Vertragsbedienstete als Angestellte ex contractu im Arbeitsverfassungsrecht
Vertragsbedienstete als Angestellte ex contractu im Arbeitsverfassungsrecht
Im steirischen Gesundheitsbereich werden AN als Vertragsbedienstete (VB) beim Land Steiermark beschäftigt, der Stmk Krankenanstalten-GmbH (KAGES) zur Dienstleistung zugewiesen und verrichten ihre Arbeit in Spitälern. Es kommt das Gesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark zur Anwendung (L-DBR). Auf Basis eines aktuellen Falles stellt sich die Frage, ob diese VB arbeitsverfassungsrechtlich in die Kategorien Arbeiter und Angestellte zu trennen sind, und, wenn ja, ob Vereinbarungen dergestalt geschlossen werden können, dass Arbeiter als Angestellte ex contractu iSd ArbVG gelten.
In mehreren Spitälern des Landes Stmk war es seit jeher üblich, dass getrennte Betriebsräte gewählt wurden. Im Frühjahr 2022 ist das Land Stmk an jene Bediensteten herangetreten, die Arbeitertätigkeiten verrichten, um ihnen vorzuschlagen, sie künftig „als Angestellte zu führen“. Diesem Vorschlag haben so gut wie alle VB zugestimmt. Auf Basis dessen wurde in zumindest einem LKH im Jahr 2022 nur mehr ein Angestellten-BR gewählt,* da der AG die Ansicht vertritt (und die Mehrheit der Betriebsräte scheinbar davon überzeugen konnte), es gäbe arbeitsverfassungsrechtlich keine Arbeiter mehr.* Ein VB, der in weiterer Folge dennoch eine Arbeiter-Betriebsratswahl organisierte und abhielt, wurde aufgrund dessen (!) gekündigt.131
Im allgemeinen Arbeitsrecht wird nach wie vor zwischen Arbeitern und Angestellten unterschieden. Daran hat die teilweise Angleichung durch das Bundesgesetz BGBl 2017/153 nichts Grundlegendes geändert.* Das VB-Recht zeigte hier zwar immer schon harmonisierende Tendenzen, Unterscheidungen bspw bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder bei den Kündigungsfristen waren und sind dem VBG bzw gegenständlich dem Stmk L-DBR fremd. Jeder der KAGES zugewiesene AN des Landes Stmk wird – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – iSv § 1 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 L-DBR formal als VB geführt. Dennoch kennt und trifft das L-DBR maßgebliche Unterscheidungen zwischen Arbeitern und Angestellten, und zwar insb bei der Hauptleistungspflicht der Entgeltzahlung. Bis zur Novelle LGBl 2020/112 war das in § 244f L-DBR festgelegte Entlohnungsschema S IV das für Arbeiter typische Schema.* § 35 der Dienstordnung A der KAGES (in der Fassung vom 3.6.2014) präzisierte die einzelnen Entlohnungsgruppen vom Spezial(fach)arbeiter (S IV, Gruppe 1) bis zum ungelernten Arbeiter (Gruppe 9).
Mit der zuvor genannten Novelle wurden die Arbeiter und Angestellten im neu gefassten § 216 L-DBR zusammengeführt, ohne dabei die grundlegende Unterscheidung zwischen diesen beiden Beschäftigtenkategorien aufzugeben. Das war auch nicht das Ziel dieser Novelle. Die Materialien* verweisen vielmehr darauf, dass der Gesetzgeber beabsichtigte, die Gehaltsschemata S III bis S V sowie k3 zusammenzufassen, die bestehenden Gehaltskurven zu adaptieren und Arbeiter und Angestellte in einem gemeinsamen Schema einzureihen. Speziell die – niedrigeren – Entlohnungsgruppen S III/9 bis S III/13 erfassen dabei typische Arbeitertätigkeiten und können als Nachfolgeregelung zu § 244f L-DBR betrachtet werden. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich beabsichtigt, Arbeiter und Angestellte völlig gleichzustellen, hätte er einheitliche Entlohnungsgruppen gewählt und auf Differenzierungen und Merkmale, die sich typischerweise auf Arbeiter beziehen, wie etwa „ungelernte Kräfte, (…) die einfache Hilfsarbeiten verrichten“ (§ 216 Z 13 L-DBR) oder „Fachkräfte mit abgeschlossener Lehre, die in ihrem erlernten Fach verwendet werden“ (§ 216 Z 10 L-DBR) usw, verzichtet. Anzumerken ist, dass die Festlegung solcher „Arbeitergruppen“ (insb S III/9 bis 13) aus zahlreichen Arbeiterkollektivverträgen bekannt ist, die im Wesentlichen ebenso zwischen Facharbeitern, qualifizierten, an- und ungelernten Arbeitern differenzieren. Dabei wird in der Regel auf eine erfolgreich abgeschlossene Lehre (ausdrücklich § 216 Z 10 L-DBR) oder gleichwertige Ausbildung abgestellt, um den Facharbeiterstatus zu erreichen. Derartige Vorgaben sind für Arbeiter fallweise insofern nachteilig, als sie die Facharbeiterentlohnung bspw auch dann nicht begehren können, wenn sie Facharbeitertätigkeiten verrichten, ihnen aber die Lehrabschlussprüfung fehlt, oder wenn sie nicht im erlernten Fach verwendet werden.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Das Stmk L-DBR differenziert auch aktuell inhaltlich zwischen Arbeitern und Angestellten. Eine Gleichstellung iS eines vollständig einheitlichen AN-Begriffs und insb gleicher Entlohnung ist nicht erfolgt.
Dies dürfte schlicht dem Umstand geschuldet sein, dass es in den Spitälern nach wie vor Berufe gibt, die typischen Arbeitertätigkeiten entsprechen (Hausarbeiter, Elektriker, Portier, Wachmann, Koch, Küchenhilfe, etc).
Unstrittig ist, dass es sich bei Spitälern um Betriebe iSd § 34 ArbVG handelt und daher Beleschaftsvertretungen gewählt werden können.* § 1 Abs 2 Z 1 des steirischen Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG 1999) nimmt Beschäftigte in Betrieben, die dem ArbVG unterliegen, von seinem Geltungsbereich aus. Da bei von Ländern betriebenen Spitälern auch keine der Ausnahmen des § 33 Abs 2 greift, ist das ArbVG anwendbar, auch wenn nur VB beschäftigt sind.* Der AN-Begriff iSd § 36 ArbVG stellt maßgeblich auf die faktische Beschäftigung ab.*
Die Organe der Arbeitnehmerschaft sind in den §§ 40 ff ArbVG geregelt. Das ArbVG hat dabei als Grundkonzept getrennte Belegschaftsorgane vor Augen, da die Sektionierung der Belegschaft der Berücksichtigung gruppenspezifischer Interessen dient.* Ein gemeinsamer BR ist (nur dann) vorgesehen, wenn beide AN-Gruppen in ihrer Gesamtheit die in § 40 Abs 1 ArbVG normierten Voraussetzungen erfüllen, oder wenn in getrennten Betriebsversammlungen die Bildung eines gemeinsamen BR mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wird. Für die Gruppenzugehörigkeit zu den Arbeitern bzw Angestellten ist gem § 41 Abs 3 ArbVG „die auf Gesetz beruhende, arbeitsvertragliche Stellung der Arbeitnehmer maßgebend“. Das Organisationsrecht des ArbVG hält also an den historisch gewachsenen, getrennten Strukturen für Arbeiter und Angestellte fest.*132
Im Stmk L-DBR ist die arbeitsvertragliche Stellung des AN formal jene des VB.* Dies könnte zur Annahme verleiten, dass die Voraussetzungen für getrennte Betriebsräte von vornherein nicht vorliegen. Diese Ansicht würde aber, wie insb Löschnigg* darlegt, zu kurz greifen: § 41 Abs 3 ArbVG hat zwar die typische Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im Blick, ohne dabei allerdings auf den Geltungsbereich einzelner Gesetze (zB des AngG), sondern maßgeblich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte (Angestellten-)Tätigkeit abzustellen. So verweisen die Materialien* zu § 41 ArbVG ausdrücklich auf § 10 VBG, der das Entlohnungsschema I vom höheren Dienst bis zum Hilfsdienst regelt. Mit der Erwähnung des VBG wird verdeutlicht, dass der Angestelltenbegriff des ArbVG weiter ist als jener des AngG und ua AN erfasst, die zwar typische Angestelltentätigkeiten verrichten, dies allerdings in Unternehmen, die nicht dem AngG unterliegen. So ordnet Löschnigg überzeugend bspw den Beamten der allgemeinen Verwaltung, der keine handwerklichen Tätigkeiten ausübt, den Angestellten iSd § 41 Abs 3 ArbVG zu. Diese Ausführungen gelten in sinngemäß gleicher Weise für die Restgröße der Arbeiter, auch hier kann letztlich nur entscheidend sein, zu welchen Tätigkeiten die AN vertraglich verpflichtet sind bzw. welche Tätigkeiten sie – bei Abweichung vom Arbeitsvertrag – tatsächlich ausüben. Erbringen VB (auf Basis ihres Arbeitsvertrags) demnach typische Arbeitertätigkeiten, sind sie arbeitsverfassungsrechtlich als Arbeiter zu qualifizieren.* Dies ist speziell bei Anwendung des L-DBR so zu sehen, da – wie unter Pkt 2. gezeigt – dieses selbst zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert. Das vereinbarte Tätigkeitsgebiet, das auf Arbeiter- oder Angestelltentätigkeiten schließen lässt, ergibt sich dabei aus dem Arbeitsvertrag, der diese Inhalte zwingend aufweisen muss (§ 11 Abs 2 Z 6, 7 und 11 L-DBR).
Als nächstes Zwischenergebnis ist festzuhalten: Wenn VB in Spitälern Arbeitertätigkeiten leisten, sind sie betriebsverfassungsrechtlich (§ 41 ArbVG) der Gruppe der Arbeiter zugehörig, erbringen sie Angestelltentätigkeiten, zählen sie zur Gruppe der Angestellten.
Das sieht auch das Land Stmk wohl so, da die getrennten Betriebsratswahlen nie angefochten oder anderweitig in Frage gestellt wurden und den Arbeitern Vereinbarungen vorgelegt wurden, um zu Vertragsangestellten zu werden. Hätte die zuvor genannte Novelle zu einer Vereinheitlichung geführt, oder gäbe es arbeitsverfassungsrechtlich nur die eine AN-Gruppe der VB, hätten sich die genannten Vereinbarungen von vornherein erübrigt.
Beim Vertragsangestellten sind ua die arbeitsvertrags- und die arbeitsverfassungsrechtliche Seite zu unterscheiden.* Die Voraussetzungen für den Vertragsangestellten iSd ArbVG sind strenger als jene im Arbeitsvertragsrecht.* Man kann sagen, dass jeder Arbeiter Vertragsangestellter iSd Arbeitsvertragsrechts ist, wenn er es betriebsverfassungsrechtlich ist.
§ 41 Abs 3 ArbVG normiert folgende Voraussetzungen, damit ein Arbeiter ex contractu als Angestellter iSd ArbVG gilt:
Es muss das gesamte Angestelltengesetz unwiderruflich vereinbart worden sein.
Es muss der anzuwendende Angestellten-KollV zuzüglich der Einstufung in die Gehaltsordnung dieses KollV unwiderruflich vereinbart worden sein.
Die zweite Voraussetzung entfällt, wenn im Betrieb kein Angestellten-KollV anzuwenden ist. Dies ist hier bekanntlich der Fall, allerdings ist zu erwägen, ob nicht eine Einstufung in das gesetzliche Gehaltsschema für Angestellte vorzunehmen wäre:
Der OGH* führt zu § 41 Abs 3 ArbVG unter Bezugnahme auf die Materialien aus, dass Angestellte kraft Vereinbarung nur dann auch als Angestellte iSd Betriebsverfassung gelten, wenn ihnen unabdingbar all jene Rechte verliehen werden, die den Personen, deren Angestellteneigenschaft auf ihrer Tätigkeit beruht, zustehen. Es geht also um eine möglichst vollständige Gleichstellung in Bezug auf die gesetzlichen und kollektiven Rahmenbedingungen, weil der BR die gesamte Gruppe nur bei weitgehender Vereinheitlichung ihrer Situation und ihrer Interessen bestmöglich vertreten kann. Diese kann bei VB, die eigentlich Arbeiter sind, mE nur dann erreicht werden, wenn ihnen jene Einstufung zugutekommt, die den Angestellten aufgrund ihrer tatsächlichen, arbeitsvertraglichen Tätigkeit gewährt wird. Im VB-Recht ersetzt das gesetzliche, zwingende Einstufungsschema jenes des KollV im allgemeinen Arbeitsrecht. Es geht in beiden Fällen um kollektive Entgeltbedingungen, die sämtlichen AN in gleicher Weise zuteilwerden sollen.* Ich halte es daher für geboten, im Fall einer Vereinbarung nach § 41 Abs 3 ArbVG das für Angestellte geltende Gehaltsschema des Stmk L-DBR unwiderruflich zu vereinbaren.133
Hingegen ist fraglich, ob die Vereinbarung des gesamten AngG erforderlich ist. Dies würde nämlich zum kuriosen Ergebnis führen, dass das AngG dann – per Vereinbarung – nur für die Gruppe der Arbeiter gilt, nicht aber für die Gruppe der Angestellten, für die eine solche Vereinbarung in arbeitsverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht erforderlich wäre, die aber als VB dem Geltungsbereich des AngG nicht unterliegen. § 41 ArbVG hat wohl nur bzw vorrangig den Fall vor Augen, dass im Betrieb zwei wesentlich unterschiedliche AN-Gruppen beschäftigt sind, die es anzugleichen gilt. Wie zuvor ausgeführt, besteht im VB-Recht aber ohnehin eine sehr weitreichende Gleichstellung – mit der wesentlichen Ausnahme der Bezahlung. Der insoweit überschießende Wortlaut von § 41 Abs 3 ArbVG ist mE daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass die unwiderrufliche Vereinbarung des Gehaltsschemas für Angestellte reicht, um den vertragsbediensteten Arbeiter zu einem Vertragsangestellten iSd ArbVG zu machen.*
Alleine mit den (hier modifizierten) Vorgaben des § 41 Abs 3 ArbVG ist eine Vereinbarung, wonach ein Arbeiter als Angestellter anzusehen ist, aber noch nicht wirksam. Löschnigg* weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bspw das Arbeitsverhältnis des Beamten in handwerklicher Verwendung gesetzlich geregelt und daher einer Vereinbarung gar nicht zugänglich ist. Damit ist offenkundig die zwingende Wirkung des öffentlichen Dienstrechts angesprochen, mit der Konsequenz, dass die Rechte und Pflichten der VB nur unter den im Gesetz vorgesehenen Rahmenbedingungen geändert werden können.* Hier ist zu ergänzen, dass Änderungen der gesetzlichen Inhalte des L-DBR nicht schlechthin unmöglich bzw unzulässig sind, aber eines Sondervertrags bedürfen. Mit diesem kann zugunsten und unter eingeschränkten Voraussetzungen auch zulasten des VB vom Gesetz abgewichen werden.* Bejaht man diese Möglichkeit, müsste das Land Stmk dem kraft Gesetzes aufgrund seiner Tätigkeiten als Arbeiter geltenden und eingestuften VB per Sondervertrag die Einstufung in das Gehaltsschema der Angestellten unwiderruflich einräumen. Dafür bedarf es neben der Schriftlichkeit (§ 11 Abs 4 L-DBR) vor allem der ausdrücklichen Bezeichnung dieser Vereinbarung als Sondervertrag (§ 11 Abs 7 L-DBR).*
Die den Arbeitern vom Land Stmk jeweils vorgelegte, nicht als Sondervertrag bezeichnete Vereinbarung hat neben allgemeinen Ausführungen und Erläuterungen im Kern folgenden, stets gleichlautenden Inhalt:
„Weiters bieten wir Ihnen, mit diesem Nachtrag zum Dienstvertrag – wie allen anderen bestehenden Arbeiter*innen des Betriebes – an, mit Wirkung 1.4.2022 zum/zur Angestellten zu werden. Sofern Sie sich daher nicht schriftlich bis zum 28.3.2022 gegen die Umstellung aussprechen, werden wir Sie ab dem 1.4.2022 als Angestellte/n führen. An Ihrer dienst- und besoldungsrechtlichen Position, Ihren dienstrechtlichen Ansprüchen und der Höhe der von Ihnen zu leistenden sozialversicherungsrechtlichen Abgaben tritt dadurch keine Änderung ein.“
Es ist nun leicht erkennbar, dass diese Vereinbarung die Voraussetzungen eines Sondervertrags und die Vorgaben des § 41 Abs 3 ArbVG nicht im Ansatz erfüllt. Es fehlen sowohl die Bezeichnung als Sondervertrag als auch die aus meiner Sicht erforderliche unwiderrufliche Einstufung in das Gehaltsschema der VB, die Angestelltentätigkeiten verrichten. Die Arbeiter wurden mit dieser Vereinbarung daher nicht zu Vertragsangestellten iSd ArbVG.
Wie eingangs erwähnt, wurde (zumindest) in einem Spital nach Ende der Betriebsratsperioden nur mehr ein Angestellten-BR gewählt. Die Arbeiter wurden zur Wahl dieses BR zugelassen, weil die Beteiligten davon ausgingen, dass sie Vertragsangestellte iSd § 41 Abs 3 ArbVG sind. Wie zuvor gezeigt, ist dies nicht der Fall. Es durften damit Personen wählen, die mangels Zugehörigkeit zur Gruppe der Angestellten tatsächlich nicht wahlberechtigt waren (§ 52 Abs 2 ArbVG). Die Arbeiter wurden gesetzwidrig in die Wählerliste aufgenommen, damit wurden letztlich ungültige Stimmen für gültig erklärt. Solche Verstöße stellen eine wesentliche Verletzung des Wahlverfahrens dar, die zur Anfechtung der Betriebsratswahl iSv § 59 ArbVG berechtigen.* Die Beeinflussung des Wahlergebnisses ist mE bereits deshalb sehr wahrscheinlich, da die Zulassung sämtlicher Arbeiter idR dazu führt, dass mehr Mandate verteilt werden als gesetzlich vorgesehen und die Wahl damit von ihrem Umfang her unzulässig ist.*
Unabhängig davon ist die Belegschaft der Arbeiter mE jederzeit berechtigt, einen Arbeiter-BR zu wählen, konkret, ohne die unter FN 1 erwähnte Wahlanfechtung abwarten zu müssen. Die Tatsache, dass bis zur allfälligen Ungültigerklärung der Wahl des Angestellten-BR dieser gültig ist, steht dem nicht entgegen. Es trifft zwar zu, dass die Rechtsgestaltung des erstinstanzlichen Urteils nicht zurückwirkt und bis dahin getroffene Rechtshandlungen des BR wirksam blei134ben;* die Ansicht, während der Dauer eines Anfechtungsverfahrens könne ein neuer BR nicht gewählt werden, ist ebenso nicht zu beanstanden.* Diese Sichtweise kann sich aber nur auf jene Fälle beziehen, in denen eine (Neu-)Wahl vor der Ungültigerklärung dazu führen würde, dass unauflösbare Parallelitäten iSv Kompetenzkonflikten zu Tage treten. Dies tritt ein, wenn zusätzlich zum bereits gewählten Angestellten-BR während des Anfechtungsverfahrens ein weiterer Angestellten-BR gewählt wird, oder wenn ein Arbeiter- oder ein Angestellten-BR gewählt wird, obwohl zuvor ein gemeinsamer BR gewählt wurde. Nur in diesen Konstellationen kann es zu Kollisionsfällen zwischen Rechtshandlungen von zwei Betriebsräten kommen, die es zu vermeiden gilt.
Ein solcher Kollisionsfall kann demgegenüber nicht eintreten, wenn ein Angestellten-BR gewählt wurde, und im Nachhinein ein Arbeiter-BR, da diese Organe ja unterschiedliche Gruppen vertreten. Hier wird vielmehr dem zuvor erwähnten Grundkonzept des ArbVG entsprochen, wonach getrennte Betriebsräte zu wählen sind, um die jeweilige Gruppe bestmöglich repräsentieren und ihre Interessen effektiv wahrnehmen zu können. Die getrennte Wahl getrennter Betriebsräte hat mit einer Interessenkollision nichts zu tun, sondern entspricht dem gesetzlich präferierten Status Quo, der in zahlreichen Betrieben auch so umgesetzt wird. Es ist daher jedenfalls zulässig, einen Arbeiter-BR zu wählen, auch wenn die Wahl des Angestellten-BR angefochten wurde.
Sollte der AG einen AN als Reaktion auf eine durchgeführte Arbeiter-Betriebsratswahl, im Zuge derer er ein Mandat erhalten hat, kündigen, so ist diese Kündigung aus mehreren Gründen rechtsunwirksam: Einerseits genießt der gültig gewählte BR einen besonderen Kündigungsschutz gem der §§ 120 und 121 ArbVG und könnte nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts gekündigt werden.* Zusätzlich und unabhängig davon würde die Ausübung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse keinen Kündigungsgrund iSd § 130 Abs 2 L-DBR darstellen. Jede damit im Zusammenhang stehende Sanktion des AG würde zu einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 115 Abs 3 bzw § 37 Abs 1 ArbVG führen.* Es gilt mE ein doppelter Kündigungsschutz, also sowohl jener nach dem ArbVG als auch jener nach dem L-DBR, da die gesetzlichen Regelungen hierzu keine Einschränkungen treffen.* Sollte der AN wegen der beabsichtigten Durchführung einer Arbeiter-Betriebsratswahl gekündigt werden, ist das verpönte Motiv des § 105 Abs 3 Z 1 lit c und e ArbVG erfüllt. Hier wäre fraglich, ob in eventu ein Rechtsgestaltungsbegehren zu erheben ist, oder ob es genügt, diesen „Nichtkündigungsgrund“ beim Begehren auf aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses (wegen des besonderen Kündigungsschutzes aufgrund des L-DBR) mit zu erledigen. Hier müsste es wohl ausreichen, nur ein Feststellungsbegehren zu erheben, da nach der Rsp der besondere den allgemeinen Kündigungsschutz in der Regel überflüssig macht.*
Selbst wenn man die Meinung vertritt, eine abgehaltene Angestellten-Betriebsratswahl und deren Anfechtung würden die Wahl eines Arbeiter-BR verbieten, läge in einer dennoch durchgeführten Wahl wohl kein Kündigungsgrund iSe groben (§ 130 Abs 2 Z 1 L-DBR) bzw beharrlichen (§ 121 Z 3 ArbVG) Pflichtverletzung (wenn im Zeitpunkt der Kündigung der Kündigungsschutz schon besteht) vor. Vielmehr ist hier von einer vertretbaren und damit entschuldbaren Rechtsmeinung auszugehen; die Wertungen des Mandatsschutzes des § 120 Abs 1 ArbVG können mE durchaus für die Beurteilung einer etwaigen Pflichtverletzung herangezogen werden. Die Durchführung der Betriebsratswahl erging immerhin in Ausübung des Auftrags der Belegschaftsversammlung (dies ergibt sich bereits aus der Wahl des Wahlvorstands gem § 42 Abs 1 Z 2 iVm § 54 ArbVG). Der AN darf in diesem Fall darauf vertrauen, seine Rechte aus der Arbeitsverfassung ohne Sanktionen des AG ausüben zu können (§ 37 Abs 1 ArbVG). Etwaige (Ver-)Warnungen oder Hinweise des AG auf die – vermeintliche – Rechtswidrigkeit des Verhaltens des VB im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder der Durchführung der Wahl sind zumindest dann unberechtigt und unbeachtlich, wenn er es – wie hier – schuldhaft verabsäumt hat, rechtskonforme Vereinbarungen über die arbeitsverfassungsrechtliche Angestellteneigenschaft ex contractu zu schließen und es damit erst ermöglicht und maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Arbeiter den falschen BR wählen und die Wahl damit rechtswidrig und anfechtbar ist. Eine beharrliche oder grobe Pflichtverletzung von der Schwere eines Kündigungsgrundes ist vor diesem Hintergrund mE zu verneinen.
Das steirische L-DBR unterscheidet nach wie vor – speziell bei der Entlohnung – zwischen Arbeitern und Angestellten. Eine vollständige Vereinheitlichung des AN-Begriffs (VB) erfolgte bis jetzt nicht.
Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht (§ 41 ArbVG) ist der vertraglich vereinbarte Inhalt der geschuldeten Tätigkeiten. So sind auch VB in Abhängigkeit ihrer konkreten Tätigkeit Arbeiter oder Angestellte iSd ArbVG.
VB, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Arbeiter zu qualifizieren sind, können per Sondervertrag zu Vertragsangestellten gemacht werden, wenn das für Angestellte geltende Gehaltsschema unwiderruflich vereinbart wird. 135