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Ausbildungskostenrückersatz versus Darlehen – die Übernahme von Ausbildungskosten durch den neuen Arbeitgeber

MICHAELGEIBLINGER (LINZ)
  1. Der Zweck des § 2d AVRAG liegt darin, für die AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten einer Ausbildung zu schaffen.

  2. § 2d AVRAG ist nicht auf jenen Fall anzuwenden, in dem der neue AG dem AN ein Darlehen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten an den ehemaligen AG gewährt.

  3. Die Darlehensvereinbarung ist (jedenfalls bei entsprechendem Vorbringen) auf etwaige Aspekte der (Teil-)Nichtigkeit, wie eine indirekte Beschränkung des Kündigungsrechts, zu prüfen.

[1] 1. § 2d Abs 1 AVRAG definiert Ausbildungskosten als die vom AG tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem AN Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen AG verwerten kann.

[2] 2. Der Zweck des § 2d AVRAG liegt darin, für den AN Transparenz über die Bedingungen für den Rückersatz der Kosten seiner Ausbildung zu schaffen. Ihm soll ersichtlich sein, auf welche Verpflichtungen er sich künftig einlässt, weil er nur so die finanzielle Tragweite der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in jenem Zeitraum ermessen kann, für den eine Kostentragungspflicht vereinbart wurde (9 ObA 124/19d; 8 ObA 92/11d; 9 ObA 125/11iua).

[3] Die Rsp geht dabei davon aus, dass dem Gesetzeszweck entsprechend nur eine vor der Ausbildung abgeschlossene Vereinbarung dem AN eine selbstbestimmte Entscheidung sichert, sich auf 326 eine Ausbildung einzulassen, die unter bestimmten Umständen zu einem Ausbildungskostenrückersatz führen kann (9 ObA 85/21x).

[4] 3. Im konkreten Fall wurden die Ausbildungskosten vom früheren AG aufgewendet und war die Bekl nach einer – unstrittig – wirksam geschlossenen Vereinbarung nach § 2d AVRAG bei ihrem Ausscheiden zu deren aliquoten Ersatz verpflichtet. Diese Kosten wurden in der Folge vom Kl übernommen, der dem neuen AG der Bekl nahesteht, wobei vereinbart wurde, dass es sich um ein Darlehen handelt, das von der Bekl in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf von drei Jahren aufgelöst wird. Die Bekl kündigte vor Ablauf dieser Frist.

[5] Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Vereinbarung zwischen den Parteien nicht der Bestimmung des § 2d AVRAG unterliegt, ist nicht korrekturbedürftig.

[6] 4. Die Bekl hat ihre Ausbildung ohne Bezug zu dem erst wesentlich später eingegangenen Arbeitsverhältnis absolviert. Auch die von ihr übernommene Ersatzpflicht stand nicht in Zusammenhang mit dem späteren Arbeitsverhältnis. Die Gewährung eines Darlehens zur Unterstützung der Bekl bei Zahlung des wirksam vereinbarten Ausbildungskostenrückersatzes stellt keine Übernahme der Ausbildungskosten durch den neuen AG oder durch ihm allenfalls nahestehende Rechtssubjekte dar. Damit liegen aber schon keine „tatsächlich aufgewendeten Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung“ iSd § 2d AVRAG vor.

[7] 5. Der Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts.

[8] 6. Die Vereinbarung widerspricht entgegen der Revision auch nicht dem zuvor dargestellten Zweck des § 2d AVRAG. Die im Vorfeld einer Ausbildung zu klärende Frage einer Kostenübernahme durch den AN ist einem späteren AG rein faktisch nicht möglich. Auch die Entscheidungssituation des AN ist eine andere. Es liegt keine vergleichbare Interessenlage zu AN vor, die mit der Frage der Übernahme von Ausbildungskosten im Zusammenhang mit einer beruflichen Weiterbildung während aufrechtem oder in Hinblick auf ein in Aussicht genommenes Arbeitsverhältnis konfrontiert sind.

[9] 7. Ist aber nicht davon auszugehen, dass § 2d AVRAG auf eine entsprechende Vereinbarung der Bekl mit einem neuen AG anzuwenden wäre, kommt es auf die Frage einer Analogie, wenn statt des neuen AG ein diesem nahestehender Dritter eine solche Vereinbarung mit dem AN schließt, nicht an. [10] 8. Ob die in der getroffenen Vereinbarung enthaltene indirekte Beschränkung des Kündigungsrechts der Bekl nach § 879 ABGB allenfalls (teil-) nichtig ist, muss nicht geprüft werden, da die Revision auf diese Anspruchsgrundlage nicht zurückkommt. Im Übrigen hat das Erstgericht unbekämpft bereits eine Aliquotierung der Forderung entsprechend der Dauer des Dienstverhältnisses vorgenommen.

[11] 9. Insgesamt gelingt es der Bekl somit nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Die außerordentliche Revision der Bekl ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[...]

ANMERKUNG
1.
Problemaufriss

Der OGH beschäftigte sich in dieser E mit der Thematik, ob die Übernahme der Ersatzpflicht von Ausbildungskosten durch einen neuen AG bzw einen ihm nahestehenden Dritten einer dem Arbeitsrecht entstammenden Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung gem § 2d AVRAG bedarf oder ob auch eine lediglich zivilrechtlich zu beurteilende Darlehenskonstruktion ausreichend ist.

2.
Zusammenfassung der E des OGH

Gegenständlich war die bekl AN aufgrund einer – zumindest nach dem Sachverhalt unstrittigen – rechtswirksamen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung gem § 2d AVRAG aufgrund ihres Ausscheidens zum aliquoten Ersatz der Ausbildungskosten an den früheren AG verpflichtet. In der Folge wurden diese Kosten vom Kl übernommen, wobei der Kl dem neuen AG der Bekl nahe steht. Diesbezüglich wurde eine Darlehensvereinbarung getroffen, nach welcher das Darlehen von der Bekl in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf von drei Jahren aufgelöst wird. Aufgrund der Kündigung der Bekl innerhalb dieser Frist wurde der Darlehensbetrag vom Kl zurückgefordert (vgl zum Sachverhalt: Rz 4 der E; Bajric, Keine Ersatzpflicht nach § 2d AVRAG für Ausbildungskosten aus einem früheren Arbeitsverhältnis, DRdA-infas 2023, 14 [14]).

Der OGH bestätigte die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, wonach die zwischen den Verfahrensparteien geschlossene Vereinbarung nicht den Regelungen des § 2d AVRAG unterliegt. Der OGH begründete seine E zusammengefasst ua damit, dass die Darlehensvereinbarung nicht dem Zweck einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung widerspricht, zumal gegenständlich der Transparenzgedanke und die Interessenlagen, die Vereinbarungen gem § 2d AVRAG bedingen, im gegenständlichen Fall in den Hintergrund gerückt sind. Dies insb, weil die Bekl ihre Ausbildung ohne Bezug zu dem erst wesentlich später eingegangenen Arbeitsverhältnis absolviert hat und die von der Bekl übernommene Ersatzpflicht nicht im Zusammenhang mit dem späteren Arbeitsverhältnis stand. Die Darlehensvereinbarung stellt nach dem OGH auch keine Übernahme der Ausbildungskosten durch den Kl dar und waren auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts ersichtlich. Eine etwaige (Teil-)Nichtigkeit aufgrund einer indirekten Beschränkung des Kündigungsrechts der Bekl wurde vom OGH mangels Bezugnahme auf diese Anspruchsgrundlage in der Revision nicht geprüft (vgl Rz 5 ff der E). 327

Im Ergebnis ist § 2d AVRAG nicht auf die Gewährung eines Darlehens eines neuen AG an die AN zur Zurückzahlung von Ausbildungskosten an den ehemaligen AG anzuwenden (vgl hinsichtlich des Ergebnisses auch: Lindmayr, Übernahme des Ausbildungskostenrückersatzes durch neuen Arbeitgeber in Form eines Darlehens, ARD 6843/8/2023, 8; Mazal, Darlehen zur Rückzahlung von Ausbildungskosten, ecolex 2023, 68 [68]; wbl 2023, 107 [107]).

3.
Analyse der E und eigene Anmerkungen

Der Umfang der vorliegenden, äußerst kurz gefassten E überrascht, zumal der zugrundeliegende Sachverhalt mehrere Personen betrifft. Neben dem Kl und der Bekl als Verfahrensparteien ieS spielen auch der frühere AG und der neue AG, der aber gerade nicht der Kl, sondern lediglich dem Kl nahestehend ist, eine Rolle.

Der veröffentlichte Entscheidungstext lässt Details zur ursprünglich getroffenen Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung, die zwischen der Bekl und dem früheren AG getroffen wurde, vermissen. Insb fehlen Details dazu, um welche Ausbildung es sich handelte, welche Bindungsdauer und welche Aliquotierungsmodalitäten zwischen der Bekl und dem früheren AG vereinbart wurden und durch welche Auflösungsart das Arbeitsverhältnis beendet wurde. Fest steht, dass die strittige Vereinbarung, anders als viele klassische Vereinbarungen gem § 2d AVRAG, nicht als Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung, sondern als Darlehen(-svereinbarung) tituliert wurde, keine Aliquotierungsregelungen enthielt und eine Rückzahlungspflicht – offenbar gleichgültig, aus welchem Beendigungsgrund (Lindmayr, Übernahme des Ausbildungskostenrückersatzes durch neuen Arbeitgeber in Form eines Darlehens, ARD 6843/8/2023, 8 [9]) – beinhaltete. Ähnlich wie in einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung wurde allerdings eine Bindungsfrist von drei Jahren vereinbart.

Der OGH anerkannte – zumindest in dieser E –, dass hinsichtlich der Gewährung bzw Rückzahlung von Ausbildungskosten bzw diesbezüglich entstandener Ersatzpflichten neben der klassischen Rückersatzvereinbarung gem § 2d AVRAG auch Darlehenskonstruktionen möglich sind. Das Erstgericht hat trotz der Darlehenskonstruktion eine Aliquotierung der Forderung entsprechend der Dauer des Dienstverhältnisses vorgenommen (vgl Rz 10 der E), was wiederum auf die zumindest mittelbare Anwendbarkeit des § 2d AVRAG schließen lässt. Das Ergebnis der E ist jedenfalls überraschend, kommt doch § 2d AVRAG hinsichtlich Sinn und Zweck eine zentrale Schutzfunktion im Arbeitsverhältnis zu.

Die Regelungen zum Ausbildungskostenrückersatz in § 2d AVRAG wurden insb zur Schaffung der Rechtssicherheit, aus Transparenzgründen und zur Hintanhaltung einer unzulässigen Beschränkung der Kündigungsfreiheit geschaffen. In § 2d AVRAG wurden insb die von der Judikatur entwickelten Eckpunkte zu dieser Thematik festgeschrieben (vgl ua IA 605/A 22. GP 1 ff; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 234 f). Durch die Schaffung von verbindlichen Regelungen zum Ausbildungskostenrückersatz sollten mE aber auch gerade Umgehungskonstruktionen, wie diese vor dem Inkrafttreten des § 2d AVRAG vorkamen, vermieden werden (Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 Rz 234 mwN).

Dementsprechend wurde eine Definition der Ausbildungskosten ins Gesetz eingefügt. Danach sind Ausbildungskosten jene vom AG tatsächlich aufgewendete Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem AN Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen AG verwerten kann (§ 2d Abs 1 AVRAG). Möchte sich der AG gegen den AN einen Rückersatz der aufgewendeten Ausbildungskosten vorbehalten, benötigt es eine schriftliche Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung (§ 2d Abs 2 AVRAG), welche eine maximale Bindungsfrist von vier Jahren nicht überschreiten darf (§ 2d Abs 3 Z 2 AVRAG; maximal acht Jahre in besonderen Fällen) und Aliquotierungsregelungen zu enthalten hat (§ 2d Abs 3 Z 3 AVRAG). Der AG kann sich stets nur bei bestimmten Beendigungsarten auf den Rückersatz berufen (§ 2d Abs 4 AVRAG).

§ 16 AVRAG normiert relativ zwingend, dass die Rechtsposition des AN, die sich aus den Bestimmungen über den Ausbildungskostenrückersatz ergibt, nicht durch Arbeitsvertrag oder kollektive Mittel der Rechtsgestaltung beschränkt oder aufgehoben werden dürfen (Binder/Mair, AVRAG3 [2016] § 16 Rz 1). Möchte sich somit der AG den Ersatz von „echten“ Ausbildungskosten durch den AN vorbehalten, bedarf es aufgrund der seinerzeit geschaffenen gesetzlichen Vorgaben zwingend einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung iSd § 2d AVRAG. Ein gesetzlicher Spielraum für andere davon abweichende Vereinbarungen zum Rückersatz von Ausbildungskosten besteht mMn in diesen Fällen nicht, andernfalls würde dies § 2d AVRAG iVm § 16 AVRAG ad absurdum führen.

AA ist diesbezüglich zB Mosing, der aus § 2d AVRAG keine Verpflichtung für den DG ableitet, eine Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung abzuschließen, sondern auch ein Darlehen als zulässig erachtet (Mosing, Alternativen zum Ausbildungskostenrückersatz, ZAK 2013, 310 [314] mwN). Auch ein Teil der Praxis tendiert dazu, Darlehenskonstruktionen als Alternative zum Ausbildungskostenrückersatz zu empfehlen (Kronberger/Kraft, Kompaktes Wissen rund um den Ausbildungskostenrückersatz, PVP 2022, 328 [331]).

Die gegenständliche Sach- und Rechtslage hätte es aber durchaus zugelassen, die Vereinbarung zwischen dem Kl und der Bekl – trotz der Bezeichnung als Darlehen – als echte Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zu qualifizieren.

Gegenständlich argumentiert der OGH, dass in der Darlehenskonstruktion zwischen dem Kl und der Bekl keine Ausbildungskosten vereinbart wurden. Er begründet dies mit einem fehlenden zeitlichen und sachlichen Konnex zwischen der absolvierten Ausbildung samt Übernahme der Ersatzpflicht und dem erst wesentlich später eingegangenen Folgedienstverhältnis (vgl Rz 6 der E). Dabei darf aber 328 nicht übersehen werden, dass § 2d AVRAG keine zeitliche Schranke vorsieht, ab welchem der Status von Kosten als Ausbildungskosten verloren geht. Nach dem Sachverhalt ist unstrittig, dass die vom früheren AG aufgewendeten Kosten Ausbildungskosten waren, ansonsten wäre es gar nicht zur Rückersatzverpflichtung gekommen. Unstrittig ist daher auch, dass die Kosten für eine Ausbildung aufgewendet wurden, ansonsten wären die Kosten ebenfalls nicht rückerstattungspflichtig geworden. Wenn es sich aber unstrittig um Ausbildungskosten handelte, geht deren Qualifikation als solche aus zeitlicher Sicht nicht deshalb verloren, nur weil sie aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses fällig gestellt wurden. Es handelt sich auch nach der Beendigung um Kosten für eine erfolgreich absolvierte Ausbildung.

Auch der vermeintlich fehlende sachliche Konnex ist zu entkräften. Selbst wenn die Ausbildung dem (hier: neuen) AG zu keinerlei Vorteil/Verwertbarkeit gereicht hat bzw hätte, liegen Ausbildungskosten vor (vgl Mosing, Alternativen zum Ausbildungskostenrückersatz, ZAK 2013, 310 [311] mwN).

Der Begriff der Ausbildungskosten ist nämlich weit auszulegen. Möchte ein neuer AG diese Kosten – egal aus welchen Gründen (zB aus freiwilligen oder großzügigen Motiven oder aber aus besonderem Interesse an den Kenntnissen des AN) – übernehmen, ist neuerlich der Abschluss einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung iSd § 2d AVRAG geboten, weil der ursprüngliche Status der Kosten als Ausbildungskosten nicht verloren gegangen ist.

Dass im gegenständlichen Fall nicht der AG selbst die Kosten übernommen hat, sondern ein ihm nahestehender Dritter (hier: der Kl), ist für die Anwendbarkeit des § 2d AVRAG nicht abträglich. Das wirtschaftliche Ergebnis und auch die Schutzwürdigkeit des AN sind ident mit jener Konstellation, in welcher der AG die Kosten übernommen hätte. Andernfalls wären auch Tür und Tor für Umgehungskonstruktionen geöffnet.

Die Judikatur hat zum zeitlichen Abschluss von Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen eine wichtige Klarstellung getroffen. Soll der AN iSd § 2d Abs 2 erster Satz AVRAG zum Rückersatz von Ausbildungskosten verpflichtet werden, so muss noch vor einer bestimmten Ausbildung eine schriftliche Vereinbarung darüber geschlossen werden, aus der auch die konkrete Höhe der zu ersetzenden Ausbildungskosten hervorgeht (RIS-Justiz RS0127499). Dass gegenständlich die Vereinbarung der Übernahme der Kosten vom Kl nicht unmittelbar vor der Absolvierung der Ausbildung abgeschlossen wurde, liegt (hier) in der Natur der Sache. Dieses zeitliche Element kann aber der Vereinbarung nicht den Status als eigentliche Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung absprechen. Die bekl AN ist in der gegenständlichen Konstellation nicht weniger schutzwürdig. Auch bei einer Übernahme der Kosten stehen für den AN Transparenz hinsichtlich Höhe und Rückzahlungsmodalitäten an oberster Stelle.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass § 2d AVRAG keine zwingende Verpflichtung für AG zum Abschluss von Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen enthält, sondern auch Darlehensvereinbarungen zulässt, kann Sittenwidrigkeit derartiger Vereinbarungen nur dann hintan gehalten werden, wenn die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehens durch die Fortdauer des Dienstverhältnisses reduziert wird. Eine bedingungslose Übernahme der Kosten durch den AN ist nämlich nicht rechtswirksam. Vielmehr unterliegen auch Darlehenskonstruktionen in gewissen Fällen dem analogen Anwendungsbereich des § 2d AVRAG (vgl Mosing, Alternativen zum Ausbildungskostenrückersatz, ZAK 2013, 310 [314 f] mwN) und sind Klauseln zu Ausbildungskosten ohne Aliquotierung nichtig (Drs/Dorer in Kozak [Hrsg], ABGB und Arbeitsrecht [2019] § 879 Rz 156).

Zumal nach dem Sachverhalt in der Darlehensvereinbarung keine dem § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG entsprechende Aliquotierung enthalten war, hätte das Gericht ohnehin zum Schluss kommen müssen, dass die Darlehensvereinbarung sittenwidrig ist und hätte aus diesem Grund das Begehren des Kl ablehnen müssen.

4.
Folgen für die Praxis

Abschließend ist festzuhalten, dass die gegenständliche E jedenfalls kritisch zu würdigen ist. Aus AN-Vertretungssicht bietet sie nämlich das nicht gewünschte Potential, Darlehenskonstruktionen in den Vordergrund zu rücken, während die Vorgaben des § 2d AVRAG ausgehöhlt werden. Auch die Praxis könnte dies zum nicht erwünschten Anlass nehmen – wie bereits oben ausgeführt –, Darlehenskonstruktionen als Alternative zum Ausbildungskostenrückersatz vermehrt zu empfehlen (Kronberger/Kraft, Kompaktes Wissen rund um den Ausbildungskostenrückersatz, PVP 2022, 328 [331]). 329