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(Verfahrens-)Fragen zur Feststellung von Schwerarbeitszeiten

HARUNPAČIĆ (WIEN)
  1. Das nach § 247 Abs 2 ASVG für die Feststellung von Schwerarbeitszeiten erforderliche Feststellungsinteresse ist im Gerichtsverfahren auch dann zu prüfen, wenn der bekämpfte Bescheid die Feststellung aus anderen Gründen ablehnte.

  2. Dieses Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension vor Erreichen des Regelpensionsalters nicht erfüllbar sind.

  3. In diesem Fall ist der in § 247 Abs 2 ASVG normierte Feststellungsanspruch zu verneinen und das auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten gerichtete Klagebegehren abzuweisen.

[1] Gegenstand des Verfahrens ist der vom Kl geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach § 247 Abs 2 ASVG.

[2] Der 1962 geborene Kl hat den Lehrberuf des Straßenerhaltungsfachmanns erlernt und war von 1.1.2004 bis 1.4.2020 bei einer Straßenmeisterei in der Straßenerhaltung beschäftigt. Seit 1.4.2011 ist er dort auch als Tischler eingesetzt. Seine Netto-Arbeitszeit betrug an drei Tagen der Woche 8,5 Stunden und an einem Tag 7,5 Stunden. In den Monaten November bis April waren fallweise Winterdienste zwischen 2:00 Uhr und 22:00 Uhr erforderlich. [...]

[5] Mit Bescheid vom 17.6.2020 stellte die bekl Pensionsversicherungsanstalt fest, dass der Kl zum Feststellungszeitpunkt 1.6.2020 491 Beitragsmonate der Pflichtversicherung-Erwerbstätigkeit und 18 Ersatzmonate, insgesamt also 509 Versicherungsmonate, erworben habe, lehnte aber die „Anerkennung“ von Schwerarbeitszeiten im Zeitraum von 1.1.2003 bis 31.5.2020 ab.

[6] Mit seiner dagegen gerichteten Klage begehrt der Kl die Feststellung, dass die von ihm im Zeitraum von 1.1.2003 bis 31.5.2020 erworbenen Beitragsmonate der Pflichtversicherung Schwerarbeitsmonate seien.

[7] Die Bekl beantragte die Abweisung des Klagebegehrens [...].

[8] Das Erstgericht stellte fest, dass die vom Kl im Jänner und Februar 2016, im Jänner 2017 sowie im Jänner, April und Dezember 2018 erworbenen (sechs) Beitragsmonate der Pflichtversicherung als Schwerarbeitsmonate iSd § 4 Abs 3 APG und § 607 Abs 14 ASVG iVm § 1 Abs 1 Z 4 der Schwerarbeitsverordnung zu qualifizieren sind. Ausgehend von der Feststellung, dass „in den übrigen Monaten der Jahre 1.1.2004 bis 30.6.2019 [...] keine Schwerarbeitsmonate“ vorliegen, wies es das darüberhinausgehende, auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten auch in den Jahren ab 2004 bis 31.12.2018 gerichtete Klagebegehren ab.

[9] Das Berufungsgericht wies die gegen den klagestattgebenden Teil des Urteils gerichtete Berufung der Bekl zunächst mangels Beschwer zurück.

[10] Der OGH gab dem dagegen von der Bekl erhobenen Rekurs Folge, hob diesen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurück, weil eine Beschwer aufgrund der Bindung des Versicherungsträgers an die festgestellten Schwerarbeitszeiten auch dann anzunehmen ist, wenn die festgestellten Schwerarbeitszeiten nach geltender Rechtslage keine Leistungsansprüche des Versicherten begründen können (10 ObS 12/22w).

[11] Im fortgesetzten Berufungsverfahren gab das Berufungsgericht der Berufung der Bekl nicht Folge. Die Überlegungen des OGH zur Beschwer würden sinngemäß auch für die Frage des Feststellungsinteresses des Kl gelten. Ausgehend von der dem Berufungsgericht überbundenen Rechtsansicht des OGH sei nicht nur eine Beschwer der Bekl, sondern auch ein Feststellungsinteresse des Kl hinsichtlich der von ihm erworbenen und von der Bekl im Berufungsverfahren nicht angezweifelten sechs Schwerarbeitsmonate zu bejahen. Zudem gebiete es der Grundsatz der sukzessiven Kompetenz, dass jedenfalls dann, wenn der Versicherungsträger einen Bescheid iSd § 247 Abs 2 ASVG erlassen habe, eine Klageerhebung möglich sei, ohne dass es der weitergehenden Prüfung eines „gesonderten Feststellungsinteresses“ bedürfe. Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

[12] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl mit dem Antrag auf Abänderung im zur Gänze klageabweisenden Sinn.

[13] In der ihm vom OGH freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kl, der Revision nicht Folge zu geben.

[14] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[15] 1.1. Nach § 607 Abs 14 ASVG und § 4 Abs 3 APG besteht ein Anspruch auf Schwerarbeitspension, wenn in den letzten 240 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Beitragsmonate aufgrund von Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht wurden (Schwerarbeitszeiten).

[16] 1.2. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Schwerarbeitspension wird durch Entscheidungen der versicherten Person über ihren Versicherungsverlauf (etwa die weitere Ausübung oder Beendigung der belastenden Tätigkeit) maßgeblich beeinflusst, die typischerweise vor dem Eintritt des Versicherungsfalls liegen. Schon vor einem allfälligen Pensionsstichtag hat eine versicherte Person daher ein wesentliches rechtliches Interesse an der Klärung, ob die Voraussetzungen für eine Schwerarbeitspension erfüllbar sind, insb, ob und welche Schwerarbeitszeiten verrichtet wurden (Pöltner, Die Feststellung von Zeiten der Schwerarbeit, DRdA 2007, 406 [409]).

[17] 1.3. Dieses rechtliche Interesse rechtfertigt nach der Literatur die Erlassung eines Feststellungsbescheids gem § 410 Abs 1 Z 7 ASVG (Pöltner, DRdA 2007, 406 [409]), jedenfalls dann, wenn es um die Meldung von Schwerarbeitszeiten nach § 5 SchwerarbeitsV geht (Panhölzl,km, VollziehungsproPanhölzl, Vollziehungsprobleme 311 bei der Schwerarbeitspension, DRdA 2009, 98 [106]; Pöltner, DRdA 2007, 406 [408]). Da die Angelegenheiten nach § 410 Abs 1 Z 7 ASVG als Verwaltungssache dem Rechtszug nach § 414 Abs 2 ASVG unterliegen, sind sie der Kognition der ordentlichen Gerichte entzogen. Der Kl gründet sein Feststellungsbegehren daher zutreffend nicht auf § 410 Abs 1 Z 7 ASVG.

[18] 1.4. Über § 410 Z 7 ASVG hinaus kennt § 247 Abs 2 ASVG einen Feststellungsbescheid eines Versicherungsträgers über das Vorliegen und die zeitliche Lage (RIS-Justiz RS0084976 [T5]) von Schwerarbeitszeiten. Nach dem Gesetzeswortlaut hat der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger die Schwerarbeitszeiten iSd § 607 Abs 14 ASVG und des § 4 Abs 3 APG festzustellen, wenn die versicherte Person dies frühestens zehn Jahre vor Vollendung des Anfallsalters nach § 607 Abs 12 ASVG oder frühestens zehn Jahre vor Vollendung des frühestmöglichen Anfallsalters nach § 4 Abs 3 APG (für männliche Versicherte handelt es sich nach beiden Bestimmungen um das 60. Lebensjahr) beantragt und aufgrund der bisher erworbenen Versicherungsmonate anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen nach § 607 Abs 14 ASVG oder nach § 4 Abs 3 APG vor Erreichen des Regelpensionsalters (§ 253 ASVG: Vollendung des 65. Lebensjahres) erfüllt werden.

[19] 2.1. Die Feststellung von Versicherungszeiten nach § 247 ASVG ist gem § 354 Z 4 ASVG (§ 65 Abs 1 Z 4 ASGG) eine Leistungssache (RS0084976 [T2]). Darunter fällt die „Ablehnung“ eines geltend gemachten Anspruchs (vgl VwGH91/08/0040).

[20] 2.2. Die Frist für die Erhebung der Klage gegen einen – jedenfalls zu erlassenden (§ 367 Abs 1 ASVG) – Bescheid beträgt grundsätzlich vier Wochen, bei Leistungen der PV jedoch drei Monate (§ 67 Abs 2 ASVG). Die Wendung „Leistungen der Pensionsversicherung“ meint den Inhalt der Klage, der sich auf Leistungen der PV beziehen muss. Die Art des erhobenen Klagebegehrens (Leistungs- oder Feststellungsbegehren) ist dafür nicht von Belang, sodass auch für Feststellungsbegehren, die sich auf Leistungen der PV beziehen, die dreimonatige Klagsfrist gilt (aA Panhölzl, DRdA 2009, 98 [109]). Die am 29.7.2020 eingebrachte Klage gegen den Bescheid vom 17.6.2020 war daher jedenfalls rechtzeitig.

[21] 3. Der gerichtlichen Geltendmachung des gegenständlichen Feststellungsanspruchs stand daher kein prozessuales Hindernis entgegen. Zu prüfen ist somit, ob das Feststellungsbegehren des Kl (für die noch strittigen Monate) auf § 247 Abs 2 ASVG gestützt werden kann.

[22] [...] Bei der Feststellung von Versicherungszeiten gem § 247 ASVG handelt es sich damit um einen vorgezogenen Teil des Leistungsverfahrens (RS0084976).

[23] 3.2. Dieses Verfahren verfolgt den Zweck, dem Versicherten Klarheit darüber zu verschaffen, welche Zeiten der Prüfung eines Pensionsanspruchs zugrunde zu legen sind. Es soll ihm eine Grundlage für die Entscheidung geben, ob er einen Pensionsantrag stellt oder ob er weiter im Arbeitsleben bleibt, um weitere Zeiten zu erwerben, bzw ob ein solcher Pensionsantrag sinnvoll ist, wenn etwa für eine bestimmte Pensionsleistung eine gewisse Mindestzahl von Zeiten vorgesehen ist (10 ObS 58/20g [Pkt 2.6]; 10 ObS 154/19y SSV-NF 34/25 [Pkt 2.8]; 10 ObS 244/03k SSV-NF 18/33; Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 247 ASVG Rz 7).

[24] 3.3. Aus diesem Grund sollte versicherten Personen nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers ein Recht auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten eingeräumt werden (ErläutRV 1314 BlgNR 22. GP 3). § 247 Abs 2 ASVG gewährt daher einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten.

[25] 3.4. Dieser Anspruch ist jedoch an zwei Voraussetzungen geknüpft. Bei seiner Schaffung durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2006 (SVÄG 2006, BGBl I 2006/130) bestanden diese in einer zeitlichen Einschränkung der Antragstellung (frühestens drei Jahre vor Vollendung des frühestmöglichen Anfallsalters für eine Schwerarbeitspension) und im Vorliegen von bereits 444 Versicherungsmonaten. Mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG, BGBl I 2017/125) wurden beide Voraussetzungen iSd geltenden Fassung modifiziert [...].

[26] 3.5. Die Erweiterung des Feststellungsanspruchs nach § 247 Abs 2 ASVG wird in den Gesetzesmaterialien [...] wie folgt begründet: „Versicherten, die unter besonders belastenden Arbeitsbedingungen erwerbstätig sind, soll zur besseren Orientierung über ihren Versicherungsverlauf das Recht eingeräumt werden, das Vorliegen von Schwerarbeitszeiten bereits zehn Jahre vor der Erreichung des einschlägigen frühestmöglichen Pensionsanfallsalters feststellen zu lassen (derzeit: drei Jahre vor Erreichung dieses Alters). Das Vorliegen von mindestens 444 Versicherungsmonaten ist nicht mehr erforderlich. Diese Maßnahme dient der besseren Abschätzbarkeit der Pensionsantrittsmöglichkeiten. Es sind allerdings Fallkonstellationen denkbar, in denen die Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension nicht vor der Erreichung des Regelpensionsalters erfüllt werden können (etwa weil eine nur geringe Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt). In diesen Fällen wird der Versicherungsträger zunächst die antragstellende Person aufzufordern haben, allfällige ausländische Versicherungszeiten bekannt zu geben. Liegen auch nach einer derartigen Prüfung Versicherungszeiten lediglich in einem Ausmaß vor, das die Erfüllbarkeit der langen Versicherungsdauer bis zum Regelpensionsalter ausschließt, so kann der Antrag auf Feststellung der Schwerarbeitszeiten in einem vereinfachten Verfahren zurückgewiesen werden.“

[27] 3.5.1. In den Gesetzesmaterialien wird für die Fälle, in denen das besondere Feststellungsinteresse des § 247 Abs 2 ASVG fehlt, zwar ausgeführt, dass der Antrag „in einem vereinfachten Verfahren zurückgewiesen“ werden kann. Auch in der Literatur wird (noch zu § 247 Abs 2 ASVG idF des SVÄG 2006) vertreten, dass der zuständige Versicherungsträger bei Nichtvorliegen der normierten Voraussetzungen den Antrag „zurückzuweisen“ habe (Kneihs in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm 312 § 367 ASVG Rz 29 unter Hinweis auf Pöltner/Pacic, ASVG § 367 Anm 1, wo sich eine auf § 247 Abs 2 ASVG bezogene Aussage allerdings nicht findet).

[28] 3.5.2. Dem ist jedoch nicht zu folgen. Nach dem Wortlaut des § 247 Abs 2 ASVG ist das Bestehen des dort normierten Feststellungsanspruchs an die beiden ausdrücklich genannten Voraussetzungen geknüpft. Es handelt sich daher nicht um eine der eigentlichen Leistungssache vorgelagerte verfahrensrechtliche Hauptfrage, die mit Bescheid im Verwaltungsverfahren zu entscheiden wäre (vgl VwGH92/08/0142; 93/08/0018; 91/08/0062), sondern um eine Frage der Begründetheit des Antrags selbst, sodass es sich um materiell-rechtliche Voraussetzungen handelt. Dass die Formulierung des § 247 Abs 2 ASVG auf den Pensionsversicherungsträger abstellt („Der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger hat [...]“), entspricht dem Leistungsrecht des ASVG, das sich ganz grundsätzlich an den Pensionsversicherungsträger richtet, und steht dem nicht entgegen. Anhaltspunkte für eine verfahrensrechtliche Voraussetzung lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Stellung der Bestimmung im Vierten Teil des ASVG (und nicht in dessen das Verfahren regelnden Siebenten Teil) bestätigt diese Sichtweise. Die nur in den Materialien enthaltene, im Gesetz aber nicht angedeutete gegenteilige Aussage kann im Weg der Auslegung nicht Geltung erlangen (RS0008799).

[29] 3.5.3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 247 Abs 2 ASVG ist daher im sozialgerichtlichen Verfahren zu prüfen. Ihr Fehlen führt nicht zur Zurück-, sondern zur Abweisung des Feststellungsbegehrens mangels Vorliegens eines Feststellungsanspruchs.

[30] 4. Dass der Kl den gegenständlichen Antrag innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem frühestmöglichen Anfallsalter für eine Schwerarbeitspension stellte, wird von keiner Partei in Zweifel gezogen. Der Feststellungsanspruch des Kl scheitert hingegen am Fehlen des in § 247 Abs 2 ASVG außerdem vorausgesetzten besonderen Feststellungsinteresses.

[31] 4.1. Der Gesetzgeber wollte im Rahmen des SV-ZG das Recht versicherter Personen auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten erweitern, und zwar nicht bloß durch die Ausdehnung des Zeitraums, innerhalb dessen ein Antrag gestellt werden kann, sondern auch durch die Abschaffung des Erfordernisses, dass mindestens 444 Versicherungsmonate vorliegen müssen. Stattdessen sollte ein Feststellungsanspruch lediglich in solchen Fallkonstellationen ausscheiden, in denen ein Anspruch auf Schwerarbeitspension in der Zukunft nicht entstehen kann, weil dann ein Feststellungsinteresse fehlt. Nach dem Zweck des Gesetzes und den Absichten des historischen Gesetzgebers ist dieses Erfordernis daher einschränkend zu interpretieren. Im Rahmen der Prüfung sind somit keine Vorhersagen darüber zu treffen, ob und welche Versicherungszeiten in der Zukunft von der versicherten Person wahrscheinlich noch erworben werden, sondern ausschließlich, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Schwerarbeitspension vor der Erreichung des Regelpensionsalters erfüllt werden können. Nur im umgekehrten Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension nicht mehr erfüllbar sind, etwa weil die erforderlichen Versicherungsmonate (also auch Schwerarbeitsmonate) bis zum Erreichen des Regelpensionsalters (auch unter günstigsten Bedingungen, etwa die Fortsetzung einer als Schwerarbeit zu qualifizierenden Tätigkeit in der Zukunft) nicht mehr erworben werden können, ist das erforderliche Feststellungsinteresse und damit ein Anspruch auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten nach § 247 Abs 2 ASVG zu verneinen.

[32] 4.2. Der Kl erreicht das Regelpensionsalter 2027. Berücksichtigt man die festgestellten sechs Schwerarbeitsmonate in den Jahren 2016 bis 2018, ist es in jeder Variante (vgl aber unten 7.2.) ausgeschlossen, dass der Kl vor dem Erreichen dieses Zeitpunkts die für eine Schwerarbeitspension nach § 607 Abs 14 ASVG oder § 4 Abs 3 APG erforderlichen 120 Schwerarbeitsmonate erwirbt. Eine Feststellung von Schwerarbeitszeiten iSd § 247 Abs 2 ASVG kommt daher nicht in Betracht, und zwar auch nicht in Bezug auf die im gegenständlichen Zeitraum unstrittig vorliegenden sechs Schwerarbeitsmonate.

5.1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass ihm in der E 10 ObS 12/22w die Rechtsansicht überbunden worden sei, dass das Feststellungsinteresse des § 247 Abs 2 ASVG vorliege, beruht dies auf einem Missverständnis. Im Rahmen der Entscheidungen 10 ObS 12/22w, 10 ObS 38/22v und 10 ObS 52/22b war nur zu prüfen, ob die Bekl durch die Feststellung von Schwerarbeitszeiten beschwert war, obwohl (nach geltender Rechtslage) ein Anspruch auf Schwerarbeitspension nicht erworben werden kann. Dies wurde in den genannten Entscheidungen bejaht, weil eine Feststellung iSd § 247 Abs 2 ASVG die Bekl im Fall der Rechtskraft auch dann für die Zukunft gebunden hätte, wenn sie vom Gesetz in dieser Konstellation nicht vorgesehen ist (was bei Änderung der Rechtslage zu Leistungsansprüchen führen könnte). Von dieser (möglichen) Wirkung einer E iSd § 247 Abs 2 ASVG, die zu ihrer Anfechtbarkeit führt, ist aber die Frage zu unterscheiden, ob die E in der Sache zutrifft. Anlass für Aussagen des OGH zu dieser Frage gab es im Rahmen der genannten Entscheidungen nicht.

[33] 5.2. Der vom Berufungsgericht und vom Kl in der Revisionsbeantwortung darüber hinaus ins Treffen geführte Grundsatz der sukzessiven Kompetenz ist hier nicht einschlägig, weil es – wie ausgeführt (oben Pkt 3.5.1. f) – um materiellrechtliche Voraussetzungen für das Bestehen eines Feststellungsanspruchs geht, die sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes ergeben. Erlässt der Versicherungsträger daher einen Bescheid nach § 247 Abs 2 ASVG, kann dagegen – dem Grundsatz der sukzessiven Kompetenz entsprechend – Klage erhoben und die Frage einer gerichtlichen Prüfung zugeführt werden. Der Umstand, dass im gerichtlichen Verfahren die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen sind und eine Klage gegebenenfalls abzuweisen ist, tut dem keinen Abbruch.

[34] 5.3. Der Kl weist in der Revisionsbeantwortung darauf hin, dass sich die Rechtslage ändern 313 könnte, und er befürchtet den Eintritt einer für allfällige Pensionsansprüche ungünstigen Bindungswirkung. Aus dem Umstand, dass das Klagebegehren abgewiesen wird, folgt allerdings nicht die Feststellung, dass Schwerarbeitszeiten nicht vorliegen. Das Klagebegehren ist vielmehr bloß mangels Bestehens eines Feststellungsanspruchs abzuweisen, weil (aufgrund der hervorgekommenen Versicherungsmonate) nicht anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für eine Schwerarbeitspension vor Erreichung des Regelpensionsalters erfüllt werden.

[35] Der Zweck des § 247 Abs 2 ASVG und ihr Verweis auf § 607 Abs 14 ASVG bzw § 4 Abs 3 APG stellen klar, dass das Vorliegen des besonderen Feststellungsinteresses von der Erfüllbarkeit der im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt gültigen Voraussetzungen für den Erwerb einer Schwerarbeitspension abhängt. Sollten sich diese Voraussetzungen nach dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ändern, steht die Rechtskraft der abweisenden E einem neuerlichen Verfahren nach § 247 Abs 2 ASVG somit nicht entgegen.

[36] Im Übrigen wird durch die Verneinung des besonderen Feststellungsinteresses des § 247 Abs 2 ASVG nur das Vorliegen eines Feststellungsanspruchs (als Hauptfrage) entschieden. Im Fall der Verneinung des Feststellungsanspruchs (sei es wegen Antragstellung mehr als zehn Jahre vor Vollendung des Regelpensionsalters, sei es wegen Fehlens des besonderen Feststellungsinteresses) kommt es – entgegen der Befürchtung des Kl – nicht zu einer spruchmäßigen Feststellung dahingehend, dass bestimmte Zeiten (keine) Schwerarbeitszeiten darstellen. Über die Frage, ob und wieviele Schwerarbeitsmonate im betreffenden Zeitraum vorliegen, wird vielmehr nur als Vorfrage für das Bestehen eines Feststellungsanspruchs geprüft. Die bloße Lösung als Vorfrage in den Entscheidungsgründen und die Tatsachenfeststellungen dazu lösen eine Bindungswirkung aber schon grundsätzlich nicht aus (RS0041342; RS0042554; RS0041180), sodass die vorliegende E den Kl auch nicht an der Stellung eines Antrags auf Zuerkennung einer Schwerarbeitspension hindert.

6. Zusammenfassend ergibt sich: [37] Das nach § 247 Abs 2 ASVG für die Feststellung von Schwerarbeitszeiten erforderliche Feststellungsinteresse ist im Gerichtsverfahren auch dann zu prüfen, wenn der bekämpfte Bescheid die Feststellung aus anderen Gründen ablehnte. Dieses Feststellungsinteresse ist (nur) zu verneinen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Schwerarbeitspension vor Erreichen des Regelpensionsalters nicht erfüllbar sind, etwa weil die erforderlichen Versicherungsmonate (oder Schwerarbeitsmonate) bis dahin (auch unter günstigsten Bedingungen) nicht mehr erworben werden können. In diesem Fall ist der in § 247 Abs 2 ASVG normierte Feststellungsanspruch zu verneinen und das auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten gerichtete Klagebegehren abzuweisen.

[38] 7. Der Revision der Bekl ist somit Folge zu geben und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen. [...]

ANMERKUNG
1.
Schwerarbeitspension

Wer unter physisch oder psychisch besonders belastenden Bedingungen gearbeitet hat, ist bei 45 Versicherungsjahren und zumindest 10 Schwerarbeitsjahren in den letzten 20 Jahren ab dem 60. Lebensjahr und damit noch vor Erreichen des Alters für die Korridorpension (62. Lebensjahr) berechtigt, eine dieser gegenüber mit geringeren Abschlägen (1,8 % statt 5,1 % pro Jahr) belastete Pension anzutreten (§ 607 Abs 14 ASVG, §§ 4 Abs 3 und 5 Abs 2 APG). Welche Arbeiten als besonders belastend gelten, ist in der Schwerarbeitsverordnung (BGBl II 2006/104 idgF) geregelt, wo ua bestimmt ist, dass bei Männern schwere körperliche Arbeit als Unterfall der Schwerarbeit vorliegt, falls bei einer achtstündigen Arbeitszeit 2.000 Arbeitskilokalorien (8.374 Arbeitskilojoule) verbraucht werden; bei Frauen wären es 1.400 Arbeitskilokalorien (5.862 Arbeitskilojoule, vgl § 1 Abs 1 Z 4 leg cit). Für einen Schwerarbeitsmonat bedarf es der Schwerarbeit an mindestens 15 Tagen im Monat (§ 4 Schwerarbeitsverordnung iVm § 231 Z 1 lit a ASVG, OGH 27.4.2021, 10 ObS 39/21i). Eine Übertragung der über dem Mindestmaß liegenden, an einem Arbeitstag verbrauchten Arbeitskilokalorien auf Tage, an denen Schwerarbeit nicht erbracht wird, wodurch fiktive Schwerarbeitstage entstünden, ist nicht statthaft (OGH 24.2.2015, 10 ObS 2/15i). Der (durchschnittliche, nicht nach Körpergewicht oder Alter individualisierte, vgl OGH 20.11.2018, 10 ObS 88/18s) Arbeitsenergieumsatz referiert sichtlich auf die gesetzliche Normalarbeitszeit.

2.
Schwerarbeitszeiten

Wird der geforderte Verbrauch bloß infolge von Überstunden – bei einer einzigen Tätigkeit (OGH 30.9.2014, 10 ObS 95/14i) oder, in Anlehnung an die neuere Rsp (OGH 13.9.2022, 10 ObS 51/22f), dass die in zweien oder mehreren versicherungspflichtigen Verrichtungen pro Tag (vgl OGH 30.9.2014, 10 ObS 95/14i) verbrauchten Kalorien zusammenzurechnen sind, unter Hinzurechnung von Zeiten einer weiteren Tätigkeit – erreicht, stellt sich angesichts geringerer physikalischer „Leistung“, dh in Anbetracht des Umstandes, dass für denselben Kalorienverbrauch mehr Arbeitszeit zur Verfügung steht, die Frage, welchen Stellenwert der verordnete Richtwert (vgl OGH 16.4.2020, 10 ObS 151/19g) von acht Stunden hat. Ungeachtet ihrer empirischen Fundierung ergibt sich mit Blick auf den Überstundenzuschlag, sei es in Geld oder in Freizeit, dass gesetzlich bei mehr als acht Stunden pro Arbeitstag eine um die Hälfte erhöhte Belastung unterstellt wird, sodass es nicht allzu fern läge, die zeitliche Referenz beizubehalten, die Mehrbelastung jedoch zu berücksichtigen: Kalorienverbrauch pro Stunde mal 8, vermehrt um den stündlichen Verbrauch mal Anzahl der Überstunden unter Erhöhung um die Hälfte dieses 314 Überstundenenergieumsatzes, das Ganze dividiert durch die Gesamtanzahl der Stunden und dann mit 8 multipliziert. Beispiel: 220 Kalorien pro Stunde, bei 8 Stunden also 1.760. Bei 4 weiteren Stunden kämen 880 dazu, erhöht um 440 wären das 1.320. 1.760 vermehrt um 1.320 sind 3.080, dividiert durch 12 Arbeitsstunden und dann mit 8 multipliziert, ergibt 2.053 und damit Schwerarbeit. Die Rsp interpretiert indes den Bezug auf die Arbeitszeit weg und stellt im Ergebnis einzig auf den Kalorienverbrauch pro Tag ab (OGH10 ObS 64/22t ZAS 2023, 68 [krit Heckenast]).

Im vorliegenden Fall hegte der OGH offenbar keine Zweifel daran, dass der Kl sechs Monate lang Schwerarbeit geleistet hatte, gleichwohl wies er dessen Begehren auf Feststellung dieser (oder auch anderer) Zeiten als Schwerarbeitszeiten ab.

3.
Feststellungsfragen

Beantragt eine versicherte Person die Feststellung von Schwerarbeitszeiten, so hat der Träger der PV diese Zeiten festzustellen, sofern sie den Antrag frühestens zehn Jahre vor Vollendung des Anfallsalters für eine Schwerarbeitspension gestellt hat und der Träger in Anbetracht ihrer Versicherungszeiten anzunehmen hat, dass sie die Voraussetzungen für ebendiese Pension (bei Männern) vor Erreichen des Regelpensionsalters (65. Lebensjahr, bei Frauen derzeit noch 60. Lebensjahr) erfüllen kann (§ 247 Abs 2 ASVG). Die Feststellung dieser Zeiten ist kraft gesetzlicher Zuordnung keine der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesene, der Jurisdiktion der ordentlichen Gerichte entzogene Verwaltungssache (iSd § 409 iVm § 410 Abs 1 Z 7 ASVG), sondern (iSd § 354 Z 4 ASVG) eine die sukzessive Kompetenz der (Landesgerichte als) Arbeits- und Sozialgerichte eröffnende Leistungssache. Dies hat zur Folge, dass gegen die in Rede stehenden Bescheide des Trägers der PV keine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, sondern auf Feststellung von Schwerarbeitszeiten geklagt werden kann (vgl Pabel, Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sozialversicherungsrecht, DRdA 2014, 386).

Nach § 67 Abs 2 ASGG (nicht „ASVG“, wie in der E irrtümlich angeführt) muss die Klage in den Fällen des § 67 Abs 1 Z 1 ASGG, dh dann, wenn in einer Leistungssache ebendarüber mit Bescheid entschieden worden ist, bei sonstigem Verlust der Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der nicht erstreckbaren Frist von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides erhoben werden, außer es handelt sich um Leistungen der PV oder nach dem BPGG, welchenfalls innerhalb von drei Monaten Klage erhoben werden müsste. Der OGH ging davon aus, dass auch für Feststellungsbegehren, die sich auf Leistungen der PV beziehen, die dreimonatige Frist gilt. Dafür spricht die mit der Wortfolge „in den Fällen des Abs 1 Z 1“ erfolgte Rückbindung des Abs 2 an Abs 1, sodass der Ausdruck „Leistungen“ nicht wörtlich zu verstehen ist, also nicht Leistungen, zB Zahlungen, meint, sondern Angelegenheiten, die als „Leistungssachen“ gelten.

Der Träger der PV ist nach der Rsp infolge der bescheidmäßigen Feststellung von Zeiten der Schwerarbeit in Hinkunft an die festgestellten Zeiten gebunden und insofern, als er sie bei der späteren Prüfung von Leistungsansprüchen nicht bestreiten darf, auch dann durch gerichtliche Stattgabe eines Feststellungsbegehrens (materiell) „beschwert“, wenn die festgestellten Zeiten nach der derzeit geltenden Rechtslage zu keiner Leistungspflicht führen (OGH10 ObS 12/22wDRdA 2023, 41 [Pasz]). Das mit der Beschwer, von der die Rechtsmittelzulässigkeit abhängt, widrigenfalls das Rechtsmittel „zurückzuweisen“ wäre (vgl OGH 22.6.2021, 10 ObS 97/21v), anerkannte Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen E ist nicht nur mit Blick darauf, dass sich die Rechtslage (in Bezug auf die Voraussetzungen der Schwerarbeitspension) später zugunsten der versicherten Person ändern könnte, interessant, sondern auch darum, weil zum Ausdruck kommt, dass auch bei rechtmäßiger Verweigerung der Leistung ein rechtlich geschütztes Interesse an Rechtswahrheit und Tatsachenrichtigkeit (vgl OGH 24.5.2022, 10 ObS 55/22v) hinsichtlich der Prämissen der Entscheidung des Versicherungsträgers besteht.

Der OGH las aus den Gesetzesmaterialien heraus, dass auch aufseiten der versicherten Person ein „Feststellungsinteresse“ besteht, spielte damit aber gerade nicht auf das ohnehin gesetzlich ausdrücklich ermöglichte Feststellungsbegehren an, sondern sprach die Regelungsabsicht an, ihr die Entscheidung über den weiteren Lauf der Erwerbstätigkeit im rückblickenden Vorgriff auf die Prüfung ihres Anspruchs auf Schwerarbeitspension zu erleichtern. Das Klagebegehren des Kl, bei dem rechnerisch auszuschließen war, dass er die für die Pension benötigen Zeiten rechtzeitig erwirbt, war daher keine vorgelagerte Verfahrensfrage, sondern eine Frage der Begründetheit des Antrags selbst und daher in der Tat nicht zurückzuweisen, sondern „abzuweisen“ (vgl OGH 18.10.2022, 10 ObS 113/22y).

Für den Kl ist mit diesem Spruch zwar nichts gewonnen, aber auch nicht alles verloren, denn spruchgemäß ist nicht festgestellt worden, dass die in Rede stehenden Zeiten keine Zeiten der Schwerarbeit sind. 315