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Abzug pauschal abgegoltener Arbeitsstunden vom Gleitzeitkonto

MARIONIEDERFRINIGER (LINZ)
  1. Es liegt grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Parteien der Gleitzeitvereinbarung, jene Stunden, die in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragbar sein sollen und daher nicht als Überstunden gelten, selbst festzulegen.

  2. Nicht übertragbare Stunden aus einem Zeitguthaben sind grundsätzlich als Überstunden abzugelten (§ 6 Abs 1a AZG e contrario).

  3. Soweit die Gleitzeit-BV festhält, dass ein nicht weiter übertragbares Zeitguthaben aus dem Gleitzeitsaldo als zuschlagspflichtige Mehr- oder Überstunden nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen abgegolten ist, kann diese Regelung nur so weit Geltung für sich beanspruchen, als die Abgeltung nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen (hier: Funktionszulage) reicht.

  4. Eine Berechtigung des AG, pauschaliert abgegoltene Stunden vorweg vom Zeitguthaben abzuziehen, ergibt sich daraus nicht.

[1] Der Kl ist seit 7.1.1993 bei der Bekl bzw deren Rechtsvorgängerin, der * Gebietskrankenkasse (idF: GKK), mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt, derzeit als Leiter der Organisationseinheit Finanzen eingesetzt, und bezieht eine Funktionszulage gem § 44 DO.A im Ausmaß von 30 %. Auf das Dienstverhältnis finden die Dienstordnung A für Verwaltungsangestellte, Pflegepersonal und zahntechnische Angestellte bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (idF: DO.A) sowie die „Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit“ vom 21.3.2019 (idF: Gleitzeit- BV) Anwendung. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass mit der Funktionszulage des Kl zu 50 % die quantitativen Mehrleistungen (dh 15 Stunden, denen ein pauschaler Zeitanteil von 43,8 Minuten pro Arbeitstag entspricht) abgegolten werden.

[2] Der Kl begehrte zuletzt die Feststellung, „dass die beklagte Partei nicht berechtigt ist, vom Gleitzeitguthaben des Klägers am Ende eines Kalendermonats Zeitabzüge unter Anrechnung der gewährten Funktionszulage vorzunehmen, sofern das Gleitzeitguthaben des Klägers 40 Plusstunden nicht übersteigt“. [...]

[6] Mit der vor der Gleitzeit-BV geltenden „Gleitzeitregelung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der *GKK Forum Gesundheit“ vom 25.2.2004 (idF: Gleitzeitregelung) konnten erstmals auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Funktionszulagen-Bezug Zeitausgleichstage konsumieren. Die Gleitzeitregelung hat folgende Bestimmungen enthalten:

„[...] Zu 5.2 MitarbeiterInnen mit Anspruch auf Funktionszulage können Zeitausgleichstage im Einvernehmen mit dem Ressortdirektor dann konsumieren, wenn die in der Funktionszulage enthaltenen Überstunden zumindest zur Hälfte auch tatsächlich geleistet wurden. Dabei ist die Hälfte des Prozentsatzes der Funktionszulage als Stundenanzahl für den Erfassungszeitraum von vier Wochen heranzuziehen.“ [...]

Die Gleitzeit-BV enthält folgende Regelungen:

„[...] Davon abweichend ist für Mitarbeiter/innen, die eine Funktionszulage gemäß §§ 44 DO.A, DO.B beziehen, Gleitzeitperiode jeweils das Kalendermonat. [...]§ 3 Erfassung der Arbeitszeit [...](5) Für Mitarbeiter/innen, die eine Funktionszulage gemäß §§ 44 DO.A, DO.B beziehen, darf das Gleitzeitsaldo am Ende der Gleitzeitperiode (Monatsletzter) maximal ein Zeitguthaben (Plusstunden) von 40 Stunden aufweisen. Eine Zeitschuld (Minusstunden) ist unzulässig. Ein Gleitzeitsaldo, welcher am Ende des Kalendermonats ein Zeitguthaben von 40 Plusstunden übersteigt, kann in die nächste Gleitzeitperiode nicht übertragen werden. Als zuschlagspflichtige Mehr- oder Überstunden ist dieser Zeitsaldo nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen abgegolten.(6) Ein ganztägiger Zeitausgleich kann nur in Anspruch genommen werden, wenn ein entsprechendes Zeitguthaben erworben wurde. [...] Ein ganztägiger Zeitausgleich kann nur im Einvernehmen zwischen dem/der Mitarbeiter/in und der Leitung der Organisationseinheit konsumiert werden. [...](7) Für Mitarbeiter/innen, die eine Funktionszulage gemäß §§ 44 DO.A, DO.B beziehen, gelten besondere Regelungen für den ganztägigen Zeitausgleich. Ein solcher ist nur zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs 6 erfüllt sind und239 zusätzlich ein positiver Überstunden-, Zeitsaldo entsprechend der bisherigen betrieblichen Übung besteht.“ [...]

[8] Mit „der bisherigen betrieblichen Übung“ in § 3 Abs 7 Gleitzeit-BV war jene entsprechend der Gleitzeitregelung gemeint. Um die Modalitäten der bisherigen Regelung für Funktionszulagenbezieher den technischen Möglichkeiten und Vorgaben anzupassen, wurde diese aber nicht sofort in der Gleitzeit-BV festgeschrieben, sondern einer separat zu verfassenden Zusatzvereinbarung vorbehalten.

[9] Die „Vereinbarung zu § 3 Abs 7 der Betriebsvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit vom 21.3.2019“ (idF: Zusatz-V) wurde von der Direktorin, dem Obmann und dem Vorsitzenden des Angestellten-BR der GKK unterzeichnet; eine Genehmigung durch den Vorstand erfolgte nicht. Sie lautet auszugsweise wie folgt:

„[...] 3. [...] Der Abzug des pauschalen Zeitanteils der Funktionszulage vom jeweiligen Gleitzeitguthaben erfolgt jeweils am Ende des monatlichen Erfassungszeitraums.4. Ein monatliches Restguthaben nach Anrechnung des pauschalen Zeitanteils wird in den folgenden Erfassungszeitraum (Monat) übertragen und steht weiterhin als Zeitguthaben zur Verfügung. Eine nochmalige Anrechnung der pauschalen Zeitabgeltung auf dieses Restguthaben in nachfolgenden Monaten erfolgt nicht. [...]“

[11] Seit Dezember 2019 brachte die Bekl dem entsprechend auch beim Kl nunmehr jeweils am Monatsende 43,8 Minuten pro möglichem Arbeitstag, an dem der Kl ein Zeitguthaben hätte aufbauen können, in Abzug. Mehr als 40 Plusstunden hat der Kl seither an keinem Monatsende auf seinem Zeitkonto aufgewiesen. [...]

[17] Die Revision ist zulässig und berechtigt. [...]

[23] Aus § 4b Abs 1 AZG ergibt sich [...], dass dann, wenn Übertragungsmöglichkeiten gewollt sind, deren Höchstausmaß zwingend festgelegt sein muss. Ein Gebot, Übertragungsmöglichkeiten vorzusehen, besteht dagegen nicht (arg: „allfälliger“; s nur Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG § 4b Rz 20). Wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, liegt es daher grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Parteien der Gleitzeitvereinbarung, jene Stunden, die in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragbar sein sollen und daher nicht als Überstunden gelten, selbst festzulegen.

[24] Als Ausgleich für ein Zeitguthaben kommt darüber hinaus ein Freizeitanspruch in Betracht, der grundsätzlich der Vereinbarung bedarf (Zeitausgleich, § 19f AZG).

[25] 2. Der Kl richtet sich gegen den Abzug von 15 Stunden von seinem Gleitzeitguthaben am Ende eines jeden Kalendermonats. Unstrittig ist, dass mit diesen 15 Stunden die in der Funktionszulage enthaltene Abgeltung von quantitativen Mehrleistungen im Ausmaß von 15 Überstunden iS einer Überstundenpauschale angesprochen ist.

[26] Überstunden können entstehen

  • als originäre Überstunden, so insb, wenn die zulässige Höchstarbeitszeit überschritten wird,

  • aus Plusstunden, die aus einer Vorperiode stammen und am Ende des Erfassungszeitraumes nicht weiter übertragen werden können (§ 6 Abs 1a AZG e contrario),

  • aus Plusstunden aus einer Gleitzeitperiode, die die Anzahl des zulässigerweise übertragbaren Zeitguthabens überschreiten und daher als Überstunden abzugelten sind (§ 6 Abs 1a AZG e contrario).

[27] In den nächsten Gleitzeitrahmen übertragbare Plusstunden (Zeitguthaben) sind dagegen keine Überstunden (§ 6 Abs 1a AZG).

[28] 3. Zur Frage, wie Überstundenpauschalen in Verbindung mit Gleitzeitmodellen und der Möglichkeit zum Konsum von Zeitausgleich zu bewerten sind, werden in der Literatur verschiedene Standpunkte vertreten. Sie reichen von der Zulässigkeit der unbeschränkten Berücksichtigung der in den Vereinbarungen inkludierten Stunden bei der Ermittlung des Zeitguthabens (Jöst in Gruber-Risak/Jöst/Patka, Praxishandbuch Gleitzeit3 59; s auch 124 ff ; Körber-Risak in Reissner/Neumayr, Zeller HB BV Rz 41.50; s auch Jöst, Gleitzeit – einige Problemfelder, ecolex 2005, 891; ders, Überstunden bei Gleitzeit, ZAS 2020/23 [137, 141]) über die Prüfung einer sachlichen Rechtfertigung (Schneller, Gleitzeit und pauschale Abgeltung von Mehrarbeit, All-In-Verträge, Überstundenpauschale, ecolex 2013, 647) bis zur Annahme der generellen Unzulässigkeit eines Vorwegabzugs (Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c, Rz 63a ff ; ihm folgend Niederfriniger, Rechtsprobleme der Gleitzeitarbeit [2019] Rz 297).

[29] Die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Vereinbarung über den Vorwegabzug pauschalierter Überstunden vom Zeitguthaben kann hier aber dahingestellt bleiben, weil hier keine solche Vereinbarung erkennbar ist:

[30] 4. Den vom Kl bekämpften Abzug hat das Berufungsgericht auf die Zusatz-V gestützt. Deren Wirksamkeit wurde vom Kl jedoch bestritten, dies auch im Berufungsverfahren (s Berufungsbeantwortung S 3: „nicht einmal vom Vorstand genehmigt“).

[31] Dass die Zusatz-V vom Vorstand der GKK als Rechtsvorgängerin der Bekl nicht unterzeichnet und nicht genehmigt worden war, bestreitet die Bekl auch im Revisionsverfahren nicht. Soweit sie die Bestimmungen des § 538w Abs 1 Z 2 lit a a und des § 538v Abs 4 ASVG in der 2019 gültigen Fassung ins Treffen führt, ist nicht ersichtlich, inwieweit sich daraus eine Vertretungsbefugnis der Direktorin und/oder des Obmanns zum Abschluss einer (Zusatz-)BV mit normativer Wirkung ergeben könnte. [...]

Für die weiteren Erwägungen ist daher davon auszugehen, dass der Zusatz-V keine normative Wirkung als (ergänzende) BV zukommt.

[33] 5. Der vom Kl bekämpfte Abzug lässt sich aber nicht auch aus der Gleitzeit-BV 2019 ableiten. [...]

[35] 5.2. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass § 3 Abs 5 der Gleitzeit-BV schon nach ihrem Wortlaut keine Vorweg-Anrechnungsbestimmung enthält. [...]240

[37] Nicht übertragbare Stunden aus einem Zeitguthaben sind grundsätzlich als Überstunden abzugelten (§ 6 Abs 1a AZG e contrario).

[38] Soweit § 3 Abs 5 S 4 Gleitzeit-BV festhält, dass „dieser Zeitsaldo“ – also ein 40 Plusstunden übersteigendes und daher nicht weiter übertragbares Zeitguthaben aus dem Gleitzeitsaldo – als zuschlagspflichtige Mehr- oder Überstunden nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen abgegolten ist, kann diese Regelung nur so weit Geltung für sich beanspruchen, als die Abgeltung nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen (hier: die Funktionszulage) reicht. Nicht übertragbare, mit der Funktionszulage aber auch nicht abgegoltene Mehr- oder Überstunden können danach nicht als abgegolten gelten (zur Unzulässigkeit einer Kappungsklausel, s nur 9 ObA 75/19y). Eine Berechtigung der Bekl, die durch die Funktionszulage pauschaliert abgegoltenen Stunden vorweg vom Zeitguthaben abzuziehen, ergibt sich daraus nicht.

[39] 5.3. Das Berufungsgericht hat diesen Abzug aus einer Gesamtschau mit der Regelung des § 3 Abs 7 der Gleitzeit-BV (und der Zusatz-V) für zulässig erachtet, in der über den Konsum von Zeitausgleich hinaus ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck komme. Derartiges ist dieser Bestimmung allerdings nicht zu entnehmen: [...]

[41] Anderes ergibt sich hier auch nicht im Zusammenhalt mit einer „bisherigen betrieblichen Übung“, die vor dem Hintergrund der Gleitzeitregelung 2004 praktiziert wurde: [...]

[43] 6. Insgesamt besteht danach für die von der Bekl gewählte Vorgangsweise, unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen von Überstunden von einem am Monatsende bestehenden Zeitguthaben des Kl, vorweg Überstunden in der durch die Funktionszulage abgedeckten Anzahl abzuziehen, keine Grundlage in der Gleitzeit-BV 2019. [...]

ANMERKUNG
1.
Zum vorliegenden Fall

Wie Gleitzeitvereinbarungen kommen Pauschal ent - gelte, also Überstundenpauschalen und All-in-Entgelte, in der Praxis vor allem bei AN zum Einsatz, die sehr selbstbestimmt über ihre Arbeitszeit verfügen können. Daher treffen die beiden Modelle oft aufeinander. Mit den damit verbundenen Rechtsfragen musste sich der OGH bislang nicht näher auseinandersetzen. Immerhin die Kernfrage, ob eine Kombination von Gleitzeit- und All-in-Vereinbarung überhaupt möglich ist, hat er nun aber bejaht. Letzten Endes gab der OGH aufgrund eines formalen Gebrechens trotzdem dem AN Recht. Denn die im Beschluss angesprochene „Zusatz-V“, in welcher der Abzug der Zeitguthaben vorgesehen war, war mangels ordnungsgemäßer Unterzeichnung durch den Betriebsinhaber nicht als normativ gültige BV anzuerkennen. Und weder aus der „Gleitzeit-BV“ noch aus einer betrieblichen Übung (welche die Formerfordernisse des § 4b Abs 2 AZG mE ohnehin nicht erfüllen würde) konnte der OGH eine Befugnis zum Abzug von Zeitguthaben ableiten. Mit der Erörterung weiterer Rechtsfragen musste sich der OGH in der Folge nicht befassen. Umso mehr lohnt es, sich im Rahmen dieser Entscheidungsbesprechung näher mit den Aspekten einer Kombination von Pauschalentgelt- und Gleitzeitvereinbarungen zu befassen.

2.
Zur Kombination von Pauschalentgelt- und Gleitzeitvereinbarungen
2.1.
Problemstellung

Pauschalentgeltvereinbarungen, egal ob Mehr- und Überstundenpauschalen oder All-in-Vereinbarungen, sind nach hM mit gleitender Arbeitszeit kompatibel (Jöst in Gruber-Risak/Jöst/Patka, Gleitzeit3 [2021] 124 f; Schneller, ecolex 2013, 647 [647 ff ]; Gerlach/Risak/Schrank/Höfle, Praxishandbuch Arbeitsvertragsgestaltung2 [2019] Kap 11.2.4.4; uvm). Natürlich soll es durch die Kombination beider Modelle nicht zu einer doppelten Vergütung der Arbeitsleistung kommen, indem der AN dafür zum einen ein Pauschalentgelt erhält und zum anderen Zeitausgleich in Anspruch nehmen kann. Um dies zu verhindern, müssen letzten Endes die vom Pauschalentgelt gedeckten Arbeitsstunden der Möglichkeit zum Zeitausgleich tunlichst entzogen werden. Als Dilemma hierbei entpuppt sich die Zeitsouveränität des AN, welche es dem AN gestattet, im Rahmen seiner Gleitmöglichkeiten einseitig Zeitausgleich zu konsumieren, sei es etwa durch späteren Arbeitsantritt oder durch früheren Dienstschluss. Dadurch kann er unmittelbar auf die Anzahl jener Zeitguthaben einwirken, die durch das Pauschalentgelt abgegolten werden sollten.

2.2.
Vorkehrungen

Um diesem Problem beizukommen, können – mit gewissen Einschränkungen (hierzu Schneller, ecolex 2013, 647 f; Niederfriniger, Gleitzeitarbeit Rz 301 ff ) – Sonderbestimmungen für diese AN-Gruppe statuiert werden, die bspw den ganztägigen Zeitausgleich oder die Übertragbarkeit von Zeitguthaben in die nächste Gleitzeitperiode einschränken oder gar ausschließen. Eben dieses Ziel verfolgte in der zu besprechenden Entscheidung auch § 3 Abs 7 der „Gleitzeit-BV“, der den ganztägigen Zeitausgleich gewissen Bedingungen unterwarf. Bei Gleitzeitmodellen mit einer täglichen Normalarbeitszeit von über zehn Stunden ist freilich zu beachten, den ganztägigen Zeitausgleich, den § 4b Abs 4 SatZ 2 AZG zwingend vorschreibt, unter keinen Umständen abzubedingen.

Zum anderen wird der Zeitausgleich auch dadurch eingeschränkt, indem die pauschal abgegoltenen Arbeitsstunden vom Zeitguthaben abgezogen werden. Immerhin wandeln am Ende der Gleitzeitperiode allfällige nicht übertragbare Zeitguthaben ihren Charakter zu Überstunden oder Mehrarbeit (§ 6 Abs 1a und § 19d Abs 3b Z 2 AZG e contrario), müssen mangels anderslautender Vereinbarung in Geld ausbezahlt werden (§ 10 Abs 2 und § 19d Abs 3e AZG) und fallen damit sozusagen aus dem241 Gleitzeitkonto heraus. Der OGH bestätigte nun die grundsätzliche Abzugsmöglichkeit von pauschal abgegoltenen Zeitguthaben (Rz 38 S 1). Auf die Abzugsmodalitäten ging er jedoch nicht näher ein.

2.3.
Abzug der pauschal abgegoltenen Stunden vom Zeitguthaben

Für den Abzug kommen im Wesentlichen vier unterschiedliche Methoden in Betracht:

1. Abzug im Vorhinein: Bei dieser Methode werden die vom Pauschalentgelt gedeckten Stunden gleich am Beginn der Gleitzeitperiode als Zeitschuld (negativer Gleitzeitsaldo) verbucht. Davon ganZ abgesehen, dass die hier in Rede stehenden Zeitguthaben in diesem Stadium (noch) Normalarbeitszeit darstellen und diese von Pauschalentgeltvereinbarungen idR gar nicht erfasst sind, ist diese Gestaltungsvariante auch deshalb abzulehnen, weil der AN dadurch in seinen Gleitmöglichkeiten beschränkt und der AG in der Lage wäre, unabhängig von einem allfälligen Bedarf Überstunden zu erzwingen. Im selben Licht ist jene Abwandlung dieser Methode zu sehen, bei der vorrangig sämtliche Zeitguthaben (also auch Normalarbeitsstunden) systemwidrig auf dem Überstundenkonto verbucht werden, bis die Anzahl der vom Pauschalentgelt gedeckten Überstunden erreicht ist, und der AN erst dann Normalarbeitszeitguthaben erwerben kann (Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 63b; ähnlich Schrank, Arbeitszeit – Kommentar6 [2021] § 4b AZG Rz 132; Schneeberger, Aktuelle Rechtsfragen zu flexiblen Arbeitszeitmodellen, in Wachter/Reissner [Hrsg], Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeits- und Sozialrecht 2016 [2016] 103 [129 f]).

2. Abzug während der Gleitzeitperiode: Häufig werden in der Praxis die vom Pauschalentgelt gedeckten Stunden während der Gleitzeitperiode, idR monatlich, von einem bestehenden Zeitguthaben abgezogen. Dies geschieht häufig in dem Glauben, dass bei dieser Vorgangsweise das Überstunden- Steuerprivileg nach § 68 Abs 2 EStG jeden Monat ausgeschöpft werden kann, was jedoch in dieser Allgemeinheit ein Trugschluss ist (vgl Prinz, Flexible Arbeitszeitmodelle in der Personalverrechnung [Teil 1], PV-Info 4/2015, 10 [11]). Diese Methode ist aus denselben Gründen abzulehnen wie der Abzug im Vorhinein.

3. Erhöhung der fiktiven Normalarbeitszeit: Ferner wird – oder vielmehr wurde – in der Literatur auch die Möglichkeit angesprochen, die vom Pauschalentgelt gedeckten Stunden gleichmäßig auf die einzelnen Arbeitstage aufzuteilen und die fiktive Normalarbeitszeit in diesem Ausmaß zu erhöhen (so noch Jöst in Risak/Jöst/David/Patka, Praxishandbuch Gleitzeit2 [2014] 112 ff ). Der Erwerb von Zeitguthaben wird allerdings auch bei diesem Modell in unzulässiger Weise gehemmt. Zudem ist eine Erhöhung der fiktiven Normalarbeitszeit, welche immerhin mit der wöchentlichen Normalarbeitszeit korrelieren muss, mE unzulässig (zur Begründung siehe Niederfriniger, Gleitzeitarbeit Rz 294).

4. Abzug im Nachhinein: Bei dieser Methode werden die vom Pauschalentgelt gedeckten Stunden erst am Ende der Gleitzeitperiode von einem bestehenden Zeitguthaben abgezogen. Die Gleitmöglichkeiten des AN werden hierbei nicht eingeschränkt, weil das Zeitguthaben des AN während der Gleitzeitperiode eben keine Kürzung erfährt. Zudem handelt es sich bei den Zeitguthaben in diesem Stadium nicht mehr um Normalarbeitszeit, sondern um Überstunden bzw Mehrarbeit. Und schließlich bietet dieses Modell den Vorteil, allenfalls entstandene originäre Überstunden (zum Begriff der originären Überstunde siehe Rz 26), deren effektive Anzahl ja immer erst im Nachhinein feststeht, in das Pauschalentgelt einbeziehen zu können. Im Grunde ist daher nur ein Abzug im Nachhinein rechtlich unbedenklich.

Die letztgenannte Methode wurde auch im der OGH-E zugrundeliegenden Fall angewendet. Denn der Abzug der Zeitguthaben erfolgte – wenngleich der Höhe nach anhand der Anzahl der Arbeitstage bemessen – immer erst am Ende der einmonatigen Gleitzeitperiode (Rz 11). Umso irritierender ist es, dass der OGH in der E mehrmals von „Vorwegabzug“ spricht (Rz 28, 29, 38). Er bezieht sich damit offensichtlich nicht auf die hier dargestellten Methoden (insoweit hat mich der OGH falsch zitiert), sondern meint vielmehr, dass der Abzug zwar am Ende der Gleitzeitperiode, aber noch gedanklich vor der Übertragung der Zeitguthaben in die folgende Gleitzeitperiode erfolgt. Er befass te sich also mit der Frage, ob die Übertragung dem Abzug für die bereits abgegoltenen Stunden voranzugehen hat, oder ob es ebenso möglich ist, einen Abzug vor der Übertragung der Zeitguthaben vorzunehmen, so wie es der AG in der gegenständlichen E getan hat. Um ein Beispiel zu nennen: Hat der AN am Ende der Gleitzeitperiode ein Zeitguthaben von 50 Stunden, sind 40 Guthabenstunden in die Folgeperiode übertragbar und 30 Guthabenstunden vom Pauschalentgelt abgedeckt, müssen dann die vollen 40 Stunden oder nur die nach Abzug der pauschal abgegoltenen Stunden verbleibenden 20 Stunden in die Folgeperiode übertragen werden?

Wie der OGH völlig richtig ausführt, liegt es grundsätzlich im Gestaltungsspielraum der Parteien der Gleitzeitvereinbarung, jene Stunden, die in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragbar sein sollen, selbst festzulegen. Es obliegt ihnen also die Entscheidung, welcher Teil der Zeitguthaben am Ende der Gleitzeitperiode in Geld und welcher Teil durch Zeitausgleich abgegolten wird. Dreh- und Angelpunkt ist letzten Endes die Frage, ob die Anzahl der übertragbaren Stunden zahlenmäßig bestimmt sein muss oder ob es ausreicht, dass sie lediglich bestimmbar ist. Der vom GesetZ verwendete Begriff „Höchstausmaß“ lässt dies, anders als andere arbeitsrechtliche Normen (wie etwa § 2 Abs 2 Z 9 AVRAG), völlig offen. Auch der Telos gebietet keine zahlenmäßige Festlegung. ME greift daher mangels gesetzlicher Einschränkungen das Prinzip der Vertragsfreiheit. Selbst wenn man dem Arbeitsvertrag ein generelles Bestimmtheitsgebot unterstellt, wie das die stRsp bei Befristungen annimmt (RIS-JustiZ RS0028403), muss das242 Höchstausmaß der Übertragungsmöglichkeiten lediglich objektiv bestimmbar und der Willkür der Parteien entzogen sein. Dieses Kriterium ist in der gegenwärtigen Konstellation erfüllt. Denn das Übertragungsausmaß lässt sich stets anhand der Höhe des Pauschalentgelts errechnen.

Daraus ist mE der Schluss zu ziehen, dass auch eine vertragliche Gestaltung zulässig ist, wonach Gleitzeitguthaben nur insoweit in die Folgeperiode übertragen werden können, als sie im Falle einer Auszahlung nicht vom Pauschalentgelt abgedeckt wären – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass die Überstunden- bzw Mehrarbeitszuschläge bei der Ermittlung der Anzahl der abgegoltenen Stunden berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu einem Guthabenabzug am Beginn oder während der Gleitzeitperiode ist im Abzug vor der Übertragung der Zeitguthaben kein unzulässiger Eingriff in die Zeitsouveränität auszumachen. Denn im Unterschied zur Zeitsouveränität ist die Übertragungsmöglichkeit bloß ein fakultativer Bestandteil der gleitenden Arbeitszeit (Rz 23 mwN). Wenn nun aber der gänzliche Ausschluss der Übertragung erlaubt ist, dann muss kraft Größenschlusses eine Einschränkung auf jene Zeitguthaben, die über die vom Pauschalentgelt abgegoltenen Stunden hinausgehen, umso mehr statthaft sein. Dies jedoch setzt, so auch der OGH, eine entsprechende Klausel in der Gleitzeitvereinbarung voraus. Andernfalls ist im Zweifel anzunehmen, dass Zeitguthaben primär in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden und nur ein allenfalls verbleibender Rest der monetären Abgeltung zugeführt wird.

3.
Zur Kappung von Zeitguthaben

Schließlich ortete der OGH in § 3 Abs 5 S 4 Gleitzeit- BV eine unzulässige Kappungsklausel. Unter diesem Begriff versteht man Klauseln, die den Verfall von Zeitguthaben vorsehen, welche ein bestimmtes Limit übersteigen. Bereits in einer früheren E (OGH9 ObA 75/19yDRdA 2020, 445/41 [Gruber-Risak/Palmanshofer] = JAS 2020, 385 [Niederfriniger] = ZAS 2021/34 S 198 [Jöst]) sprach der OGH aus, dass eine zu allgemein gehaltene Kappungsklausel, wie sie auch im vorliegenden Fall unzweifelhaft vorlag, unwirksam sei. Nur wenn der AN einer Weisung, Zeitguthaben rechtzeitig vor Ende der Gleitzeitperiode abzubauen, nicht nachkomme und die erbrachten Gutstunden auch nicht aufgrund der dem AN aufgetragenen Arbeitsmenge erforderlich wären, sei eine Kappung erlaubt.