PretzelCarried Interest im Arbeitsrecht

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2022, 208 Seiten, broschiert, € 71,90

FLORIAN G.BURGER (INNSBRUCK)

Erinnern Sie sich noch an Gordon Gekko aus Wallstreet? Oder Edward Lewis aus Pretty Woman? Zwei vermögende New Yorker Fondsmanager, die sich die Anteilsmehrheit an angeschlagenen Unternehmen verschaffen, um sie zu zerschlagen und mit dem Liquidierungsgewinn auf die Suche nach neuen Opfern zu gehen – Heuschrecken eben. Severin Pretzels Dissertation eröffnet uns einen kleinen Einblick in diese Welt der Finanzbranche, dh in die Welt des Private Equity, also des Eigenkapitalinvestments in nicht börsennotierte Unternehmen, die – anders als Gekkos und Lewis‘ Hedgefonds – nicht auf die kurzfristige Zerschlagung, sondern auf den langfristigen Aufbau der beteiligten Unternehmen abzielen – Business Angels eben. Jedenfalls braucht es dazu nicht nur Investor:innen, die das notwendige Kapital mitbringen, sondern auch qualifizierte Fonds-Professionals, die geeignete Unternehmen aufspüren, ihre Übernahme bzw Beteiligung einleiten, sie in der Haltephase begleiten und den dann hoffentlich gewinnbringenden Verkauf durchführen. Während in der einfachen Filmfiktion Gekko und Lewis gleichzeitig Investoren und Fonds-Professionals sind, ist die Realität komplexer: Die Investoren sammeln ihr Kapital in einer Private-Equity-Fonds-Gesellschaft, die sich an Portfoliogesellschaften beteiligt und so das ihr anvertraute Kapital investiert. Verwaltet wird die Fonds-Gesellschaft aber von einer externen Beratungsgesellschaft, die nicht gesellschaftsrechtlich mit der Fonds-Gesellschaft verbunden ist, sondern vertraglich von ihr engagiert wird. Diese Beratungsgesellschaft beschäftigt die Fonds-Professionals als AN. Aber es geht noch komplexer, denn nun tritt der titelgebende Carried Interest hinzu: Die Fonds-Gesellschaft, die ja den Gewinn des erfolgreichen Investments einstreift, gewährt den Fonds-Professionals Anteile an der Fonds- Gesellschaft zum Nominalwert, die – wenn das Investment erfolgreich war – entsprechend im Wert steigen; dieser ausgeschüttete Gewinn ist der Carried Interest. Und zum Drüberstreuen: Diese Anteile gewährt sie meist nicht direkt, sondern über eine dafür gegründete Carry-Gesellschaft, deren Gesellschafter:innen die Fonds-Professionals werden dürfen. Dieser Carried Interest fließt also ohne Beteiligung der arbeitgebenden Beratungsgesellschaft. Und hier stellen sich die Fragen: Ist der Carried Interest Teil des Arbeitsverhältnisses? Ist er etwa bei einer Kündigungsentschädigung mitzuberücksichtigen?

Severin Pretzel führt uns in seinem zum deutschen Recht geschriebenen Buch behutsam zu einer juristischen Antwort. Doch zuerst zeigt er, was Private Equity überhaupt ist (und was nicht), welche Fonds-Typen es gibt und den Ablauf eines Private-Equity-Investments von der Kapitalsammelphase bis zur Exitphase. Anschließend klärt er uns auf, was Carried Interest ist und welche praktischen Gestaltungsformen es dabei gibt. Hierbei nehmen wir offenkundig Teil an den Erfahrungen, die Pretzel als juristischer Mitarbeiter einer weltweit agierenden Londoner Rechtsanwaltskanzlei am Standort 341 Hamburg erworben hat. Wer mit „Deal by Deal-Carry ohne Loss Carryforward“ oder mit „Clawback-Klauseln“ etwas anzufangen weiß, kann direkt zum juristischen Teil ab S 87 springen: Für österreichische Leser:innen, die mit dem deutschen Arbeitsrecht nicht vertraut sind, ist es sicherlich angenehm, wenn zuerst die Abfindung und ihre Berechnungsgrundlagen auf wenigen Seiten erläutert werden. Anschließend kommen wir der Sache schon näher, wenn Pretzel ganz generell aufzeigt, wann Drittleistungen ins Arbeitsverhältnis einbezogen werden (S 98-127). Denn Carried Interest ist gerade keine Leistung der Beratungsgesellschaft als Arbeitgeberin, sondern der Fonds-Gesellschaft als ihr langjähriger und zumeist einziger Kunde. Hier in diesem Kapitel finden wir auch die Basis für die dann folgenden Ergebnisse, wobei schon klar wird, wohin die Reise geht, wenn man die mit Carried Interest weitgehend parallele Fallgestaltung externer Aktienoptionen ansieht: „Somit spricht auch der Vergleich mit der Gewährung von Aktienoptionen durch Dritte auf der Grundlage der im Vergleich zur Zurechnungstheorie überzeugenden Trennungstheorie dafür, dass es vertraglicher Einbeziehungsvereinbarungen bedarf, um die aufgrund eines separaten Rechtsverhältnisses gewährten Leistungen Dritter zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden zu lassen“ (S 113 f). Es wäre ja auch seltsam: Schreibt ein:e Mitarbeiter:in einer Universität oder einer Arbeiterkammer während der Arbeitszeit und in Erfüllung der Arbeitspflicht für die Zeitschrift „DRdA“ einen Beitrag, kommt man auch nicht auf die Idee, das Verlagshonorar in die Berechnung der Kündigungsentschädigung einfließen zu lassen. Aber es gibt doch Unterschiede, die sich aufdrängen: Der Fonds-Professional bezieht von der Beratungsgesellschaft zwar einen Grundgehalt im zumeist niedrigen sechsstelligen Bereich, vielleicht auch einen Bonus im etwa gleichen Umfang, der Carried Interest der Fonds-Gesellschaft beträgt hingegen gerne ein- bis zweistellige Millionensummen (S 76, 133) und sind „der finanzielle Hauptanreiz für die Tätigkeit der Fonds-Professionals“. Dieser dient als Anreiz, möglichst hohe Gewinne für den Fonds zu erzielen, und „darüber hinaus auch einem zentralen Arbeitgeberinteresse: der Mitarbeiterbindung“ (S 75), weil er etwa bei Selbstkündigung als Bad Leaver den Carried Interest verliert. Trotzdem kommt Pretzel in seinem Hauptkapitel (S 128-191) zum Ergebnis, dass Carried Interest nicht bei der Berechnung von Abfindungen zu berücksichtigen sei. Obwohl der Autor weiß, dass er das BAG mit seiner einzigen Entscheidung zu Carried Interest auf seiner Seite hat (3.5.2006, 10 AZR 310/05), macht er es sich nicht einfach. Unterschiedliche mögliche Anspruchsgrundlagen werden durchdekliniert: ausdrückliche und konkludente arbeitsvertragliche Einbeziehung, mögliche Verweise im Arbeitsvertrag, subsidiär § 612 BGB (bei uns: § 1152 ABGB; § 6 AngG), ähnlich wie bei Trinkgeldern als eingeräumte Erwerbsmöglichkeit, aus einer Vertrauenshaftung und insb wegen Umgehung einer arbeitsrechtlichen Schutzvorschrift für Vergütungen. Zutreffend stellt Pretzel auch immer wieder fest, dass bei Vorliegen bestimmter Umstände des Einzelfalls eine Einbeziehung durch die ein oder andere Anspruchsgrundlage in Frage kommen kann. So bestätigt er etwa, dass ein Indiz für die Einbeziehung dann bestehe, wenn gar kein Grundgehalt vereinbart worden sei (S 134 f), doch nimmt er keine konkludente Einbeziehung für den Normalfall an, bei dem das Grundgehalt weniger als 10 % , vielleicht auch nur 1 % des Carried Interest ausmacht. Für mich stellt sich nur die Frage, ob denn der Carried Interest wirklich nur ein Investment des Fonds-Professional ist, die ihm die Fonds-Gesellschaft aus eigennützigen Gründen anbietet (S 146 f), sozusagen eine „Gewinnbeteiligung sui generis“ (S 189), oder ob die Beratungsgesellschaft nicht doch weiß, dass ihr:e AN allein mit dem Grundgehalt ohne einen versprochenen Carried Interest noch nicht einmal den Bleistift anheben wird. Immerhin ist auch eine komplette Trennung des Carried Interest vom Arbeitsverhältnis nicht im Interesse aller Beteiligten (S 78) und über „Leaver Schemes“ ist das Schicksal des Arbeitsverhältnisses auch mit dem Anspruch auf Carried Interest verbunden (S 83 f, 140 f). Nicht im Buch angesprochen wird die Frage, ob vielleicht ein einheitliches Arbeitsverhältnis auch mit der Fonds-Gesellschaft begründet wurde.

Insgesamt ist das sehr gut verständliche Werk ein wichtiger Teil der spärlichen arbeitsrechtlichen Literatur zu Carried Interest. Mit dieser Einbeziehung einer Drittleistung spricht es aber auch ein Thema an, das nicht auf Private Equity eingeschränkt ist, sondern generell in Matrixstrukturen vorkommt. Wer sich mit dieser Thematik beschäftigt, kann das Buch mit Gewinn lesen.