82Entfall des Sonderzahlungsanspruches bei unberechtigtem Austritt nach anzuwendendem Kollektivvertrag für Arbeiter zulässig
Entfall des Sonderzahlungsanspruches bei unberechtigtem Austritt nach anzuwendendem Kollektivvertrag für Arbeiter zulässig
Die Kl war von 4.7.2019 bis 15.11.2020 bei der Bekl als Tankstellenmitarbeiterin beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Tankstellen-KollV. Das Arbeitsverhältnis endete durch unberechtigten Austritt der Kl.
Die Bekl hat der Kl den Lohn für November 2020 nicht ausgezahlt, sondern dagegen einen Rückforderungsanspruch wegen bereits geleisteter, aber auf Grund des unberechtigten Austritts nicht gebührender Sonderzahlungen außergerichtlich aufgerechnet.
Die Kl begehrte die Zahlung von Lohn und anteiligen Sonderzahlungen für die Zeit vom 1.11. bis 15.11.2020. Der Anspruch auf aliquote Sonderzahlungen bestehe ungeachtet der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten sei in diesem Zusammenhang nicht sachlich gerechtfertigt.
Die Bekl wandte ein, die Kl habe im laufenden Jahr 2020 bereits Sonderzahlungen in den Klagsbetrag übersteigender Höhe ausbezahlt erhalten. Der kollektivvertragliche Anspruch auf Sonderzahlungen entfalle bei unberechtigtem Austritt zur Gänze, weshalb der Rückforderungsanspruch zu Recht bestehe.
Die Vorinstanzen wiesen die Kl ab. Das Berufungsgericht ließ aber die Revision zur Klärung der Rechtsfrage durch den OGH zu.
Der OGH erachtete die Revision für nicht zulässig.
Er begründete seine Entscheidung folgendermaßen:
Der OGH hat bereits mehrfach (zu den gleichartigen Regeln der Kollektivverträge für das Güterbeförderungsgewerbe und für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe) ausgesprochen, dass es den Kollektivvertragsparteien unbenommen ist, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. Entfällt nach den Bestimmungen eines KollV der Anspruch auf eine aliquote Sonderzahlung, wenn das Dienstverhältnis durch vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund gelöst wird oder wenn berechtigt entlassen wird, bedeutet dies (außerhalb des Anwendungsbereichs des § 16 AngG), dass dieser Anspruch bei einer solchen Beendigung gar nicht erworben wird und eine bereits erhaltene Sonderzahlung auch ohne ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung zurückzuzahlen ist.
Der erkennende Senat hat sich erst jüngst in der OGH-E vom 22.2.2022, 8 ObA 99/21y, mit den Stimmen in der Literatur sowie Teilen der zweitinstanzlichen Rsp auseinandergesetzt, die sich auch in diesen Fällen für eine analoge Anwendung des § 16 AngG aussprechen, und eine Analogie in Ermangelung einer planwidrigen Lücke verneint.
Die in den letzten Jahren erfolgte (nur) schrittweise Annäherung der gesetzlichen Regelungen für Angestellte und Arbeiter zeigt, dass der Gesetzgeber die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern noch nicht generell aufgehoben hat. Wenn in verschiedenen Materien eine Gleichstellung erfolgt ist, kann dies nicht ohne Weiteres auf alle Bereiche übertragen werden, in denen unterschiedliche Regelungen weiterhin existieren. Nach wie vor besteht keine gesetzliche Regelung zu Sonderzahlungen für alle AN. Damit bleibt es den Kollektivvertragsparteien aber unbenommen, das Ent170stehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen.
Gegenteiliges ist auch der OGH-E vom 26.11.2013, 9 ObA 82/13v (Privatkrankenanstalten-KollV), nicht zu entnehmen, die sich auf einen Sonderzahlungsanspruch im Anwendungsbereich des § 16 AngG bezieht.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Bekl berechtigt war, die bereits ausbezahlte Sonderzahlung mit der Endabrechnung gegenzuverrechnen, ist daher nicht korrekturbedürftig.
Neue Aspekte, die Anlass für ein Abgehen von dieser stRsp bieten könnten, zeigt die Revision nicht auf. Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der kollektivvertragliche Sonderzahlungsanspruch weder mit einer Leistungsprämie vergleichbar ist, noch das Recht auf reguläre Kündigung berührt wird. Ebenso wenig wird dargelegt, inwieweit eine (rechtmäßige) Inanspruchnahme der AN-Freizügigkeit nach Art 45 AEUV durch die vorliegende Regelung behindert werden könnte.