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Recht auf Beschäftigung nach dem Theaterarbeitsgesetz nicht gerichtlich einklagbar

RICHARDHALWAX

Der Kl ist Musiker. Er steht in einem aufrechten, unstrittig dem Theaterarbeitsgesetz (TAG) unterliegenden Arbeitsverhältnis zur Bekl. Er wird bereits seit längerem nicht im Orchester der Bekl eingesetzt. Mit seiner Klage verfolgt er seinen Anspruch nach § 18 Abs 1 TAG auf Beschäftigung.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es ließ die ordentliche Revision mangels Rsp des OGH zur Frage zu, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß ein Mitglied (§ 1 Abs 1 TAG) sein Recht auf Beschäftigung iSd § 18 Abs 1 TAG durchsetzen könne. Die Revision der Bekl ist zulässig und berechtigt.

Die mit „Recht auf Beschäftigung“ überschriebene Vorschrift des § 18 TAG lautet:

„§ 18 (1) Der/Die Theaterunternehmer/in ist verpflichtet, das Mitglied angemessen zu beschäftigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit der Beschäftigung ist auf den Inhalt des Vertrages, die Eigenschaften und Fähigkeiten des Mitgliedes und die Art der Führung des Betriebes Bedacht zu nehmen.

Wenn es der/die Theaterunternehmer/in trotz wiederholter Aufforderung ohne wichtigen Grund unterlässt, das Mitglied angemessen zu beschäftigen, kann das Mitglied den Vertrag vorzeitig auflösen und eine angemessene Vergütung begehren, die der/die Richter/in nach billigem Ermessen feststellt, die aber den Betrag der festen Bezüge eines Jahres nicht übersteigen darf. Ein Mitglied, dessen 173Arbeitsverhältnis noch mindestens fünf Jahre gedauert hätte, kann überdies eine Entschädigung in dem gleichen Betrag verlangen, jedoch nur unter Anrechnung dessen, was es im zweiten Jahr nach der Vertragsauflösung infolge Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder absichtlich zu erwerben versäumt hat.“

Nach gefestigter Rsp besteht abseits ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen kein allgemeines Recht auf Beschäftigung. Dass der Gesetzgeber abweichend vom allgemeinen Arbeitsrecht in § 18 TAG ein Recht auf Beschäftigung verankerte, liegt zum einen zu Grunde, dass der AN für sein Fortkommen darauf angewiesen ist, sich dem Publikum präsentieren zu können (Begründung oder Erhaltung eines Rufs). Zum anderen drohte bei Fehlen eines angemessenen tatsächlichen Einsatzes, dass sich die künstlerischen Fähigkeiten des AN nicht fortentwickeln oder dass sie sogar verlorengehen.

Ob das im Gesetz statuierte „Recht auf Beschäftigung“ auch unmittelbar einklagbar ist, oder bei dessen Verletzung der AN auf die in § 18 TAG vorgesehenen Rechte beschränkt ist, ist vom OGH bislang nicht entschieden worden. Der Senat schließt sich nun der von einem Teil der Lehre vertretenen Ansicht an, dass das Recht auf Beschäftigung nach § 18 Abs 1 TAG selbst nicht gerichtlich einklagbar ist. Zumal nach den Feststellungen hier Probe und Aufführung nicht getrennt werden können, erfasst die Uneinklagbarkeit dem OGH zufolge auch das Begehren auf Teilnahme an den Proben.

Folgende Begründung liegt dem Urteil des OGH zugrunde:

Hat ein DN ein Recht auf Beschäftigung, so ist dieses grundsätzlich auch einklagbar. Die Besonderheit des § 18 TAG liegt darin, dass hier der Gesetzgeber sowohl ein Recht auf Beschäftigung als auch bestimmte Rechtsfolgen von dessen Verletzung – Recht auf Austritt, Vergütung und Schadenersatz – normierte. Damit stellt sich die Frage, ob § 18 TAG insoweit e silentio keinen Erfüllungsanspruch auf das Recht auf Beschäftigung enthält.

§ 18 Abs 2 TAG ermöglicht es dem Mitglied, bei (qualifizierter) Verletzung seines Rechts auf Beschäftigung den Vertrag vorzeitig aufzulösen. Eine vermögensrechtliche gerichtliche Auseinandersetzung wegen Verletzung des Rechts auf Beschäftigung ist damit insoweit der Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses vorbehalten. Dies ist als Indiz zu werten, dass bei aufrechtem Dienstverhältnis zur Wahrung des Rechtsfriedens am Theater keine gerichtliche Auseinandersetzung über das Recht auf Beschäftigung stattfinden soll.

Nach Art 17a Staatsgrundgesetz (StGG) sind das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre frei. Nach der Rsp ist es zur Verfolgung dieser künstlerischen Zwecke sachlich gerechtfertigt, dem Theaterunternehmer – etwa beim Engagement von Künstlern oder der Wahl aufzuführender Bühnenwerke – die Fällung von Entscheidungen zu ermöglichen, die seiner Einschätzung nach künstlerisch richtig und wichtig sind. Auch nach dem Engagement eines Mitglieds endet aber nicht die künstlerische Freiheit des Theaterunternehmers. Sie erfasst ebenso dessen Entscheidung, welche Mitglieder an einer Aufführung sodann tatsächlich mitwirken. Die Annahme, ein Mitglied hätte ein einklagbares Recht auf Beschäftigung, bedeutete eine Einschränkung dieser Entscheidung des Theaterunternehmers bzw jener Person, die für ihn die Entscheidung tatsächlich trifft, sei es der Regisseur, der Dirigent oder eine sonstige Person wie ein „künstlerischer Direktor“.

Das in der Literatur vorgetragene Argument, die Freiheit der Kunst stehe der Einklagbarkeit nicht entgegen, denn habe der AG einen wichtigen Grund, den AN nicht zu beschäftigen, so bestehe e contrario § 18 Abs 2 TAG ohnehin kein Recht auf Beschäftigung, übersieht, dass zwar kein „wichtiger Grund“ (§ 18 Abs 2 TAG) vorliegen kann, ein Mitglied nicht mitwirken zu lassen, zumal dieses für die Aufführung durchaus die notwendigen Fähigkeiten besitzt, dass aber dennoch – aus künstlerischen Gründen – zB der Dirigent oder Regisseur die Mitwirkung einer anderen Person präferiert.

Sollte es von einer Gerichtsentscheidung abhängen, ob ein Mitglied an Aufführungen teilnimmt, so wäre es aufgrund der Aufnahme der Kunstfreiheit in den Grundrechtskatalog des StGG zu erwarten gewesen, bei Erlassung des TAG in § 18 TAG ausdrücklich zu normieren, dass das Mitglied sein Recht auf Beschäftigung gerichtlich geltend machen kann. Das Argument, vom Gesetz zuerkannte Ansprüche seien regelmäßig einklagbar, weshalb es keiner Normierung dessen, dass das Recht auf Beschäftigung einklagbar sei, bedurft habe, ist nicht zwingend. Es liegt auf der Hand, dass die Mitwirkung eines Mitglieds an einer Aufführung nicht aufgrund einer künstlerischen, sondern alleine einer Gerichtsentscheidung für die künstlerische Qualität derselben von Nachteil sein kann. Dass der Wortlaut des § 18 TAG über die Einklagbarkeit des Rechts auf Beschäftigung nichts aussagt, sondern andere Konsequenzen festlegt, deutet aus den genannten Gründen darauf hin, dass die unmittelbare Einklagbarkeit vom Gesetzgeber wohl nicht beabsichtigt war.

Nicht zuletzt fällt ins Gewicht, dass der Gesetzgeber durch § 18 TAG eine ohne Annahme eines einklagbaren Beschäftigungsrechts durchaus in sich stimmige Regelung traf. Nimmt man keine solche Einklagbarkeit an, so kann das Recht auf Beschäftigung erst nach Austritt des AN – als Vorfrage für von diesem erhobene Ansprüche auf Vergütung und Schadenersatz – Gegenstand eines Gerichts174verfahrens sein. Weil das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr besteht, ist gewährleistet, dass das Gerichtsverfahren das Zusammenspiel im Theaterunternehmen nicht negativ beeinflussen kann. Weil das ehemalige Mitglied an Vergütung und Schadenersatz bis zum Doppelten der festen Bezüge eines Jahres begehren kann, ist gewährleistet, dass es, sieht es sich einer qualifizierten Verletzung seines Rechts auf Beschäftigung ausgesetzt, eher früher als später seinen Austritt erklärt, um möglichst rasch ein anderes Engagement einzugehen. Je rascher das Mitglied sich für ein neues Engagement entscheidet, desto geringer ist die Gefahr, dass es aufgrund längeren Nichtspielens auf der Bühne oder im Orchester Fähigkeiten zu verlernen droht oder sein Ruf zufolge Absenz leidet.