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Waisenpension: Kein Wiederaufleben der Kindeseigenschaft bei nicht durchgängig vorliegender Erwerbsunfähigkeit

MAXIMILIANWIELANDER

Die 1993 geborene Kl bezog nach ihrer am 9.1.2019 verstorbenen Mutter ab 10.1.2019 eine Waisenpension infolge Erwerbsunfähigkeit. Im Zeitpunkt der Gewährung litt sie an einer rezidivierenden depressiven Störung in Ausprägung einer schweren depressiven Episode sowie einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. Sie war deswegen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund der leidensbedingten Krankenstände nicht einsetzbar.

Mit Bescheid vom 29.4.2021 entzog die Bekl der Kl die Waisenpension mit Ablauf des Monats Mai 2021. Zum Entziehungszeitpunkt lag die rezidivierende depressive Störung nur mehr in leichter bis mittelgradiger Ausprägung vor, die Persönlichkeitsstörung bestand weiter; zudem litt die Kl an Panikattacken. Krankenstände waren nur mehr im Ausmaß von drei bis vier Wochen zu erwarten, weshalb die Kl in der Lage war, im Ausmaß von fünf Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwa als Portierin, Parkgaragenkassiererin oder Museumsaufseherin tätig zu sein. Dies stellte im Vergleich zum Gewährungszeitpunkt eine wesentliche Verbesserung dar, weil die Einsetzbarkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt zwar noch eingeschränkt war, aber nicht mehr fehlte.

Nach dem Tod ihres Vaters am 24.8.2021 verschlechterte sich der psychische Zustand der Kl wieder, woraus sich eine zwar vorübergehende, aber länger andauernde (Erwerbs- bzw) Arbeitsunfähigkeit ergab.

Das Erstgericht wies die Klage gegen den Entziehungsbescheid ab. Die Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 3 ASVG könne nur wieder aufleben, wenn die schon ursprünglich bestehende Erwerbsunfähigkeit „weiterhin“, dh ununterbrochen, vorliege. Im vorliegenden Fall sei die Erwerbsunfähigkeit zunächst weggefallen und dann wieder bzw neu eingetreten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führt aus, dass eine rezidivierende, also in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Krankheit nicht unbedingt auch zu der nach § 252 Abs 2 Z 3 bzw Abs 3 ASVG notwendigen durchgehenden Erwerbsunfähigkeit führe.

Die außerordentliche Revision der Kl ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

Der OGH führte aus, dass die Voraussetzung für die Entziehung des Anspruchs auf eine Leistung der Wegfall der Leistungsvoraussetzungen ist und demgemäß im vorliegenden Fall zu prüfen ist, ob das Kind zum Zeitpunkt der Gewährung der Waisenpension erwerbsunfähig war und sich nach diesem Zeitpunkt die Verhältnisse insofern wesentlich gebessert haben, als später Erwerbsfähigkeit eingetreten ist. Das Erstgericht sei zur Feststellung einer wesentlichen Besserung gelangt. Aufgrund der daraus resultierenden Besserung des Leistungskalküls war zwischen dem 1.6. und 24.8.2021 die Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich. Damit war die Kindeseigenschaft nicht mehr gegeben und konnte auch nicht wieder aufleben.

Aufbauend auf die Ansicht des Berufungsgerichts, dass primär nicht der (rezidivierende) Krankheitsverlauf einer Erkrankung, sondern die Erwerbsfähigkeit entscheidend sei, ist laut OGH nicht die vom Sachverständigen erhobene Diagnose, sondern das darauf aufbauende Leistungskalkül maßgeblich. 115

Soweit sich die Kl auf § 252 Abs 3 ASVG beruft, übergeht sie den (bloß klarstellenden) Regelungszweck dieser Bestimmung. Diese befasst sich sowohl nach ihrem (eindeutigen) Wortlaut als auch der erklärten Absicht des Gesetzgebers mit den Auswirkungen eines Arbeitsversuches am offenen Arbeitsmarkt bei aufrechter Erwerbsunfähigkeit und soll einen Anreiz darstellen. Der intendierte Fall, dass die Kindeseigenschaft wegen Aufnahme einer pflichtversicherten Erwerbstätigkeit (vermeintlich) weggefallen ist, liegt hier aber nicht vor. Selbst wenn man dem Berufungsgericht hinsichtlich der (analogen) Anwendung von § 252 Abs 3 ASVG auch auf die vorliegende Konstellation folgen würde, stünde dem der Wortlaut der Bestimmung entgegen, wonach die Erwerbsunfähigkeit nicht bloß „wieder“, sondern „weiterhin“ vorliegen muss.