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Zur Eingrenzung des Streitgegenstandes im sozialgerichtlichen Verfahren betreffend Leistungsansprüche aus der Unfallversicherung

FABIANGAMPER

Mit E-Mail vom 16.9.2018 an die bekl Allgemeine Unfallversicherungsanstalt teilte der Kl unter dem Betreff „Meldung einer Berufskrankheit“ mit, dass er seit 2005 für das Rote Kreuz beruflich tätig und den größten Teil seiner Tätigkeit im Ausland eingesetzt sei. Aufgrund der Luftverschmutzung am Entsendungsort habe er sich 2017 seine erste Lungenerkrankung zugezogen. 2018 habe er eine Lungenentzündung erlitten, die zu einer kritischen Sepsis, einer Pneumothorax-Operation und in weiterer Folge zu einer multiplen Neuropathie geführt habe. Der Kl beantragte, dass seine Erkrankung als berufsbedingt eingestuft bzw anerkannt wird. Auf Nachfrage der Bekl im Verwaltungsverfahren wurden Befunde und ein ausgefüllter Fragebogen übermittelt.

Mit Bescheid vom 11.12.2019 wurden die gemeldete Lungenerkrankung sowie die multiple Neuropathie nicht als Berufskrankheit anerkannt und ein Anspruch auf Leistungen aus der UV abgewiesen. Der Kl begehrte in seiner Klage die „durch Systematischen Lupus Erythematodes (SLE) ausgelösten gesundheitlichen Einschränkungen“ als Berufskrankheit anzuerkennen und eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die SLE wurde vom Kl auch bereits im Fragebogen angeführt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren nach Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Aus Anlass der Berufung des Kl hob das Berufungsgericht das Ersturteil samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Nur die beiden im Bescheid genannten Erkrankungen seien Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen und könnten daher Inhalt des Klagsverfahrens sein. Die Tatsache, dass im Fragebogen weitere Erkrankungen angeführt worden seien, sei irrelevant.

Der OGH hat infolge des Rekurses des Kl hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtswegs wie folgt ausgesprochen:

Außerhalb von Säumnisverfahren setzt jede Klage einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers voraus, der über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch ergangen sein muss. Der Streitgegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens muss mit jenem des vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens identisch sein, da ansonsten eine „darüber“ ergangene Entscheidung des Versicherungsträgers fehlt. Der mögliche Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens in Sozialrechtssachen ist daher grundsätzlich dreifach eingegrenzt durch den Antrag, den bekämpften Bescheid und das Klagebegehren. Soweit der Versicherungsträger ausnahmsweise von Amts wegen vorzugehen hat, kommt dem Antrag diese eingrenzende Bedeutung freilich nicht zu. Da die Leistungsansprüche in der UV (auch) von Amts wegen festzustellen sind (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG), liegt ein solcher Ausnahmefall hier vor. Die mögliche, das Klagebegehren eingrenzende Wirkung ist im gegenständlichen Verfahren somit anhand des Entscheidungsgegenstands des nach § 67 Abs 1 Z 2 ASGG bekämpften Bescheids zu prüfen.

Die im Rekurs thematisierte Frage, ob mit der Erwähnung der SLE im Fragebogen, der in der E-Mail vom 16.9.2018 enthaltene Antrag im Hinblick auf die Gesundheitsstörung und den Kausalzusammenhang geändert wurde, spielt im vorliegenden Fall vor diesem Hintergrund keine Rolle. Im Rahmen der amtswegigen Feststellung der Leistungsansprüche hat der Unfallversicherungsträger nach Einlangen einer Unfallmeldung unverzüglich die Tatsachen festzustellen, die für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung in Betracht kommt, erforderlich sind (§ 364 ASVG). Über die amtswegige Feststellung einer Versehrtenrente und über die Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Berufskrankheit ist, ist nach § 367 Abs 1 Satz 2 ASVG sodann jedenfalls ein Bescheid zu erlassen, also unabhängig vom Verfahrensergebnis oder vom Willen der Parteien. Dementsprechend entstehen bei amtswegig zu erbringenden Leistungen die Leistungs- und Entscheidungspflicht des Trägers bereits in dem Zeitpunkt, indem alle materiellen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind und der Träger darüber Kenntnis erlangt. In Frage kommen dafür nach der Rsp Meldungen der Leistungsempfänger, Unfallsanzeigen der DG, Anzeigen von Berufskrankheiten durch Ärzte, Anträge der Leistungsempfänger usw. Die Angaben des Kl im Fragebogen versetzten die Bekl in die Lage, ein Feststellungsverfahren einzuleiten und die Tatsachen feststellen zu lassen, die für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe die Gewährung einer Versehrtenrente in Betracht kommt, erforderlich sind. Die Behauptung der Bekl in der Rekursbeantwortung, es hätten sich keine Hinweise auf das Vorliegen eines SLE ergeben, sind angesichts dieser Umstände nicht nachvollziehbar.

Der tatsächliche Entscheidungsgegenstand ist bei der Frage der Reichweite des bekämpften Bescheids zu berücksichtigen. Nach stRsp ist der Spruch des Bescheids objektiv nach seinem Wortlaut auszulegen. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruchs, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Ausgehend vom Wortlaut des Spruchs des bekämpften Bescheids wurden zwar ausdrücklich zunächst nur andere Erkrankungen als der SLE „nicht als Berufskrankheit 189anerkannt“. Darüber hinaus spricht der Bescheid jedoch auch aus, dass „kein Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung bestehe“. Dem Wortlaut nach ist davon jedenfalls ein von der Bekl amtswegig zu prüfender Anspruch auf Gewährung einer Versehrtenrente umfasst. In der Begründung wird weiters auf „die bestehenden Beschwerden“ abgestellt, was auch den SLE, die davon ausgelösten Gesundheitsstörungen und den behaupteten Kausalzusammenhang mit der Berufsausübung umfasst. Mit dem bekämpften Bescheid wurde somit auch über die Feststellung des behaupteten SLE als Folge einer Berufskrankheit und einen davon ableitbaren Anspruch auf Leistung einer Versehrtenrente abgesprochen. Das Klagebegehren befindet sich daher im Rahmen des Entscheidungsgegenstands, sodass der Rechtsweg nach § 67 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig ist; dem Berufungsgericht wird daher die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufgetragen.