46Abmeldung vom Leistungsbezug nach Stellenzuweisung – Zur Zulässigkeit einer Leistungssperre wegen unterlassener Bewerbung nach Wiedermeldung
Abmeldung vom Leistungsbezug nach Stellenzuweisung – Zur Zulässigkeit einer Leistungssperre wegen unterlassener Bewerbung nach Wiedermeldung
Die Revisionswerberin stand mit kurzen Unterbrechungen seit 26.2.2019 im Bezug von Notstandshilfe. Ihr wurde vom Arbeitsmarktservice (AMS) am 20.10.2020 ein Stellenangebot für eine Beschäftigung als Tankstellenkassiererin mit möglichem Arbeitsbeginn am 21.11.2020 übermittelt. Die Revisionswerberin bewarb sich für die Stelle nicht, sondern meldete sich per 21.10.2020 „aus persönlichen Gründen“ vom Leistungsbezug ab. Ab dem 21.11.2020 meldete sie sich wieder an und gab als Grund der Unterbrechung „familiäre Pflege“ an. Mit Bescheid vom 15.12.2020 sprach das AMS gem § 10 AlVG den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum 21.11.2020 bis 15.1.2021 aus. Das AMS begründetet den Bescheid damit, dass sich die Revisionswerberein auch nach ihrer Wiedermeldung nicht um die erst zum 30.11.2020 besetzte Stelle beworben habe.
Das BVwG wies die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung) ab und führte dazu aus, dass die Revisionswerberin bereits am 20.10.2020 (dem Tag der postalischen Hinterlegung des Stellenangebots) die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu bewerben. Die am nächsten Tag erfolgte Abmeldung vom Leistungsbezug habe sie nicht davon entbunden, sich nach der Wiedermeldung auf die ursprünglich angebotene Stelle zu bewerben. Vielmehr lege das Verhalten der Revisionswerberin – Abmeldung nur einen Tag nach der Hinterlegung des Stellenangebotes – den Schluss nahe, dass es sich um eine Umgehungshandlung gehandelt habe. Das BVwG führte weiter aus, dass die Revisionswerberin unverzüglich nach ihrer Wiedermeldung am 21.11.2020 der Verpflichtung zur Bewerbung hätte nachkommen müssen; das Unterbleiben der Bewerbung stelle laut BVwG eine Vereitelungshandlung in Bezug auf die zu diesem Zeitpunkt noch nicht besetzte Stelle dar. Eine Verpflichtung des AMS, ihr nach der Wiedermeldung mitzuteilen, dass die Stelle noch vakant sei, bestehe nicht. Vielmehr liege es in der Sphäre der Revisionswerberin, sich im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht sofort nach der Wiedermeldung zu erkundigen, ob die Stelle noch frei sei. Der Revisionswerberin sei daher jedenfalls bedingter Vorsatz vorzuwerfen, weil sie durch ihr Verhalten in Kauf genommen habe, dass kein weiterer Bewerbungsprozess beim potentiellen DG in Gang gesetzt worden sei. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Der VwGH erklärte die gegen diese Entscheidung eingebrachte Revision jedoch für zulässig und hob das Erkenntnis des BVwG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Im vorliegenden Fall stellt sich laut VwGH die Frage nach den Auswirkungen einer (nicht nur für einige Tage erfolgenden) Abmeldung vom Leistungsbezug auf die Verpflichtung im Hinblick auf eine zuvor zugewiesene Beschäftigung. Der VwGH weist dazu darauf hin, dass dann, wenn zwischen Zuweisung 110und der Abmeldung ein Zeitraum liegt, in dem eine Bewerbung möglich und zumutbar gewesen wäre, aber dennoch unterlassen wurde, schon in der fehlenden Unverzüglichkeit von Bewerbungsschritten eine Vereitelungshandlung liegen kann.
Im Hinblick auf einen möglichen Anspruchsverlust ab der Wiedermeldung ist dem VwGH zufolge davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Bewerbung auf ein zuvor übermitteltes Stellenangebot nicht allein durch die Abmeldung vom Leistungsbezug aufgehoben wird. Während der Zeit, in der die Arbeitslose auf Grund der Abmeldung keine Leistung bezieht, ist sie zwar zu keinen Bewerbungsschritten verhalten, diese Verpflichtung lebt jedoch wieder auf, sobald die Wiedermeldung gem § 46 Abs 5 AlVG erfolgt. Sie wäre nur dann obsolet, wenn mittlerweile die Bewerbungsfrist abgelaufen oder die Stelle vergeben sein sollte.
In einem solchen Fall wäre jedoch laut VwGH auch zu prüfen, ob die Abmeldung rechtsmissbräuchlich nur deshalb erfolgt ist, um der Verpflichtung, eine vom AMS angebotenen Beschäftigung anzunehmen und dem drohenden Anspruchsverlust zu entgehen. Sollte dies zu bejahen sein, so müsste die arbeitslose Person, um einen Anspruchsverlust nach § 10 AlVG ab dem Zeitpunkt der Wiedermeldung zu vermeiden, ungeachtet der Abmeldung alle erforderlichen Schritte für das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses setzen. Eine derartige Missbrauchsabsicht hat das BVwG im angefochtenen Erkenntnis angedeutet, auch wenn es sich primär darauf gestützt hat, dass die Revisionswerberin das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch die unterlassene Bewerbung nach ihrer Wiedermeldung vereitelt hat. Beide Annahmen hätten aber nicht getroffen werden dürfen, ohne sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin und ihrer Glaubwürdigkeit zu verschaffen und die Beweggründe ihrer Abmeldung zu erörtern. Im Fall einer missbräuchlichen Abmeldung könnte sodann – die Zumutbarkeit der Beschäftigung vorausgesetzt – ohne Weiteres von einer Vereitelung ausgegangen werden.
Sollte die Abmeldung hingegen aus Gründen erfolgt sein, die nichts mit einer beabsichtigten Umgehung der Rechtsfolgen nach § 10 AlVG zu tun haben, wäre zu klären, ob die nach der Wiedermeldung unterlassene Bewerbung der Revisionswerberin iS eines zumindest bedingten Vorsatzes vorwerfbar war oder ob sie nach den Umständen des Falles tatsächlich – wie von ihr behauptet – von einer Hinfälligkeit des Angebots ausgegangen ist und nur fahrlässig eine aktive diesbezügliche Erkundigung beim AMS unterlassen hat.
Im letzten Schritt wäre gegebenenfalls noch zu ermitteln, ob die unterlassene Bewerbung nach dem Zeitpunkt der Wiedermeldung kausal für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses war oder ob die Stelle bereits vergeben war; dass sie erst mit 30.11.2020 besetzt war, lässt noch nicht den Schluss zu, dass nicht bereits davor eine verbindliche Zusage gegenüber einer anderen Person erfolgte.
Das BVwG hätte zur Klärung dieser Fragen eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.