30Vordienstzeitenanrechnung bei Binnensachverhalten
Vordienstzeitenanrechnung bei Binnensachverhalten
Binnensachverhalte unterliegen nicht der ANFreizügigkeit.
Ein Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten unter dem Gesichtspunkt des Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG kommt nicht in Betracht.
Stichtagsregelungen, wodurch für bestimmte AN ab einem bestimmten Eintrittstag andere Vorschriften geschaffen werden, sind nicht altersdiskriminierend.
Die Kl war vom 1.8.2014 bis 31.7.2019 bei der Bekl im Dienstzweig Fachdienst des Pflegedienstes als Diplomkrankenpflegerin beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L-DBR idF LGBl 2011/74) anzuwenden.
Vom 1.8.2014 bis 30.9.2014 war die Kl im Ausmaß von 75 % (30 Wochenstunden) beschäftigt. Ab 1.10.2014 wurde das Beschäftigungsausmaß auf 50 % (20 Wochenstunden) reduziert. Das Dienstverhältnis wurde zunächst bis zum 30.6.2015 befristet abgeschlossen und in weiterer Folge bis zum 17.12.2016 verlängert. Mit Verlängerung vom 2.9.2016 ging das Dienstverhältnis in ein solches auf unbestimmte Zeit über.
Die facheinschlägigen Vordienstzeiten der Kl als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (DGKP) stellen sich wie folgt dar:
1998 bis 2001 Besuch der Schule für Gesundheitsund Krankenpflege (3 Jahre bzw 1.095 Kalendertage);
15.10.2001 bis 28.2.2003 DGKP bei der Stadt *; 10.3.2003 bis 14.7.2014 DGKP beim Krankenhaus * B*.
In Entsprechung des damals geltenden § 256 Abs 1 Z 2 Stmk L-DBR wurden diese Vordienstzeiten der Kl im Umfang von 5 Jahren, 10 Monaten und 17 Tagen angerechnet; der Vorrückungsstichtag wurde mit 15.9.2008 festgelegt. Folglich wurde die Kl in das Entlohnungsschema SII/3 Stufe 2 eingereiht. Die Zeit bei der Stadt * wurde im vollen Umfang von einem Jahr, 4 Monaten und 17 Tagen (502 Kalendertage) angerechnet, ebenso jene des Besuchs der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege im Umfang von 3 Jahren (1.095 Kalendertage); hingegen wurden die Zeiten beim Krankenhaus * B* aufgrund der bestehenden Regelung im Umfang von einem Jahr und 6 Monaten nur teilweise angerechnet. 278
Würde man der Kl fiktiv Vordienstzeiten im Umfang von 4.197 Kalendertagen (11 Jahre, 6 Monate und 2 Tage), also zur Gänze, zum Dienstbeginn am 1.8.2014 anrechnen, ergäbe sich ein Vorrückungsstichtag zum 1.2.2003. Unter Zugrundelegung dieser Vordienstzeitenanrechnung wäre die Kl (ausgehend von Vorrückungen alle 2 Jahre) in SII/3 Stufe 6 einzustufen gewesen.
Im Hinblick auf die zu erwartenden Entscheidungen des EuGH zur Anrechnung von Vordienstzeiten gab die Bekl eine Verjährungsverzichtserklärung vom 7.10.2014 ab.
Die Kl begehrte von der Bekl die Zahlung von zuletzt 6.653,35 € brutto sA an Entgeltdifferenzen für den Zeitraum August 2014 bis Juli 2019 mit der wesentlichen Begründung, dass durch § 256 Stmk L-DBR (LGBl 2011/74) die ursprünglich bestandene altersbedingte Ungleichbehandlung fortgeschrieben worden sei. Dies sei altersdiskriminierend, grob unsachlich und verfassungswidrig. Die Kl sei daher so zu stellen, dass nicht die durch die Bestimmung normierte verlängerte Vorrückung, sondern eine Vorrückung nach 2 Jahren zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus seien sämtliche facheinschlägige Vordienstzeiten als DGKP im Krankenhaus * B* verpflichtend zur Gänze anzurechnen. Die Regelung des § 256 Abs 1 Z 2 lit b sub lit bb Stmk L-DBR verstoße gegen die Grundfreiheit der AN-Freizügigkeit, weshalb sie unangewendet zu lassen sei. Dieser Grundsatz sei auch auf einen rein innerstaatlichen Sachverhalt anzuwenden, weil der Grundsatz der Unionsbürgerschaft dadurch missachtet bzw dagegen verstoßen werde. Unabhängig davon liege eine Inländerdiskriminierung vor. Die Anrechnung dieser facheinschlägigen Zeiten sei zweifach unzulässig eingeschränkt. Einerseits beschränke § 256 Abs 1 Z 2 Stmk L-DBR die Anrechnung dieser Zeiten mit 4,5 Jahren, wovon durch die Anrechnung der Ausbildung zur DGKP schon 3 Jahre konsumiert würden. Zudem sei eine weitere Einschränkung durch § 256 Abs 3 Z 1 Stmk L-DBR gegeben, wonach nur Dienstzeiten zur KAGES, zu einem Gemeindeverband oder zu einer Gebietskörperschaft, beide im Inland gelegen, gezählt würden. Die Beschränkung auf inländische Einrichtungen verstoße gegen die AN-Freizügigkeit. Mit Einführung des § 256a Stmk L-DBR zum 1.3.2018 seien die Rechtswidrigkeiten mangels Rückwirkung und mangels zwingender Anwendung nicht beseitigt worden. Die diskriminierende Rechtslage sei für den Zeitraum 1.8.2014 bis 28.2.2018 unverändert aufrecht.
Für einen neuen Vorrückungsstichtag habe sich die Kl nach Herantreten der Bekl an sie entschieden, weil die Berechnung für sie günstiger gewesen sei. Der Einwand der Bekl, die Kl könne keine Differenzen aus den Zeiträumen davor geltend machen, wäre rechtsmissbräuchlich. Werde dem Standpunkt der Kl gefolgt, werde die Vereinbarung des neuen Vorrückungsstichtags wegen Irrtums angefochten. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt, weil die Bekl einen unbefristeten Verjährungsverzicht abgegeben habe. Mit diesem habe sie unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie den Einwand der Verjährung nicht erhebe, solange die innerstaatliche Rechtslage nicht zur Gänze in Bezug auf das Unionsrecht geklärt sei.
Die Bekl bestritt und wandte ein, dass die Kl entsprechend des bei ihrer Aufnahme anzuwendenden Stmk L-DBR idF LGBl 2011/74 eingestuft worden sei. Für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten des Unionsrechts bedürfe es eines Unionsrechtsbezugs, der hier nicht gegeben sei. Sämtliche Bestimmungen des AEUV über die Freizügigkeit sowie die Bestimmung der VO 492/2011 sollten den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und Maßnahmen entgegenstehen, die sie benachteiligen könnten. Ein Sachverhalt mit Auslandsbezug liege konkret nicht vor. Nach der Rsp des EuGH dürfe nicht nur die Bestimmung des § 256 Stmk L-DBR bei Klärung einer angeblichen Unionsrechtskonformität herangezogen werden, sondern sei auch die zuletzt gültige Regelung des § 256a Stmk L-DBR (LGBl 2018/17) zu beachten. Diese Neufassung, mit der ein neuer Vorrückungsstichtag errechnet worden sei, setze bereits Änderungen um. Diese Änderung habe die Kl auch ausdrücklich gewünscht und beantragt. Sei tatsächlich ein Diskriminierungstatbestand vorgelegen, was bestritten werde, sei durch die Einführung dieser Regelung Unionsrechtskonformität hergestellt worden. Eine etwaige Benachteiligung sei als behoben anzusehen. Keine Ungleichbehandlung könne darin erblickt werden, wenn Vordienstzeiten auf einen Maximalzeitraum eingeschränkt würden. Der VfGH sehe darin keine Gleichheitswidrigkeit. Auch die Bestimmungen des AEUV seien nicht auf einen Sachverhalt anzuwenden, dessen Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen. Durch die Dienstrechtsnovelle 2018 sei die Anrechnung von Vordienstzeiten auf 10 Jahre begrenzt; damit seien die Dienstzeiten der Kl bei den B* im Ausmaß von 2.600 Kalendertagen zur Gänze angerechnet worden. Hingegen sehe die Bestimmung keine Anrechnung von Ausbildungszeiten vor, weshalb diese in der Neuberechnung 2018 unberücksichtigt geblieben seien. Eine zeitliche Höchstbegrenzung für einschlägige Vordienstzeiten habe der EuGH nicht als unionsrechtswidrig qualifiziert. Schließlich sei auch der für die Vorrückung erforderliche Zeitraum mit 2 Jahren vereinheitlicht worden. Diese Novelle sei ab November 2018 umgesetzt worden, zumal sich die Kl bis zu diesem Zeitpunkt in Karenz befunden habe. Es sei eine Nachverrechnung für den Zeitraum ab November 2019 erfolgt. Im Übrigen seien die Differenzansprüche aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist des § 163 Stmk L-DBR verjährt. Der abgegebene Verjährungsverzicht habe sich nur auf die bis zum 7.7.2014 beim EuGH anhängigen Verfahren bezogen. Ein Verzicht auf künftige Fälle sei nicht abgegeben worden. Die letzte E des EuGH sei am 28.1.2015 ergangen, weshalb bei Einbringung der Klage im Februar 2020 nur mehr jene Ansprüche geltend gemacht werden könnten, die bis Februar 2017 zurückreichten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. [...]
Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Kl keine Folge. [...] Verfassungsrechtliche 279 Bedenken zu § 256 Stmk L-DBR wegen einer allfälligen Inländerdiskriminierung bestünden nicht (8 ObA 34/17h). Die Revision sei angesichts der dazu divergierenden Rsp (9 ObA 64/19f) und der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der Frage zulässig.
In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Kl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsstattgebung.
Die Bekl beantragt, die Revision der Kl zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Hierzu hat der OGH erwogen:
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die Kl richtet sich in ihrer Revision erneut gegen § 256 Abs 1 Z 2 lit b, sublit bb, Abs 2 und Abs 3 Z 1 Stmk L-DBR, der die Anrechnung ihrer Vordienstzeiten rechtswidrig beschränke. Ein Verstoß gegen die AN-Freizügigkeit sei auch bei einem reinen Binnensachverhalt zu bejahen. Sonst liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unionsbürgerschaft und eine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung vor. Mit der Einführung des § 256a Stmk L-DBR sei jedenfalls für den Zeitraum 1.8.2014 bis 28.2.2018 auch die Altersdiskriminierung nicht beseitigt worden. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt.
I. Da der OGH Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2011/74 (ua) hegte, soweit vergleichbare Vordienstzeiten bei anderen DG als einer inländischen Gebietskörperschaft, der Steiermärkischen KrankenanstaltengesellschaftmbH oder vergleichbaren Einrichtungen erworben wurden, diese Zeiten aber, soweit sie drei Jahre übersteigen, nur bis zur Hälfte angerechnet werden, wurde mit Beschluss vom 25.11.2021, AZ 9 ObA 29/21m, ein entsprechender Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gem § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erk des VfGH innegehalten. Mit Erk vom 1.7.2022, G 59/2022-6, wies der VfGH diesen Antrag ab. Das Revisionsverfahren ist nun fortzuführen.
II. Die Revision der Kl ist nicht berechtigt. Auf der Grundlage des § 256 Stmk L-DBR idF LGBl 2011/74 kommt eine weitere Anrechnung der von der Kl geltend gemachten Vordienstzeiten nicht in Betracht.
II.1. Zur von der Kl aufgeworfenen Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmung wurde bereits im Vorlagebeschluss 9 ObA 29/21m (Pkt 6.3. mwN) dargelegt, dass der Anwendungsbereich des Unionsrechts mangels grenzüberschreitenden Sachverhalts nicht eröffnet ist, wenn es um die Anrechnung von in Österreich zurückgelegten Vordienstzeiten inländischer AN geht; solche AN – wie hier die Kl – können sich daher nicht auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen.
II.2. Die Bestimmung ist auch nicht verfassungswidrig. Nach dem Erk des VfGH liegen die behaupteten Verstöße der angefochtenen Bestimmungen gegen Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG („Inländerdiskriminierung“) nicht vor: Es liege grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wenn dieser bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheide. Diese unterschiedliche Gewichtung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften und solchen bei anderen Einrichtungen sei hinsichtlich innerstaatlicher Sachverhalte und damit unabhängig davon, ob im Anwendungsbereich des Unionsrechts eine vollständige Gleichbehandlung dieser Zeiten geboten wäre, in Art 21 Abs 4 B-VG angelegt. Ein Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten unter dem Gesichtspunkt des Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG komme nicht in Betracht.
II.3. Auch eine Altersdiskriminierung in dem von der Kl aufgezeigten Sinn – die verlängerte Vorrückung (§ 153 L-DBR idF der Novelle 74/2011, in Kraft getreten am 1.1.2004) gelte für die Kl, nicht aber für einen am 1.9.2003 eingetretenen DN – liegt nicht vor. Stichtagsregelungen, wodurch für bestimmte AN ab einem bestimmten Eintrittstag andere Vorschriften geschaffen werden, sind nach der Rsp des EuGH nicht altersdiskriminierend (vgl 9 ObA 86/20t Rz 10 unter Hinweis auf EuGH 14.2.2019, Rs C 154/18, Horgan, Keegen/Irland). Eine Differenzierung der Anrechnung von Vordienstzeiten nach Maßgabe unterschiedlicher DG stellt hier auch keine Diskriminierung aufgrund des Alters oder eines an das Alter anknüpfenden Ereignisses dar.
II.4. Die von der Kl aufgeworfenen Fragen zur Reichweite des Verjährungsverzichts der Bekl stellen sich danach nicht.
Die vorliegende E überrascht auf den ersten Blick in einem ihrer Ergebnisse: Trotz (europarechtlichen) Diskriminierungs- bzw Beschränkungsverboten und den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungspflichten ist eine Ungleichbehandlung eines österreichischen AN im Rahmen eines Binnensachverhalts nicht rechtswidrig. Die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen betrafen die AN-Freizügigkeit, den Gleichheitssatz (Inlandsmarktdiskriminierung) und die Altersdiskriminierung.
Wenn der Umfang der Vordienstzeitenanrechnung arbeitgeberspezifisch differenziert, kann dies die ANFreizügigkeit verletzen (EuGHC-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, ECLI:EU:C:2019:373; vgl idZ auch die krit Bespr von Pfalz, DRdA 2020/17). Darauf berief sich die Kl iZm einem Inlandssachverhalt; die österreichischen Vordienstzeiten wurden ihr bei einem in Österreich ansässigen AG nicht vollumfänglich angerechnet.
Im Gegensatz dazu stehen Lehre und Judikatur auf dem Standpunkt, dass eine Berufung auf die AN-Freizügigkeit nur dann möglich ist, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt (vgl etwa Fuchs/Marhold/Friedrich, Europäisches Arbeitsrecht6 [2020] 81; Terhechte in Schlachter/Heinig [Hrsg], Europäisches Arbeits- und Sozialrecht2 [2021] 280 § 1 Rz 49; Steinmeyer in Franzen/Gallner/Oetker [Hrsg], Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht4 [2022] 20 AEUV Art 45 Rz 35 ff; EuGHC-175/78, Saunders, ECLI:EU:C:1979:88; EuGHC-35 und 36/82, Morson und Jhanjan, ECLI:EU:C:1982:368). Dies ist verständlich, weil Grundvoraussetzung einer AN-Freizügigkeitsverletzung ihre tatsächliche Inanspruchnahme ist. Folgerichtig hat daher der OGH eine Anwendung des Unionsrechts verneint. Die hier vorliegende Schlechterstellung ist daher aus europarechtlicher Sicht zulässig. Dadurch ist aber nicht gesagt, dass eine solche Vorgehensweise nicht eine Diskriminierung darstellen kann, welche den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verletzt.
Im Zuge der Prüfung, ob eine Verletzung des Gleichheitssatzes vorliegt, spricht das Höchstgericht von einer „Inländerdiskriminierung“. Zutreffender erscheint die Begriffsverwendung „Inlandsmarktdiskriminierung“. Eine solche liegt vor, wenn Sachverhalte mit Gemeinschaftsbezug aufgrund des Unionsrechts besser behandelt werden als rein innerstaatliche Sachverhalte. IdR wird daher nicht unmittelbar nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft differenziert, wohl aber trifft diese Differenzierung im Ergebnis vor allem Staatsbürger (Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 442). Genau dies war beim gegenständlichen Sachverhalt der Fall. Dort wo aufgrund eines grenzüberschreitenden Bezugs Unionsrecht zur Anwendung gelangt, werden sämtliche „gleichartigen“ oder „identischen“ Vordienstzeiten zur Gänze angerechnet, unabhängig davon, bei welchen AG sie zurückgelegt wurden, bei Binnensachverhalten nicht. Darüber hinaus werden aber auch österreichische Staatsbürger untereinander ungleich behandelt, nämlich Wander-AN mit österreichischer Staatsbürgerschaft (die etwa im Ausland Vordienstzeiten erworben haben, die sie nach Unionsrecht angerechnet erhalten) im Vergleich zu sonstigen österreichischen AN, bei denen kein Auslandsbezug vorliegt. Insofern war es verständlich, dass der OGH verfassungsrechtliche Bedenken hegte (vgl hierzu den Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH; OGH 25.11.2021, 9 ObA 29/21m).
Diese wurden vom VfGH nicht geteilt (VfGH 1.7.2022, G 59/2022). Der Grund hierfür liegt nach Meinung des Höchstgerichts vor allem in § 21 Abs 4 B-VG (so auch schon VfGHB 1427/08 ua, VfSlg 19.110). Diese Bestimmung sieht nur ein Gebot der Gleichbehandlung für jene Vordienstzeiten vor, die bei anderen Gebietskörperschaften absolviert wurden. Dementsprechend könnten Vordienstzeiten anderer Art auch schlechter behandelt werden, weil die einschlägige unionsrechtlichen Rechtsvorgaben bei Inlandssachverhalten nicht greifen würden. Mit Art 21 Abs 4 B-VG wäre demnach eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage (und insofern eine lex specialis zu Art 7 B-VG bzw Art 2 StGG) für eine Bevorzugung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften gegenüber Dienstzeiten bei anderen Einrichtungen geschafgeschaffen worden, die einen Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten ausschließen würde.
Dem rechtlichen Ergebnis, dass Art 21 Abs 4 Satz 2 B-VG nicht nur eine Gleichbehandlungspflicht für Vordienstzeiten bei Gebietskörperschaften festlegen wollte, die sich zumeist auch aus der Anwendung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes ergeben würde, sondern vielmehr gleichzeitig auch die Rechtsgrundlage dafür bietet, andere Vordienstzeiten anders behandeln zu dürfen, ist mE zuzustimmen. Die Folgefrage, welche dadurch aber entsteht, ist die Reichweite dieser lex specialis: Erlaubt sie auch gleichartige Dienstzeiten, welche bei verschiedenen DG der Privatwirtschaft erbracht wurden, untereinander ungleich zu behandeln, oder unterliegt ein solcher Regelungsbereich wieder dem Gleichheitssatz? Bei Verneinung eines Anwendungsbereichs desselben wäre dann jedenfalls nicht nur eine Ungleichbehandlung zwischen Vordienstzeiten aus Gebietskörperschaften und Vordienstzeiten aus der Privatwirtschaft möglich, sondern es könnten zusätzlich auch gleichartige Dienstzeiten, die bei verschiedenen DG der Privatwirtschaft erbracht wurden, ungleich behandelt werden, ohne dass sich eine solche Vorgehensweise am Gleichheitssatz messen lassen müsste („Dreiklassengesellschaft der Vordienstzeitenanrechnung“).
Meiner Meinung nach regelt Art 21 Abs 4 Satz 2 B-VG nur ein Gleichbehandlungsgebot der Vordienstzeiten aus Gebietskörperschaften, aus dem gleichzeitig die Möglichkeit der Andersbehandlung anderer Vordienstzeiten folgt. Ein weiterer Anwendungsbereich lässt sich weder Wortlaut, Entstehungsgeschichte (vgl hierzu VfGH B 1427/08 ua VfSlg 19.110) noch Normzweck entnehmen. Zu letzterem hält der VfGH (1.7.2022, G 59/2022) Folgendes fest: „Mit Art 21 Abs 4 B-VG wurde demnach eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage [...] für eine Bevorzugung von Dienstzeiten bei Gebietskörperschaften gegenüber Dienstzeiten bei anderen Einrichtungen geschaffen.“
Das Verhältnis anderer Privatwirtschaftsvordienstzeiten zueinander ist daher durch die Gesetzesstelle nicht mitgeregelt. Dementsprechend findet der Gleichheitssatz auf unterschiedliche Vordienstzeitenanrechnungen dieser Art Anwendung.
Im Bereich des österreichischen Dienstrechts fanden wiederholt Altersdiskriminierungen statt. Zunächst war es altersdiskriminierend, dass Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht berücksichtigt wurden (EuGHC-88/08, Hütter, ECLI:EU:C:2009:381). Im Zuge der Gesetzessanierung erfolgte dann eine erneute Diskriminierung: Die relevanten Gesetzesstellen sahen vor, dass auch bereits eingetretene Bedienstete die Anrechnung dieser Vordienstzeiten begehren konnten; eine solche führte aber dazu, dass sich der zweijährige Vorrückungszeitraum für eine Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe auf fünf Jahre verlängerte (EuGHC-530/13, Schmitzer, ECLI:EU:C:2014:2359). 281
§ 153 Abs 1 L-DBG wurde mit LGBl 2011/74 ebenfalls dahingehend verändert, dass der Vorrückungszeitraum für einen Sprung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe um drei Jahre verlängert wurde. Da die Kl aber erst zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, wo diese Neuregelung bereits in Kraft war und diese darüber hinaus nicht altersspezifisch differenzierte, hat der OGH zu Recht unter Verweis auf die einschlägige Judikatur zu Stichtagsregelungen eine Altersdiskriminierung verneint. Wie das Höchstgericht treffend anmerkt, liegt eine solche auch dann nicht vor, wenn das Ausmaß der Vordienstzeitenanrechnung je nach früherem DG unterschiedlich gestaltet ist (vgl §§ 256 f L-DBG). Auch idZ fehlt die altersspezifische Differenzierung, welche die Grundlage für eine allfällige Altersdiskriminierung darstellt.
Nach alldem bleibt aber noch die Frage unbeantwortet, ob es unsachlich ist, dass ein Entlohnungssystem für eine Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe einen Fünfjahreszeitraum vorsieht, während für alle folgenden Vorrückungen ein Zweijahreszeitraum ausreichend ist. An und für sich könnten diese unterschiedlichen Vorrückungszeiträume damit begründet werden, dass aufgrund der Einarbeitungszeit zu Beginn des Dienstverhältnisses der für eine Vorrückung maßgebliche zusätzliche Erfahrungsmehrwert erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. Gegen eine solche Argumentation spricht aber die Entstehungsgeschichte der Norm. Wie bereits erwähnt, sah diese bis zu LGBl 2011/74 auch für die Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe einen Zweijahreszeitraum vor. Bis dahin ging der Gesetzgeber offensichtlich davon aus, dass aufgrund der Einarbeitungszeit kein längerer Vorrückungszeitraum notwendig ist. Die Begründung muss daher anderswo liegen; ein Blick in die Materialien (ErläutRV 3083/1 BlgLT 16. GP 7) erweist sich als hilfreich: Der generell längere Vorrückungszeitraum sollte eine besoldungsrechtliche Besserstellung verhindern, die bei unveränderter Rechtslage dadurch eingetreten wäre, dass Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr anzurechnen sind. Somit könnten vielleicht budgetäre Erwägungen als Rechtfertigung dienen, um eine Verfassungswidrigkeit zu verhindern. Glücklicherweise stellt sich diese Frage nicht mehr iZm der aktuellen Rechtslage und einer Einstufung in das Entlohnungsschema SII/Gesundheitsberufe (vgl § 256a Abs 4 L-DBG). Seit LGBl 2018/17 beträgt nämlich der für die Vorrückung in die zweite Entlohnungsstufe erforderliche Zeitraum wieder zwei Jahre...