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Papierkopie eines unterschriebenen Kündigungsschreibens erfüllt Schriftformgebot

DENISEPOSCH (LINZ)
  1. Vordergründiger Zweck des Formgebotes des § 32 Abs 1 VBG 1948 ist die Information über die Kündigung selbst und insb über die zwingend zu nennenden, nicht nachträglich nachschiebbaren Gründe für die Vertragsauflösung.

  2. Diesen Zwecken des § 32 Abs 1 VBG 1948 genügt aber grundsätzlich auch die Übermittlung eines Faksimiles des im Original vom Aussteller unterfertigten Kündigungsschreibens, insb – ähnlich einem Telefax – in Form einer Papierkopie bzw eines Ausdrucks des eingescannten Originals, unter der Voraussetzung, dass die Kenntnisnahme des Ausstellers und des Inhalts dadurch nicht erschwert wird und keine Anhaltspunkte für eine Fälschung vorliegen.

[1] Die Kl ist aufgrund eines Dienstvertrags vom 5.4.2017 samt Nachträgen als Vertragslehrerin bei der Bekl beschäftigt. Auf das unbefristete Dienstverhältnis ist das LandesvertragslehrpersonenG 1966 iVm dem VBG 1948 anzuwenden.

[2] Mit Schreiben der Bekl vom 10.12.2020 wurde die Kl nach Durchführung eines internen Ermittlungsverfahrens zum 28.2.2021 gekündigt. Der Zentralausschuss für Landeslehrer für die allgemein bildenden Pflichtschulen Oberösterreichs war von der Kündigungsabsicht verständigt worden und nahm die Auflösung ohne Widerspruch zur Kenntnis.

[3] Das Kündigungsschreiben wurde von dem zum Ausspruch einer Kündigung autorisierten Vertreter der Bildungsdirektion, dem Leiter der Abteilung Personal Pflichtschulen, eigenhändig unterschrieben. Der Kl sowie deren Vertreter wurde aber nicht das Original des Kündigungsschreibens, sondern eine Ausfertigung des eingescannten Originals zugestellt. Darüber hinaus erfolgte eine Übermittlung des Schreibens per E-Mail an die Schule, an der die Kl tätig war.

[...]

[5] In ihren [...] Klagen begehrt die Kl die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis über den 28.2.2021 und auch über den 31.5.2021 hinaus aufrecht sei. Die erste Kündigung sei mangels Einhaltung des gesetzlichen Schriftformgebots unwirksam [...]. Die Kl habe auch keinen Kündigungsgrund verwirklicht.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es schloss sich der Rechtsmeinung an, dass die erste Kündigung wegen Formmangels unwirksam sei. [...]

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und hob das angefochtene Urteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

[8] Das Erfordernis der Schriftform solle primär sicherstellen, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der abgegebenen Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, zuverlässig entnommen werden können. Die Zustellung der im Original eigenhändig vom dazu autorisierten Abteilungsleiter unterfertigten Kündigung in eingescannter Form sei zur Wahrung dieses Zwecks – im Unterschied zu einer nicht unterfertigten oder nur mit Stampiglie versehenen Kopie – ausreichend. Die Kündigung sei daher nach § 32 Abs 1 VBG 1948 wirksam. Im fortgesetzten Verfahren habe das Erstgericht die geltend gemachten und von der Kl bestrittenen Kündigungsgründe zu prüfen.

[9] Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den OGH für zulässig, weil die Rechtsfrage, ob ein mit Originalunterschrift versehenes, aber nur in eingescannter Form übermitteltes Kündigungsschreiben dem Schriftlichkeitsgebot des § 32 Abs 1225 VBG 1948 entspricht, über den Einzelfall hinaus bedeutend sei und dazu noch keine einschlägige höchstgerichtliche Rsp vorliege.

[10] Der von der Bekl beantwortete Rekurs der Kl ist aus den vom Berufungsgericht angesprochenen Überlegungen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

[11] 1. Das Gebot der Schriftlichkeit nach § 32 Abs 1 VBG bedeutet grundsätzlich „Unterschriftlichkeit“ (RIS-Justiz RS0123171), die in der Regel die eigenhändige Unterschrift unter dem Text erfordert (RS0017221).

[12] Zutreffend führt die Rekurswerberin aus, dass die Einhaltung des Schriftlichkeitsgebots im Fall einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung wie der Kündigung danach zu beurteilen ist, wie sie beim Empfänger eingelangt ist. Es genügt nicht, dass ein dem Formgebot entsprechendes Original der Erklärung beim Absender vorhanden ist, wenn es dem Empfänger selbst nicht in der erforderlichen Form zugegangen ist. Von einer solchen Annahme ist das Berufungsgericht aber nicht ausgegangen.

[13] Entscheidungswesentlich ist, ob nur die Übermittlung des physischen Originals eines unterschriebenen Kündigungsschreibens dem Schriftformgebot entsprechen kann, oder ob auch eine originalgetreue Kopie den bereits vom Berufungsgericht richtig dargelegten (§ 510 Abs 3 ZPO) und im Rekurs unbekämpft zitierten Zwecken des Formgebots ausreichend entspricht.

[14] Dazu muss grundsätzlich gewährleistet sein, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RS0017221), damit sie die bezweckte Beweis- oder Warnfunktion erfüllen kann. Eine teleologische Reduktion von Formvorschriften ist allgemein mit größter Vorsicht handzuhaben (RS0017221 [T1]).

[15] 2. Auch bei einseitigen Willenserklärungen sind die unterschiedlichen Formgebote nach ihrem jeweiligen Zweck zu untersuchen (RS0031424; RS0013121; 9 ObA 110/15i mwN, ua Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 886 Rz 12; Kalss in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 886 Rz 9; Riedler in Schwimann/Kodek5 § 886 Rz 7).

[16] Nicht dem Schriftformgebot des § 886 S 1 entsprechen mangels eigenhändiger Unterschrift des Erklärenden – soweit im Einzelfall nichts anderes angeordnet ist – elektronische Erklärungen in Form von (nicht elektronisch signierten) E-Mails, SMS, Telegramm und Fernschreiben, ferner Whats-App-Nachrichten in Textform, Instagram, Chat-Foren oder Smart Contracts, da alle in diesen Medien abgegebenen Erklärungen keine eigenhändige Unterschrift des Erklärenden tragen, wobei eine allenfalls gedruckte Beifügung des Namens nicht ausreicht (Riedler in Schwimann/Kodek [Hrsg] ABGB5 Praxiskommentar § 886 ABGB Rz 6; 9 ObA 96/07v[Kündigung]; 5 Ob 133/10k).

[17] 3. Eine Mitteilung per Telefax, das die telekopierte Originalunterschrift des Erklärenden enthält, wurde in der höchstgerichtlichen Rsp dagegen für ausreichend erachtet, wenn es dem Zweck des jeweiligen Schriftformgebots entsprach (5 Ob 207/02f [Aufwandersatz nach § 10 Abs 4 MRG]; 9 Ob 41/12p, 1 Ob 161/13p[Bürgschaftsübernahme]).

[18] 4. Wesentlicher Zweck des Gebots einer schriftlichen AG-Kündigung ist es, dass der AN ein Dokument über die Kündigung in die Hände bekommt, das Beweisfunktion hat und das er einer Rechtsberatungsstelle zur Überprüfung übergeben kann. Mit dieser Begründung hat der OGH in der E 9 ObA 110/15i die Erfüllung der Schriftform durch ein per WhatsApp-Nachricht versandtes Foto der im Original unterschriebenen Kündigung deswegen verneint, weil es dem Empfänger nicht ohne weitere Ausstattung und technisches Wissen möglich sei, das Foto vom Smartphone auszudrucken.

[19] 5. Dagegen wird in der Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, dass Texte, die der Erklärende eigenhändig unterfertigt hat und die als Faksimile, etwa als pdf-Anhang einer E-Mail, übermittelt werden, dem Schriftformgebot genügen, wenn der Gebotszweck damit erfüllt wird (Riedler aaO § 886 ABGB Rz 7; Kalss aaO § 886 ABGB Rz 9, unter Hinweis auf die Ähnlichkeit zum Telefax; Dullinger aaO § 886 ABGB Rz 4).

[20] Der erkennende Senat hat in diesem Sinn in der E 8 ObA 5/20y die Übermittlung eines eingescannten Schreibens per E-Mail für das vereinbarte Formgebot der Schriftlichkeit zur Abgabe einer Nichtverlängerungserklärung mit der Begründung als ausreichend beurteilt, dass deren Zweck erkennbar vor allem in der Schaffung von Rechtssicherheit liege. Für wesentlich wurde in dieser E überdies erachtet, dass der Anhang eines E-Mails leicht auszudrucken oder direkt elektronisch weiterleitbar ist, und dass der AN im Anlassfall aufgrund eines vorangegangenen Gesprächs keinen Zweifel über den Inhalt der Erklärung haben konnte.

[21] 6. Die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Situation ist mit dem Sachverhalt der E 8 ObA 5/20y vergleichbar.

[22] Da es sich bei der Kündigung eines Dienstverhältnisses um eine einseitige, lediglich empfangs-, aber nicht zustimmungsbedürftige Willenserklärung handelt, steht auch bei der Formvorschrift des § 32 Abs 1 VBG 1948 im Kern der Informationszweck im Vordergrund. Der Vertragsbedienstete soll nachweislich und unzweifelhaft von seiner Kündigung Kenntnis erlangen. Die Unterschrift verschafft ihm das Wissen, wer die Kündigung auf Seiten des AG ausgesprochen hat, sodass er eine allfällige organisatorische Unzuständigkeit geltend machen könnte. Vor allem dient das Schriftlichkeitsgebot aber dem Zweck, den Vertragsbediensteten über die nach § 32 Abs 1 VBG 1948 zwingend anzugebenden Gründe für die Vertragsauflösung zu informieren, sodass er ihre sachliche und rechtliche Berechtigung prüfen und sich darüber beraten lassen kann. Die Schriftlichkeit erfüllt in diesem Zusammenhang außerdem eine wesentliche Beweisfunktion, weil ein im Kündigungsschreiben nicht angeführter Kündigungsgrund nach der stRsp nicht mehr nachträglich zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden kann (RS0081694).

[23] Diesen Zwecken des § 32 Abs 1 VBG 1948 genügt aber grundsätzlich auch die Übermittlung226 eines Faksimiles des im Original vom Aussteller unterfertigten Kündigungsschreibens, insb – ähnlich einem Telefax – in Form einer Papierkopie bzw eines Ausdrucks des eingescannten Originals, unter der Voraussetzung, dass die Kenntnisnahme des Ausstellers und des Inhalts dadurch nicht erschwert wird und keine Anhaltspunkte für eine Fälschung vorliegen.

[24] Diese Bedingungen sind hier erfüllt. Der Kl wurde das kopierte unterfertigte Kündigungsschreiben sowohl per E-Mail an die Schule als auch persönlich und an ihren Vertreter jeweils mit RSb in Papierform zugestellt, sodass sie keine begründeten – im Übrigen auch nicht behaupteten – Zweifel hegen konnte, dass die Erklärung von der Bekl stammte. Hinzu kommt, dass die Kl aus einem im Beisein ihres Vertreters geführten Gespräch mit der Bildungsdirektion der Bekl bereits von den gegen sie erhobenen Vorwürfen und der drohenden Kündigung Kenntnis hatte (vgl 8 ObA 5/20y).

[25] Gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts bestehen daher keine Bedenken. Die im Rekurs zitierte E des OGH zu9 ObA 14/08m steht diesem Ergebnis nicht entgegen, weil ihr ein nicht vergleichbarer Sachverhalt (keine Unterschrift auf dem Original) zugrunde lag.

[26] 7. Die Kündigung der Kl zum 28.2.2021 war daher wirksam. [...]

ANMERKUNG

Die vorliegende E ergänzt die Judikatur rund um Schriftformgebote im Arbeitsrecht um weitere grundlegende Aussagen und trägt somit zu gesteigerter Rechtssicherheit für die Praxis bei, wenn sie feststellt, dass eine Papierkopie von einem unterschriebenen Kündigungsschreiben das Erfordernis der Unterschriftlichkeit erfüllt.

Die E überrascht nicht. Ihr ist vollinhaltlich zuzustimmen, wenngleich die Chance ungenutzt blieb, ausdrücklich Stellungnahme zu der Wirksamkeit von via E-Mail übermittelten Scans von unterfertigten Kündigungsschreiben zu beziehen.

1.
Schriftformgebote – Zweck und Funktionen

Kündigungen von Arbeitsverhältnissen sind einseitige Willenserklärungen, die grundsätzlich keiner bestimmten Form unterliegen müssen – stehen keine besonderen Schriftformerfordernisse entgegen, kann der Kündigungsakt sogar konkludent erfolgen (Trost in Löschnigg/Melzer [Hrsg], AngG11 § 20 Rz 22 ff ). Kollektivverträge (zB § 21 des KollV für die AN der Universitäten; § 15 Z 2 des KollV für Zahnarztangestellte) oder Sondergesetze (bspw § 15 Abs 2 Berufsausbildungsgesetz [BAG], § 19 Gutsangestelltengesetz [GAngG], § 25 Abs 3 TheaterarbeitsgesetZ [TAG] oder der gegenständliche § 32 VBG) können jedoch vorsehen, dass Kündigungen schriftlich erfolgen müssen, um Arbeitsverhältnisse wirksam aufzulösen. Ob Schriftlichkeit iS von Unterschriftlichkeit zu verstehen ist, muss vom konkreten Formzweck der Norm oder der Bestimmung im KollV abhängig gemacht werden.

Wenngleich Schriftlichkeit iSd § 886 ABGB im Regelfall Unterschriftlichkeit bedeutet, gibt es auch gesetzliche Schriftformerfordernisse, die lediglich eine Abfassung von Informationen in geschriebener Form verlangen (allg hierzu P. Bydlinski/F. Bydlinski, Gesetzliche Formgebote für Rechtsgeschäfte auf dem Prüfstand [2001] 8 f, 85). Bei der Betrachtung von Schriftlichkeitserfordernissen muss in einem ersten Schritt geklärt werden, ob der Formzweck Unterschriftlichkeit iSd § 886 ABGB verlangt (vgl Kolmasch in Schwimann/Neumayr [Hrsg], ABGB Taschenkommentar5 [2020] § 886 ABGB Rz 6; 9 Ra 76/14h Arb 13.217 hinsichtlich der Wahrung von Verfallsfristen bei erforderlicher schriftlicher Geltendmachung durch das Versenden einer einfachen E-Mail). Bloßen Informationspflichten kann auch nachgekommen werden, wenn sie in einfacher Textform verschriftlicht werden und so ihren Zweck erfüllen, bestimmte Informationen dauerhaft verfügbar zu machen und zu dokumentieren (OGH5 Ob 71/16a immolex 2017/1, 13 [Ruckenbauer]; OGH4 Ob 6/19i ÖJZ EvBl 2019/81, 552 [Brenn]).

Im Regelfall verlangt ein Schriftformgebot jedoch Unterschriftlichkeit in Form von eigenhändiger Unterschrift und stellt dies eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den jeweiligen Rechtsakt dar. Es gewährleistet, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können (RS0017221).

Bisher nur in Einzelfällen geklärt und Inhalt der Revision des OLG LinZ an den OGH im gegenständlichen Fall ist die Frage, ob zum Erfordernis der Unterschriftlichkeit auch die Voraussetzung der Übermittlung der mit dieser Originalunterschrift versehenen Ausfertigung hinzutritt oder ein Faksimile ebenjener ausreicht, um eine rechtswirksame Erklärung abzugeben. Eine verallgemeinerungsfähige Antwort auf diese Frage lässt sich nicht geben, da jedes Formgebot im Einzelnen auf die dahinterstehende Zwecksetzung geprüft werden muss, wenn seine Reichweite zur Debatte steht (Dullinger in Rummel/Lukas [Hrsg], ABGB4 § 886 Rz 12 mwN).

Hinter Schriftformgeboten bei Kündigungen stehen sohin verschiedene Zwecke, welche wiederum ausschlaggebend für die Beurteilung der Frage nach der Wirksamkeit dieser Willenserklärungen bei bestimmten Formen der Ausfertigung oder Übermittlung sind (hierzu ausführlich Geiblinger, Formgebote im Arbeitsrecht [2018]; Trost, DRdA 2016, 339; Schnittler, jusIT 2016, 47).

Schriftformgebote können den Zweck verfolgen, vor der übereilten und sohin unüberlegten Abgabe von Willenserklärungen zu bewahren und schützen somit in erster Linie den Erklärenden.

Dem Beweiszweck von Formgeboten wohnt die Gewährleistung inne, dem Erklärungsempfänger ein Dokument zu verschaffen, das er der Prüfung durch rechtsberatende Stellen unterziehen lassen kann. Ein allzu konsequentes Abstellen auf die physische Ausfertigung einer solchen Willenserklärung ist zur Erreichung dieses Zieles nicht nachvollziehbar (spätestens in Zeiten von pandemiebedingter Reduktion physischer Kontakte wurde klar, dass227 digitale Übermittlungen von Dateien und Dokumenten auch im Geschäfts- und Arbeitsleben längst gängige Praxis sind und der postalischen Zustellung kein Vorzug eingeräumt wird). Daneben dient die Beweisfunktion den offensichtlichen Zwecken, Tatsachen schriftlich zu dokumentieren und den Inhalt der Erklärung – bei Kündigungen sohin primär die Angabe von Kündigungsfristen und -terminen bzw ganZ allgemein die Information über das Ende des Arbeitsverhältnisses – schwaRz auf weiß zu haben.

Außerdem soll es für den Erklärungsempfänger durch die Unterschrift möglich sein, den Erklärenden zu identifizieren. Ob es sich bei dem unterschriebenen Schriftstück um eine Fälschung handelt, kann ohnehin erst im Prozess durch Bestreitung der Echtheit der Urkunde zum Thema gemacht werden (OGH9 Ob 41/12p GesRz 2014, 54 [Cach]). Insofern gebietet die Forderung nach einer Unterschrift keinen echten Schutz vor gefälschten Erklärungen (vgl veranschaulicht durch viele denkbare Fälle Trost, DRdA 2016, 339 ff).

Um eine Antwort auf die hier gegenständliche Gretchenfrage zu finden – nämlich ob die Übermittlung eines Faksimiles auch dem Schriftformgebot entsprechen kann –, muss zunächst ein Blick in die bisherige Rsp geworfen werden.

2.
Judikaturlinie

Wird für einseitige Willenserklärungen Schriftlichkeit iS von Unterschriftlichkeit gem § 886 ABGB gefordert, ist die Linie des Höchstgerichtes konsistent: Mangels Unterschrift erlangen sie keine Rechtswirksamkeit. Einfache E-Mails, SMS, bloße Textnachrichten via WhatsApp, Instagram oder sonstigen Chat-Foren (vgl für weitere Beispiele Riedler in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar 55 [2021] § 886 ABGB Rz 5 f) sowie Kündigungsschreiben ohne Unterschrift des zuständigen Organs (OGH9 ObA 14/08m ASoK 2008, 277 [Marhold-Weinmeier] = aA Ziehensack, DRdA 2009, 43) vermögen ein Schriftformerfordernis nicht zu erfüllen.

Gibt es ein unterschriebenes Dokument, wurde dieses jedoch nicht im Original, sondern als Scan bzw Fax oder als Foto übermittelt, prüft der OGH im Einzelfall und entscheidet je nach Zweck des Formgebotes.

In Bürgschaftsangelegenheiten ist es inzwischen (nach heftiger Kritik durch die Lehre an der älteren, gegenläufigen Judikatur OGH1 Ob 515/95 ÖBA 1996/524 [Rummel]) stRsp, dass ein Telefax der unterschriebenen Erklärung dem Schriftformerfordernis entspricht, da es für den Schutz vor Übereilung keinen Verlust bedeutet, wenn das Schriftstück über ein Telefaxgerät gesendet statt postalisch verschickt wird (OGH9 Ob 41/12p GesRz 2014, 54 [Cach]; OGH1 Ob 161/13b ÖBA 2014/1999, 127).

In der gegenständlichen E stellt der OGH fest, dass bei Schriftlichkeitsgeboten für Kündigungen durch AG die Beweisfunktion im Vordergrund steht und die Möglichkeit geschaffen werden soll, mit dem Schriftstück Beratungsstellen aufsuchen zu können. Es ist allseits bekannt, dass der OGH mangels einfacher Herstellung eines Ausdruckes von über WhatsApp übermittelten Fotos in der E 9 ObA 110/15i vom 28.10.2015 das Formgebot als verletzt angesehen hat und deswegen die Wirksamkeit der Kündigung verneinte. Implizit wurde damit jedoch wohl die eingangs gestellte Frage beantwortet: Wenn der OGH die Wirksamkeit einer abfotografierten, unterschriebenen Kündigung (nur) an der (vermeintlichen) Schwierigkeit der Herstellung einer „hardcopy“ scheitern lässt, sohin eines Stück Papieres, das man physisch in den Händen halten und auf diesem Wege zu Beratungsstellen bringen kann, lässt sich daraus schließen, dass nicht schon die fehlende Übermittlung des Originales per se zur Nichtigkeit der Willenserklärung führt (vgl Stiglbauer, JBl 2017, 683; Köck, ZAS 2016, 89).

In seiner jüngsten E (OGH 24.4.2020, 8 ObA 5/20y) in Sachen Formgebote im Arbeitsleben entschied der OGH, dass die geforderte Schriftlichkeit für die Abgabe einer Nichtverlängerungserklärung gewahrt bleibt, wenn ein unterschriebenes Dokument gescannt und anschließend per E-Mail übermittelt wird. Hierbei betont der OGH jedoch ausdrücklich, dass die vereinbarte Schriftform für derartige Nichtverlängerungserklärungen für befris tete Arbeitsverhältnisse von Kündigungserklärungen unbefristeter Arbeitsverträge zu unterscheiden ist. Das Formerfordernis ziele laut OGH primär auf die Schaffung von Rechtssicherheit ab, wenn die schriftliche Erklärung das Festhalten an der Befristung zum Ausdruck bringe und lediglich die (schlüssige) Überleitung in ein unbefristetes Dienstverhältnis verhindern solle. Außerdem könne der Anhang einer E-Mail problemlos an Beratungsstellen weitergeleitet werden, weswegen im konkreten Fall dem Schriftformerfordernis entsprochen wurde. Im GegensatZ zu einer Kündigung könne eine solche Auslauferklärung weiters auch keiner Anfechtung zugeführt werden.

Schrank schließt daraus, dass an Formgebote für Kündigungserklärungen weiterhin ein strengerer Beurteilungsmaßstab angelegt werden müsse (in Schrank [Hrsg], Leitentscheidungen der Höchstgerichte zum Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht [61. Lfg 2020]; Vereinbarung schriftlicher Nichtverlängerungserklärung – Genügt E-Mail samt eingescanntem Anhang? – OGH 24.4.2020, 8 ObA 5/20y).

Fest steht damit, dass Faksimile von eigenhändig unterfertigten Erklärungen, die via E-Mail übermittelt werden, dann dem Schriftformgebot entsprechen, wenn sein konkreter Zweck in Schaffung von Rechtssicherheit liegt.

Richtigerweise erkennt der OGH die Vergleichbarkeit der beiden Sachverhalte und hält fest, dass beim Formgebot des § 32 VBG der Informationszweck im Vordergrund steht und auch diesem entsprochen wird, wenn ein unterschriebenes Kündigungsschreiben fotokopiert wird und dieses Faksimile der AN übergeben wird.

3.
Conclusio für den konkreten Fall und darüber hinaus

Der OGH hat bereits festgestellt, dass § 32 VBG ein Schriftformgebot normiert, das Unterschriftlichkeit verlangt (OGH 3.3.2008, 9 ObA 14/08m; aA Ziehensack228, VBG § 32 Rz 205 ff [31. Lfg 2019)]; ders, DRdA 2009/7, 43).

In der gegenständlichen E stellt der OGH ausdrücklich klar, dass die Übermittlung einer Papierkopie eines eigenhändig unterschriebenen Kündigungsschreibens dem Schriftformgebot des § 32 VBG entspricht. Jedes andere Ergebnis wäre nicht vertretbar, denn – um es mit den Worten des Berufungsgerichtes zu sagen – Formgebote dürfen nicht zum Selbstzweck degradiert werden.

Die in Rede stehende Regelung verfolgt primär einen Beweiszweck, wenn sie den/die Vertragsbedienstete/n abschließend über die der Kündigung zugrundeliegenden Gründe informiert (Naderhirn in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellKomm ÖffDR § 32 VBG Rz 10; OGH8 ObA 188/00f ASoK 2001, 229). Dass hinter § 32 VBG nicht das erklärte Ziel stehen kann, dem/der Vertragsbediensteten einen Schutz vor Fälschungen zu bieten oder die Identifikation des Erklärenden zu gewährleisten, lässt sich wohl daraus ableiten, dass es keine sachlichen Gründe dafür gibt, diese Garantien nur Vertragsbediensteten mit einer Dienstzeit von einem Jahr oder mehr gewähren zu wollen (so auch OGH9 ObA 114/91 Arb 10.949, wenn er festhält, dass „durch die Formvorschrift des § 32 Abs 1 VBG der Gekündigte geschützt wird, der Klarheit darüber erhalten soll, welcher Sachverhalt als Kündigungsgrund geltend gemacht wird“, idS auch Stiglbauer, JBl 2017, 682). Die jüngste Novellierung der Bestimmung bestärkt diese Ansicht: Die neu eingefügten § 32 Abs 7 und Abs 8 VBG (BGBl I 2022/205) gewähren nunmehr auch einem/einer Vertragsbediensteten im ersten Dienstjahr einen Anspruch auf schriftliche Begründung der Kündigung, wenn er/sie der Ansicht ist, ein bestimmter, im GesetZ genannter Umstand habe zur Auflösung geführt (bspw die Beantragung oder Inanspruchnahme von Telearbeit nach § 5c VBG oder einer Pflegeteilzeit nach § 50e BDG iVm § 20 VBG). Daraus lässt sich nunmehr zweifelsfrei schließen, dass dem Formgebot des § 32 VBG ein Beweiszweck innewohnt und das Ziel verfolgt, dem/der Vertragsbediensteten ein Schriftstück in die Hand zu geben, um damit gegen die Kündigung vorgehen zu können.

Während durch die E klargestellt wird, dass die Übermittlung des Originals nicht erforderlich ist, um diesem Formzweck des § 32 VBG zu entsprechen und der Zugang der Papierkopie keinesfalls einem wirksamen Kündigungsausspruch entgegensteht, wäre es wünschenswert gewesen, hätte das Höchstgericht auch weiterführende Aussagen zur Übermittlung von unterschriebenen, eingescannten Kündigungen als Anhang von einer E-Mail oder anderen Formen elektronischer Übermittlung getroffen. Tatsächlich äußert sich der OGH nämlich gerade nicht dazu, ob ein als pdf-Anhang per E-Mail verschicktes Dokument allein dem Formerfordernis entsprechen würde (insofern erweisen sich die Ausführungen in ZAS-Judikatur 2022, 300 [Kager/Schöffmann] als zu verkürzt, wenn erklärt wird, dass ein als pdf-Anhang übermitteltes Faksimile der eigenhändig unterfertigten Kündigung ausreiche, um den Anforderungen des § 32 VBG zu genügen).

Vielmehr wurde im nämlichen Fall sowohl eine Papierkopie per RSb-Brief als auch eine E-Mail mit angehängtem Scan des Kündigungsschreibens übermittelt, mit Sicherheit erklärt der OGH aber nur ersteres als dem Schriftformerfordernis entsprechend (vgl die Wortfolge „den Zwecken des § 32 Abs 1 VBG genügt grundsätzlich auch die Übermittlung eines Faksimiles des im Original vom Aussteller unterfertigten Kündigungsschreibens, insbesondere – ähnlich einem Telefax – in Form einer Papierkopie bzw eines Ausdrucks des eingescannten Originals [...].“).

Im gegenständlichen Fall trifft der OGH keine direkten Aussagen hinsichtlich des (zusätzlich) via E-Mail übermittelten Kündigungsschreibens, sondern würdigt dieses lediglich in der Gesamtschau der konkreten Situation. Es geht hervor, dass die Zustellung der Papierkopie des Kündigungsschreibens – sohin einer physischen Ausfertigung – allein genügt hätte, im Gegensatz dazu wird das per Mail übermittelte Faksimile nur als Bekräftigung für die Zweifelsfreiheit der Erklärung für die Kl herangezogen (arg „darüber hinaus erfolgte eine Übermittlung per E-Mail“, Rn 3, 24 der gegenständlichen E).

Indes besteht für den überwiegenden Teil der hL kein Zweifel an der Wirksamkeit von via E-Mail übermittelten Faksimiles die im Original Unterschriftlichkeit vorweisen, da diese regelmäßig den erläuterten Formzwecken nachkommen (Riedler in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar 55 § 886 ABGB Rz 7; Stiglbauer, JBl 2017, 683; Marhold-Weinmeier, ASoK 2008, 280; Köck, ZAS 2016, 89; Geiblinger, Formgebote 48 mwN) und hierbei die Möglichkeit der Herstellung einer „hardcopy“ auch vom OGH als unproblematisch beurteilt wird (anders als bei via WhatsApp übermittelten Fotos, vgl die Ausführungen in der E OGH8 ObA 5/20y Rz 3.3 DRdA-infas 2020/124, 322).

Nicht zuletzt spricht auch § 4 Signatur- und Vertrauensdienstegesetz (SVG) für ein solches Verständnis. Wenn eine elektronische Signatur in ihrer Wirkung von Gesetzes wegen einer eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt wird, regelt der Gesetzgeber damit eigens den Fall von elektronisch übermittelten Dokumenten, die von vornherein niemals als physisches Dokument existieren mussten (so auch Köck, ZAS 2016, 88; ebenso Stiglbauer, JBl 2017, 682).

Die gegenständliche E stellt klar, dass nicht das unterfertigte Originaldokument beim Erklärungsempfänger einlangen muss, um das Schriftformgebot bei Kündigungen zu erfüllen. Wenn „insbesondere“ Papierkopien des Originals den Beweis- und Informationszwecken von Schriftformgeboten entsprechen, bleibt zu hoffen, dass dies eine weitere Öffnungstendenz gegenüber modernen Kommunikationskanälen bedeutet und insb elektronisch weitergeleitete Scans von unterfertigten Kündigungsschreiben in Zukunft auch beim Höchstgericht keine Zweifel mehr an deren Wirksamkeit hervorrufen.229