95Aufforderungsschreiben der ÖGK betreffend Vorsprache zur Krankenstandskontrolle bei künftigen Krankenständen ist kein Bescheid
Aufforderungsschreiben der ÖGK betreffend Vorsprache zur Krankenstandskontrolle bei künftigen Krankenständen ist kein Bescheid
Der Kl erhielt ein mit 1.2.2022 datiertes Schreiben, in welchem er von der bekl Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) informiert wird, dass die letzten Krankenstände Auffälligkeiten aufwiesen (zeitliche Nähe zu Arbeitsmarktservice-Terminen) und der Kl sich daher bis auf Widerruf bei einem erneuten Krankenstand am nächstfolgenden (Werk-)Tag unter Mitnahme seiner Krankenstandsbestätigung zwischen 8:00 und 12:00 Uhr in der Kontrollstelle des Medizinischen Dienstes der ÖGK einzufinden habe. Weiters wird der Kl informiert, dass von einem nicht gerechtfertigten Krankenstand auszugehen ist, sollte er dem Kontrolltermin unentschuldigt fernbleiben oder diesen verspätet wahrnehmen, und dass dies eine (auch rückwirkende) Aberkennung des Krankenstandes und ein Ruhen des Krankengeldanspruches zur Folge haben kann.
Der Kl brachte gegen dieses Schreiben am 2.3.2022 eine Klage ein und begehrte, die Bekl schuldig zu erkennen, der klagenden Partei im Falle der Krankmeldung Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß auszubezahlen, dies insb ohne eine (generelle) Bedingung, sich am der Krankschreibung folgenden Werktag in der Kontrollstelle des medizinischen Dienstes der Bekl einfinden zu müssen.
Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Bei dem Aufforderungsschreiben vom 1.2.2022 handle es sich nicht um einen Bescheid iSd § 58 Abs 1 ASVG. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.
Eine Klage in Sozialrechtssachen setzt einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers voraus, der „darüber“, dh über den der betreffenden Leistungssache zugrundeliegenden Anspruch des Versicherten, ergangen sein muss. Auch wenn die Bezeichnung als „Bescheid“ nicht zwingend erforderlich ist, muss sich der Inhalt der Erledigung des Sozialversicherungsträgers als eine Entscheidung oder Verfügung darstellen, durch die Rechtsverhältnisse bindend festgestellt oder begründet werden sollen. Demgegenüber stellen „Belehrungen“ (Mitteilungen, Verständigungen oder Informationsschreiben) des Versicherungsträgers ohne diesen erkennbaren „Bescheidwillen“ keinen Bescheid dar.
Das vom Kl bekämpfte, nicht als „Bescheid“ bezeichnete Schreiben droht ein bestimmtes, den Krankengeldanspruch des Kl betreffendes künftiges Verhalten des Sozialversicherungsträgers erst an, ohne bereits eine rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Verfügung in Bezug auf die Rechtsposition des Kl zu treffen.
Gem § 143 Abs 6 Z 1 ASVG kann der Versicherungsträger als Sanktion verfügen, dass das Krankengeld ruht, wenn der Versicherte einer Ladung zum Kontrollarzt zumindest leicht fahrlässig nicht Folge leistet. § 143 Abs 6 ASVG verlangt zudem, dass der Versicherte vorher auf die Folgen seines Verhaltens schriftlich hingewiesen worden ist. Das bekämpfte Scheiben stellte eine solche gesetzlich vorgesehene Aufforderung dar. Erst eine in § 143 Abs 6 ASVG angesprochene „Verfügung“ des Krankenversicherungsträgers würde bindend über den Krankengeldanspruch des Kl absprechen. Eine solche bindende Verfügung könnte dann im Rechtsweg bekämpft werden.
Die an den Kl gerichtete Aufforderung der Bekl ist daher nicht als ein mit Klage vor dem Arbeits- und Sozialgericht bekämpfbarer Bescheid zu qualifizieren.190