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Trotz Qualifizierung einer „Umbauprämie“ als akkordähnliche Prämie ist diese mitbestimmungsfrei und somit durch betriebliche Übung konkludent Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden

JÖRGOBERGRUBER

Akkordähnliche Prämien unterfallen nur dann dem § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG, wenn sie „auf statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsmethoden beruhen“. Diese Voraussetzung ist strikt auszulegen. Die Bekl hat die Vorgabezeiten nur „aus dem bloßen Erfahrungswissen abgeleitet (geschätzt)“. Dass ein Verfahren im dargestellten Sinn angewendet wurde, hat die Bekl gar nicht konkretisiert vorgebracht. Es lag aus diesem Grund kein Fall der notwendigen BV vor. Vielmehr war die „Umbauprämie alt“ nur fakultativ (§ 97 Abs 1 Z 16 ArbVG) einer BV zugänglich und es damit möglich, die Prämie konkludent durch Betriebsübung individualvertraglich zu vereinbaren.

Sachverhalt

Die Bekl betreibt einen Betrieb, in dem mittels sieben Glasproduktionsmaschinen Glasflaschen hergestellt werden. Je nach Marktbedarf werden diese Produktionsmaschinen regelmäßig umgerüstet, um unterschiedliche Glastypen zu produzieren. Aus den Produktionsabläufen resultiert, dass pro Tag maximal drei Maschinen umzubauen sind, wobei an manchen Tagen aber auch nur eine einzige Maschine umgebaut wird.

Bis zum 31.12.2019 wurde für die als „Umbau“ bezeichnete Tätigkeit eine sogenannte „Umbauprämie“ an insgesamt 22 Umbauschlosser zur Auszahlung gebracht, die wie folgt berechnet wurde: Für jeden Umbau einer Produktionsmaschine wurde eine vorgegebene – auf Schätzung aufgrund bloßen Erfahrungswissens beruhende – Soll-Zeit fixiert, von der die von den Arbeitern tatsächlich benötigte Ist-Zeit abgezogen wurde. Die Differenz wurde monatlich aufsummiert und mit dem in diesem Monat gebührenden Stundenlohn multipliziert. So erwarb zB K* G* im Monat November 2018 eine Prämienzeit von 41,70 Stunden, was multipliziert mit dem Stundenlohn eine Prämie von € 649,83 ergab.

Beim Umbau wurde in der sogenannten „Karawane“ gearbeitet. Die Umbauschlosser führten hintereinander an den Stationen arbeitsteilig einzelne Handgriffe durch. Ein Umbauschlosser hatte keine Möglichkeit, durch die Geschwindigkeit seiner Arbeitsvorgänge bzw Arbeitsschritte (oder in sonstiger Weise) Einfluss darauf zu nehmen, wie viele Maschinen umgebaut wurden. Selbst besonders schnelles Arbeiten eines Umbauschlossers führte nicht dazu, dass er mehr Maschinen umbaut. Waren alle Umbaumaßnahmen abgeschlossen, hatten sich die Umbauschlosser anderen Arbeitstätigkeiten, wie insb Revisions- und Vorbereitungsarbeiten, zuzuwenden, die in keinem besonderen Entlohnungssystem erfasst wurden.

Das Vergütungssystem für den Umbau wurde über mehrere Jahre, betreffend manche Arbeiter teilweise seit 1990 und früher, praktiziert. Bei der Auszahlung der Umbauprämie wurden die Arbeiter niemals ausdrücklich oder schlüssig darüber informiert, dass sie von der Bekl widerrufen werden könnte. Über die Prämie gab es keine BV.

Ab 2017 strebte die Bekl an, dass System der „Umbauprämie“ zu ändern, um technischen Änderungen Rechnung zu tragen. Die Bekl legte allen Umbauschlossern am 6.9.2019 Einzelvereinbarungen vor, die ein Anbot der „Umbauprämie neu“ enthielten, welche ab 1.1.2020 zur Anwendung gelangen sollte, auf die aber kein wie immer gearteter Rechtsanspruch bestehen soll. Es lehnten vier Arbeiter ab, diese Vereinbarung abzuschließen.

Die Bekl stellte ab 1.1.2020 die Zahlung der „Umbauprämie alt“ an die vier AN ein.

Verfahren und Entscheidung

Der Kl begehrt zwischen den Parteien festzustellen, dass die als Umbauschlosser tätigen AN der Bekl, die bereits vor dem 1.1.2020 eine Umbauprämie erhalten haben, auch nach dem 1.1.2020 ein Recht auf Erhalt dieser Umbauprämie im bisherigen vor dem 1.1.2020 gewährten Ausmaß haben, soweit AN mit der Bekl nicht einzelvertraglich eine abweichende Vereinbarung getroffen haben.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die „Umbauprämie alt“ ein Akkordentlohnungssystem iSd § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG darstellt und daher deren Ein101führung der Zustimmung des BR bedurft hätte. Das Erstgericht erblickte im System der „Umbauprämie alt“ kein Akkordentlohnungssystem iSd § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und argumentierte, dass die alte Umbauprämie zumindest eine akkordähnliche Prämie darstelle und damit unter den Anwendungsbereich des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG falle. Damit hätte es zur rechtswirksamen Einführung und Regelung der Prämie der Zustimmung des BR bedurft. Der Normzweck des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG liege im AN- und Gesundheitsschutz und ist eine dagegen verstoßende entsprechende faktische Übung unzulässig und daher ungültig. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zugelassen.

Die eingebrachte außerordentliche Revision des Kl wurde vom OGH als zulässig beurteilt, weil zur Rechtsfrage der Abgrenzung der Tatbestände § 96 Abs 1 Z 4 und § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG keine ausreichende höchstgerichtliche Rsp vorhanden ist.

Die außerordentliche Revision wurde ferner als berechtigt erachtet.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[…]

[16] 2.1. Gemäß § 96 Abs 1 ArbVG idgF (BGBl I 2010/101) bedürfen bestimmte Maßnahmen des Betriebsinhabers zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats, und zwar nach Z 4, „insoweit eine Regelung durch Kollektivvertrag oder Satzung nicht besteht, die Einführung und die Regelung von Akkord-, Stück- und Gedinglöhnen sowie akkordähnlichen Prämien und Entgelten – mit Ausnahme der Heimarbeitsentgelte –, die auf statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsmethoden beruhen, sowie der maßgeblichen Grundsätze (Systeme und Methoden) für die Ermittlung und Berechnung dieser Löhne bzw Entgelte.“

[17] Die von § 96 Abs 1 ArbVG geforderte Zustimmung hat – argumento § 97 Abs 1 Z 24 ArbVG – in Form einer Betriebsvereinbarung zu erfolgen (Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6 III [2020] § 96 Rz 4 und § 97 Rz 11 mwH). Fehlt eine solche, so kann dies nicht durch eine (sei es ausdrückliche, sei es konkludente) Regelung im Einzelarbeitsvertrag ersetzt werden; der Vertrag wäre – wegen Umgehung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG – insofern unwirksam (Felten/Preiss aaO Rz 2; Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 3/220 ua). Eine auf Grundlage eines ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats eingeführten Leistungslohnsystems (sei es konkludent, sei es ausdrücklich) getroffene Einzelvereinbarung ist mit anderen Worten (teil-)nichtig (Marhold/Brameshuber/Friedrich, Österreichisches Arbeitsrecht4 [2021] 762).

2.2. Ob diese Nichtigkeit ex tunc oder ex nunc wirkt und wer sich auf sie berufen kann, war in der Vergangenheit wiederholt Gegenstand eingehender literarischer Darstellungen:

[…]

[23] 2.2.6. Nach Schrank hat jedenfalls der Arbeitnehmer das Recht, sich gegen das Arbeiten in einem betriebsverfassungsrechtlich nicht gedeckten Leistungssystem zur Wehr zu setzen. Ein Recht des Arbeitgebers zur „Einstellung“ des nicht durch eine notwendige Betriebsvereinbarung nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG gedeckten Entgeltsystems sei problematischer, doch wohl gleich zu behandeln. Einer auch pro futuro wirkenden teleologischen Einschränkung der Rechtsunwirksamkeitssanktion auf relative Nichtigkeit zugunsten des Arbeitnehmers und Betriebsrats stehe entgegen, dass es gerade bei der sozialen Mitbestimmung um generelle Angelegenheiten gehe, die einen auf den Arbeitnehmer individuell verengten Blick nicht zuließen. Hier seien auch dem einzelnen übergeordnete Interessen der Arbeitnehmerschaft in einem Maße angesprochen, das eine auf den Willen des einzelnen Arbeitnehmers abstellende Betrachtung teleologisch ausschließe. Nicht zuletzt deshalb dürfte das Gesetz die dem Schutz des Arbeitnehmers dienende Nachwirkung bei den § 96-Betriebsvereinbarungen ausdrücklich ausgeschlossen haben. Diese Wertung dürfe nicht auf dem Weg einer Reduktion der Nichtigkeit auf eine auch für die Zukunft wirkende relative Nichtigkeit unterlaufen werden. Dazu komme, dass man dem Arbeitgeber in jedem Stadium, unabhängig von bisheriger Rechtsverletzung, ein rechtlich relevantes Interesse an der Einhaltung der Mitbestimmungs- und damit der betriebsverfassungsrechtlichen Friedensordnung zubilligen müsse. […] Zumindest pro futuro sei daher an der absoluten Nichtigkeit betriebsverfassungsrechtlich unzulässiger Leistungsentlohnung festzuhalten. Der Arbeitnehmer könne dem Arbeitgeber somit für die Zukunft nicht die Günstigkeit seiner bisherigen Leistungsentlohnung entgegenhalten. Hinsichtlich schon geleisteter Arbeit tritt Schrank der Ansicht bei, dass die Nichtigkeit grundsätzlich nur ex nunc wirke. Die ansonsten gebotene bereicherungsrechtliche Rückabwicklung würde keine präventive Wirkung dahin entfalten, dass sich der Arbeitgeber gesetzeskonform verhalte. Eine präventive Wirkung, die Umgehungsversuchen besser vorbeugen und damit den betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Betriebsrats eine adäquate zivilrechtliche Begleitmaßnahme zur Seite stelle, könne allein die auf die Vergangenheit beschränkte relative Nichtigkeit entfalten; dies deshalb, weil der betriebsverfassungswidrig handelnde Arbeitgeber mit dieser relativen Nichtigkeit de facto im Wege des „Rosinenprinzips“ belastet wäre (Schrank, Betriebsvereinbarungen über die Leistungsentgelte – Zugleich ein Beitrag zu grundlegenden Strukturfragen der notwendigen Mitbestimmung, in Tomandl, Probleme des Einsatzes von Betriebsvereinbarungen [1983] 81 [118 ff]).102

[…]

[26] 2.2.9. Felten/Preiss vertreten, dass ein Akkordlohn, der ohne Zustimmung des Betriebsrats im Betrieb Anwendung findet, absolut unzulässig ist. Der Betriebsrat sei folglich berechtigt, den Betriebsinhaber auf Unterlassung dieser Praxis zu klagen. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch komme auch dem Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber könne nicht mit dem Argument, der Akkordlohn sei mangels Zustimmung des Betriebsrats rechtswidrig, die Auszahlung des Entgelts für noch nicht entlohnte Akkordarbeit verweigern. Der Arbeitgeber würde ansonsten aus seiner eigenen Unredlichkeit einen Vorteil ziehen. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass die Nichtigkeit eines ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführten Akkordlohnes nur für die Zukunft (ex nunc) und nicht für die Vergangenheit (ex tunc) wirke (Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht6 III [2020] § 96 Rz 93 f).

[27 und 28] Dem AG ist jedenfalls gestattet, sich pro futuro auf die Unwirksamkeit eines von ihm ohne die notwendige BV gemäß § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG eingeführten Entgeltsystems sowie der in diesem Zusammenhang mit dem einzelnen AN ausdrücklich oder konkludent geschlossenen Entgeltabrede zu berufen; andernfalls würde ihm drohen, von einem AN auf dessen Weitergeltung in Anspruch genommen zu werden und gleichzeitig vom BR auf Unterlassung und/oder Beseitigung des rechtswidrig eingeführten Entgeltsystems geklagt zu werden.

[…]

[40] Die Einordnung unter „akkordähnlichen Prämien …, die auf statistischen Verfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsverfahren beruhen“ bedeutet im Ergebnis für AN zweierlei: Einerseits wird den AN in Betrieben mit BR insoweit jede Dispositionsbefugnis entzogen. Sie können also keinerlei wirksame Vertragsvereinbarung dazu treffen und Entgeltansprüche erwerben. Andererseits kann der AG diese Entgeltleistung jederzeit einstellen, entweder, weil sie nicht auf einer BV iSd § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG beruht oder weil er die BV jederzeit ohne Frist und Termin aufkündigen kann (vgl §96 Abs 2 iVm § 32 ArbVG). […]

[42] Die Rechtfertigung der damit verbundenen Einschränkung der Dispositionsfähigkeit der AN wird vom Gesetzgeber im Gesundheitsschutz gesehen und dadurch abgesichert, dass es sich um „akkordähnliche“ Prämien handeln muss, die auf den im Gesetz genannten Verfahren und Methoden beruhen […]. 

[45 und 46] 4. Im Falle der „Umbauprämie alt“ liegt Akkordähnlichkeit wegen der vorhandenen „Arbeit-Entgelt-Relation“ vor. Dass die Prämie von der Karawane abhängt, schadet nicht, es gibt ja auch Gruppenakkord […].

[51] Vielmehr war die „Umbauprämie alt“ nur fakultativ (§ 97 Abs 1 Z 16 ArbVG) einer Betriebsvereinbarung zugänglich und es damit möglich, die Prämie konkludent durch Betriebsübung individualvertraglich zu vereinbaren.

[52 und 53] Die Gestaltung des hier für die Höhe des Entgelts maßgeblichen Betriebsablauf ist dem AG überlassen und könnte dies dahin zu verstehen sein, dass diesem im Zuge notwendiger Änderungen des Betriebsablaufes auch bei der durch Betriebsübung begründeten individualrechtlichen Vereinbarung der „Umbauprämie alt“ im Rahmen des billigen Ermessens Anpassungen zustehen, insbesondere wenn auch in dem adaptierten System ähnliche Verdienstmöglichkeiten geboten werden. Gerade dies ist aber hier bereits deshalb zu verneinen, weil den AN auf die „Umbauprämie neu“ kein wie immer gearteter Rechtsanspruch zustehen soll.

Erläuterung

Der OGH setzt sich in dieser E erstmals seit der Novelle des ArbVG von 2010 (BGBl I 2010/101) mit der Rechtsfrage der Unterscheidung der Tatbestände § 96 Abs 1 Z 4 und § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG auseinander.

Seit dieser Novelle sind Systeme der Gewinnbeteiligung sowie sonstige leistungs- und erfolgsbezogene Prämien und Entgelte (somit nicht akkord- oder akkordähnliche Prämien) nicht mehr Gegenstand der notwendigen Mitbestimmung nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG, sondern in die Mitbestimmungsrechte unter § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG verschoben worden (freiwillige BV). Der Gesetzgeber hat damals auf die Kritik der Lehre an einem OGH-Urteil von 2008 (OGH 8.10.2008, 9 ObA 144/07b) reagiert, das die betriebsrätliche Mitbestimmung zu betrieblichen Prämiensystemen sehr weit fasst (vgl Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht III5 § 96 Rz 77).

In einem ersten Schritt war zu prüfen, ob die „Umbauprämie“ ein Akkordentlohnungssystem iSd § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG darstellt und daher deren Einführung der Zustimmung des BR bedurft hätte.

Für die Mitbestimmungspflicht des BR nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG müssen nachstehende Voraussetzungen erfüllt sein:

Es fehlt eine kollektivvertragliche Regelung, die Zuwendung muss dem Entgeltbegriff unterliegen, sie muss akkordähnlich sein (die Leistungskomponente muss gegenüber der Zeit- oder Erfolgskomponente dominieren) und es muss ein im § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG angeführtes Entgeltfindungsverfahren vorgesehen sein, wobei es sich dabei um ein objektiv nachvollziehbares Bewertungsverfahren handeln muss (OGH 2.6.1981, 4 Ob 135/80).

Zwischen den Parteien war im Anlassfall strittig, ob die „Umbauprämie alt“ einer sogenannten notwendigen oder zwingenden BV nach § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG bedurfte oder ob die Prämie einer sogenannten fakultativen BV nach § 96 Abs 1 Z 16 ArbVG zugänglich war.

Falls man zur Rechtsauffassung gelangen würde, dass die Umbauprämie alt unter den Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG subsumierbar ist, hätte die 103Einführung und Regelung zwingend zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des BR bedurft. Eine Regelung der Umbauprämie durch eine untergeordnete Rechtsquelle wäre in einem solchen Fall unzulässig.

Somit wäre eine vertragliche Vereinbarung (unabhängig, ob auf Schriftlichkeit oder Konkludenz beruhend) rechtsunwirksam (vgl Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 96 RZ 6 mwN) und könnte solche im Ergebnis auch nicht aus einer Betriebsübung abgeleitet werden.

Sollte die Umbauprämie nicht dem Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG unterliegen, so würde die Umbauprämie als leistungs- und erfolgsbezogener Entgeltbestandteil dem freiwilligen Mitbestimmungstatbestand des § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG unterliegen. Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen können bei Nicht-Zustandekommen einer BV die entsprechenden Angelegenheiten entweder durch Anordnung des AG im Rahmen seiner Weisungsbefugnis geregelt werden oder durch Vereinbarung mit den betroffenen AN festgelegt werden. Somit könnte – falls die Umbauprämie nicht dem Tatbestand des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG unterliegt – durch vorbehaltslose langjährige Übung schlüssig ein Rechtsanspruch der AN auf die Umbauprämie „alt“ entstanden sein.

Sehr ausführlich und im Stile eines Rechtsgutachtens setzt sich der OGH mit den Rechtsbegriffen und der Auslegung des Tatbestandes des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG auseinander.

In diesem Zusammenhang hat der OGH auch erstmals Stellung zur Rechtsfrage bezogen – falls in einem mangels Deckung durch BV rechtswidrigen Leistungsentgeltsystem iSd § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG gearbeitet wird –, ob ein Aufgreifen dieser Nichtigkeit ex nunc oder ex tunc wirkt. Der OGH hat in Übereinstimmung mit den Lehrmeinungen von Schrank und Felten/Preiss (in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht6 III [2020] § 96 Rz 93 f) entschieden, dass die Nichtigkeit eines ohne Zustimmung des BR durchgeführten Akkordlohnes nur für die Zukunft wirkt (ex nunc).

In der E hat der OGH auch präzise herausgearbeitet, dass eine akkordähnliche Prämie nur dann der Mitbestimmungspflicht des § 96 Abs 1 Z 4 ArbVG unterliegt, wenn sie auf „statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsmethoden beruht“. Eine akkordähnliche Prämie liegt einerseits vor, wenn eine Arbeit-Entgelt-Relation vorliegt (somit wenn der Lohn höher ist, wenn schneller als vom AG an sich vorgegeben gearbeitet wird und andererseits nur dann, wenn als Grundlage für das jeweilige Entlohnungssystem ein Verfahren oder eine Methode vorliegt, die objektiv nachvollziehbar ist). Diese Voraussetzung unterliegt einer strengen Auslegung. Fallaktuell hat die Bekl auch nicht konkretisiert vorgebracht, dass ein Verfahren im dargestellten Sinne angewendet wird und daher die Mitbestimmungspflicht des BR verneint.

Somit ist es im Ergebnis durch betriebliche vorbehaltlose Übung der Auszahlung der Umbauprämie zu einer konkludenten Änderung der Arbeitsverträge gekommen, aufgrund derer den AN der Bekl für den Umbau der Produktionsmaschinen die „Umbauprämie“ zusteht, in der Form und Höhe wie sie bisher vor der Zahlungseinstellung gewährt wurde.

Die „Umbauprämie alt“ war somit der Regelungsmaterie des § 97 Abs 1 Z 16 ArbVG zuzuordnen und hätte die Bekl somit eine Abänderung der Umbauprämie „alt“ nur dann erwirken können, wenn eine Änderung der Arbeitsverträge im Einvernehmen mit den vier AN erfolgt wäre.