93Bemessung der Ausgleichszulage: Kreditraten für nachgekaufte Versicherungszeiten für eine ausländische Pension mindern anrechenbares Nettoeinkommen
Bemessung der Ausgleichszulage: Kreditraten für nachgekaufte Versicherungszeiten für eine ausländische Pension mindern anrechenbares Nettoeinkommen
In die Berechnung des im Rahmen der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigenden Nettoeinkommens sind bei mehreren Einkunftsarten in der Regel Verluste aus einzelnen dieser Einkunftsarten einzubeziehen, sodass auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher Einkunftsarten abzustellen ist. Der „Ausgleich mit Verlusten“ erfolgt dergestalt, dass Verluste oder Aufwendungen – sofern sie der Schaffung oder Erhaltung einer Einkommensquelle und nicht bloß privaten Zwecken dienen – mit den Gewinnen aus einzelnen Einkunftsarten gegenzurechnen sind. Dies gilt auch für allfällige zur Finanzierung des Nachkaufs von Versicherungszeiten für eine ausländische Rente vom Versicherten zu leistende Kreditraten.
Der Kl bezieht seit 1.1.2008 eine Invaliditätspension und Ausgleichszulage. Um eine türkische Eigenpension erhalten zu können, nahm der Kl im Juli 2011 für den Nachkauf von Versicherungszeiten einen Kredit in der Höhe von € 20.000,- auf. Ab 1.8.2011 bezog der Kl eine türkische Pension und teilte dies der Bekl jedoch nicht mit.
Die Bekl hat mit Bescheid vom 10.12.2021 die Ausgleichszulage ab 1.8.2011 neu festgestellt und forderte einen entstandenen Überbezug von € 31.897,03 zurück.
Der Kl wandte in seiner Klage ein, dass er bis Ende 2017 monatliche Kreditraten von € 350,- tilgen musste. Die türkische Rente belaufe sich auf rund € 200,- monatlich. Das Erstgericht bestätigte inhaltlich den Bescheid. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und stellte fest, dass die Kredittilgungsraten als Verluste gegenzurechnen seien. Bis zur Kredittilgung sei nur jener Teil der türkischen Pension als Einkommen anzurechnen, der die Kredittilgungsraten übersteige.
Die dagegen gerichtete ordentliche Revision der Bekl ist zwar mangels höchstgerichtlicher Rsp zur Frage, ob bei einem kreditfinanzierten Nachkauf von Versicherungszeiten die Kreditraten als Verlust iSd § 292 Abs 3 ASVG berücksichtigt werden dürfe, zulässig, sie ist jedoch nach Ansicht des OGH nicht berechtigt.
„[16] 2.1. Ein Anspruch auf Ausgleichszulage besteht gemäß § 292 Abs 1 und 2 ASVG, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und gegebenenfalls des Nettoeinkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten und der gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche die Höhe des für den Pensionsberechtigten gemäß § 293 ASVG geltenden Richtsatzes nicht erreicht. Unter dem Begriff des „Nettoeinkommens“ iSd § 292 Abs 1 ASVG ist das Einkommen zu verstehen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten letztlich verfügbar ist, wobei diese Definition des Begriffs „Nettoeinkommen“ grundsätzlich auch für den Fall gilt, dass es sich bei den „übrigen Einkünften“ um einen Pensionsanspruch handelt, und zwar um einen anderen als den, zu dem die Ausgleichszulage gewährt werden soll (RS0117784).
[17] 2.2. Der Pensionist ist nicht verpflichtet, zur Verminderung seines Anspruchs auf Ausgleichszulage überhaupt ein Einkommen zu erzielen oder sich auf Einkunftsarten zu beschränken, die Erträge abwerfen. Der „Anspannungsgrundsatz“ kommt bei der Einkommensermittlung nicht zum Tragen, solange nicht Rechtsmissbrauch vorliegt […]. Ein Pensionsberechtigter, dessen Pension den Richtsatz nicht erreicht, ist daher grundsätzlich nicht zur Verwertung seines Vermögens verpflichtet. Er kann nicht gezwungen werden, Kapital zinsbringend anzulegen oder sein Vermögen zB gegen Leibrente oder Ausgedingsleistungen zu veräußern. Wenn er jedoch sein Vermögen aktiviert und dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen (RS0085406).
[18] 2.3. Die vom Kläger infolge Nachkaufs von Versicherungszeiten tatsächlich bezogene türkische Rente ist somit grundsätzlich als Einkommen iSd § 292 Abs 1 ASVG zu berücksichtigen, wogegen sich der Kläger auch nicht wendet.
[19] 3.1. Ausgehend vom Zweck der Ausgleichszulage, dass dem Pensionsbezieher in pauschaler Weise ein Betrag zur Verfügung gestellt werden soll, mit dem ihm die Bestreitung eines angemessenen Lebensunterhalts ermöglicht wird, ist die „Summe der Einkünfte … nach Ausgleich mit Verlusten“ nach § 292 Abs 3 ASVG jener Betrag, der dem Pensionisten letztlich real zur Verfügung steht (RS0117784 [T1]). Eine – hier nicht vorliegende – Ausnahme besteht lediglich im Hinblick auf rechtsmissbräuchlich nicht realisierte Ansprüche […].
[20] 3.2. Vor Berücksichtigung der Einkünfte ist daher ein „Ausgleich mit Verlusten“ durchzuführen. Dieser Begriff ist dem Steuerrecht entlehnt (vgl § 2 Abs 2 EStG) und wie dort zu verstehen (Pfeil in SV-Komm § 292 ASVG Rz 21).
[21] In die Berechnung des im Rahmen der Bemessung der Ausgleichszulage zu berücksichtigenden 187Nettoeinkommens sind bei mehreren Einkunftsarten in der Regel Verluste aus einzelnen dieser Einkunftsarten einzubeziehen (RS0085274), sodass auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher Einkunftsarten abzustellen ist. Verluste, die in vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstanden sind, schmälern die für die Ermittlung der Ausgleichszulage maßgeblichen Einkünfte nicht […].
[22] 3.3. Der „Ausgleich mit Verlusten“ erfolgt dergestalt, dass Verluste oder Aufwendungen – sofern sie der Schaffung oder Erhaltung einer Einkommensquelle (10 ObS 263/89 SSV-NF 3/131) und nicht bloß privaten Zwecken (RS0085322) dienen – mit den Gewinnen aus einzelnen Einkunftsarten gegenzurechnen sind. […] Gleichermaßen sah der Oberste Gerichtshof insbesondere Rückzahlungsraten für einen Kredit, der der Finanzierung von Investitionen diente, die notwendig waren, um ein Pachtobjekt als Einkommensquelle in Bestand zu geben, als einkommensmindernd an (10 ObS 263/89 SSV-NF 3/131). Dem Argument, die Berücksichtigung solcher Aufwendungen führe zur Zuerkennung einer überhöhten Ausgleichszulage und sie ermögliche die Finanzierung des Erwerbs von Ertragsobjekten aus öffentlichen Mitteln, hielt der Oberste Gerichtshof entgegen, dass der Pensionist zur Erzielung von Einkünften überhaupt nicht verpflichtet sei und er wegen dieser Aufwendungen über die Einkünfte nicht verfügen könne, durch die Schaffung oder Verbesserung der Einkommensquelle aber immerhin die Möglichkeit bestehe, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Einkommen erzielt werde, das die Ausgleichszulage vermindere.
[23] 3.4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das auch die zur Finanzierung des Nachkaufs von Versicherungszeiten für die türkische Rente vom Kläger zu leistenden Pauschalraten berücksichtigte, steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die zur Schaffung eines (ausländischen) Rentenanspruchs getätigten Aufwendungen anders als jene behandelt werden sollten, die der Schaffung oder Erhaltung anderer Einkommensquellen dienen, kommt es doch im Rahmen des § 292 Abs 3 ASVG auf die dem Pensionsbezieher letztlich real zur Verfügung stehenden Beträge an. […]
[25] 4.1. Es trifft zwar zu, dass es sich bei dem hier zu berücksichtigenden Einkommen um eine Pensionsleistung handelt und dafür erforderliche Beitragsleistungen grundsätzlich dem Versicherten obliegen. Dies ist bei der Frage, welcher Betrag dem Kläger letztlich real zur Verfügung steht, um die Bestreitung seines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen, allerdings zweitrangig. Tatsächlich stammen Verluste, die im Rahmen des § 292 Abs 3 ASVG zu berücksichtigen sind, sogar typischerweise aus Verfügungen, die dem Pensionsbezieher obliegen. […]
[26] 4.2. Damit kommt es – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – auch nicht zu einer unzulässigen Finanzierung der türkischen Leistung aus öffentlichen Mitteln. Der Kläger war ausgleichszulagenrechtlich nicht zum Nachkauf von Versicherungszeiten verpflichtet und hätte ohne Nachkauf keinen Rentenanspruch, der dem Ausgleichszulagenanspruch entgegen gehalten werden könnte, sodass die Ausgleichszulage ohne einen solchen Nachkauf ohne Kürzung durch eine türkische Rente zu bemessen gewesen wäre; der Nachkauf ermöglicht aber eine Anrechnung der tatsächlich bezogenen Rentenleistungen, sobald diese die jeweils geleisteten Pauschalraten übersteigen (vgl 10 ObS 263/89 SSV-NF 3/131). […]
Die Ausgleichszulage hat den Zweck, Pensionsbezieher:innen ein gewisses Mindesteinkommen sicherzustellen. Sie gebührt in der Höhe der Differenz zwischen dem Richtsatz und der Summe aus Pension, Nettoeinkommen und zu berücksichtigten Beträgen nach § 294 ASVG. Die Ausgleichszulage ist somit subsidiär zu den Einkünften des/der Pensionsbezieher:in. Erst wenn durch bestehende Einkünfte dieses Mindesteinkommen nicht erreicht wird, kann ein Anspruch auf Ausgleichszulage bestehen.
Unter Nettoeinkommen iSd § 292 ASVG werden alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (Sachbezüge) nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge verstanden. Der Begriff „Ausgleich mit Verlusten“ findet sich auch im Steuerrecht und ist im Ausgleichszulagenrecht ebenso zu verstehen. Bei Pensionsberichtigten, die Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten beziehen, sind Verluste aus der einen mit einem Gewinn aus einer anderen Einkunftsquelle gegenzurechnen. Es wird somit auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis nach Betrachtung sämtlicher Einkunftsarten abgestellt. Wenn dieses Ergebnis ein negatives Einkommenssaldo ergibt, schließt dies hinsichtlich der Ausgleichszulage eine Anrechnung von Einkünften aus, führt jedoch nicht zu einem höheren Ausgleichszulagenanspruch (Pfeil inMosler/Müller/Pfeil
[Hrsg], Der SV-Komm § 292 ASVG Rz 21 ff).
Im gegenständlichen Fall wurden die monatlichen Kreditraten als Verluste bzw Aufwendungen gegen die Einkünfte (türkische Pension) von € 200,- monatlich gegengerechnet. Erst als die türkische Pension die Kredittilgungsrate überstiegen hat, lag ein auf die Ausgleichszulage anrechenbares Einkommen vor.188