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Maturaschulen sind keine Einrichtungen der Erwachsenenbildung – Lektorinnen und Lektoren unterliegen der Pflichtversicherung

JÖRGTRETTLER

Die revisionswerbende Partei führt eine sogenannte „Maturaschule“, die vorrangig Unterricht zur Vorbereitung auf die Matura (AHS- und HAK-Matura), die Berufsreifeprüfung sowie den Handelsschulabschluss anbietet. Die dort beschäftigten Lektorinnen und Lektoren werden nicht pflichtversichert, da ihre Bezüge nicht als Entgelt, sondern als Aufwandsentschädigungen behandelt werden.

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) verpflichtete die revisionswerbende Partei, Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in einer Gesamthöhe von € 49.525,40 für ihre DN nachzuentrichten.

Die revisionswerbende Partei brachte gegen den Bescheid der ÖGK eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und bestritt unter Verweis auf § 49 Abs 7 Z 2 lit a ASVG, dass die von ihr beschäftigten Lektorinnen und Lektoren der Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 oder § 4 Abs 4 ASVG unterlägen. Gem § 49 Abs 7 Z 2 lit a ASVG gelten nach § 1 Z 3 der VO des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über beitragsfreie pauschalierte Aufwandsentschädigungen, BGBl II 2002/409, Aufwandsentschädigungen bis zur Höhe von € 537,78 im Kalendermonat nicht als Entgelt iSd § 49 Abs 1 ASVG, soweit sie an DN oder freie DN nach § 4 Abs 4 ASVG geleistet werden, die als Lehrende an Einrichtungen, die vorwiegend Erwachsenenbildung iSd § 1 Abs 2 des BG über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln (ErwachsenenbildungsFG) betreiben, tätig sind, sofern diese Tätigkeit nicht den Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildet.

Das BVwG bestätigte den Bescheid der ÖGK und erklärte die Revision gem § 133 Abs 4 B-VG für nicht zulässig. Zur Begründung führte das BVwG ua aus, die Revisionswerberin sei eine Maturaschule, die vorrangig Unterricht zur Vorbereitung auf die Matura (AHS- und HAK-Matura), die Berufsreifeprüfung sowie den Handelsschulabschluss anbiete. Da sie somit keine Einrichtung der Erwachsenenbildung iSd § 1 Abs 2 ErwachsenenbildungsFG sei, unterlägen die von ihr beschäftigten Lektorinnen und Lektoren der Pflichtversicherung nach § 4 Abs 2 oder § 4 Abs 4 ASVG.

Die revisionswerbende Partei erhob gegen das Erkenntnis des BVwG eine außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit der Revision brachte die revisionswerbende Partei vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rsp des VwGH zum Begriff der Einrichtungen, die vorwiegend Erwachsenenbildung betreiben, ab. Der Zweck der angebotenen Kurse sei die „Nachholung, Fortführung und Erweiterung der Schulbildung“. Dieser Zweck entspreche § 2 Abs 1 lit g des ErwachsenenbildungsFG. Das Bildungsangebot sei entgegen der Annahmen des BVwG iSd Judikatur des VwGH niederschwellig, breit gefächert und nicht primär auf Berufsausbildung ausgerichtet. Der VwGH habe zu einem vergleichbaren Sachverhalt – nämlich Kursen zur Prüfungsvorbereitung durch Studenten – das Vorliegen einer Einrichtung der Erwachsenenbildung iSd § 49 Abs 7 Z 2 lit a ASVG bejaht (Beschluss vom 9.10.2020, Ro 2016/08/0026).

Der VwGH hielt im gegenständlichen Erkenntnis fest, dass Einrichtungen der Erwachsenenbildung iSd § 1 Abs 2 ErwachsenenbildungsFG einer ständigen Weiterbildung der Aneignung von Kenntnissen und Fertigkeiten sowie der Fähigkeit und Bereitschaft zu verantwortungsbewusstem Urteilen und Handeln und der Entfaltung der persönlichen Anlagen dienen würden. Dabei zeige der Katalog des § 2 ErwachsenenbildungsFG nach Ansicht des VwGH, dass es sich bei Erwachsenenbildung um ein deutlich niederschwelliges und sehr breit gefächertes, insb nicht primär auf Berufsausbildung zugeschnittenes Bildungsangebot handle. Zudem könnten Einrichtungen nur dann als förderungswürdige Einrichtungen der Erwachsenenbildung anerkannt werden, wenn sie „eine kontinuierliche und pädagogisch-planmäßige Bildungsarbeit auf den Gebieten der Erwachsenenbildung oder des Volksbüchereiwesens leisten“ (§ 4 Abs 1 lit c ErwachsenenbildungsFG). Der Besuch von Veranstaltungen müsse nach § 5 Abs 3 zweiter Satz ErwachsenenbildungsFG jedermann offenstehen; er dürfe nur im Hinblick auf erforderliche Vorkenntnisse beschränkt werden (VwGH 4.6.2008, 2004/08/0012; sowie VwGH 25.6.2018, Ra 2017/08/0079).

Ergänzend verwies der VwGH auf sein Erkenntnis vom 14.3.2012, 2010/08/0222, in welchem er mit näherer Begründung darauf hingewiesen hat, dass im ErwachsenenbildungsFG der Begriff der „Erwachsenenbildung“ mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der „Volksbildung“ gleichgesetzt worden sei. Einrichtungen, deren gesetzliche Regelung auf der Kompetenzgrundlage des Schulwesens nach Art 14 Abs 1 B-VG beruhen, seien daher nicht erfasst worden. Damit in Übereinstimmung stehe, dass der Gesetzgeber des ASVG bei der Bezugnahme auf das ErwachsenenbildungsFG nach 179den Gesetzesmaterialien (ErläutRV zur 37. ASVG-Novelle, 907 BlgNR 15. GP 10) Vortragende oder Kursleiter an „Volkshochschulen und gelichartigen Einrichtungen der Erwachsenenbildung“ im Blickfeld hatte.

Schulen iSd Art 14 Abs 6 B-VG – somit sowohl öffentliche als auch private Schulen (Art 14 Abs 7 B-VG) – sind daher nach dem VwGH jedenfalls keine Einrichtungen der Erwachsenenbildung nach den genannten Bestimmungen. Entsprechend seien nach § 2 Abs 2 lit b ErwachsenenbildungsFG ausdrücklich Unterrichtsveranstaltungen von Schulen iSd Privatschulgesetzes nicht in die Förderung nach den Bestimmungen des ErwachsenenbildungsFG einzubeziehen.

Nach Ansicht des VwGH trägt daher die Begründung des BVwG, die revisionswerbende Partei betreibe eine Privatschule und sei daher schon deshalb keine Einrichtung, die vorwiegend Erwachsenenbildung iSd § 1 Abs 2 ErwachsenenbildungsFG betreibe, das angefochtene Erkenntnis.

Da die Revision nach Ansicht des VwGH nicht aufgezeigt hat, dass die fallbezogene Beurteilung des BVwG, bei der revisionswerbende Partei handle es sich um eine Privatschule, von einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG abhängt, hat der VwGH die Revision gem § 34 Abs 1 und 3 VwGG zurückgewiesen.