BarreinDas Recht auf Home-Office. Handlungsspielräume und Grenzen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts für die digitalisierte Arbeitswelt 4.0

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2022, 467 Seiten, broschiert, € 119,90

VERENAVINZENZ (GRAZ)

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine Dissertation, welche an der Leibniz Universität Hannover angenommen und in der Schriftenreihe zum Sozial- und Arbeitsrecht publiziert wurde. Der Autor beschäftigt sich darin umfassend mit dem vieldiskutierten „Recht auf Home-Office“.

Die Arbeit gliedert sich in sechs Kapitel, den Anfang bilden eine Einleitung in die Thematik sowie eine Darstellung der rechtlichen Problembereiche. Danach beschäftigt sich Anton Barrein mit bereits bestehenden arbeitsrechtlichen Regelungen, die für 259 den Themenbereich Home-Office relevant sind, wie etwa dem AN- oder Arbeitszeitschutz, und untersucht, ob diese Bestimmungen die Besonderheiten der Erbringung einer Tätigkeit im Home-Office ausreichend erfassen können. Das dritte Kapitel widmet sich der Frage, ob ein Anspruch auf Home-Office bereits im geltenden Recht verankert ist. Diese Betrachtung der derzeitigen Rechtslage in Deutschland wird durch einen rechtsvergleichenden Blick auf den Anspruch auf Home-Office in anderen Rechtsordnungen kontrastiert. Im fünften Teil des Buches untersucht der Autor die Möglichkeit eines Rechtsanspruchs auf Home-Office de lege ferenda, und zwar sowohl auf einzelgesetzlicher als auch auf kollektivrechtlicher Ebene. In einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse der vorangegangenen Teile in Form von Schlussthesen zusammengefasst und präsentiert.

Im einführenden Abschnitt beschäftigt sich der Autor ausführlich mit einer möglichen Begriffsbestimmung von Home-Office. Er definiert dieses schließlich – wenig überraschend – als Arbeitsform, bei der AN oder Selbständige mindestens einen Teil ihrer vertraglich geschuldeten Leistung in der Regel mit Hilfe von digitalen Arbeitsmitteln in ihrer Wohnung erbringen. Diese Definition ist unter zwei Gesichtspunkten illustrativ. Zum einen präzisiert Barrein, dass Home-Office als Tätigkeitsform grundsätzlich unabhängig vom Vertragstypus ist. Typische praxisrelevante Problemstellungen, wie etwa ein Zutrittsrecht in das Home-Office oder die Eingliederung in den Betrieb, betreffen hingegen nur die Erbringung von Leistungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Zum anderen stimmt diese Begriffsbestimmung auch mit den Lehrmeinungen in Österreich überein, die sich an eine Definition von Home-Office gewagt haben und dieses beispielsweise klar von der Telearbeit abgrenzen. Da verschiedene gesetzliche Bestimmungen, wie etwa der neu geschaffene § 97 Abs 1 Z 27 ArbVG oder § 2 Abs 4 DHG, zwar auf den Begriff Home-Office abstellen, diesen jedoch nicht definieren, ist eine einheitliche Begriffsbildung in der Lehre von besonderer Bedeutung. Ein Pendant zu § 2h AVRAG, welcher Home-Office explizit als Erbringung der Arbeitsleistung in der Wohnung des AN beschreibt (vgl etwa Körber-Risak in Körber-Risak [Hrsg], Praxishandbuch Home-Office [2021] I.2.3), fehlt übrigens im geltenden deutschen Recht.

Zentraler Inhalt des vorliegenden Werkes ist die Prüfung, ob ein Anspruch auf Arbeitsleistung aus dem Home-Office im deutschen Recht bereits existiert. Barrein untersucht dabei sowohl die AN- als auch die AG-Sphäre. Er kommt dabei – mE doch etwas überraschend – zum Ergebnis, dass ein derartiger Anspruch in bestimmten Konstellationen schon de lege lata besteht, wenngleich die Hürden einer Inanspruchnahme, insb ohne Zustimmung der jeweils anderen Partei, wohl sehr hoch anzusetzen sind. Inhaltlich läuft dabei alles auf eine Abwägung der Interessen der Vertragsparteien hinaus. So sei insb bei Vorliegen gewichtiger Sachgründe auf Seiten des AN das Bestehen eines derartigen Anspruchs aus AN-Perspektive zu bejahen. Umgekehrt lasse sich aber auch aus dem Weisungsrecht des AG ein Anspruch desselben ableiten, den AN ins Home-Office zu schicken, wenn die Interessen des AG, etwa in Notsituationen, in denen die Gesundheit der AN zu gewährleisten ist, überwiegen. Abgesehen von diesem sehr engen Rahmen sei ein Anspruch auf Home-Office aber nur de lege ferenda herzustellen.

Die Möglichkeit der Einführung eines Anspruchs auf Home-Office durch eine Änderung der bestehenden Rechtslage bildet sodann den logischen nächsten Schritt der Untersuchung. Dabei prüft Barrein etwa eine dem deutschen § 8 TzBFG – dieser normiert einen Anspruch des AN auf Reduzierung seiner Arbeitszeit bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen – nachgebildete Regelung. Im Ergebnis lehnt der Autor jedoch eine Regelung auf einzelgesetzlicher Ebene ab. Dies begründet er zusammengefasst damit, dass ein gesetzlicher Anspruch auf Home-Office die anspruchsvollen Ziele, die durch eine derartige Bestimmung verfolgt werden, nicht im erforderlichen Maße besser lösen kann als individualvertragliche Vereinbarungen. Eine kollektivarbeitsrechtliche Lösung, etwa eine Verankerung des Rechts auf Home-Office auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene, ist für Barrein hingegen vertretbar. Dies korrespondiert im Wesentlichen mit dem geltenden österreichischen Recht, in dem durch § 97 Abs 1 Z 27 ArbVG ausdrücklich die Möglichkeit einer Home-Office- BV verankert wurde (wenngleich mit dieser ein unmittelbarer Anspruch auf Home-Office wohl nicht geschaffen werden kann).

Ein Gedanke, welcher in Österreich – soweit ersichtlich – noch nicht aufgegriffen wurde, ist die Frage, ob die Möglichkeit der Beschäftigung des AN im Home- Office Auswirkungen auf den allgemeinen Kündigungsschutz haben kann. Konkret untersucht Barrein, ob das Home-Office als Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in jenen Fällen dienen kann, in denen ein AN, etwa aufgrund andauernder Krankheit, nicht mehr in den Betrieb des AG zurückkehren kann. Eine derartige Möglichkeit bejaht Barrein nur in wenigen – scheinbar ausgerissenen – Fallkonstellationen. Gerade mit Blick auf die immer weiter voranschreitende Digitalisierung von Dienstleistungen ist dieser Ansatz aber mE auch für die Anwendung des § 105 ArbVG relevant. Ob und in welchem Rahmen es in Österreich eine Obliegenheit des AG gibt, dem AN vor einer Kündigung die Verrichtung seiner Tätigkeit im Home-Office anzubieten, bzw in welchem Rahmen eine derartige Tätigkeit als Rechtfertigungsgrund auf Seiten des AN im Anfechtungsprozess vorgebracht werden kann, wäre wieder Inhalt einer eigenen wissenschaftlichen Abhandlung.

„Das Recht auf Home-Office“ ist als gelungenes Werk zu einem sehr aktuellen Themengebiet, naturgemäß verankert im deutschen Recht, einzuordnen. Die Ergebnisse, die Barrein herausarbeitet, bestätigen das Vorgehen des österreichischen Gesetzgebers, der das heikle Thema Home-Office nicht als einen Rechtsanspruch auf einzelgesetzlicher Ebene verankert, sondern dieses den Vertragsparteien und den Betriebspartnern zur konkretisierenden Gestaltung überlassen hat. Darüber hinaus liefert die Arbeit auch interessante Denkanstöße für die österreichische Rechtsordnung, etwa zur Frage, ob sich bei der Verrichtung einer Tätigkeit im Home-Office Besonderheiten beim allgemeinen Kündigungsschutz oder auch beim Versetzungsschutz ergeben. 260