Unionsrecht statt Urlaubsgesetz?*

SUSANNEAUER-MAYER (WIEN)
Das UrlG brachte vor etwas mehr als 45 Jahren eine weitgehende Vereinheitlichung des österreichischen Urlaubsrechts der Arbeiter*innen und Angestellten. In den letzten Jahren ist das Urlaubsrecht jedoch auch auf unionsrechtlicher Ebene in den Fokus gerückt. Der EuGH hat inzwischen eine beachtliche Zahl an Entscheidungen gefällt, die durchaus an den Grundfesten des UrlG rütteln. Der Beitrag geht daher der Frage nach, wieviel Unionsrecht inzwischen im UrlG steckt.
  1. Einführung

  2. Unionsrechtliche Implikationen

    1. Arbeitszeitrichtlinie

    2. Art 31 Europäische Grundrechtecharta

    3. Weitere unionsrechtliche Vorgaben

    4. Auswirkungen auf das nationale Urlaubsrecht

  3. Spannungsfelder

    1. Erwerb und Bemessung des Urlaubs

      1. Bemessung beim Wechsel des Beschäftigungsausmaßes

      2. Berücksichtigung von Nichtarbeitszeiten

      3. Berücksichtigung von Vordienstzeiten

    2. Urlaubskonsum

      1. Grundsätzliches

      2. Erkrankung während des Urlaubs

      3. Urlaubsentgelt

    3. Urlaubsverjährung

    4. Urlaubsersatzleistung

      1. Grundsätzliches

      2. Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt

  4. Fazit und Ausblick

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1.
Einführung

Das UrlG ist in seinen wesentlichen Teilen mit 1.1.1978 in Kraft getreten.* In den ErläutRV* ist die Rede davon, dass gerade auf dem Gebiet des Urlaubsrechts dringende sozialpolitische Anliegen auf ihre Verwirklichung warten würden. Tatsächlich wurde mit dem UrlG das Urlaubsrecht der Arbeiter*innen und Angestellten weitgehend vereinheitlicht. Der zunächst mit vier Wochen bemessene gesetzliche Mindesturlaub wurde 1983* auf fünf (uU auch sechs) Wochen angehoben. Seit seiner Erlassung wurde das UrlG immerhin 19-mal novelliert; verglichen mit anderen arbeits- oder gar sozialversicherungsrechtlichen Gesetzen hat es sich dennoch als sehr bestandfest und damit als erfolgreiches legistisches Projekt erwiesen.

In jüngerer Zeit hat der EuGH jedoch mehrere Entscheidungen gefällt, die Zweifel an der Unionsrechtskonformität des UrlG (zumindest in seiner bisherigen Auslegung) aufkommen lassen. Betroffen ist hier neben dem Urlaubserwerb und der Urlaubsbemessung auch der Urlaubsverbrauch, die Urlaubsabgeltung sowie nicht zuletzt die Verjährung von Urlaubsansprüchen. Es stellt sich damit die Frage, welche Auswirkungen das Unionsrecht und vor allem die Rsp des EuGH auf das österreichische Recht hat.* Gilt womöglich inzwischen weitgehend Unionsrecht anstelle des UrlG?

Dazu sollen im Folgenden zunächst einige Grundsatzfragen zum Verhältnis von Unionsrecht und UrlG geklärt werden. Im Anschluss werden in aller gebotenen Kürze jene Bereiche angesprochen, in denen vor allem Spannungsfelder zwischen UrlG und Unionsrecht auszumachen sind. Beschlossen wird der Beitrag mit einem kurzen Fazit und Ausblick.

2.
Unionsrechtliche Implikationen
2.1.
Arbeitszeitrichtlinie

Inwieweit hat das Urlaubsrecht überhaupt etwas mit dem Unionsrecht zu tun? Ausdrückliche Regelungen sind zunächst in der Arbeitszeit-RL 2003/88/ EG6) (AZ-RL) zu finden: Deren Art 7 Abs 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass AN einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhalten. Diese Anordnung steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt „der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung (...) die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind“. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die Mitgliedstaaten in der Gestaltung ihres Urlaubsrechts frei sind. Der EuGH legt den genannten Vorbehalt nämlich sehr eng aus. Demnach können die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Urlaubsanspruchs festlegen, so beispielsweise (innerhalb gewisser Grenzen) den Zeitpunkt der Fälligkeit des Urlaubs entgelts normieren,* sie dürfen aber – unter der Prämisse, dass die AN im Laufe des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben – insb nicht schon das Entstehen des Anspruchs von irgend einer Voraussetzung abhängig machen.*

Nach Art 7 Abs 2 der RL ist zudem „außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ der Ersatz des Naturalanspruchs durch eine finanzielle Vergütung ausdrücklich unzulässig. Der EuGH hat daraus jedoch nicht nur ein Abgeltungsverbot im aufrechten Arbeitsverhältnis abgeleitet, sondern geht davon aus, dass eine Verpflichtung bestehe, AN im Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine finanzielle Vergütung für den nicht mehr konsumierbaren Urlaub zuzugestehen.*

Die AZ-RL ist zwischen Privaten nicht unmittelbar anwendbar, das nationale Recht ist jedoch so weit wie möglich richtlinienkonform zu interpretieren.*

2.2.
Art 31 Europäische Grundrechtecharta

Damit aber nicht genug: Das Recht auf bezahlten Erholungsurlaub ist durch Art 31 Abs 2 Grundrechtecharta (GRC) auch primärrechtlich abgesichert. Dabei ist, entgegen mancher Stimmen in der Literatur,* davon auszugehen, dass es sich um ein echtes Grundrecht und nicht bloß um einen nicht justiziablen Grundsatz handelt.* Die GRC richtet sich jedoch nach ihrem Art 51 Abs 1 nur an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie an die Mitgliedstaaten bei Durchführung des Unionsrechts. Art 31 trifft überdies keine Aussage zur konkreten Reichweite des Rechts auf Jahresurlaub. Der EuGH geht dennoch davon aus, dass das Recht auf bezahlten Jahresurlaub als „wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union“ zwingenden Charakter habe, wobei dies sowohl den Anspruch auf Urlaub als solchen als auch jenen auf dessen Bezahlung sowie auf finanzielle Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses umfasse. Da Art 31 Abs 2 diesen wesentlichen Grundsatz widerspiegle, ohne weitere Bedingungen aufzustellen, verleihe er den AN schon für sich allein ein Recht, das sie in einem Rechtsstreit gegen ihre AG in einem in den Anwendungsbereich der Charta fallenden Sachverhalt geltend machen könnten.* Art 7 AZ-RL wiederum 180 spiegle das in Art 31 Abs 2 GRC verankerte Grundrecht (nur) wider und konkretisiere es.*

Der EuGH erblickt somit sowohl im Recht auf Jahresurlaub als auch in jenem auf finanzielle Abgeltung ein zwischen Privaten unmittelbar anwendbares Grundrecht, auf das sich AN direkt gegenüber ihren AG berufen können. Entgegenstehendes nationales Recht ist damit unanwendbar. Die AZ-RL selbst hat zwar keine Direktwirkung, ihre Inhalte gelten im Ergebnis aber dennoch auch zwischen Privaten, da sie der EuGH gleichsam in das Grundrecht hineinliest. Dogmatisch überzeugt diese Vorgangsweise nicht.* Das ändert aber nichts am Anwendungsvorrang des Unionsrechts und am diesbezüglichen Auslegungsmonopol des EuGH. Der Spielraum der Mitgliedstaaten ist folglich erheblich beschränkt.

2.3.
Weitere unionsrechtliche Vorgaben

Hinzu kommt, dass neben den genannten spezifisch urlaubsrechtlichen Regelungen naturgemäß auch im Urlaubsrecht gegebenenfalls weitere „allgemeine“ unionsrechtliche Vorgaben Anwendung finden.

Hervorgehoben seien an dieser Stelle zum einen die diversen Antidiskriminierungsvorgaben, die etwa in Urteilen für die Bemessung des Urlaubs bereits eine Rolle gespielt haben (näher unten 3.1.1.). Besondere Relevanz haben auch diese vor allem insofern, als der EuGH zu den Diskriminierungsverboten des Art 21 GRC vergleichbar argumentiert wie zu Art 31. Hier geht er also ebenfalls trotz fehlender Direktwirkung der Antidiskriminierungs-RL im Ergebnis unter Berufung auf „allgemeine Grundsätze des Unionsrechts“ von einer unmittelbaren Wirkung auch zwischen Privaten aus, soweit es im nationalen Recht ein gültiges „Bezugssystem“ für die daraus resultierende „Angleichung nach oben“ gibt.*

Zum anderen ist an die Regelungen zur ANFreizügigkeit* zu denken, aus denen der EuGH ebenfalls ein unmittelbar anwendbares Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot ableitet.*

2.4.
Auswirkungen auf das nationale Urlaubsrecht

Was bedeutet dies konkret für das nationale Recht?

Soweit möglich, sind die Vorgaben des UrlG unionsrechtskonform auszulegen. Dies erfordert nach der Rsp des EuGH, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts – insb also der AZ-RL – zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dieser verfolgten Ziel im Einklang steht.* Darüber hinaus haben AN aber auch in jenen Fällen, in denen eine unionsrechtskonforme Interpretation des UrlG ausscheidet, einen unmittelbaren Anspruch auf Einhaltung der durch den EuGH herausgearbeiteten Vorgaben unter Berufung auf Art 31 GRC.

Dies ist insofern brisant, als der EuGH in seinen Entscheidungen bekanntlich stets nur bestehendes Unionsrecht auslegt. Damit wirken seine Urteile, mögen sie auch im Ergebnis überraschen, nicht erst pro futuro, sondern auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Unionsrechts zurück. Eine zeitliche Begrenzung dieser Wirkungen hat der EuGH hierbei auch zum Urlaubsrecht bereits explizit abgelehnt.* Dasselbe gilt für eine Argumentation dahingehend, dass auf Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der AG auf den Fortbestand der bisherigen nationalen höchstrichterlichen Rsp geschützt werden müsse.*

Entscheidend ist damit vor allem mit Blick auf die strenge Rsp zur Verjährung des Urlaubs (näher unten 3.3.), wann das einschlägige Unionsrecht in Kraft getreten ist. Hinsichtlich der Vorgaben des Art 7 AZ-RL ist dies wohl der Ablauf der Umsetzungsfrist für die gleichlautende Bestimmung in der Vorgänger-RL 93/104/EG und folglich der 23.11.1996.* Art 31 GRC ist dagegen erst mit dem Vertrag von Lissabon am 1.12.2009 in Kraft getreten. Insofern liegt nahe, (wenn überhaupt) erst ab diesem Zeitpunkt von der unmittelbaren Anwendbarkeit zwischen Privaten auszugehen. Zweifel hieran könnten sich allerdings deshalb ergeben, weil der EuGH den Ursprung des „wesentlichen Grundsatzes“ des Rechts auf Jahresurlaub auch in diversen – schon lange vor Geltung der GRC geschlossenen – internationalen Abkommen erblickt.* Auch ist er im Diskriminierungsrecht schon vor Geltung des Art 21 GRC von einem unmittelbar anwendbaren „allgemeinen Grundsatz“ ausgegangen. Abgesehen davon, dass auch dies schon dem Grunde nach nicht überzeugt, hat sich der EuGH hinsichtlich der Drittwirkung im Urlaubsrecht aber doch stets spezifisch auf Art 31 GRC berufen. Insofern bleibt zumindest zu hoffen, dass er eine solche erst ab 2009 annehmen wird.

Darüber hinaus ist auch bezüglich der konkreten Rechtsfolgen mE ein zentraler Unterschied zwischen richtlinienkonformer Auslegung und unmittelbarer Berufung auf Art 31 GRC auszumachen: Soweit das UrlG unionsrechtskonform interpretierbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass das erzielte Auslegungsergebnis nicht nur für den vierwöchigen unionsrechtlichen Mindesturlaub, sondern auch für die fünfte und sechste Urlaubswoche maßgeblich ist. Dies ergibt sich nicht aus den unionsrechtlichen Vorgaben,* sondern aus 181 dem nationalen Recht. Denn eine Nichtanwendung der unionsrechtlichen Grundsätze auf den „rein nationalen“ Urlaubsteil wird sich mithilfe der zulässigen Auslegungsmethoden zumeist nicht begründen lassen.* Dies jedenfalls dann nicht, wenn das Gesetz dafür nicht ausnahmsweise – wie in § 10 Abs 2 UrlG (näher unten 3.4.2.) – erkennbare Anhaltspunkte bietet. Hieran ändert sich mangels jeglicher gesetzlicher Differenzierung auch dann nichts, wenn man bezüglich der sechsten Urlaubswoche auch das Ziel der Honorierung der Betriebstreue* berücksichtigt.

Lässt sich das nationale Recht dagegen nicht im Einklang mit der AZ-RL interpretieren, so ist – in Übereinstimmung mit EuGH* und OGH* – davon auszugehen, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber dem nationalen Recht nur hinsichtlich des vierwöchigen Mindesturlaubs durchschlägt.* Hier führt auch Art 31 GRC zu keinem anderen Ergebnis. Denn die GRC kommt, wie erwähnt, nur bei Durchführung des Unionsrechts zur Anwendung. Soweit im konkreten Fall keine anderen unionsrechtlichen Vorgaben, wie etwa die Antidiskriminierungsvorschriften, eine Rolle spielen, ist eine solche „Durchführung“ wiederum nur im Anwendungsbereich der AZ-RL – und damit hinsichtlich des vierwöchigen Mindesturlaubs – gegeben.* Und selbst wenn man dies anders sehen wollte, ist daran zu erinnern, dass Art 31 GRC keinerlei konkrete Vorgaben zum Inhalt des Rechts auf Jahresurlaub trifft. Diese ergeben sich erst in Zusammenschau mit der AZ-RL. Wenn die Mitgliedstaaten nun aber entscheiden können, ob sie überhaupt einen über die Vorgaben der RL hinausgehenden Mindesturlaub von mehr als vier Wochen vorsehen, so ist es nur konsequent, dass sie diesbezüglich auch selbst die Voraussetzungen festlegen können.* Insofern besteht also hinsichtlich der fünften und sechsten Urlaubswoche keine Bindung an die Rsp des EuGH, sondern bleibt es bei der Anwendung des nationalen Rechts.

Offen ist damit noch, wie die Anrechnung des konkreten Urlaubsverbrauchs vorzunehmen ist. Der OGH* hat den verbrauchten Urlaub im Kontext der (nur) unionsrechtlich gebotenen Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt (näher unten 3.4.2.) zunächst zur Gänze auf den vierwöchigen Mindesturlaub angerechnet. In der Literatur wurde dagegen auch eine verhältnismäßige Aufteilung* oder eine Aufteilung nach Maßgabe der Tilgungsregeln der §§ 1415 f ABGB* vorgeschlagen. ME ist hinsichtlich des Abgeltungsanspruchs im Ergebnis dem OGH zu folgen. Dies nicht aufgrund einer bestimmten Tilgungsreihenfolge, sondern aufgrund des Zusammenspiels von nationalem Recht und Anwendungsvorrang: Denn nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers gibt es grundsätzlich schlicht einen Anspruch auf fünf bzw sechs Wochen Urlaub pro Jahr, der keiner weiteren Differenzierung unterliegt. Ist eine unionsrechtskonforme Interpretation nicht möglich, so kommt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts immer, aber auch nur dann zum Tragen, wenn durch die nationalen Vorgaben der unionsrechtliche Mindesturlaub von vier Wochen beschnitten wird. Demnach besteht ein unmittelbarer unionsrechtlicher Abgeltungsanspruch nur, soweit Resturlaub vom Mindesturlaub verbleibt. Unionsrechtskonform verbrauchter Urlaub ist folgerichtig (soweit nicht noch primär zu verbrauchender Resturlaub aus Vorjahren besteht)* zunächst auf diesen anzurechnen.

Ist dagegen ein konkret vereinbarter Urlaub – etwa während einer Erkrankung (dazu noch unten 3.2.2.) – unionsrechtlich nicht als „echter“ Urlaub anzuerkennen, ist es genau umgekehrt: Hier hat der Urlaub nur insoweit wegen des Anwendungsvorrangs als nicht konsumiert zu gelten, als auch der Mindesturlaub betroffen ist – es im Ergebnis also um mehr als eine Woche Urlaub geht. Der nicht unionsrechtskonforme Verbrauch ist also zunächst auf den „nationalen Urlaubsanteil“ anzurechnen.

Das alles gilt allerdings nur, soweit sich die Unionsrechtswidrigkeit allein aus einem Verstoß gegen Art 31 GRC (iVm der AZ-RL) ergibt. Wird die Unzulässigkeit (auch) auf eine Diskriminierung iSd Art 21 GRC oder auf die AN-Freizügigkeit gestützt, schlagen die unionsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich des gesamten im nationalen Recht geregelten Urlaubs durch.

3.
Spannungsfelder

Wo bestehen nun konkret Spannungsfelder zwischen Unionsrecht und UrlG?

3.1.
Erwerb und Bemessung des Urlaubs
3.1.1.
Bemessung beim Wechsel des Beschäftigungsausmaßes

Ein bereits wiederholt diskutiertes* Problem ergibt sich zunächst schon bezüglich des Grundsystems 182 der Urlaubsbemessung: Dem UrlG liegt, wie es der OGH nennt, ein „kalendarischer“ Urlaubsbegriff zugrunde.* Den AN gebührt für jedes Arbeitsjahr ein ununterbrochener bezahlter Urlaub von 30 bzw 36 Werktagen (§ 2 Abs 1 UrlG). Das Gesetz stellt somit nicht auf tatsächliche Arbeitstage ab. Den AN sollen losgelöst von der konkreten Einteilung der Arbeitszeit fünf (bzw sechs) Urlaubswochen zur Verfügung stehen. Daraus folgt, dass bei tageweisem Urlaubsverbrauch letztlich (doch) eine Umrechnung des Urlaubs auf tatsächliche Arbeitstage vorzunehmen ist. Die Anzahl der Urlaubstage reduziert sich damit entsprechend, die pro Arbeitstag geleisteten Arbeitsstunden sind dagegen unerheblich.*38) Diese Grundsätze gelten nach dem OGH insb auch dann, wenn es im aufrechten Arbeitsverhältnis, vor allem im Zusammenhang mit einer Änderung des Arbeitszeitausmaßes, zu einer Änderung der Zahl der Arbeitstage kommt.* Das bedeutet, dass etwa der Wechsel von einer vormals sechs Arbeitstage umfassenden Vollzeitbeschäftigung auf eine nur noch drei Arbeitstage umfassende Teilzeitbeschäftigung zu einer „Halbierung“ der Anzahl zustehender Urlaubstage führt.

Der EuGH geht dagegen von einem „freistellungsorientierten“ Urlaubsbegriff aus, wonach gleichsam durch die Arbeitsleistung „Guthaben“ an bezahlter Freistellung erworben werden. Er hat es demnach als wegen eines Verstoßes gegen Art 7 AZ-RL und § 4 Z 2 der EU-Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit* unzulässig beurteilt, wenn in der Zeit einer Vollzeitbeschäftigung erworbene, aber in dieser Phase nicht konsumierbare Urlaubsansprüche bei Übergang zu einer Teilzeitbeschäftigung reduziert werden. Die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit stehe nämlich in keiner Beziehung zu der in dieser Zeit geleisteten verringerten Arbeitszeit. Der Pro-rata-temporis- Grundsatz sei daher zwar auf die Gewährung des Jahresurlaubs für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung anzuwenden, könne aber nicht nachträglich auf einen in der Vollzeitphase erworbenen Anspruch angewandt werden.* Konsequenterweise besteht auch im umgekehrten Fall einer Erhöhung der Arbeitsstunden keine Verpflichtung zu einer rückwirkenden Nachberechnung. Zeiten mit unterschiedlichem „Arbeitsrhythmus“ sind vielmehr nach Ansicht des EuGH urlaubsrechtlich gesondert zu beurteilen.* Das kann zur Folge haben, dass der*die AN bei Verbrauch in der Vollzeitphase „kalendarisch“ betrachtet einen kürzeren Urlaubszeitraum als vier Wochen zur Verfügung hat. In der Denke des EuGH ist dies jedoch offenkundig kein Problem.

Was folgt daraus für das UrlG? Nach bisheriger Ansicht des OGH nichts. Letzterer hat der Rsp des EuGH unter Verweis auf die Unterschiedlichkeit des österreichischen und des unionsrechtlichen Urlaubssystems und die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit der AZ-RL sowie die bezüglich des Urlaubsausmaßes ohnedies günstigere österreichische Rechtslage die Relevanz abgesprochen.* So kritisch die Rsp des EuGH jedoch zu sehen ist,* können die Argumente des OGH dennoch nicht durchschlagen.* Der Umstand, dass der Urlaub in den dem EuGH vorgelegten Fällen (überwiegend) nach Stunden bzw Arbeitstagen bemessen wurde, ändert im Lichte der Begründung des EuGH nichts an der Übertragbarkeit auf das UrlG. Die über die RL hinausgehende Mindesturlaubsdauer ist ebenfalls nicht geeignet, die generelle Günstigkeit des österreichischen Rechts zu belegen. Hinzu kommt, dass der EuGH das „Aliquotierungsverbot“ auch diskriminierungsrechtlich begründet hat. Damit hilft die Begrenzung des unionsrechtlichen Mindesturlaubs auf vier Wochen hier von vornherein nicht weiter. Nicht zuletzt hat die E in der Rs job-medium (dazu näher unten 3.4.2.) deutlich gemacht, dass auch aus dem durch den EuGH immer wieder gemachten Vorbehalt dahingehend, dass der*die AN „den Urlaub nicht ausüben konnte“, im Ergebnis keine relevante Einschränkung zu gewinnen ist.

Es ist demnach davon auszugehen, dass die gängige Bemessung des Urlaubs jedenfalls bei Wechsel von Voll- auf Teilzeit nicht unionsrechtskonform ist. Der Urlaub darf hier nur für den Zeitraum der Teilzeitarbeit entsprechend dem Pro-rata-temporis- Grundsatz aliquotiert werden. Ein erworbener „Vollzeit-Urlaubstag“ muss dagegen als solcher erhalten bleiben.

Eine unionsrechtskonforme Interpretation des nationalen Rechts scheint hierbei nicht ausgeschlossen. Denn auch wenn dem UrlG eine „kalendarische“ Betrachtung zugrunde liegt, trifft dieses keine explizite Regelung zur Vorgangsweise bei Änderung des Arbeitszeitausmaßes.* Der OGH hat dies freilich, wie erwähnt, anders gesehen. Folgt man dem, so schlägt nur, aber doch beim Wechsel von Voll- auf Teilzeit der Anwendungsvorrang des Unionsrechts durch. Zumal eine Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter typischerweise auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellen wird, ist hierbei der Anwendungsbereich des Art 21 GRC regelmäßig selbst dann eröffnet, wenn man die Teilzeitarbeit als solche nicht in die dortige demonstrative Aufzählung hineinlesen will. Folglich kommt der Anwendungsvorrang auch hinsichtlich der fünften und der sechsten Urlaubswoche zum Tragen. 183

3.1.2.
Berücksichtigung von Nichtarbeitszeiten

Weitere mögliche Schwierigkeiten könnten sich hinsichtlich der Berücksichtigung von Nichtarbeitszeiten bei der Urlaubsbemessung ergeben:

Gem § 2 Abs 2 UrlG entsteht der Urlaubsanspruch, mit Ausnahme der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses, in seiner Gesamtheit mit Beginn des jeweiligen Arbeitsjahres. Durch Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, wird er grundsätzlich nicht verkürzt. Umso weniger führen entgeltfortzahlungspflichtige Nichtarbeitszeiten zu einer Kürzung. Der volle Anspruch besteht allerdings nur, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird. Letzteres ist insb bei Zeiten einer Elternkarenz (§ 15f Abs 2 Satz 1 MSchG, § 7c VKG), aber etwa auch bei solchen einer Bildungskarenz (§ 11 Abs 2 AVRAG), einer Familienhospizkarenz (§ 14a Abs 5 AVRAG) und des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes (§ 9 APSG) der Fall.

Der EuGH geht in seiner Rsp dagegen gleichsam den umgekehrten Weg: Er betont, dass Voraussetzung für den Anspruch auf Urlaub sei, dass die AN im Bezugszeitraum auch tatsächlich gearbeitet hätten. Folglich hat er es als zulässig beurteilt, wenn AN für den Zeitraum einer „Kurzarbeit-Null“ keine Urlaubsansprüche erwerben.* Selbiges hat er für eine vereinbarte Dienstfreistellung vor Eintritt in den Ruhestand* und für Zeiten des „Elternurlaubes“ (also der Elternkarenz) angenommen.* Dabei hat er auch darauf verwiesen, dass die Elternkarenz zum einen vorhersehbar sei und meist aus dem Wunsch der AN folge und zum anderen währenddessen keine physischen oder psychischen Beschwerden bestünden. Diese Rsp ist auch mit Blick auf die geschilderte Zulässigkeit der „Kürzung“ des Urlaubs für Zeiträume der Teilzeitarbeit konsequent.

Demgegenüber hat es der EuGH sehr wohl als unzulässig beurteilt, wenn der durch die RL verliehene Urlaubsanspruch bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen AN von der Voraussetzung abhängig gemacht werde, dass sie während des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben. Das Eintreten einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sei nämlich grundsätzlich nicht vorhersehbar und auch vom Willen der AN unabhängig. Der Mindesturlaubsanspruch be- und entstehe daher auch für Zeiten, in denen die Arbeitsleistung krankheitsbedingt unterbleibe, ohne weitere Einschränkung.* Entsprechendes hat er hinsichtlich des „Mutterschaftsurlaubes“ (also des Beschäftigungsverbots)* sowie bei rechtsunwirksamer Beendigung durch den*die AG* angenommen.

§ 2 Abs 2 UrlG erweist sich vor diesem Hintergrund naturgemäß als unionsrechtskonform. Zweifelhaft könnte aber insb sein, ob der EuGH auch die ausdrücklich gesetzlich angeordnete Aliquotierung für Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes in der geltenden Form akzeptieren würde. Auch insoweit liegt die „Freistellung“ nämlich idR weder in der Disposition der AN noch verfügen sie dadurch über planbare Freizeit.

3.1.3.
Berücksichtigung von Vordienstzeiten

Eindeutig unionsrechtlich problematisch ist dagegen § 3 UrlG. Dieser sieht bezüglich der Erhöhung des Urlaubsausmaßes auf 36 Werktage nach Vollendung des 25. Dienstjahres vor, dass Dienstzeiten bei demselben*derselben AG grundsätzlich zusammenzurechnen sind, soweit sie keine längeren Unterbrechungen als jeweils drei Monate aufweisen.* Nach § 3 Abs 2 Z 1 sind ferner im Inland zugebrachte Dienstzeiten bei anderen AG bis zum Höchstausmaß von fünf Jahren anzurechnen, sofern sie mindestens je sechs Monate gedauert haben. Vergleichbares gilt nach Z 6 für Zeiten einer im Inland zugebrachten selbständigen Erwerbstätigkeit.

Die hier vorgesehene Beschränkung auf Vordienstzeiten im Inland erweist sich wohl unstrittig wegen einer (mittelbaren) Diskriminierung von Wander- AN als Verstoß gegen Art 45 Abs 2 AEUV und Art 7 Abs 1 VO 492/2011. § 3 UrlG hat somit bezüglich der Beschränkung auf das Inland wegen Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu bleiben.* Demgegenüber hat der EuGH in der Beschränkung der Anrechnung von Zeiten bei (in- und ausländischen) anderen AG auf fünf Jahre überzeugend keinen Verstoß gegen die AN-Freizügigkeit erblickt.*

3.2.
Urlaubskonsum
3.2.1.
Grundsätzliches

Das zweite anzusprechende Problemfeld ist der Urlaubskonsum: Der Urlaubsverbrauch ist nach Maßgabe des § 4 Abs 1 UrlG zwischen AN und AG unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeiten des*der AN zu vereinbaren. Eine einseitige Anordnung von Urlaub scheidet somit aus. Auch ein einseitiger Urlaubsantritt ist nur in Ausnahmefällen möglich (vgl § 4 Abs 4 und § 16 Abs 3 UrlG; § 7a ARG). Nach § 4 Abs 3 UrlG kann der Urlaub zudem grundsätzlich (nur maximal) in zwei Teilen verbraucht werden, wobei ein Teil mindestens sechs Werktage (also eine Woche) betragen muss. Nach überzeugender Rsp ist es freilich im Lichte des Günstigkeitsprinzips (vgl § 12 UrlG) zulässig, in Abweichung von dieser Regelung auf Wunsch des*der AN 184 auch einen Urlaubsverbrauch für Zeiträume unter sechs Werktagen und/oder eine häufigere Teilung des Urlaubs zu vereinbaren.*

Der EuGH betont in seiner Rsp den Zweck des Urlaubs, den AN zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der nach dem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen.* Dennoch ist aus bisherigen Entscheidungen weder eine Verpflichtung zu einer generell zusammenhängenden Urlaubsgewährung noch eine solche zur Zulassung eines tageweisen Urlaubsverbrauchs abzuleiten. Auch eine Verpflichtung, AN einen einseitigen Urlaubsantritt zu ermöglichen oder umgekehrt eine Anordnungsbefugnis der AG vorzusehen, ist nicht auszumachen.

3.2.2.
Erkrankung während des Urlaubs

Unionsrechtliche Probleme können sich jedoch beim Umgang mit Krankheitszeiten ergeben: Gem § 4 Abs 2 UrlG darf für Zeiträume, während deren ein*e AN Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit (Unglücksfall), Anspruch auf Pflegefreistellung (§ 16 UrlG) oder sonst Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Entfall der Arbeitsleistung hat, der Urlaubsantritt ausdrücklich nicht vereinbart werden, wenn diese Umstände bereits bei Abschluss der Vereinbarung bekannt waren. Erkranken demgegenüber AN während des Urlaubs, ohne dies vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt zu haben, so werden auf Werktage fallende Tage der Erkrankung gem § 5 Abs 1 nur dann nicht auf das Urlaubsausmaß angerechnet, wenn die Erkrankung länger als drei Kalendertage gedauert hat.*

Der EuGH hat dagegen wiederholt festgehalten, dass der Anspruch auf Krankheitsurlaub gänzlich anderen Zwecken diene als der bezahlte Erholungsurlaub. AN seien daher bei Erkrankung während des Urlaubs berechtigt, den Urlaub in der Dauer der Überschneidung zu einer anderen als der mit dem Krankheitsurlaub zusammenfallenden Zeit zu nehmen. Dies gelte selbst dann, wenn die Erkrankung nur an einzelnen Tagen während des Urlaubs vorgelegen sei.* Ein bereits vereinbarter Urlaub gilt folglich im Ausmaß der Krankheitszeiten nicht als verbraucht.* Damit ist die Regelung des § 5 Abs 1 UrlG unvereinbar.* Insb spricht der klare Wortlaut auch gegen eine unionsrechtskonforme Auslegung, wonach AN durch das Recht auf Teilrücktritt von der Urlaubsvereinbarung für einzelne Tage jedenfalls die Nichtanrechnung sämtlicher Erkrankungszeiten erwirken könnten. Damit kommt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zum Tragen. Dies jedoch im Lichte des Gesagten (oben 2.4.) nur, soweit es zu einer Beschneidung des vierwöchigen Mindesturlaubs kommt.* Im Ergebnis kann sich § 5 Abs 1 damit nur als unanwendbar erweisen, falls AN mehrmals in einem Jahr während des Urlaubs erkranken und dadurch mehr als eine Woche Urlaub verlieren. Soweit dies nicht der Fall ist, ist auch ein Abzug von Krankheitstagen vom Urlaubskontingent zulässig.

3.2.3.
Urlaubsentgelt

Nicht zuletzt kann sich auch die Bemessung des Urlaubsentgelts als unionsrechtlich kritisch erweisen: Gem § 6 Abs 2 UrlG darf den AN während des Urlaubs ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt nicht gemindert werden. In allen anderen Fällen ist nach Abs 3 leg cit jenes Entgelt zu zahlen, das dem*der AN gebührt hätte, wäre der Urlaub nicht angetreten worden.* Die AN müssen daher während des Urlaubs iSd Ausfallsprinzips jenes Entgelt erhalten, das sie aus der Perspektive des Urlaubsbeginns verdient hätten, wenn sie gearbeitet hätten.* Der OGH geht hierbei in Fällen (generell) schwankenden Einkommens überzeugend von der Notwendigkeit einer Durchschnittsbetrachtung im Einzelfall (gegebenenfalls sogar unter Zugrundelegung des Jahresdurchschnitts) aus.* Demgegenüber hat er eine derartige Durchschnittsbetrachtung für den Fall eines Wechsels des Arbeitszeitausmaßes ausdrücklich abgelehnt: Da die AN während des Urlaubs jenes Entgelt zu erhalten hätten, das sie bei Erbringung der Arbeitsleistung im fraglichen Zeitraum verdient hätten, sei auf das Entgelt in früheren Zeiträumen der Entstehung nicht abzustellen.*

Auch der EuGH hat wiederholt betont, dass die AN durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden sollten, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar sei.* Sie müssten daher ihr „gewöhnliches Arbeitsentgelt“ erhalten,* wobei es Sache des nationalen Gerichts sei, den inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Gesamtentgelts und der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Aufgaben zu beurteilen.* Die Feststellung des gewöhnlichen Entgelts habe auf Basis eines „Durchschnittswerts über einen hinreichend repräsentativen Referenzzeitraum“185 zu erfolgen.* Hierbei hat der EuGH allerdings gerade auch für den Fall eines wechselnden Beschäftigungsausmaßes betont, dass es unionsrechtlich unzulässig wäre, wenn die AN den in der Vollzeitphase erworbenen Urlaub nur noch mit geringerem Entgelt verbrauchen könnten.* Die bereits thematisierte Praxis der Urlaubsbemessung erweist sich damit auch dann als unionsrechtlich problematisch, wenn es infolge der Arbeitszeitreduktion zu keiner Änderung der Zahl der Arbeitstage kommt. Denn in einem solchen Fall bleibt zwar die Zahl der Urlaubstage auch nach dem „kalendarischen“ Modell gleich, die AN erhalten aber bei Urlaubskonsum in der Teilzeitphase angesichts der Zugrundelegung des geringeren Stundenausmaßes nach Maßgabe des § 6 UrlG nur noch ihr Teilzeitentgelt.

3.3.
Urlaubsverjährung

Besonders große Wellen haben in jüngerer Zeit freilich Entscheidungen des EuGH zur Frage des „Verfalls“ des Urlaubs geschlagen:

Nach Maßgabe des § 4 Abs 2 UrlG hat die Urlaubsvereinbarung grundsätzlich so zu erfolgen, dass der Urlaub möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres verbraucht werden kann, in dem der Anspruch entstanden ist. Geschieht dies nicht, geht der Resturlaub jedoch keineswegs schon deshalb verloren. Es kommt vielmehr zu einer Übertragung in Folgejahre. Der Urlaubsanspruch verjährt allerdings gem § 4 Abs 5 nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist. Schlussendlich stehen somit nach dem UrlG jedenfalls drei Jahre für den Verbrauch zur Verfügung. Diese Frist verlängert sich ex lege um den Zeitraum einer in Anspruch genommenen Elternkarenz. Der Beginn des Laufs von Verjährungsfristen setzt zudem nach einhelliger Ansicht die objektive Möglichkeit der Geltendmachung voraus. Die Verjährungsfrist beginnt demnach erst zu laufen, sobald der Geltendmachung kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht.* Analog dazu ist bei bereits laufender Verjährung von einer Hemmung (zumindest des Fristablaufs) auszugehen, solange der Anspruch aus rechtlichen Gründen nicht geltend gemacht werden kann. Der OGH hat vor diesem Hintergrund insb judiziert, dass Zeiten, in denen AN ihren Urlaub krankheitsbedingt nicht (mehr) konsumieren können, den Ablauf der Verjährungsfrist nach § 4 Abs 5 UrlG hemmen.*

Auch der EuGH hat wiederholt festgehalten, dass Art 7 AZ-RL Regelungen grundsätzlich nicht entgegenstehe, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines „Bezugszeitraums“ oder eines festgelegten „Übertragungszeitraums“ beinhalten.* Er hat die Zulässigkeit eines solchen „Verfalls“ allerdings im Lichte des Ziels der RL auf Fälle eingeschränkt, in denen die AN tatsächlich die Möglichkeit hatten, den Anspruch auszuüben. Das wäre an sich noch nicht problematisch. Das Spannungsverhältnis zum nationalen Recht folgt jedoch aus dem – dogmatisch verfehlten – Verständnis dieses „Ausüben-Könnens“ durch den EuGH.

Zunächst hat dieser dem „Urlaubsverfall“ nur für Fälle Grenzen gezogen, in denen AN den Urlaub krankheitsbedingt nicht zeitgerecht verbrauchen konnten.* Das war aus Sicht des UrlG schon angesichts der erwähnten Rsp des OGH unproblematisch. Zudem hielt der EuGH hier kein unbegrenztes „Ansammeln“ von Urlaub für notwendig, sondern ließ mit Blick darauf, dass auch AG vor zu langen Abwesenheiten geschützt werden müssten, einen „Übertragungszeitraum“ von (sogar nur) 15 Monaten zu.* Strenger war er zwar in Bezug auf Zeiten der Elternkarenz;* auf die diesbezügliche Rsp wurde jedoch durch den österreichischen Gesetzgeber bereits mit BGBl I 2012/19durch entsprechende Ergänzung des § 4 Abs 5 UrlG reagiert.

Dann erging allerdings im Jahr 2017 die Entscheidung in der Rs King:* Der EuGH hielt es hinsichtlich eines 13 Jahre scheinselbständig Tätigen für unionsrechtlich unzulässig, wenn die nationalen Rechtsvorschriften dem*der AN bei „Verweigerung“ des bezahlten Urlaubskonsums durch den*die AG keine Übertragung bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglichen. Die in Krankheitsfällen als zulässig beurteilte Begrenzung der Urlaubsansammlung hielt er hierbei für nicht maßgeblich. AN müsse in solchen Konstellationen folglich bei Beendigung eine finanzielle Vergütung in Höhe des gesamten nicht verbrauchten Urlaubs zustehen, da eine andere Interpretation ein Verhalten der AG bestätigen würde, das zu einer unrechtmäßigen Bereicherung führe und dem Zweck der RL zuwiderlaufe.

Rund ein Jahr später ging der EuGH in zwei das deutsche Recht betreffenden Entscheidungen noch einen Schritt weiter: Er beurteilte es ebenso als mit dem Unionsrecht unvereinbar, wenn mangels Antrags der AN ein Verfall des Urlaubsanspruchs vorgesehen ist, ohne dass hierfür eine vorherige Prüfung erforderlich ist, ob die AN durch den*die AG tatsächlich in die Lage versetzt wurden, diesen Anspruch wahrzunehmen. Die AN als schwächere Partei des Arbeitsvertrags könnten nämlich andernfalls von der Geltendmachung ihrer Rechte abgeschreckt werden. Zudem sei die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten, mit dessen Zielen unvereinbar. AG seien demnach verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass die AN tatsächlich in der Lage seien, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem sie diese ua – erforderlichenfalls förmlich – aufforderten, dies zu tun, und ihnen klar und rechtzeitig mitteilten, dass der Urlaub sonst 186 verfallen werde. Die Beweislast dafür trage dabei der*die jeweilige AG.*

Nun war aus den Entscheidungen des EuGH mE schon recht deutlich zu erkennen, dass der EuGH einer Verjährung von Urlaubsansprüchen generell ablehnend gegenüberstand.*Nicht nur der OGH* sah dies jedoch anders, ohne den Fall dem EuGH vorzulegen. Auch das deutsche BAG* hatte Zweifel, ob die zu den (relativ kurzen) Verfallsfristen des deutschen BUrlG ergangenen Entscheidungen des EuGH auch auf die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB übertragbar waren. Es kam daher zu einem weiteren deutschen Vorabentscheidungsverfahren. Dieses endete – wenig überraschend – damit, dass der EuGH auch die Verjährung des Urlaubs nur für den Fall zuließ, dass der*die AG die AN durch Erfüllung seiner*ihrer Informations- und Aufforderungspflichten in die Lage versetzt hat, den Anspruch tatsächlich auszuüben.*

Aus rechtsdogmatischer Sicht können die Entscheidungen des EuGH nicht überzeugen. Sie ignorieren letztlich das – an sich auch auf Unionsrechtsebene anerkannte – Grundprinzip des Rechtsinstituts der Verjährung beinahe zur Gänze. Dass man bei Scheinselbständigkeit eine Grenze zieht, erscheint noch durchaus begründbar; warum AN aber nicht einmal ein eigeninitiativer Urlaubsantrag zumutbar sein soll, wenn gleichzeitig andere Ansprüche auch im aufrechten Arbeitsverhältnis weitgehend uneingeschränkt verjähren können, ist kaum nachvollziehbar. So hat der EuGH selbst etwa im Antidiskriminierungsrecht Verjährungsfristen sehr wohl zugelassen.* Warum soll also gerade im Urlaubsrecht, wo die RL noch dazu auf das nationale Recht verweist, anderes gelten?

Alle Kritik ändert aber nichts an der Beachtlichkeit der Aussagen des EuGH. Folglich ist eine Verjährung des Urlaubsanspruchs – entgegen dem OGH – in allen Fällen als unzulässig anzusehen, in denen AN durch ihre AG nicht effektiv zum Urlaubskonsum „in die Lage versetzt“ werden. Das betrifft nicht nur Fälle, in denen ein bezahlter Urlaubskonsum durch den*die AG – etwa wegen Scheinselbständigkeit – abgelehnt wird oder die Bereitschaft zur Urlaubsgewährung nicht ausreichend klar erkennbar ist. Vielmehr darf es auch dann zu keiner Verjährung kommen, wenn AN (nur) nicht ausdrücklich (aus Klarheitsgründen wohl schriftlich) zum Urlaubkonsum aufgefordert und rechtzeitig (also jedenfalls spätestens zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Urlaubskonsum unter Bedachtnahme auf die sowohl betrieblich als auch auf Seiten der AN typischerweise notwendige Urlaubsplanung noch effektiv möglich ist) auf die drohende Folge der Verjährung hingewiesen wurden. Hierbei wird der Verweis auf eine allgemeine Urlaubsregelung im Arbeitsvertrag ebenso wenig ausreichen wie ein einmaliger ausdrücklicher Hinweis zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.* Ebenso ist sehr zweifelhaft, ob der EuGH die bloß faktische konkrete Kenntnis der AN über ihre Urlaubsansprüche und die drohende Verjährung ausreichen lassen würde.* Zudem müssen AG die AN auch faktisch in die Lage versetzen, ihren Urlaub zu konsumieren, dürfen also wohl etwa nicht durch lange „Urlaubssperren“, wiederholte Ablehnung von Urlaubsanträgen oder auch ständig zu hohe Arbeitszuweisung den Verbrauch faktisch verunmöglichen. Die Beweislast für die Ermöglichung des Urlaubskonsums liegt hierbei bei dem*der AG. Soweit das Arbeitsverhältnis noch nicht so lange aufgelöst ist, dass der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung als solcher verjährt ist (näher sogleich unten 3.4.1.), bezieht sich all dies auch auf vermeintlich bereits (uU schon mehrere Jahre) verjährte Ansprüche.

Was bleibt, ist damit erneut die Frage, ob eine unionsrechtskonforme Auslegung möglich oder aber § 4 Abs 5 UrlG teilweise unanwendbar ist. Das BAG hat § 199 Abs 1 BGB (wonach die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der*die Gläubiger*in von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des*der Schuldners*Schuldnerin Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste) nunmehr dahingehend ausgelegt, dass die dreijährige Frist überhaupt erst mit Ende des Jahres der Erfüllung der Aufforderungspflicht zu laufen beginnt.* In diese Richtung hatte auch der zuständige Generalanwalt argumentiert.* Im Lichte der bisherigen Aussagen des EuGH ist eine solche Interpretation jedoch nicht zwingend. Auch unterscheidet sich der Wortlaut des § 4 Abs 5 UrlG von der Regelung des BGB. ME scheint daher eine unionsrechtskonforme Interpretation des § 4 Abs 5 UrlG dahingehend ausreichend und angemessen, dass es (seit Inkrafttreten der RL 93/104/EG) immer dann und solange zu einer Ablaufhemmung der Verjährungsfrist kommt (bzw gekommen ist), solange der Nichtverbrauch im genannten weiten Sinn dem*der AG zuzurechnen ist. In den anderen Fällen bleibt es – mit dem Ziel eines Schutzes vor „Urlaubshortung“ sowie einer Absicherung des 187 Erholungszwecks – bei der Verjährung. Der besondere Zweck des Naturalurlaubs rechtfertigt mE auch eine im Vergleich zur allgemeinen Verjährung differenzierte Auslegung.* Alternativ könnte man erwägen, AG (nur) die Einrede der Verjährung zu verwehren,* sofern ihnen der Nachweis des „in die Lage Versetzens“ nicht gelingt.

Lehnt man die Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Interpretation des § 4 Abs 5 UrlG dagegen mit Teilen der Lehre ab,* wäre dieser in allen Fällen des „unfreiwilligen“ Nichtkonsums des Urlaubs wiederum (nur) bezüglich des vierwöchigen Mindesturlaubs (und nach hier vertretener Auffassung erst ab Dezember 2009; siehe oben 2.4.) unanwendbar.

3.4.
Urlaubsersatzleistung
3.4.1.
Grundsätzliches

Last, but not least sollen noch kurz mögliche Spannungsfelder im Kontext der Urlaubsersatzleistung thematisiert werden:

Diese steht gem § 10 Abs 1 und 3 UrlG grundsätzlich in allen Fällen zu, in denen das Arbeitsverhältnis beendet wird, bevor der*die AN den noch nicht verjährten Urlaub in natura verbrauchen konnte. Bezüglich der Ersatzleistung selbst kommt hierbei mangels spezifischer Regelung die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB zur Anwendung. Die Verjährung tritt damit drei Jahre ab der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein.* Nach der Rsp ist es darüber hinaus zulässig, auch kürzere Verfallsfristen zu vereinbaren.* Für die Bemessung der Urlaubsersatzleistung stellt der OGH auf das Entgelt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Hier hat also weder eine Betrachtung mit Blick auf die Vergangenheit noch eine Prognose in die Zukunft stattzufinden.* Für ersteres spricht auch, dass § 10 Abs 4 UrlG nur für gewisse Fälle der Beendigung während der Elternteilzeit eine Bedachtnahme auf ein früheres höheres Vollzeitentgelt vorsieht.

Der EuGH betont, wie erwähnt, ebenfalls den zwingenden Anspruch auf Abgeltung, wobei jedoch die strenge Rsp zur Verjährung des Naturalanspruchs auf die Urlaubsersatzleistung nicht übertragbar ist.* Insofern besteht also (derzeit) Einklang mit dem nationalen Recht. Korrespondierend zum bereits zur Bemessung des Urlaubsentgelts Gesagten (oben 3.2.3.) scheint allerdings auch die Bemessung der Urlaubsersatzleistung auf Basis des Letztentgelts nicht mit dem Unionsrecht im Einklang zu stehen. Während im Kontext des § 6 eine unionsrechtskonforme Interpretation nicht zwingend ausgeschlossen schiene, scheidet eine solche bezüglich der Ersatzleistung in den problematischen Fällen wohl vor allem wegen § 10 Abs 4 e contrario aus.

3.4.2.
Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt

Nicht zuletzt kannte § 10 Abs 2 UrlG bis Oktober 2022 eine spezifische Ausnahme vom Anspruch auf Urlaubsersatzleistung: Demnach gebührte eine Ersatzleistung für das laufende (!) Urlaubsjahr nicht, „wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt“. Mit BGBl I 2022/167 wurde diese Bestimmung ab 1.11.2023 dahingehend geändert, dass nunmehr nur noch „keine Ersatzleistung für die fünfte und sechste Woche des Anspruchs auf Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr“ gebührt. Grund für die Änderung war ein weiteres Mal der EuGH. Letzterer hatte schon in der Vergangenheit wiederholt festgehalten, dass einzige Voraussetzung für die zwingende finanzielle Abgeltung des Urlaubs die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und das Bestehen von Resturlaub sei.* Damit sei auch der Grund der Beendigung als solcher unerheblich. Der EuGH hatte allerdings zumindest teilweise auch darauf abgestellt, ob der Urlaub vor der Beendigung verbraucht hätte werden können.* Es stellte sich damit die Frage, ob eine Urlaubsersatzleistung unionsrechtlich uU dann (doch) nicht gewährt werden muss, wenn die AN bei Einhaltung der Kündigungsfrist nachweislich in der Lage gewesen wären, den Resturlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen.*

Es kam folglich zu einem entsprechenden Vorabentscheidungsersuchen des OGH und zur E des EuGH in der Rs job-medium.* Dort beurteilte der EuGH die österreichische Rechtslage als unionsrechtswidrig, wobei er – und das war die eigentlich spannende Frage – eine Prüfung dahingehend, ob dem*der AN ein Urlaubsverbrauch vor der Beendigung möglich gewesen wäre, für generell nicht erforderlich hielt.

Der OGH ging daher im fortgesetzten Verfahren angesichts des klaren Wortlauts des § 10 Abs 2 UrlG zu Recht von dessen Unanwendbarkeit hinsichtlich des aliquoten vierwöchigen Mindesturlaubs aus.* Der Gesetzgeber zog durch die erwähnte Neuformulierung „nach“, schuf also insoweit eine zwar durchaus komplexe, aber unionsrechtskonforme Regelung.

4.
Fazit und Ausblick

Wie sich gezeigt hat, erweist sich das UrlG in durchaus zentralen Fragen als unionsrechtlich problematisch. Die Rsp des EuGH lässt sich mit guten Gründen kritisieren, alle Kritik ändert aber nichts daran, dass sie letztlich zu akzeptieren ist. Es gilt damit tatsächlich in zentralen Bereichen bereits 188 „Unionsrecht statt Urlaubsgesetz“ – oder besser: hätte unter Beachtung der Rsp des EuGH eigentlich zu gelten.

Der OGH hat dem EuGH nämlich, wie erwähnt, nicht nur in der Frage des Wechsels des Beschäftigungsausmaßes, sondern auch in jener der Verjährung die Gefolgschaft verweigert. Insofern könnte man geneigt sein, die praktische Relevanz der bisherigen Ausführungen rasch unter Verweis auf die in zentralen Fragen gegenteilige höchstgerichtliche Rsp in Österreich abzutun. Abgesehen von der unionsrechtlichen Problematik sollte man sich aber nicht in zu großer Sicherheit wiegen. Denn angesichts der jüngeren Rsp des EuGH können in Zukunft weder weitere Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (allenfalls auch durch Unterinstanzen) gänzlich ausgeschlossen werden, noch besteht etwa Gewissheit darüber, dass AN von Staatshaftungsklagen absehen werden.

Insgesamt ist die derzeitige Situation mit Blick auf die Rechtssicherheit jedenfalls unbefriedigend. Den AN werden teilweise Rechte vorenthalten, die ihnen unionsrechtlich zustehen. Auch aus Sicht der AG ergibt sich aber – nicht zuletzt angesichts der strengen Rsp des EuGH zum „Urlaubsverfall“– eine unangenehme Situation. Während die für eine Verjährung geforderten Aufforderungspflichten wohl noch vergleichsweise einfach erfüllt werden können, müssten AG ihren AN beim Wechsel des Arbeitszeitausmaßes letztlich bei Anhebung des Arbeitszeitausmaßes einen stunden- und entgeltmäßig höheren Urlaubsanspruch (bzw ein entsprechendes Urlaubsentgelt) zugestehen, dürften umgekehrt aber bei Arbeitszeitreduktion keine generelle „Aliquotierung“ vornehmen, um der Judikatur beider Höchstgerichte zu entsprechen.*

Es scheint daher 45 Jahre nach Inkrafttreten des UrlG doch hoch an der Zeit, dieses einer „Generalüberholung“ zu unterziehen. Der Abschied vom „kalendarischen“ Modell zugunsten einer Bemessung des Urlaubs auf Stundenbasis ist hierbei wohl ebenso unausweichlich* wie eine Abkehr von der allgemeinen Verjährungsdogmatik im Urlaubsrecht. Unabhängig davon, welche Neuregelung konkret getroffen wird, liegt es jedenfalls in der Verantwortung des Gesetzgebers (und nicht in jener der Gerichte), dafür zu sorgen, dass nicht mehr „Unionsrecht statt Urlaubsgesetz“, sondern ein unionsrechtskonformes Urlaubsgesetz in Österreich gilt! 189