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Kündigung bei Impfverweigerung – keine verpönte Vergeltungskündigung

KLAUSBACHHOFER

Die Kl wurde in der ersten Märzwoche 2021 von einer Angestellten im Büro der Bekl darauf aufmerksam gemacht, dass die Bekl Überlegungen treffe, nicht gegen COVID-19-geimpfte Mitarbeiter nicht weiter zu beschäftigen. Die Kl erbat sich Bedenkzeit. Einige Zeit später sagte die Geschäftsführerin der Bekl zur Kl, dass sie bis Ostern 2021 Zeit hätte, sich impfen zu lassen, ansonsten die Zusammenarbeit beendet werden würde. Die Kl erwiderte, dass sie sich „vergewaltigt“ und zur Impfung gezwungen fühle. Im Weiteren wurde von der Büromitarbeiterin erneut „eingefordert“, dass sich die Kl impfen lassen solle. Die Kl erbat sich erneut Bedenkzeit. Sie wurde sodann am 29.4.2021 gekündigt.

Das Berufungsgericht wies das Begehren, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, ab. Es ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle oberstgerichtliche Rsp zu einer Kündigung im Zusammenhang mit einer verweigerten COVID-19-Impfung.

Die Revision wurde – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – vom OGH für nicht zulässig erklärt.

Nach dem von der Kl angezogenen Kündigungsanfechtungsgrund nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann die Kündigung „wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer“ beim Gericht angefochten werden.

Bei diesem Kündigungsanfechtungsgrund geht es – so der OGH in seiner Begründung – darum, dass der AG nach Meinung des AN bestehende Ansprüche nicht erfüllt, dass der AN diese nicht erfüllten Ansprüche dem AG gegenüber geltend macht und dass der AG den AN wegen dieser Geltendmachung kündigt. Vom Schutzzweck sind nicht nur schon entstandene Ansprüche, sondern zusätzlich Ansprüche auf Wahrung der Rechtsposition aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gegen einseitige Eingriffe erfasst. Ziel des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist es, dem AN die Rechtsdurchsetzung im aufrechten Arbeitsverhältnis zu ermöglichen. Unter „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ ist auch der Anspruch des AN zu verstehen, zur Erfüllung seiner Hauptleistung nur in den durch Gesetz und Arbeitsvertrag gezogenen Grenzen herangezogen zu werden und Arbeitsleistungen, die unter Missachtung dieser Grenzen angeordnet werden, zu unterlassen.

Von der „Geltendmachung“ eines Anspruchs kann nach stRsp des OGH nur dann die Rede sein, wenn sich der AN erkennbar – sei es auch nur konkludent – auf eine Rechtsposition beruft. Das Erbitten von „Bedenkzeit“ und die Erklärung, sich durch eine Aufforderung zu einer Impfung „vergewaltigt“ oder gezwungen zu fühlen, ist keine Berufung auf eine Rechtsposition.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Kl durch obiges die Rechtsposition erkennen ließ, nicht verpflichtet zu sein, sich impfen zu lassen, wäre § 105 100Abs 3 Z 1 lit i ArbVG nicht anwendbar. Die Vorschrift setzt nämlich ua auch voraus, dass der AG den vom AN geltend gemachten Anspruch „in Frage gestellt“ hat. Ein Anspruch wird vom AG „in Frage gestellt“, wenn er ihn – was nur bei Leistungsansprüchen möglich ist – nicht erfüllt oder – was bei allen Ansprüchen möglich ist – wenn er seine Berechtigung in Zweifel zieht. Das war jedoch für den OGH hier nicht ersichtlich. Dieser wies vielmehr darauf hin, dass die Kl bereits in ihrer Klage vorgebracht hat, dass die Geschäftsführerin der Bekl ihr gegenüber erklärte, dass sie – die Kl – die Wahl habe. Die Bekl hat damit gerade nicht den Standpunkt eingenommen, die Kl sei ihr gegenüber zur Impfung verpflichtet.