31Beitragszeiten nach § 18b ASVG als besondere Höherversicherung
Beitragszeiten nach § 18b ASVG als besondere Höherversicherung
In § 248c ASVG bringt der Gesetzgeber seine Absicht zum Ausdruck, während des Bezugs einer Alterspension eingezahlte Pensionsversicherungsbeiträge auch auf eine laufende Pensionsleistung (in Form einer besonderen Höherversicherung) anzurechnen.
Eine sachliche Begründung dafür, dass Selbstversicherungszeiten nach § 18b ASVG vor Anfall einer Pension pensionserhöhend wirken, danach hingegen nicht, ist nicht ersichtlich.
Werden neben dem Bezug einer Alterspension (AP) leistungswirksame Beitragsmonate aufgrund einer Selbstversicherung in der PV für Zeiten der Pflege naher Angehöriger (§ 18b ASVG) erworben, so gebührt dafür in analoger Anwendung des § 248c ASVG ein besonderer Höherversicherungsbetrag.
[1] Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob ein besonderer Höherversicherungsbetrag nach § 248c ASVG für Zeiten einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG, die neben dem Bezug einer (regulären) AP erworben wurden, zusteht.
[2] Die * 1957 geborene Kl bezieht seit 1.6.2019 eine Alterspension von der bekl Pensionsversicherungsanstalt. Im Zeitraum vom 1.10.2019 bis zum 31.8.2021 erwarb die Kl insgesamt 23 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung aufgrund der Selbstversicherung gem § 18b ASVG, weil sie ihre Mutter, die Pflegegeld der Stufe 3 bezog, unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegte.
[3] Mit Bescheid vom 13.8.2021 lehnte die Bekl den Antrag der Kl auf Neubemessung der AP ab, weil die Kl neben dem Pensionsbezug keine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.
[4] Die Kl begehrt die Neubemessung der AP. Zeiten der Selbstversicherung nach § 18b ASVG seien bei der Pensionshöhe entsprechend zu berücksichtigen, weil die Erfüllung der Voraussetzungen des § 18b ASVG einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit iSd § 248c ASVG gleichzustellen sei.
[5] Die Bekl beantragte die Abweisung der Klage. Der Wortlaut des § 248c ASVG stelle auf eine die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit ab.
[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. [...] Wenn der Gesetzgeber eine freiwillige Selbstversicherung nach § 18b ASVG neben dem Bezug einer AP zulasse und dafür (vom Bund) auch Beiträge entrichtet werden müssten, wäre es nicht sachgerecht, wenn der Versicherte dafür überhaupt keine Gegenleistung bekäme. [...] Es liege daher eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch analoge Anwendung des § 248c ASVG zu schließen sei, sodass der Kl der in § 248c ASVG vorgesehene besondere Höherversicherungsbetrag gebühre.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. [...] Die Revision sei zulässig, weil zu dieser Frage keine höchstgerichtliche Rsp vorliege. 282
[...]
[10] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
[11] 1.1. Auf die Kl, die nach dem 31.12.1954 geboren ist und bis zum Ablauf des 31.12.2004 Versicherungsmonate nach dem ASVG erworben hat, ist das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) anzuwenden (§ 1 Abs 3 APG, § 2a Abs 2 ASVG). [...]
[12] 1.2. Das Ausmaß der AP wird in § 5 APG geregelt. Davon ist allerdings nur der sich aus dem Pensionskonto ergebende Leistungsbestandteil der AP (die „Kontopension“) erfasst. [...]
[13] 1.3. Ob der Kl der strittige Anspruch auf den besonderen Höherversicherungsbetrag zusteht, ist somit ausschließlich aufgrund der Bestimmungen des ASVG, insb seines § 248c, zu prüfen.
[14] 2.1. [...] Bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit sind immer Pensionsversicherungsbeiträge zu entrichten, auch wenn bereits eine Pension bezogen wird (Marek in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [72. Lfg 2021] § 248c Rz 2). [...] Es besteht [allerdings] keine allgemeine Rechtsgrundlage für eine Neuberechnung einer bereits angefallenen und berechneten Pension, auch wenn während des Pensionsbezugs weitere Versicherungszeiten erworben wurden (Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 248c ASVG Rz 1).
[15] 2.2. Ohne § 248c ASVG wären die Pensionsbeiträge von erwerbstätigen Alterspensionisten daher „verloren“ (Sonntag in Sonntag, ASVG13 § 248c Rz 1). Das Bestehen einer solchen Beitragspflicht trotz der bereits eingetretenen Versorgung in Form einer Pensionsleistung begegnet nach der Rsp des VfGH genauso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfGHB 418/90 VfSlg 12.739 [Pkt 3.]; G 38/72, V 40/72, V 44/72 VfSlg 6947 [Pkt 1.3.]) wie nach Ansicht des Gesetzgebers eine Beitragsleistung ohne direkte Leistungsauswirkung (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336 zum Budgetbegleitgesetz 2003).
[16] 2.3. Unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben wurde bis zum Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71(idF: BBG 2003) allerdings Kritik daran geübt, dass Pensionisten (weiter) Pensionsversicherungsbeiträge zahlten, ohne dafür eine entsprechende Leistung zu erhalten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336). Dies veranlasste den Gesetzgeber zur Einfügung des § 248c ASVG mit dem BBG 2003, BGBl I 2003/71, seitdem dem (der) Versicherten ein besonderer (nach Abs 2 berechneter) Höherversicherungsbetrag gebührt, wenn neben dem Bezug einer AP ab dem Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters eine die Pflichtversicherung nach dem ASVG oder dem GSVG oder dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Die entrichteten Beiträge der Alterspensionisten werden damit als Beiträge zur Höherversicherung gewertet (Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 248c ASVG Rz 1). Nach den Materialien soll die Anrechnung der Beiträge erwerbstätiger Alterspensionisten pensionserhöhend wirken (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 329) und es soll somit die Bereitschaft älterer Personen, weiterhin berufstätig zu sein, auch pensionsrechtlich honoriert werden (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336).
[17] 2.4. Nach dem Wortlaut des § 248c ASVG gebührt der dort geregelte besondere Höherversicherungsbetrag (nur) bei Ausübung einer die Pflichtversicherung nach dem ASVG oder dem GSVG oder dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit neben dem Pensionsbezug, die im vorliegenden Fall unstrittig nicht vorliegt.
[18] 3. Die Kl erwarb vielmehr Beitragszeiten einer freiwilligen Versicherung aufgrund einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG.
[19] [...]
[20] 3.2. Die Möglichkeit der Selbstversicherung in der PV für die Pflege naher Angehöriger nach § 18b ASVG wurde durch das SozialversicherungsÄnderungsgesetz 2005, BGBl I 2005/132(idF: SVÄG 2005), geschaffen, um eine sich aus der damals geltenden Rechtslage ergebende „Lücke“ im Bereich der Selbstversicherungsmöglichkeiten für Pflegepersonen (zuvor bestand lediglich die Möglichkeit einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG, die aber das Bestehen einer Versicherung unmittelbar vor Aufnahme der Pflege voraussetzte, oder einer Selbstversicherung nach § 18a ASVG, die aber auf die Pflege behinderter Kinder beschränkt war) zu schließen (ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP 4). Sie ist eine Weiterentwicklung eines Pensionsversicherungsverständnisses, das gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten in den Mittelpunkt stellt, die sonst im erwerbszentrierten Pensionsversicherungssys tem keine Berücksichtigung finden (Pöltner, Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung, zuvo 2007/4, 4 [7]), und bezweckt vorrangig, es den Pflegepersonen zu ermöglichen, die Zeit der Pflege als Zeit der PV für die Altersversorgung zu erwerben (10 ObS 44/21z [Pkt 4.2.4]; R. Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 35 [36]).
[21] 3.3. Unter den in § 18b ASVG näher genannten (und im vorliegenden Fall für 23 Beitragsmonate unstrittig erfüllten) Voraussetzungen besteht seither die zusätzliche Möglichkeit einer freiwilligen PV, die auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit bestehen kann (ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP 4; ErläutRV 179 BlgNR 24. GP 8; Strohdorfer in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [68. Lfg 2019] § 18b Rz 2; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 10; Resch, Neuregelung der sozialrechtlichen Absicherung pflegender naher Angehöriger, iFamZ 2010, 81 [84 ff]; Pöltner, Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung, zuvo 2007/4, 4 [7]; vgl auch VwGH2011/08/0050). Eine Kumulierung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG mit einer anderen pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit führt gem § 248a ASVG (nur) zu einem besonderen Steigerungsbetrag wegen Höherversicherung (RS0127196; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 11).
[22] [...]
[23] 3.5. Als Ausnahme vom Grundsatz der Subsidiarität (oben Rz 3.1.) besteht seit dem Arbeitsrechts- 283 Änderungsgesetz 2013, BGBl I 2013/138(idF ARÄG 2013) ein Ausschluss aus der Möglichkeit der Selbstversicherung gem § 18b Abs 1a ASVG (nur) während der Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit j ASVG (pflegeteilzeitbeschäftigte Personen) auf Grund des Bezugs eines aliquoten Pflegekarenzgeldes. Einen Ausschluss für den Fall eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine monatlich wiederkehrende Geldleistung aus einer eigenen gesetzlichen PV sieht das Gesetz in § 18b ASVG – anders als ausdrücklich § 16a Abs 2 Z 2 ASVG für die Selbstversicherung nach § 16a, § 17 Abs 1 letzter Halbsatz ASVG für die Weiterversicherung nach § 17, § 19a Abs 1 letzter Satz ASVG für die Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung und (bis zum Sozialversicherungs- Anpassungsgesetz [SVAG] 2015, BGBl I 2015/2) § 18a Abs 2 Z 1 ASVG für die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG – nicht vor. Nach der Rsp des VwGH ist der Bezug einer AP daher kein Hindernis für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG (VwGHRo 2020/08/0004).
[24] 3.6. Die Begünstigung bei dieser Selbstversicherung (wie bei jenen nach den §§ 17 und 18a ASVG) besteht darin, dass für diese Selbstversicherung von den Versicherten selbst keine Beiträge zu zahlen sind: Monatliche Beitragsgrundlage ist der für nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG pflichtversicherte (Kinder-)Erziehenden festgesetzte (fixe) Betrag (§ 76b Abs 5a iVm § 44 Abs 1 Z 18 ASVG), von dem zwar ein Beitrag nach § 51 Abs 1 Z 3 ASVG (22,8 % der Beitragsgrundlage) zu entrichten ist (§ 77 Abs 2 ASVG), der aber zur Gänze aus den Mitteln des Bundes zu tragen ist (§ 77 Abs 8 ASVG). Da den Pflegepersonen Beitragszeiten in der PV ohne eigene Beitragsleistung zuwachsen, handelt es sich nicht nur um eine Versicherung, sondern auch um eine Sozialleistung (R. Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 37).
[25] 3.7. Aus der (auch im Fall der Kl unstrittig vorgelegenen) Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger nach § 18b ASVG folgt (bei Vorliegen der sonstigen, hier ebenso wenig strittigen Voraussetzungen) der Erwerb von Beitragszeiten zur PV (§ 225 Abs 1 Z 3 ASVG). Vor Anfall einer Pension sind diese Beitragszeiten nach § 11 Z 3 APG kontenmäßig zu erfassen und der Ermittlung der Kontopension nach § 12 APG zugrunde zu legen (nach Altrecht konnten sie gem § 242 Abs 8 ASVG ebenfalls in die Pensionsberechnung einfließen).
[26] 4.1. Für eine Berücksichtigung solcher Selbstversicherungszeiten bei der Pensionshöhe, die nach Anfall der AP, also neben dem Bezug einer AP, erworben wurden, fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. [...] Für die Anwendung des § 248c ASVG auf den Fall der Selbstversicherung nach § 18b ASVG bedürfte es [...] eines Analogieschlusses.
[27] 4.2. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke iS einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus (RS0098756 [T1]). Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008866; RS0098756 [T14]). Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (RS0098756 [T3]). Hat der Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (RS0008757 [T1]; RS0008866 [T8]).
[28] 4.2.1. Der besondere Höherversicherungsbetrag des § 248c ASVG folgte der Kritik daran, dass Alterspensionisten Pensionsversicherungsbeiträge zahlten, ohne dafür eine entsprechende Leistung zu erhalten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336). Damit kommt die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, während des Bezugs einer AP eingezahlte Pensionsversicherungsbeiträge auch auf eine laufende Pensionsleistung (in Form einer besonderen Höherversicherung) anzurechnen. Grund der Anrechnung war sichtlich weniger das Vorliegen einer Pflichtversicherung oder einer Erwerbstätigkeit der Pensionsbezieher, sondern der Umstand, dass eingezahlte Beiträge leistungswirksam sein sollten.
Eine sachliche Begründung für eine Differenzierung dahingehend, dass diese Selbstversicherungszeiten vor Anfall einer Pension pensionserhöhend wirken, danach hingegen nicht, ist daher nicht ersichtlich.
[29] 4.2.2. Darüber hinaus werden – wie ausgeführt (oben Pkt 3.5.) – für solche Selbstversicherungszeiten, in denen eine AP bezogen wird, gleichermaßen Beitragsmonate erworben. Zwar folgt aus dem Erwerb von Beitragsmonaten nicht zwingend, dass diese auch leistungswirksam sein müssen. Bei einer Selbstversicherung scheint es aber wenig sinnvoll, den Betroffenen ein Wahlrecht einzuräumen, Beitragszeiten zu erwerben, denen das Leistungsrecht ohnedies die Anerkennung versagt (vgl VwGHRo 2015/08/0022 [Pkt 2.2.]; Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 41). Mangels möglicher Auswirkungen für die Selbstversicherten bestünde ansonsten gar kein Anreiz für die Inanspruchnahme einer so ausgestalteten Selbstversicherung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Beiträge im Fall des § 18b ASVG gem § 77 Abs 8 ASVG zur Gänze vom Bund getragen werden. Würden diese Beiträge von vornherein nicht leistungswirksam sein können, würde dieser Bestimmung im Fall eines Bezugs einer AP ausschließlich budgetpolitische Wirkung zukommen, was im Rahmen einer – dem Ermessen der jeweiligen Pflegeperson obliegenden – freiwilligen Versicherung unpassend und mit der Ausgestaltung als – den Pflegepersonen zukommende – Sozialleistung nicht vereinbar wäre.
[30] 4.2.3. Es deutet auch nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber den Fall der Selbstversicherung nach § 18b ASVG in § 248c ASVG bewusst von einer Höherversicherung ausnehmen wollte. Der 284 Umstand, dass in § 248c ASVG und in den Gesetzesmaterialien des BBG 2003 nur von einer Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit (und nicht von einer freiwilligen Versicherung infolge Selbstversicherung nach § 18b ASVG) die Rede ist, ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass zur Zeit der Einfügung des § 248c ASVG eine freiwillige Versicherung in der PV neben dem Bezug einer AP noch gar nicht vorgesehen war. Damals bestanden in der PV vielmehr nur die Möglichkeiten der Selbstversicherung nach § 16a ASVG, der Weiterversicherung nach § 17 ASVG, der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG und der Selbstversicherung nach § 19a ASVG, die allesamt während des Bezugs einer AP ausgeschlossen waren (§ 16a Abs 2 Z 2, § 17 Abs 1 letzter Halbsatz, § 18a Abs 2 Z 1 und § 19a Abs 1 letzter Satz ASVG). Bei Schaffung des § 248c ASVG bestand daher gar kein Anlass dafür, dem Erwerb von Selbstversicherungszeiten durch Alterspensionisten überhaupt Beachtung zu schenken und in der Formulierung des § 248c ASVG entsprechend zu berücksichtigen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des SVÄG 2005 bei der Einführung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG oder bei den nachfolgenden Novellierungen der §§ 18b oder 248c ASVG auf den Fall der Pflege naher Angehöriger durch Personen, die bereits eine AP beziehen, Bedacht genommen und Selbstversicherungszeiten nach § 18b ASVG bei der besonderen Höherversicherung nach § 248c ASVG bewusst nicht berücksichtigen wollte.
[31] 4.3. Die von der Bekl in der Revision gegen eine Analogie vorgetragenen Argumente überzeugen hingegen nicht.
[32] 4.3.1. Es mag zutreffen, dass die Selbst- bzw Weiterversicherung in der PV ursprünglich das Ziel hatte, die Anwartschaft für eine AP zu ermöglichen. Die gesetzgeberische Wertung änderte sich mit der Schaffung des § 248c ASVG aber insofern, als Beitragszeiten für die Bezieher einer AP pensionserhöhend wirken sollten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 329). Auch der Selbstversicherung nach § 18b ASVG lässt sich nicht entnehmen, dass die Zielsetzung auf den Erwerb einer Anwartschaft zu einer Pension eingeschränkt sein sollte, ist dafür doch nicht nur eine Versicherungs-, sondern auch eine Beitragszeit samt fixer Beitragsgrundlage vorgesehen, die naturgemäß in die Höhe der Pension einfließen. Die Zielsetzung der Selbstversicherung, es den Pflegepersonen zu ermöglichen, die Zeit der Pflege als Zeit der PV für die Altersversorgung zu erwerben, spricht im Übrigen nicht gegen die Berücksichtigung von nach dem Anfall der AP erworbenen Beitragszeiten, weil diese Zielsetzung auf sämtliche Beitragszeiten zutrifft. Insb Pflichtversicherungszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit dienen der Sicherung der Altersversorgung, was den Gesetzgeber aber nicht davon abhielt, solche Zeiten, die nach Anfall einer AP erworben werden, pensionserhöhend wirken zu lassen. In diesem Sinn sichert auch die Erhöhung der bisherigen Pensionsleistung aufgrund von während laufenden Bezugs eingezahlter Beiträge die (weitere) Altersversorgung (in einem bestimmten Umfang).
[33] 4.3.2. Soweit sich die Bekl in der Revision dagegen wendet, dass die Selbstversicherung nach § 18b ASVG auch Pensionisten offen steht, ist sie auf die oben (Pkt 3.5.) zitierte Rsp des VwGH zu verweisen, der der OGH nicht entgegenzutreten vermag. Der Gesetzgeber normierte ausdrücklich Ausschlüsse für bestimmte Formen der freiwilligen Versicherung (bei Bezug einer Pensionsleistung) und fügte für die Selbstversicherung in § 18b Abs 1a ASVG einen weiteren Ausschluss (nur) für Zeiten des Bezugs von Pflegekarenzgeld hinzu, woraus der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass der Bezug einer Pensionsleistung eine Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht verhindert.
[34] 4.3.3. Aus dem von der Bekl geschätzten Mehraufwand aus öffentlichen Mitteln lässt sich für ihren Standpunkt nichts ableiten. Ein solcher Mehraufwand konnte in der RV zum BBG 2003 nicht berücksichtigt werden, weil die Möglichkeit der Selbstversicherung nach § 18b ASVG damals noch nicht bestand und andere freiwillige Versicherungen für Alterspensionisten nicht in Betracht kamen. Der Umstand, dass in den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 18b ASVG bzw den nachfolgenden – nicht die hier maßgeblichen Passagen – betreffenden Novellierungen der §§ 18b und 248c ASVG die finanziellen Folgen der Tragung der Beiträge (auch) für Alterspensionisten oder einer Berücksichtigung dieser Beiträge nach § 248c ASVG nicht angeführt sind, bedeutet bloß, dass der Fall einer Selbstversicherung nach § 18b neben dem Bezug einer AP dort nicht bedacht wurde und spricht daher nicht grundsätzlich gegen eine analoge Anwendung des § 248c ASVG.
5. Zusammengefasst ergibt sich:
[35] Werden neben dem Bezug einer AP leistungswirksame Beitragsmonate aufgrund einer Selbstversicherung in der PV für Zeiten der Pflege naher Angehöriger (§ 18b ASVG) erworben, so gebührt dafür in analoger Anwendung des § 248c ASVG ein besonderer Höherversicherungsbetrag.
Der VfGH judizierte vor der Einführung der besonderen Höherversicherung nach § 248c ASVG in stRsp, dass eine Beitragsverpflichtung zur Pflichtversicherung aufgrund einer neben einem Pensionsbezug ausgeübten Beschäftigung ungeachtet dessen verfassungsrechtlich zulässig sei, dass damit keine Veränderung der Pensionshöhe mehr erzielt werden könne. Die Zugehörigkeit zur jeweiligen Riskengemeinschaft erwerbstätiger Personen allein rechtfertige die Verpflichtung zur Beitragsleistung (grundlegend VfGH1972/VfSlg 6947; VfGH 2000/VfSlg 16.007 uva). Das müsste doch umso mehr dann gelten, wenn die Beiträge aus Steuermitteln beigebracht werden, also von der versicherten Person Beiträge im herkömmlichen Sinne nicht entrichtet wurden. Spricht das aber nicht überhaupt gegen das Ergebnis des OGH? 285
Die freiwillige Selbstversicherung nach §§ 18a oder 18b ASVG unterscheidet sich von der traditionellen Ausgestaltung der freiwilligen Versicherung nach §§ 16a und 17 ASVG aktuell (und in dem im vorliegenden Fall maßgebenden Zeitraum) in zwei Punkten: Die Beiträge kommen nicht aus Mitteln der versicherten Person, sondern aus Steuermitteln und zugleich ist diese Selbstversicherung während eines Pensionsbezuges nicht (ausdrücklich) ausgeschlossen. Auf der Leistungsseite beschränkt jedoch § 248c ASVG die nachträgliche Berücksichtigung von Beitragszeiten, die neben einem Pensionsbezug erworben wurden, als besondere Höherversicherung auf Beitragszeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Der OGH führt gegen diese Rechtslage ins Treffen, dass es bei einer Selbstversicherung wenig sinnvoll erscheine, den Betroffenen ein Wahlrecht einzuräumen, Beitragszeiten zu erwerben, denen das Leistungsrecht die Anerkennung versagt. Es bestünde kein Anreiz für die Inanspruchnahme einer so ausgestalteten Selbstversicherung. Eine ausschließlich budgetpolitische Wirkung einer solchen Selbstversicherung wäre „im Rahmen einer – dem Ermessen der jeweiligen Pflegeperson obliegenden – freiwilligen Versicherung unpassend und mit der Ausgestaltung als – den Pflegepersonen zukommende – Sozialleistung nicht vereinbar“. Man muss sich aber auch fragen, aus welchen Gründen der Bund eine Versicherung just in jenen Fällen zusätzlich subventionieren sollte, in denen gerade keine Mehrausgaben der PV eintreten.
Will man ein solches Ergebnis dem Gesetzgeber nicht unterstellen, dann gibt es zwei methodische Lösungsansätze: die Selbstversicherung nach § 18b ASVG für Pensionsbezieher mit Blick auf ihre leistungsrechtliche Wirkungslosigkeit nicht zuzulassen (der Sache nach eine teleologische Reduktion ihrer Voraussetzungen) oder eine teleologische Lücke im Leistungsrecht zu finden und per analogiam zu schließen.
Die erste Variante hat der VwGH verbaut (vgl etwa den Fall VwGH 6.5.2020, Ro 2020/08/0004). Er blickt nicht auf das Leistungsrecht, sondern vergleicht nur mit anderen freiwilligen Versicherungen: Diese sind ausdrücklich für den Fall ausgeschlossen, dass ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine monatlich wiederkehrende Geldleistung bzw eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen PV besteht (§ 17 Abs 1 und § 16a Abs 2 Z 2 ASVG). Das hat einen guten Grund darin, dass mit dem Pensionsstichtag und der Pensionszuerkennung der Versicherungsverlauf abgeschlossen ist und daher für diese Leistung keine weiteren Versicherungszeiten mehr erworben werden können. Zeiten der Pflichtversicherung, die während eines Pensionsbezuges erworben wurden, waren bis zum BudgBeglG 2003, BGBl I 2003/71, für diese Leistung ebenso wirkungslos, blieben aber aufgrund der Zugehörigkeit zur Riskengemeinschaft beitragspflichtig. Auch die aus Steuermitteln subventionierte Selbstversicherung nach § 18a ASVG in der Stammfassung der 44. Novelle zum ASVG, BGBl 1987/609 (Pflege eines behinderten Kindes), war (Z 1) bis 31.12.2014 ua während der Zeit eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen PV ausgeschlossen. Hingegen enthielt § 18b ASVG, geschaffen mit dem SVÄG 2005, BGBl I 2005/132, keine vergleichbaren Ausschlussgründe.
Man hätte das auch für ein Versehen des Gesetzgebers halten können. Doch lässt sich dieses Argument seit der Novellierung des § 18a ASVG durch die 84. Novelle zum ASVG (Art 1 des SVAG 2015, BGBl I 2015/2) nicht mehr verwenden: Die mehreren Ausschlussgründe des § 18a Abs 1 Z 1 ASVG in der Stammfassung (also auch jener des Pensionsbezuges) wurden durch diese Novelle nämlich zwecks „Angleichung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes an jene für Zeiten der Pflege naher Angehöriger“ (ErläutRV 321 BlgNR 25. GP 1 und 4) allesamt aufgehoben. Der Ausschlussgrund des Bezuges einer Pensionsleistung, der in der aufgehobenen Z 1 mit enthalten war, wird in den Materialien aber nicht erwähnt, und zwar auch nicht bei der Aufzählung der Vorteile der Neuregelung (ErläutRV, aaO 4); die stillschweigende Beseitigung auch dieses Ausschlussgrundes passt aber immerhin zur Absicht der „Angleichung an § 18b ASVG“.
Die Frage, ob und was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat, die Selbstversicherung nach §§ 18a und 18b (im Gegensatz zur freiwilligen Weiterversicherung nach §§ 16a und 17 ASVG) auch für Pensionsbezieher zuzulassen, ohne (erkennbare) Vorsorge (zB in § 248c ASVG) dafür zu treffen, dass sich diese (freiwillig eingegangene!) Versicherung auch in der Leistung auswirkt, bleibt aufgrund des Schweigens der jeweiligen Materialien offen. Der VwGH nahm jedenfalls den Gesetzgeber beim gesetzlichen Wort und beim erläuternden Schweigen und ließ die Selbstversicherung neben dem Pensionsbezug zu.
Dem OGH wurde vom VwGH damit der „Schwarze Peter“ zugeschoben, entweder die Regelung als für die versicherte Person sinnlos erscheinen zu lassen oder eine kreative Lösung im Leistungsrecht zu finden. Die vorliegende E geht den letzteren Weg mit einer methodisch sauberen Begründung. Zu ergänzen ist dieser Gedankengang allerdings hinsichtlich Rechtssatz 2: Eine Brücke von der Tatsache der Freiwilligkeit der Versicherung allein zu einem Anspruch auf Leistung ist mit Hilfe des Gleichheitssatzes nicht herstellbar, da die versicherte Person keine eigenen Beiträge entrichtet 286 hat. In einem solchen Fall liegt es – angesichts der Rsp des VfGH zur Pflichtversicherung von Pensionisten – noch viel eher im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Beiträge nachträglich in der Leistung zu berücksichtigen oder auch nicht.
§§ 18a und 18b ASVG und ihre Novellen geben uns eine ganze Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass der Gesetzgeber Personen, die andere Menschen (seien es behinderte Kinder, seien es nahe Verwandte) zuhause pflegen, sozialrechtlich „belohnen“ wollte, und zwar in erster Linie durch die Gewährung von Beitragszeiten; dies anfangs zu verbilligten Konditionen (§ 17 iVm § 77 Abs 6 ASVG idF des ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139bzw § 18a ASVG in der Stammfassung der 44. Novelle zum ASVG, BGBl 1987/609), später ohne jegliche eigene Beitragsleistung. So sieht das auch der OGH in seiner Begründung. Das funktioniert aber nur bis zum Eintritt in den Ruhestand. Für den Fall des Zusammentreffens der Selbstversicherung mit Zeiten der Pflichtversicherung (bei anderen freiwilligen Versicherungen ein Ausschlussgrund) trifft § 248a ASVG Vorsorge, worauf der OGH zutreffend hinweist: Insoweit werden die steuerfinanzierten Beiträge zur Selbstversicherung als Höherversicherung berücksichtigt (kritisch zu dieser Auslegung allerdings Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 248a Rz 15 f). Dieses System der „Belohnung für Pflege“ wird aber mit dem Eintritt in den Pensionsbezug verlassen, weil es mangels rechtlicher Grundlagen für nachträgliche Neuberechnungen der Pension plötzlich ins Leere geht.
Auch § 248c ASVG kommt in gewissem Sinne „Belohnungscharakter“ zu: Hier wird nicht Pflege, sondern beitragspflichtige Beschäftigung, die neben dem Pensionsbezug verrichtet wird (zur Erinnerung: ohne verfassungsrechtliche Notwendigkeit vgl VfGH1991/VfSlg 12.739 sowie Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 248c Rz 6; aA Kietaibl, Zur Frage des Mehrfachpensionsbezuges erwerbstätiger Pensionisten, ASoK 2012, 343), „honoriert“ (so ausdrücklich die ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336). Beides, die Pflege Angehöriger und die Beschäftigung trotz Erreichung des Pensionsalters, wird also unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten vom Gesetzgeber als „gesellschaftlich wertvoll“ honoriert.
Ist es in einem solchen System zu rechtfertigen, dass die „belohnte“ Pflege, wird sie neben dem Pensionsbezug verrichtet, plötzlich unbelohnt bleibt, obwohl sich an ihrer gesellschaftlichen Werthaltigkeit, um derentwillen das „Belohnungssystem“ eingeführt wurde, nichts geändert hat und obwohl der Gesetzgeber an sich ein taugliches Vehikel dafür bereitstellt, wenn Pensionsbezieher durch Tätigkeiten neben dem Pensionsbezug das System mit zusätzlichen Beiträgen versorgen?
Nach der Rsp des VfGH bedürfen Ausnahmen von einem System bzw Ordnungsgefüge, das der Gesetzgeber selbst geschaffen hat, einer besonderen sachlichen Rechtfertigung (vgl zB VfGH1987/ VfSlg 11.368 mwH; VfGH1997/VfSlg 14.782; VfGH1997/VfSlg 15.040; VfGH2010/VfSlg 19.158; zur sogenannten Systemjudikatur des VfGH vgl grundlegend Stolzlechner, Konzept und System – neuartige Elemente in der Interpretationspraxis des VfGH, in FS Gerhart Holzinger [2017] 691 [698 ff]; kritisch zu der insoweit nicht einheitlichen Rsp des VfGH Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz [2008] 280 ff [288 ff; zur Systemrechtsprechung im Sozialversicherungsrecht im Besonderen 719 ff]). Die Anwendung jeweils gleicher Grundsätze oder Rechtsfolgen indiziert, dass die betroffenen Sachverhalte bzw gesetzlichen Tatbestände trotz mancher Verschiedenheiten einen Kern von Gemeinsamkeiten aufweisen, aufgrund dessen sie gleich behandelt werden. Soll von einem solcherart geschaffenen System bei einem bestimmten (vergleichbaren) Sachverhalt abgewichen werden, so setzt dies (daher) voraus, dass in dessen Kern nicht Gemeinsamkeit, sondern ein ausreichender Unterschied im Tatsächlichen steckt, der es rechtfertigt, ihn in das System nicht einzubeziehen.
Wenn der Gesetzgeber – wie auch hier – Begünstigungen nach einem bestimmten – dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden – System gewährt, nämlich aufgrund des gemeinsamen Merkmals der gesellschaftlichen Werthaltigkeit des Verhaltens der versicherten Person, lässt sich daher gut vertreten, dass ein Fall des Unterbleibens der Begünstigung einer gesonderten sachlichen Rechtfertigung bedarf (so VfGH1979/VfSlg 8572; VfGH1981/VfSlg 9138; VfGH1987/VfSlg 11.368). Die Belohnung gesellschaftlich erwünschten Verhaltens ist dem Sozialversicherungsrecht auch keineswegs fremd, wie die UV bei altruistischen Verhaltensweisen in § 176 ASVG hinlänglich zeigt.
Die Selbstversicherung bei Pflege neben einem Pensionsbezug zwar zuzulassen, ihr aber (anders als etwa bei Selbstversicherung während einer beitragspflichtigen Beschäftigung) keine Wirkung auf die Leistung zu verleihen, widerspricht diesem „Belohnungssystem“ und bedarf daher nach dem Gesagten gesonderter Rechtfertigung. Der Gesetzgeber schweigt aber über die Gründe dieser Abweichung. Ein sachlicher Grund ist auch sonst nicht zu finden. Dazu kommt – wie bereits weiter oben dargestellt und auch vom OGH hervorgehoben wurde –, dass dieses Abweichen vom „Belohnungssystem“ einer Subventionierung der PV nach Versichertenwillkür ohne Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft gleichkäme und auch aus diesem Grund nicht ernstlich als sachlich gelten kann.
Das Fehlen einer Kongruenz zwischen Versicherungs- und Leistungsseite führt daher zur Annahme einer (unechten bzw teleologischen) Gesetzeslücke als Grundvoraussetzung eines Analogieschlusses. 287
Da diese Lücke aufgrund des Schweigens des Gesetzgebers unerklärlich bleibt, muss er die Lücke als unbeabsichtigt gegen sich gelten lassen. Der Rechtssetzungsautorität kann nämlich nicht zugesonnen werden, eine Wirkung intendiert zu haben, für die sich einsichtige Gründe nicht finden lassen (vgl diesen Gedanken bei Holoubek [im Gefolge von Rill], Gedanken zur Auslegungslehre, in FS Heinz Mayer [2011] 139 [142, 149]).
Von dem Grundsatz, dass eine einmal zuerkannte Pensionsleistung nicht mehr neuberechnet wird, macht § 248c ASVG nur für Beitragszeiten einer Beschäftigung eine Ausnahme. Daran lassen Überschrift, Wortlaut und Materialien keinen Zweifel. Auch § 248c ASVG will aber ein von der Versichertengemeinschaft wertgeschätztes Verhalten belohnen. Angesichts der prägenden Elemente des dargestellten „Belohnungssystems“ der Selbstversicherung entspricht die analoge Heranziehung des § 248c ASVG zur Lückenschließung der Teleologie des Systems zweifellos am besten.
Aus der Beschränkung des § 248c ASVG auf Beschäftigungszeiten lässt sich – ungeachtet kleinerer Novellen – kein starkes Gegenargument gegen seine analoge Anwendung auf die Selbstversicherung gewinnen: Da diese Bestimmung bereits seit 1.1.2004 (BudgBeglG 2003, BGBl I 2003/71) – also schon vor Inkrafttreten des § 18b ASVG – in Geltung stand, stellte sich damals unser Problem noch nicht. Ist nach dem zuvor Gesagten kein Grund für eine verschiedene Behandlung der Selbstversicherung ersichtlich, so ist Analogie und nicht Umkehrschluss geboten (OGH5 Ob 607/84 SZ 57/194).
Dieses aus der Teleologie des Systems der Selbstversicherung bei Pflege zu gewinnende Ergebnis kann aber zugleich auch als ein Fall zulässiger „sozialer Rechtsanwendung“ im Sozialversicherungsrecht verstanden werden (vgl Strasser, Juristische Methodologie und soziale Rechtsanwendung,
[93]; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 [2011] 597; für soziale Rechtsanwendung als Spielart der teleologischen Interpretation auch Pacic, Soziale Rechtsanwendung im Arbeitsrecht, ÖJZ 2010, 70 [72]).Es wurde versucht zu zeigen, dass man vor dem Hintergrund der einschlägigen Rsp des VfGH zwar schwerlich mit den Gleichheitsbedenken des OGH in Rechtssatz 2 allein, wohl aber auf ähnlichen Wegen zum selben Ergebnis kommen kann. Es lässt sich – wie immer bei Wertungsfragen – trefflich darüber streiten, ob der Belohnungsgedanke so essenziell ist, dass er ein System trägt bzw ob das Lückenargument überzeugend genug ist, die analoge Heranziehung des § 248c ASVG zu rechtfertigen. Aber unter teleologischen Gesichtspunkten, wie sie dem Sozialversicherungsrecht hier und auch an anderer Stelle eigentümlich sind, scheinen mir Weg und Ergebnis mehr als vertretbar zu sein. Dem OGH ist daher jedenfalls im Ergebnis und mit Ergänzungen auch in der Begründung zuzustimmen.