN anzunehmen sei.
Diese Judikatur hat zur Folge, dass große Unternehmen vermehrt Ausbildungsmaßnahmen im Rahmen sogenannter „Ausbildungsverhältnisse“ zeitlich vor dem Arbeitsverhältnis anbieten, um so ua § 2d AVRAG zu umgehen und davon abweichende Rückersatzabreden vereinbaren zu können. Gemessen werden diese Vereinbarungen nur am Maßstab des § 879 ABGB.
Diese Rsp ist zu hinterfragen. Auszugehen ist davon, dass es – soweit ersichtlich – durchaus anerkannt ist, dass § 2d AVRAG auch auf Vereinbarungen anzuwenden ist, die zeitlich vor einem Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurden und/oder eine Ausbildung betreffen, die vor dem Arbeitsverhältnis absolviert wird. So geht das OLG Linz* zB davon aus, dass Rückersatzvereinbarungen jedenfalls dann dem Schutzbereich des AVRAG unterliegen, wenn diese unmittelbar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden, insb wenn die Ausbildung Anstellungsvoraussetzung sei. Nach dem ASG Wien und OLG Wien* kommt § 2d AVRAG (analog) auf Vereinbarungen zur Anwendung, die im Hinblick auf ein zu begründendes Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurden.*
Schon zur alten Rechtslage führte Resch* aus, dass spätestens zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses die zuvor vereinbarte Klausel auch anhand der § 1158 ABGB bzw § 20 AngG zu prüfen sei, sofern eine solche Klausel einen Bezug zum Kündigungsrecht des AN in dem eben abgeschlossenen Arbeitsverhältnis aufweise. Insb könne es für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidend sein, ob die Vereinbarung vor dem Arbeitsverhältnis, im Hinblick auf oder bei Antritt desselben abgeschlossen wurde.
Dieser Rechtsansicht ist zu folgen. Werden Rückersatzvereinbarungen im Hinblick auf ein zu begründendes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, sind diese Abreden zumindest ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses an § 2d AVRAG (analog) zu messen. Der erforderliche Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis ist dabei weit zu interpretieren. Sobald die Ausbildung potentielle Vorbereitungshandlung eines nachfolgenden Arbeitsverhältnisses sein kann bzw ist, ist ein derartig relevanter Zusammenhang 115 gegeben. Tritt der AN nach Abschluss der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zum AG, ist die Vereinbarung zumindest ab diesem Zeitpunkt nach den Maßstäben des § 2d AVRAG zu beurteilen. Es kann schon wertungsmäßig keinen Unterschied machen, ob Rückersatzvereinbarungen in solchen Fällen vor, gleichzeitig mit oder nach Abschluss des Arbeitsvertrags abgeschlossen werden. Wesentlich ist, dass durch § 2d AVRAG eine sittenwidrige Beschränkung der wirtschaftlichen Kündigungsfreiheit des AN verhindert werden soll. Diese Wertungen kommen aber immer dann zu tragen, wenn eine Rückersatzvereinbarung während aufrechten Arbeitsverhältnisses in Kraft ist, dies unabhängig vom konkreten Abschlusszeitpunkt der Rückersatzvereinbarung. Verstößt eine Rückersatzvereinbarung somit während aufrechtem Arbeitsverhältnis zB gegen das in § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG normierte Gebot der monatlichen Aliquotierung, ist die Rückersatzvereinbarung in ihrer Gesamtheit rechtsunwirksam. *
Der Umstand, dass bei Abschluss der Rückersatzvereinbarung ein Arbeitsvertrag noch nicht abgeschlossen wurde und keine Verpflichtung des AN besteht, in ein Arbeitsverhältnis zum AG zu wechseln, ist dabei nicht weiter relevant. Dabei ist zu beachten, dass es AN selbst bei unterzeichnetem aber noch nicht angetretenem Arbeitsvertrag mit vereinbartem Probemonat ohne Begründung möglich ist, vom Arbeitsvertrag zurückzutreten oder das Arbeitsverhältnis im Probemonat zu beenden. Ein wertungsmäßig relevanter Unterschied ist somit nicht zu erkennen.
Nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht zustande kommt (wozu auch der Fall zu zählen ist, dass die Ausbildung abgebrochen wird), wird es für eine Anwendung von § 2d AVRAG darauf ankommen, ob das arbeitsvertragliche Band bereits derart eng ist, dass sich die Wirkungen des § 2d AVRAG auch auf den Zeitraum vor Beginn des Arbeitsverhältnisses erstrecken können. Ist dem nicht so, sind derartige Vereinbarungen im Zeitraum vor Abschluss des Arbeitsvertrags nach den allgemeinen Grundsätzen des § 879 ABGB zu beurteilen.
Die Judikatur* vor Einführung von § 2d AVRAG sowie die damalige (und wohl auch heutige) hL* gehen davon aus, dass die Vereinbarung eines pauschalen Rückforderungsbetrags lediglich die Teilnichtigkeit der Vereinbarung hinsichtlich der über den tatsächlichen Aufwendungen des AG vereinbarten Rückforderungssumme nach sich zieht. Derartige Klauseln sollen zulässig sein, weil AN zumindest wissen, wie hoch die maximal zurückzuerstattenden Ausbildungskosten bei einer allfälligen Beendigung sein können.
In der jüngeren Rsp zu § 2d AVRAG ist zu beobachten, dass der OGH – durchaus auch formalistisch – die Anforderungen an Rückersatzklauseln betreffend Transparenz, Klarheit und konkrete Kostentragungspflicht immer strenger wird betont, dass beurteilt. So wird betont, dass § 2d AVRAG den Zweck verfolgt, dass AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung erhalten. Dem AN soll insb ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Nur derart könne eine sittenwidrige Beschränkung der Kündigungsfreiheit des AN vermieden werden.*
In diesem Sinne verstieß eine Vereinbarung gegen § 2d AVRAG, weil die getroffene Abrede eine Auflistung rückersatzpflichtiger Kosten enthielt, in welcher sich zwar das fortgezahlte Entgelt ziffernmäßig fand, nicht jedoch die Höhe der notwendigen Kosten der Ausbildung. Obwohl der AG in der Folge lediglich das ziffernmäßig bestimmte laufende Entgelt zurückforderte, wurde die Vereinbarung mangels Transparenz und ausreichender Konkretisierung für gänzlich nichtig erachtet, eine geltungserhaltende Reduktion scheiterte am Zweck der Verbotsnorm.*Ebenso nicht dem Transparenzgrundsatz entsprach die Formulierung, wonach der AN „1/60 der Kosten der bezahlten Dienstfreistellung“ rückerstatten müsse. Vielmehr ist es erforderlich, dass aus der Rückersatzvereinbarung die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht.*
ME lässt sich aus dieser Judikaturlinie des OGH ableiten, dass auch jene Rückersatzvereinbarungen § 2d AVRAG widersprechen, die Ausbildungskosten als Pauschalsumme ausweisen. Zwar können AN bei solchen Vereinbarungen nie zum Rückersatz von Kosten verpflichtet werden, die AG nicht bezahlt haben, welche Kosten durch den AG aber aufgewendet wurden, kann in aller Regel nur ex post, also durch ein nachfolgendes Gerichtsverfahren geprüft werden. Durch eine derartige Pauschalvereinbarung wird somit gerade nicht dem Zweck des § 2d AVRAG entsprochen, wonach AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz von Ausbildungskosten im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten sollen, zumal die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten für den AN nicht erkennbar ist. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die in der Vereinbarung enthaltene Pauschalsumme die tatsächlich aufgewendeten Kosten des AG deutlich übersteigt, wodurch AN uU aufgrund unrichtiger Angaben davon abgehalten werden könnten, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Schon alleine deswegen ist es erforderlich, dass Rückersatzvereinbarungen die konkret vom AG aufgewendeten Kosten ausweisen und nicht Pauschalsummen, deren Überprüfbarkeit in aller Regel für den AN nicht möglich ist. 116 Abweichendes kann nur bei sogenannten Rahmenkosten gelten, also zB bei Reise- und Übernachtungskosten. Liegt die Ausbildung in der Zukunft, sind oftmals die exakten Reise- und Übernachtungskosten noch nicht bekannt, weswegen eine konkrete Summe auch nicht in die Rückersatzvereinbarung aufgenommen werden kann. Diese Kostenart betreffend wäre es daher wohl vertretbar, eine am tatsächlich zu erwartenden Aufwand orientierte Pauschalsumme zu vereinbaren.
Zu beachten ist schlussendlich, dass der vom AN an den AG zu leistende Rückzahlungsbetrag der Umsatzsteuer unterliegt, wobei dies selbst dann gilt, wenn das Bildungsinstitut ursprünglich keine Umsatzsteuer verrechnet hat.* Unter Beachtung der obigen Judikatur zur erforderlichen Transparenz und Klarheit ist es daher zwingend erforderlich, dass in den Abreden auf diesen Umstand gesondert hingewiesen wird. Andernfalls ist der AN bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einer um 20 % höheren Rückersatzforderung konfrontiert als in der Vereinbarung ausgewiesen. Fehlt ein Hinweis auf die Umsatzsteuerpflicht des Rückzahlungsbetrags, kann der AN die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum gerade nicht mehr ermessen, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde. Enthalten Rückersatzvereinbarungen sohin keinen entsprechenden Hinweis, sind diese mE vor dem Hintergrund der obigen Rsp zur Gänze rechtsunwirksam.
Wechseln AN während einer Ausbildung bzw während der Bindungsdauer einer aufrechten Rückersatzvereinbarung iSd § 2d AVRAG ihren AG, stellt sich oftmals die Frage, ob der neue AG die vom AN an den alten AG zurückzuzahlenden Ausbildungskosten übernehmen und mit dem AN eine neue Rückersatzvereinbarung über die dadurch übernommenen Ausbildungskosten abschließen kann.
In 9 ObA 97/22p* musste der OGH einen an obiges Fallbeispiel angelehnten Sachverhalt beurteilen. Konkret wechselte eine AN ihren AG, wobei eine dem neuen AG nahestehende dritte Person der AN ein Darlehen gewährte, um die dem alten AG rückzuerstattenden Ausbildungskosten zu bezahlen. Vereinbart wurde, dass das Darlehen von der AN in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von drei Jahren aufgelöst wird. Der OGH kam zu dem Ergebnis, dass die Gewährung eines Darlehens für bei anderen AG absolvierte Ausbildungen keine Übernahme der Ausbildungskosten durch den AG oder ihm nahestehende Dritte darstelle, weswegen keine „tatsächlich aufgewendeten Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung“
iSd § 2d AVRAG vorliegen würden. Die AN sei daher zur Rückzahlung des Darlehens verpflichverpflichtet, wobei das Erstgericht den Rückzahlungsbetrag bereits (unbekämpft) aliquotierte.
Das Ergebnis dieser E erscheint problematisch. Ohne dass sich der OGH mit der Frage beschäftigte, ob die Darlehenskonstruktion allgemein § 2d AVRAG zu unterstellen ist, ging das Höchstgericht davon aus, dass im oben dargestellten Sachverhalt keine „tatsächlich aufgewendeten Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung“
iSd § 2d AVRAG vorliegen würden. Ob man diesem Zwischenergebnis zustimmt oder nicht, ist vorrangig nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, welche Folgen der OGH daran knüpft. Nach der allgemeinen Systematik des § 2d AVRAG als Verbotsnorm müsste man nämlich zu dem Ergebnis gelangen, dass damit die Vereinbarung über die Rückersatzpflicht der Darlehenssumme rechtsunwirksam ist, weil diese gegen § 2d AVRAG verstößt (es wird die Definition der Ausbildungskosten nicht erfüllt). Der OGH ging jedoch vielmehr davon aus, dass die getroffene Vereinbarung gar nicht unter den Anwendungsbereich des § 2d AVRAG zu subsumieren sei, weswegen die Vereinbarung nicht an den Gültigkeitsbeschränkungen des § 2d AVRAG, sondern an den weiteren Kriterien des § 879 ABGB zu messen sei.
Dieses Ergebnis zeigt deutlich die Problematik des § 2d AVRAG auf: § 2d AVRAG enthält keine Definition seines Anwendungsbereichs, umschreibt also nicht, welche Sachverhalte von der Norm erfasst sind. In der Praxis existieren zahlreiche unterschiedliche Finanzierungsformen von Ausbildungen, sei es durch klassische Rückersatzvereinbarungen, Darlehenskonstruktionen, Kreditaufnahmen durch AN, wobei AG die Kreditraten zahlen, oder durch die Übernahme von Kosten bereits bei anderen AG durchgeführter Ausbildungen. Nimmt man derartige Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich von § 2d AVRAG aus, sind Vereinbarungen, die zB keine monatliche Aliquotierung enthalten, nicht etwa unwirksam, vielmehr sind sie an den (im Verhältnis zu § 2d AVRAG idR) weiteren Grenzen des § 879 ABGB zu messen (und wären damit oft zulässig). Um somit den AN den Schutz des § 2d AVRAG zukommen zu lassen, ist es von entscheidender Bedeutung, genau zu prüfen, welche Konstellationen § 2d AVRAG zu unterstellen sind (und bei Verstoß gegen ein darin geregeltes Tatbestandsmerkmal unwirksam sind) und welche nicht (und daher „nur“ nach § 879 ABGB zu beurteilen sind). MaW ist bei § 2d AVRAG zwischen Tatbestandsmerkmalen des Anwendungsbereichs der Norm und Tatbestandsmerkmalen für die Gültigkeit von Rückersatzvereinbarungen zu unterscheiden.
Mangels Umschreibung eines Anwendungsbereichs wird man eine Prüfung, welche Fälle von § 2d AVRAG erfasst sind, im Wesentlichen durch Betrachtung der hinter § 2d AVRAG stehenden Zwecke und Wertungen durchführen müssen. Die vom OGH in 9 ObA 97/22p genannten Wertungsunterschiede sind dabei für die Frage, ob der Anwendungsbereich von § 2d AVRAG eröffnet ist, mE ungeeignet. Vielmehr wird man iS einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise beurteilen müssen, ob die getroffenen Vereinbarungen der Systematik 117 der von § 2d AVRAG vorgesehenen Abreden entsprechen. Vorweg ist festzuhalten, dass mE zweifelsohne Schulungskosten (zumindest im weitesten Sinne) vorliegen, sodass eine unterschiedliche Behandlung dieser Kosten im Verhältnis zu Kosten für Ausbildungen, die AG direkt übernehmen, sachlich nicht gerechtfertigt wäre (schlussendlich wirkt die Vereinbarung – aus Sicht des AN – auch gleich einschränkend wie eine „typische“ Rückersatzklausel). Beachtet man die hinter § 2d AVRAG stehenden Wertungen und Zwecke (kurz zusammengefasst: Schutz der Investitionen des AG einerseits, Verhinderung der sittenwidrigen Beschränkung der wirtschaftlichen Kündigungsfreiheit des AN andererseits) und den Wortlaut der Norm, ist § 2d AVRAG bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sohin auf jene Fälle von Vereinbarungen ausgerichtet und umfasst jedenfalls jene Finanzierungsformen, in denen ein Kostenrückersatz durch den AN stattfindet, die Schulungsmaßnahmen also zumindest mittelbar grundsätzlich vom AG finanziert wurde, dieser also das prinzipielle Kostenrisiko trägt.*
Folgt man dieser Definition, fallen aber sowohl Darlehenskonstruktionen im obigen Sinne als auch der in OGH9 ObA 97/22p genannte Sachverhalt eindeutig in den Anwendungsbereich von § 2d AVRAG* und sind damit an den Grenzen des § 2d AVRAG zu messen. Erst im Rahmen dieser nachgelagerten Prüfung sind sodann die vom OGH genannten Grundsätze der Transparenz und Klarheit* von Vereinbarungen sowie der Notwendigkeit, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen,* zu prüfen, ebenso, ob die getroffene Vereinbarung den Kriterien des § 2d Abs 3 AVRAG als auch der Definition der Ausbildungskosten nach Abs 1 leg cit entspricht. Entspricht die Rückersatzvereinbarung nicht diesen Gültigkeitskriterien, ist diese je nach Art und Ausmaß des Verstoßes entweder in ihrer Gesamtheit nichtig oder nur in dem § 2d AVRAG widersprechenden Ausmaß (teil-)nichtig. MaW wäre die in OGH9 ObA 97/22p getroffene Darlehenskonstruktion rechtsunwirksam gewesen, so man der Rechtsansicht des OGH dahingehend folgt, dass die Übernahme von rückzuerstattenden Kosten an einen alten AG keine „tatsächlich aufgewendeten Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung“
iSd § 2d AVRAG darstellen. Teilt man die Rechtsansicht des OGH nicht (wofür ebenso gute Argumente angeführt werden könnten), wäre die Vereinbarung zumindest anhand der Kriterien des § 2d AVRAG zu beurteilen gewesen.*
Abschließend ist für die Praxis darauf hinzuweisen, dass die Aufwendungen für die Rückerstattung von Aus- oder Fortbildungskosten für einen AN an den früheren AG einen geldwerten Vorteil und somit steuerpflichtigen Arbeitslohn für den AN darstellen.*
Dem Bereich der betrieblichen Schulungsmaßnahmen wird in der arbeitsrechtlichen Praxis bzw der Vertragsgestaltung wohl zu wenig Beachtung geschenkt, obwohl viele Fragestellungen unklar sind und eine vertragliche Regelung benötigen würden. In Bezug auf Rückersatzvereinbarungen iSd § 2d AVRAG ist aufgrund der immer strenger werdenden Anforderungen an die Transparenz und Klarheit derartiger Abreden streng darauf zu achten, sämtliche rückforderbaren Kosten ziffernmäßig auszuweisen und auf Pauschalierungen zu verzichten. Möchten AG tatsächlich von zu ihnen wechselnden AN zu ersetzende Ausbildungskosten übernehmen, empfiehlt sich – solange die unter Pkt 5.3. dargestellte Thematik ungeklärt ist – wohl eher ein Ausgleich über auf mehrere Jahre verteilte Prämienmodelle als eine Rückersatzvereinbarung. 118