Klein/Klocke/SchlachterStandort- und Beschäftigungssicherung in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen

Bund Verlag, Frankfurt am Main 2022, HSI-Schriftenreihe Bd 43, 227 Seiten, kartoniert, € 20,40

ANDREASMAIR (INNSBRUCK)

Die zu besprechende Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, auf tarifvertraglicher Ebene bzw im Rahmen der Betriebsverfassung Maßnahmen zur sogenannten Standort- und Beschäftigungssicherung zu ergreifen. Im Ausgangspunkt geht es dabei um unternehmerische Entscheidungen, die zu einer Personalreduktion, Betriebsschließung, Betriebsverlagerung oder zu einer Auslagerung von Betriebsfunktionen führen bzw führen sollen. Die mit derartigen AG-Entscheidungen idR verbundenen negativen Folgen für die AN werfen die Frage auf, inwieweit die Gewerkschaften bzw die betrieblichen AN-Vertreter diese über verbindliche Absprachen mit der AG-Seite abwenden können. Dementsprechend ist das vorliegende Werk in zwei große Teile gegliedert. Im ersten Teil untersuchen Klein/Schlachter, ob tarifvertragliche Regelungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung genutzt werden können, während im zweiten Teil Klocke das System der Betriebsverfassung in den Blick nimmt und dessen themeneinschlägige Bestimmungen einer Analyse unterwirft. Das Ziel der Arbeit besteht darin, offene Fragen, die sich im Zusammenhang mit Aspekten der Standort- und Beschäftigungssicherung stellen, einer Klärung zuzuführen.

Dazu konzentriert sich der erste Teil der Arbeit auf das Instrument des Tarifvertrags. Im Kern geht es Klein/Schlachter dabei um die Beantwortung der Frage, inwieweit typische Klauseln zur Standort- und Beschäftigungssicherung, 342 wie eine Beschäftigungsgarantie, eine Standortgarantie, ein vom AG abzugebender Auslagerungsverzicht oder das Versprechen einer arbeitgeberseitigen Investitionszulage, in einem Tarifvertrag mit bindender Kraft vereinbart werden können und welche rechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind. Klein/Schlachter bejahen in diesem Zusammenhang, dass derartige Klauseln jedenfalls zum Gegenstand des schuldrechtlichen Teils eines Tarifvertrages gemacht werden können, während deren normative Bindungswirkung – Klein/Schlachter zufolge – davon abhängig ist, inwieweit diese Klauseln einer der herkömmlichen tarifvertraglichen Normkategorien zugeordnet werden können.

Sehr instruktiv gelingt in diesem Zusammenhang die Darstellung der rechtlichen Grenzen für die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen. Neben einer eingehenden Betrachtung der verfassungsrechtlichen Situation in Deutschland werden auch die unionsrechtlichen Vorgaben bzw Begrenzungen in den Blick genommen. Letztere erscheinen auch aus einer österreichischen Perspektive von Interesse, da sich bei Tarifverträgen zur Standort- und Beschäftigungssicherung oftmals die Frage nach deren Vereinbarkeit mit der unionalen Niederlassungsfreiheit als einer Grundfreiheit des EU-Binnenmarkts stellt. Da sich aufgrund der tatbestandlichen Weite der genannten Grundfreiheit eine Beschränkung derselben durch Tarifverträge zur Standort- und Beschäftigungssicherung ergibt, legen Klein/Schlachter richtigerweise das Augenmerk auf den detaillierten Entwurf eines möglichen Rechtfertigungsprogramms und sehen im Ergebnis die von ihnen untersuchten tarifvertraglichen Klauseln mit dem vom EuGH etablierten Rechtfertigungsmaßstäben – mE zu Recht – als für vereinbar an.

Am Ende des ersten Teils widmen sich Klein/Schlachter noch der Frage, inwieweit Arbeitskämpfe zur Durchsetzung von Tarifverträgen zur Standort- und Beschäftigungssicherung rechtlich zulässig sind. Dabei unterziehen Klein/Schlachter die von manchen vertretene These, wonach Entscheidungen über Standorte, Auslagerungen und Investitionen zwar tarifvertraglich regelbar, nicht aber erstreikbar seien, einer kritischen Analyse und widersprechen dieser vor allem mit dem Argument, dass eine Aushöhlung der von Art 9 Abs 3 GG geschützten Tarifautonomie die Folge wäre, würde die Erstreikbarkeit von Tarifverträgen zur Standort- und Beschäftigungssicherung verneint werden. Dementsprechend bejahen Klein/Schlachter mE zu Recht die Möglichkeit für Gewerkschaften, unter Beachtung der vom BAG entwickelten arbeitskampfrechtlichen Grundsätze den Abschluss von Tarifverträgen zur Standort- und Beschäftigungssicherung nötigenfalls auch im Wege eines Streiks erzwingen zu können.

Im zweiten Teil des Werks analysiert Klocke die Möglichkeiten zur Standortsicherung auf betrieblicher Ebene und fokussiert dazu auf das vom deutschen BetrVG etablierte Normensystem. Aus österreichischer Sicht ist bemerkenswert, dass das BetrVG mit § 92a eine eigene Regelung enthält, die es dem BR erlaubt, dem AG Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung zu machen, wobei dem AG die Pflicht trifft, die gemachten Vorschläge mit dem BR zu beraten und ungeeignete Vorschläge dem BR gegenüber zu begründen. Diese zentrale Bestimmung (in Verbindung mit verwandten Regelungen des BetrVG) erlaubt Klocke die am Beginn seiner Ausführungen stehende Feststellung, dass sich die Standortsicherung als eine zentrale Aufgabe des BR darstellt. Anknüpfend daran präsentiert Klocke die themeneinschlägigen Regelungen des BetrVG in einer Detailanalyse, wobei die Mitbestimmungstatbestände des § 87 BetrVG sowie die Betriebsratsbeteiligung nach §§ 111 f BetrVG im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Da sich §§ 111 f BetrVG mit Betriebsänderungen und dem Sozialplan beschäftigen und zudem sogar als Vorbild für § 109 ArbVG gedient haben, können die diesbezüglichen Ausführungen von Klocke auch mE Impulse für die österreichische Rechtslage geben. Ein gewisses Defizit, was die Möglichkeiten der betrieblichen AN-Vertretung betrifft, sieht Klocke in dem Umstand, dass es auf der betrieblichen Ebene an Durchsetzungsmöglichkeiten für den BR fehlt, bestimmte als regelungsbedürftig erachtete Themen zwangsläufig in eine Vereinbarung zu überführen. Grund dafür ist das in Deutschland geltende gesetzliche Arbeitskampfverbot, wonach Maßnahmen des Arbeitskampfes zwischen AG und BR unzulässig sind (§ 74 Abs 2 BetrVG). Dies ist auch für die österreichische Rechtslage zu konstatieren, wo es zwar kein derartiges explizites gesetzliches Verbot gibt, der OGH in seiner E 9 ObA 125/03b vom 19.11.2003 aber dennoch von der Existenz einer gesetzlichen betriebsverfassungsrechtlichen Friedenspflicht ausgeht.