67Keine normative Wirkung eines Erlasses des Bundesministeriums zur Vordienstzeitenanrechnung
Keine normative Wirkung eines Erlasses des Bundesministeriums zur Vordienstzeitenanrechnung
Die Kl ist seit 3.4.2017 Vertragslehrerin des bekl Landes. Auf ihr Dienstverhältnis sind das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 (LVG) und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG 1948) anwendbar. Im Dienstvertrag vom 3.4.2017 wurde die Entlohnungsgruppe pd und die Entlohnungsstufe 1 vereinbart. Mit Änderung des Dienstvertrags vom 12.3.2019 wurde das Besoldungsdienstalter mit einem Jahr, fünf Monaten und 23 Tagen (541 Tagen) festgesetzt. Die Bekl ging von 1.271 anrechenbaren Tagen abzüglich eines Vorbildungsausgleichs von zwei Jahren (730 Tagen) aus. Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr die Anrechnung der in der Zeit von 1.9.2011 bis 31.9.2015 ausgeübten Tätigkeit der Kl als Lektorin für deutsche Sprache und Literatur in einem College in Irland, die im Rahmen der Vordienstzeitenberechnung seitens der Bekl nur im Ausmaß von 820 Tagen berücksichtigt wurde, und die Berechtigung des Abzugs eines Vorbildungsausgleichs durch die Bekl.
Die Bekl beruft sich darauf, die Vordienstzeiten entsprechend dem Erlass des BM für Bildung BMB-722/0030-III/4-2016 korrekt ermittelt zu haben. Nach diesem Erlass könne die Lektorentätigkeit in Irland nur jeweils für neun Monate im Kalenderjahr und insgesamt maximal drei Jahre angerechnet werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl teilweise Folge. Die Revision der Bekl gegen dieses Urteil ist zulässig und teilweise – hinsichtlich der Entscheidung des Berufungsgerichtes betreffend den Vorbildungsausgleich – berechtigt.
Nicht erfolgreich war die Bekl mit ihrem Vorbringen gegen die vom Berufungsgericht höhere Anrechnung für die Lehrtätigkeit in Irland. Die Bekl macht zusammenfassend geltend, dass der Erlass des BM eine „geltende Rechtsgrundlage im Sinn einer Rechtsverordnung für den Adressatenkreis öffentlich Bediensteter des Bundes
“ sei. Die Bekl sei verpflichtet, eine österreichweit einheitliche Vorgangsweise bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zu handhaben. Jede Abweichung würde eine amtsmissbräuchliche, überschießende und nicht gesetzlich gedeckte Verwaltungshandlung bedeuten. Aus dem von der Bekl hervorgehobenen Umstand, dass sie intern verpflichtet sei, den Erlass zu beachten, folgt jedoch laut OGH nicht, dass dem Erlass auch nach außen hin normative Wirkung zukommt. In diesem Sinn hat der OGH in 9 ObA 47/19f vom 25.6.2019 zu dem auch hier gegenständlichen Erlass bereits ausgeführt, dass es sich dabei um keine im Bundesgesetzblatt kundgemachte Rechtsverordnung iSd Art 18 Abs 2 B-VG handelt, sondern bloß um eine Verwaltungsverordnung, der nach außen hin keine normative Wirkung zukommt.
Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der Erlass durch die Adressierung an alle Landesschulräte/Stadtschulräte für Wien eine gewisse Publizität 151erreicht haben mag, ist er entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht als Rechtsverordnung zu qualifizieren: Der Erlass enthält nämlich keine imperative Anordnung in dem Sinn, dass er eine bindende Gesetzesauslegung in eine bestimmte Richtung anstrebt und damit Geltung gegenüber einer in allgemeiner Weise bestimmten Vielzahl von Personen beansprucht. Hinsichtlich der Lektoratsprogramme des OeAD (Österreichs Agentur für Bildung und Internationalisierung) führt der Erlass zwar aus, dass solche Zeiten „für bis zu drei Studienjahre pauschal mit je neun Monaten“
anzurechnen sind. Weiter heißt es jedoch: „Fälle einer längeren Programmteilnahme sind zur koordinierenden Behandlung und detaillierten Prüfung anhand der Einstiegsverwendung an die Zentralstelle heranzutragen; solche Zeiten dürfen nur mit ihrer Zustimmung angerechnet werden.“
Der Erlass schließt also eine weitergehende Anrechnung gerade nicht aus. Der Erlass ist im hier relevanten Zusammenhang daher nur als verwaltungsintern wirksame generelle Weisung anzusehen, er stellt jedoch keine für Gerichte verbindliche Rechtsquelle dar.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine jedenfalls vorgenommene „Deckelung“ der Anrechnung der Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit mit drei Jahren mit den Wertungen der §§ 26 Abs 3 VBG 1948, 5 Abs 2 der Verordnung über die Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, BGBl II 2015/283(AnrechnungsV), nicht in Einklang zu bringen ist, ist somit zutreffend. Gerade bei einer Lehrtätigkeit an einer Schule liegt bei einem zunehmenden Beschäftigungsausmaß auch die höhere Wahrscheinlichkeit auf der Hand, dass der Lehrer mit besonderen Konstellationen – wie zB Problemschülern – konfrontiert wird und folglich auch seine Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit solchen Konstellationen zunimmt. Aus welchen Gründen dies im vorliegend zu beurteilenden Fall gerade nicht zutreffen sollte, wird von der Bekl nicht dargelegt.
In der Revision wird zudem als Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht, dass bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters der Kl die Anwendung des Vorbildungsausgleichs im Verfahren bisher nicht erörtert worden sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der feste Vorbildungsausgleich nicht zur Anwendung komme, sei unzutreffend, weil die Kl nicht über eine vollständige Hochschulausbildung gem §§ 15 VBG 1948, 18 Abs 2 LVG verfügt habe.
Die Notwendigkeit eines Vorbildungsausgleichs resultiert aus der Vereinfachung der Vordienstzeitenanrechnung, weil die nicht mehr gesondert anrechenbaren Zeiten wie Schul- und Studienzeiten pauschal in den Gehaltsansätzen berücksichtigt wurden. Für den konkreten Fall ist festzuhalten, dass eine der Verwendung auf dem Arbeitsplatz entsprechende Ausbildung im Masterbereich zur Folge hat, dass kein Vorbildungsausgleich iSd § 15 Abs 5 VBG 1948 vorzunehmen ist. Wurde jedoch eine Bachelor-Ausbildung absolviert, hat dies nicht automatisch, wie die Bekl argumentiert, den Abzug eines Vorbildungsausgleichs von zwei Jahren zur Folge, sondern beträgt dieser nur ein Jahr, wenn das abgeschlossene Studium zumindest 240 ECTS-Punkte umfasst.
Die Kl absolvierte jedoch weder ein Master- noch ein Bachelor-Studium, sondern erwarb nach ihren Angaben im Juni 2003 den Titel einer Diplompädagogin für das Lehramt an Hauptschulen infolge ihrer Ausbildung an einer Pädagogischen Akademie des Bundes. Um beurteilen zu können, ob – und bejahendenfalls: in welcher Höhe – ein Vorbildungsausgleich von den anrechenbaren Vordienstzeiten der Kl in Abzug zu bringen ist, genügten daher die bisher getroffenen Feststellungen nicht. Vielmehr muss beurteilt werden, ob die von der Kl absolvierte – unzweifelhaft für ihre Lehrtätigkeit einschlägige – Ausbildung an einer Pädagogischen Akademie des Bundes mit einem Master-Studium oder einem Bachelor-Studium vergleichbar ist. Besteht Vergleichbarkeit mit einem Bachelor-Studium, müssen Feststellungen getroffen werden, aus denen sich beurteilen lässt, welche Zahl von ECTS-Punkten die Ausbildung der Kl fiktiv umfasst hätte. Da diese Umstände bisher im Verfahren nicht erörtert wurden, bedarf es diesbezüglich einer Ergänzung des Verfahrens erster Instanz.