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Urlaubszuschuss im KollV Arbeitskräfteüberlassung – keine Rückzahlungsverpflichtung auch bei Verbrauch von Alturlaub

ANDREASWELLENZOHN
Abschnitt XVI des KollV für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung; §§ 6 und 7 ABGB

Die Kl erhielt den gesamten Urlaubszuschuss für das Jahr 2021 ausbezahlt. Bis zu ihrem Pensionsantritt hat die Kl im Jahr 2021 41 Urlaubstage verbraucht, davon entfielen 27,18 Arbeitstage auf den Urlaubssaldo von Ende 2020 und 13,82 Arbeitstage auf den Urlaub für das Kalenderjahr 2021.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses rechnete die Bekl den vermeintlich zu viel erhaltenen Urlaubszuschuss gegen die Endabrechnungsansprüche der Kl auf.

Auf das infolge Pensionsantritt zum 31.7.2021 beendete Arbeitsverhältnis der Kl war der KollV für das 167Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) anzuwenden. Dessen Abschnitt XVI lautet auszugsweise:

„3. Der Urlaubszuschuss ist bei Antritt des Urlaubes fällig. Bei Teilung des Urlaubes gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. [...] In allen Fällen ist der Urlaubszuschuss jedoch spätestens mit der Abrechnung des Monats Juni eines jeden Jahres fällig. Bei Eintritt nach dem 30. Juni eines Jahres gilt hinsichtlich der Fälligkeit Pkt 4.

4. Arbeitnehmer erhalten im Eintrittsjahr den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52). Wird bei Eintritten nach dem 30. Juni eines Jahres ein Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres nicht angetreten, wird dieser aliquote Urlaubszuschuss mit der Abrechnung für Dezember ausbezahlt.

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil des Urlaubszuschusses zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung des bereits erhaltenen Urlaubszuschusses ist eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht.“

Gegen den Abzug wendete sich die Kl mit ihrer Klage. Sie vertritt im Wesentlichen – unter Berufung auf die Ausführungen vonSchindler zur Auslegung der genannten Vorschriften des KVAÜ – den Standpunkt, sie unterliege keiner Rückzahlungsverpflichtung, weil sie in den Monaten Mai bis Juli 2021 mehr als einen Jahresurlaub verbraucht habe.

Die Bekl beantragte die Abweisung und vertritt im Wesentlichen – unter Berufung auf die Ausführungen vonRothe zur Auslegung der genannten Vorschriften des KVAÜ – den Standpunkt, der Verbrauch von Alturlaub sei außer Betracht zu lassen, weshalb die Kl zur Rückzahlung eines Teils des Urlaubszuschusses verpflichtet gewesen sei.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Einschränkung der Rückzahlungsverpflichtung nach Pkt XVI.5 2. Satz KVAÜ beziehe sich lediglich auf jene 25 Urlaubstage, die dem Kalenderjahr des Austritts zuzuordnen sind. Die von der Kl vorgenommene Interpretation würde zu einer sachlich nicht begründbaren Schlechterstellung jener AN führen, die den „alten“ Urlaub zur Gänze verbraucht haben, im Austrittsjahr aber nur maximal jenen Urlaubsanteil, der der restlichen Dauer des Dienstverhältnisses entspricht. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision unter Hinweis auf die abweichende MeinungSchindlers zu.

Der OGH erklärte die dagegen erhobene Revision der Kl für zulässig sowie berechtigt und führte aus:

Der normative Teil eines KollV ist gem §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Eine über die Wortinterpretation hinausgehende Auslegung ist nur dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist, wobei der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung bildet. Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht.

Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgelts auf einer näher definierten Basis vor. Entsprechend dem Zweck dieser Sonderzahlungen, dem AN die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs bzw des Weihnachtsfestes typischerweise auftreten, ist der Urlaubszuschuss grundsätzlich bei Urlaubsantritt fällig, spätestens jedoch mit der Juniabrechnung, und die Weihnachtsremuneration spätestens am Ende jener Arbeitswoche, in die der 1.12. fällt.

Hieraus ist jedoch nicht abzuleiten, dass der Urlaubszuschuss nur dann behalten werden dürfe, wenn der Urlaub, dessen Finanzierung er von seiner Grundidee her dient, tatsächlich angetreten und verbraucht wird. Sieht doch Pkt XVI.5 nach Ende des Kalenderjahres generell keine Rückzahlungsverpflichtung vor und bestimmt Pkt XVI.4 Satz 2 KVAÜ, dass einem AN, der nach dem 30.6. eingetreten ist und einen Urlaub bis zum Ende des Kalenderjahres nicht angetreten hat, der aliquote Urlaubszuschuss mit der Abrechnung für Dezember ausbezahlt wird. Die Vorschrift lässt über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich – den Beginn des Arbeitsverhältnisses erst in der zweiten Jahreshälfte des laufenden Jahres – hinausgehend erkennen, dass der Urlaubszuschuss unabhängig vom Urlaubsverbrauch behalten werden darf. Der Senat hat dies auch bereits zu einer inhaltsgleichen Vorschrift in einem anderen KollV ausgesprochen (OGH 29.11.2017, 8 ObS 3/17z). Damit steht im Einklang, dass auch Sonderzahlungen die geleistete Arbeit abgelten (OGH 28.2.2008, 8 ObA 11/08p). Der möglicherweise früher motivierende Zusammenhang zwischen Urlaub und Weihnachten und den Sonderzahlungen ist wie aus den Fälligkeitsbestimmungen des vorliegenden KollV ersichtlich weitestgehend weggefallen.168

Pkt XVI.3 Satz 1 KVAÜ differenziert nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres. Der Urlaubszuschuss wird daher für das laufende Kalenderjahr nicht erst fällig, wenn der AN mit dem Verbrauch des ihm für dieses Jahr gebührenden Urlaubs beginnt. Vielmehr hat ein AN ein anzuerkennendes Interesse auf Auszahlung des Urlaubszuschusses, gleichgültig ob noch Alt- oder bereits Neuurlaub verbraucht wird. Ein im vergangenen Jahr ausbezahlter Urlaubszuschuss wird wohl regelmäßig bereits anderweitig verbraucht sein.

Auch Pkt XVI.5 Satz 1 KVAÜ spricht vom Verbrauch „eines“ Urlaubs, differenziert also nicht zwischen Urlaubsansprüchen aus vergangenen Urlaubsjahren und jenem des aktuellen Urlaubsjahres. Der gesamte Abschnitt XVI enthält keinen Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Urlaubszuschuss einem Urlaubsanspruch aus einem bestimmten Urlaubsjahr zuzuordnen ist, sondern bindet den Sonderzahlungsanspruch nur an das jeweilige Kalenderjahr, was seinen bloßen Entgeltcharakter verstärkt.

Nach Pkt XVI.5 Satz 2 KVAÜ ist die Verpflichtung zur Rückzahlung des bereits erhaltenen, aber wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Kalenderjahres überproportionalen Urlaubszuschusses „eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht“. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, dass bei gänzlichem Verbrauch des Urlaubs wohl auch der gesamte Urlaubszuschuss verbraucht wurde und es deshalb dem AN unzumutbar ist, diesen aliquot zurückzuzahlen, wenn sein Dienstverhältnis vorzeitig endet. Zumal der Urlaubszuschuss der Finanzierung des aktuellen Urlaubs dient, muss Pkt XVI.5 Satz 2 KVAÜ dahin ausgelegt werden, dass keine Rückzahlungsverpflichtung besteht, wenn im laufenden Jahr zumindest Urlaub im Ausmaß des jährlichen Urlaubsanspruchs (25 bzw 30 Tage) konsumiert wurde, ist doch davon auszugehen, dass der aktuelle Urlaubszuschuss für diesen Urlaub verbraucht wurde.

Der Senat schließt sich damit der Ansicht vonKurzböck undSchindler an. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren folglich im klagestattgebenden Sinn abzuändern.