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Rente aus privater Versicherung wird auf Ausgleichszulage angerechnet

FABIANGAMPER

Grundsätzlich sind sämtliche – tatsächlich zufließende – Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen; es kommt nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte zufließen, ob sie dem Empfänger für oder ohne eine Gegenleistung zufließen und ob sie allenfalls der Steuerpflicht unterliegen. Abgestellt wird auf „Ansprüche mit Einkommenscharakter“, die dem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage zustehen.

Vermögen fällt hingegen nicht unter den Begriff der Einkünfte; es ist ausgleichszulagenneutral. Vermögenswerte, die keinen Ertrag abwerfen, werden nicht berücksichtigt und der Rentner oder Pensionist ist auch nicht gehalten, sie so einzusetzen, dass daraus Einkünfte erzielt werden. Wird ein Vermögen „aktiviert“ und werden dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die versicherte Person einen aus einer privaten UV lukrierten Kapitalbetrag in Form der Investition in eine PV verwertet („aktiviert“) und dadurch nunmehr Einkünfte erzielt.

Sachverhalt

Der Kl verunfallte am 16.1.2010 und ist seitdem querschnittsgelähmt. Im Jahr 2011 wurde ein Betrag aus einer privaten UV ausbezahlt und in eine private PV mit Gewinnbeteiligung investiert. Dabei handelt es sich um eine ab 1.10.2011 beginnende lebenslänglichere Rente in der monatlichen Höhe von € 200,-. Seit 2017 wird aufgrund der Gewinnbeteiligung ein zusätzlicher monatlicher Betrag von € 11,- ausbezahlt. Zu dieser Rente und anderen nicht strittigen Einkünften bezieht der Kl seit Februar 2011 eine Invaliditätspension und seit Februar 2017 eine Ausgleichszulage.

Verfahren und Entscheidung

Die Bekl hat mit Bescheid vom 26.5.2021 ausgesprochen, dass der Anspruch auf Ausgleichszulage mit Februar 2018 ende und der bis 31.5.2021 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von € 7.269,64 zurückgefordert werde.

Das Erstgericht gab der gegen diesen Bescheid gerichteten Klage teilweise statt und verpflichtete die Bekl zur Zahlung der Ausgleichszulage bis 31.12.2021 und eines Vorschusses ab 1.1.2022, da die ausgezahlten Rentenbeträge ausgleichszulagenneutral und daher nicht bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und änderte die Entscheidung dahingehend ab, dass das Klagebegehren auf Zahlung einer Ausgleichszulage über den 1.3.2018 hinaus abgewiesen wird. Begründend wird ausgeführt, dass die tatsächlich zufließenden Einkünfte aus dieser Veranlagung bei der Feststellung eines Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen seien, auch wenn der Kl nicht verpflichtet gewesen sei, den Betrag aus der privaten UV zu veranlagen.

Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision wurde mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung durch den OGH zurückgewiesen.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[9] 1. Der Kläger wendet sich im Rechtsmittel ausschließlich gegen die Berücksichtigung der Rente (soweit darin keine Gewinnbeteiligung enthalten ist) als Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG.

[10] 1.1. Die Ausgleichszulage ist ein Differenzbetrag, der gemäß § 292 Abs 1 ASVG einem Pensionsberechtigten gebührt, wenn – vereinfacht – die Summe aus (Brutto-)Pension und sonstigen Netto185einkünften einen bestimmten Mindestbetrag, den Richtsatz (§ 293 Abs 1 ASVG) nicht erreicht […].

[11] 1.2. Die Rechtsprechung betont, dass grundsätzlich sämtliche – tatsächlich zufließende (RIS-Justiz RS0085181) – Einkünfte des Pensionsberechtigten in Geld oder Geldeswert bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen sind; es kommt nicht darauf an, aus welchem Titel und von wem die Einkünfte zufließen, ob sie dem Empfänger für oder ohne eine Gegenleistung zufließen und ob sie allenfalls der Steuerpflicht unterliegen (RS0085296). Abgestellt wird auf „Ansprüche mit Einkommenscharakter“, die dem Pensionsberechtigten auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage zustehen […].

[12] 1.3. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die im Revisionsverfahren noch strittige Rente nicht unter einen der Tatbestände des § 292 Abs 4 ASVG fällt, stellt der Revisionswerber nicht in Frage. Soweit nicht ein Tatbestand nach § 292 Abs 4 ASVG eingreift […], fallen (Geld-)Renten aufgrund ihres Einkommenscharakters somit grundsätzlich unter den Begriff der Einkünfte […].

[13] 1.4. Vermögen fällt hingegen nicht unter den Begriff der Einkünfte (RS0085101); es ist ausgleichszulagenneutral (RS0085284 [T4]). Vermögenswerte, die keinen Ertrag abwerfen, werden nicht berücksichtigt und der Rentner oder Pensionist ist auch nicht gehalten, sie so einzusetzen, dass daraus Einkünfte erzielt werden (RS0085284; RS0085101). Wird ein Vermögen „aktiviert“ und werden dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen (10 ObS 129/92 SSV-NF 6/141).

[14] 2. Mit diesen Grundsätzen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang.

[15] 2.1. Das Argument des Klägers in der Revision, dass der aus der Unfallversicherung lukrierte Kapitalbetrag ausgleichszulagenneutral und der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, diesen Vermögenswert fruchtbringend anzulegen oder sonstwie zu verwerten, übergeht, dass der Kläger dieses Vermögen tatsächlich in Form der Investition in eine Pensionsversicherung verwertete („aktivierte“) und dadurch nunmehr Einkünfte erzielt.

[16] 2.2. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist die Investition in eine Pensionsversicherung gegen monatliche Rente auch nicht einer Einzahlung auf ein Sparbuch mit monatlicher Abhebung eines bestimmten Betrags gleichzuhalten, weil der investierte Kapitalbetrag (ungeachtet seiner rechnerischen Berücksichtigung im Rahmen der Versicherung) nicht mehr als solcher dem Vermögen des Klägers zugeordnet werden kann, sondern infolge der privatautonomen Gestaltung zur Gänze in einen – lebenslangen – Rentenanspruch umgewandelt wurde. Anders als ein durch Behebung von einem Sparbuch lukrierter (präziser: umgeschichteter) Vermögenswert wird die aufgrund privatrechtlicher Vereinbarung zustehende Rente auch nicht bloß „zufällig“ als solche bezeichnet; sie hat vielmehr Versorgungscharakter. Wenn das Berufungsgericht diesen Anspruch als Einkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG berücksichtigte, ist eine Überschreitung des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums angesichts der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht zu erkennen.

[17] 2.3. Aus welchem Grund diese Auslegung zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen soll, legt der Kläger in der Revision nicht konkret dar. Der Umstand, dass eine vorteilhaftere Veranlagung des Vermögens zu höheren Erträgen führen und somit für einen Ausgleichszulagenanspruch schädlich sein kann, macht das Abstellen auf laufende (tatsächlich erzielte) Einkünfte nicht unsachlich, wenn und weil genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, um einen angemessenen (laufenden) Lebensunterhalt auch ohne Ausgleichszulage bestreiten zu können.“

Erläuterung

Die Ausgleichszulage hat den Zweck, Pensionsbezieher:innen ein gewisses Mindesteinkommen sicherzustellen. Die Ausgleichszulage gebührt in der Höhe der Differenz zwischen dem Richtsatz und der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und zu berücksichtigten Beträgen nach § 294 ASVG. Die Ausgleichszulage ist somit subsidiär zu Einkünften der Pensionsbezieher:innen. Erst wenn durch bestehende Einkünfte dieses Mindesteinkommen nicht erreicht wird, kann ein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehen.

Unter Nettoeinkommen iSd § 292 Abs 3 ASVG werden alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (Sachbezüge) nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge verstanden. Vermögen hingegen fällt nicht unter den Begriff des Nettoeinkommens und ist somit ausgleichszulagenneutral (siehe Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 292 ASVG Rz 25 ff). Weiters sind Pensionsbezieher:innen nicht verpflichtet, bestehende Vermögenswerte, beispielsweise durch Verkauf oder Vermietung, zu verwerten. Wird jedoch Vermögen verwertet bzw „aktiviert“ und fließen dem/der Pensionist:in daraus Einkünfte zu, sind diese Einkünfte als Nettoeinkommen beim Anspruch auf Ausgleichszulage zu berücksichtigen.

Bezüglich Geldrenten hat der OGH bereits mehrfach ausgesprochen, dass diese grundsätzlich unter den Begriff der Einkünfte fallen. Konkret wurde dies vom OGH bereits bei Unterhalts- und Leibrentenzahlungen sowie Verdienstentgangs-, privaten Unfall- oder (wenn auch als Gesamtbetrag ausgezahlten) Versorgungsrenten ausgesprochen.

Im gegenständlichen Fall wurde durch die Investition des Betrags aus der UV in eine private PV das Vermögen „aktiviert“. Die Berücksichtigung der daraus resultierenden Renten beim Anspruch auf Ausgleichszulage steht daher im Einklang mit der laufenden Rsp des OGH.186