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Auslegung einer Sozialplan-Betriebsvereinbarung – Aufsaugungsklausel stellt keine Entgeltreduktion dar

MARTINACHLESTIL

Die bekl AG und deren BR schlossen am 29.10.2020 für den aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Personalabbau einen Sozialplan zur Abfederung sozialer Härten für die betroffenen Mitarbeiter ab. In den persönlichen Geltungsbereich des Sozialplans fielen zunächst alle voll- und teilzeitbeschäftigten AN, die zum 1.11.2020 in einem aufrechten, vom AN nicht gekündigten Arbeitsverhältnis zur AG standen und deren Arbeitsverhältnis auf Initiative der AG rechtswirksam einvernehmlich während der Geltungsdauer dieser BV beendet wurde.

Da bereits im Vorfeld mehrere AN über Ersuchen der AG freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts/Lohns verzichtet hatten, wurden über Initiative des BR auch diese AN mit folgender Regelung in den Geltungsbereich des Sozialplans einbezogen:

„1.3. Änderung des Arbeitsvertrags ab 1.9.2020

Mitarbeitern, bei denen sich ab 1.9.2020 das Entgelt aufgrund einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrags reduziert hat, steht es binnen offener Frist bis 30.11.2020 frei, eine einvernehmliche Auflösung ihres Arbeitsvertrags/Dienstver97trags im Rahmen des gegenständlichen Sozialplans zu verlangen.“

Die bei der bekl AG seit 13.11.1989 beschäftigte (und überkollektivvertraglich entlohnte) kl AN hatte, wie etwa 40 weitere AN, bereits am 8.10.2020 mit der bekl AG eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, wonach die Kollektivvertragserhöhungen der nächsten zwei Jahre (2020 und 2021) mit den Überzahlungen gegenverrechnet werden und das Jahresbruttogehalt für die nächsten zwei Jahre eingefroren wird. Das spätere Angebot der bekl AG, diese Vereinbarung aufzuheben, nahm die kl AN nicht an.

Im gegenständlichen Verfahren vertritt die kl AN den Standpunkt, dass sie ebenfalls in den Geltungsbereich des Sozialplans falle, weil sich auch ihr Entgelt aufgrund ihrer Verzichtserklärung vom 8.10.2020 ab 1.9.2020 reduziert habe. Die Vorinstanzen teilten diese Ansicht nicht und wiesen sowohl das Klagehauptbegehren, gerichtet auf die Verpflichtung der bekl AG, in die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses einzuwilligen, als auch das Eventualbegehren auf Feststellung, dass die kl AN gemäß Pkt 1.3. des Sozialplans vom 29.10.2020 vom Anwendungsbereich desselben umfasst sei und somit Anspruch auf einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß den Bestimmungen des Sozialplans habe, ab. Es sei bei der kl AN zu keiner Reduktion, also nach dem Wortsinn zu keiner Kürzung bzw Verminderung des Entgelts gekommen, sondern die Kl habe (lediglich) auf die kollektivvertragliche Erhöhung verzichtet. Der Wert des Entgelts bzw dessen Kaufkraft reduziere sich nicht aufgrund einer einvernehmlichen Änderung des Arbeitsvertrags, sondern inflationsbedingt.

Der OGH schloss sich den Vorinstanzen an: Der normative Teil von (hier: Sozialplan-)Betriebsvereinbarungen ist – wie jener von Kollektivverträgen – nach den für die Interpretation von Gesetzen geltenden Regeln (§§ 6, 7 ABGB) auszulegen. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. In erster Linie ist bei der Auslegung einer BV daher der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text der BV ergebende Absicht der Betriebsparteien zu berücksichtigen. Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten.

Zahlreiche Ansprüche, die Sozialpläne gewähren, verfolgen das Ziel, den AN bisher zugestandene Rechtspositionen solange wie möglich zu erhalten bzw deren Verlust auszugleichen. Der typische Zweck eines Sozialplans, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern, ist bei der Auslegung des Sozialplans ebenfalls zu berücksichtigen.

Die angefochtene E bewegt sich laut OGH im Rahmen dieser von der Rsp entwickelten Grundsätzen zur Auslegung eines Sozialplans. Es mag zutreffen, dass es in bestimmten Fällen für das wirtschaftliche Ergebnis am Ende keinen Unterschied macht, ob das Gehalt durch die kollektivvertragliche Valorisierung erhöht und dann um den Erhöhungsbetrag reduziert wird (oder umgekehrt) oder der AN bereits im Vorhinein auf die Anpassung des Gehalts verzichtet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die im Sozialplan erfolgte Differenzierung zwischen Mitarbeitern, die gekündigt worden seien oder unter dem Eindruck einer drohenden Kündigung (Versetzung) Entgeltreduktionen akzeptiert hätten, und jenen, die angesichts der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens und ihrer überkollektivvertraglichen Entlohnung (lediglich) auf zwei Lohnerhöhungen gemäß KollV verzichtet hätten, widerspräche nicht den zu vermutenden Gleichbehandlungs- und Ausgleichsbestrebungen der Vertragsparteien, ist nicht unvertretbar. Dass daher die Betriebsvereinbarungsparteien mit Pkt 1.3. des Sozialplans beabsichtigt hätten, auch jene AN, die auf die Kollektivvertragserhöhungen für die kommenden zwei Jahre verzichteten, in den Geltungsbereich des Sozialplans einzubeziehen, weil auch diese Gruppe von AN durch den beabsichtigten Personalabbau wesentliche Nachteile erleiden würde, lässt sich dem Text des Sozialplans nicht entnehmen.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage war die außerordentliche Revision der kl AN zurückzuweisen.