33

(Keine) Konkludente Vereinbarung von Schichtarbeit bei mehrjähriger Ausübung

ANDRÉFLATSCHER (SALZBURG)
  1. Dass der Kl Schichtarbeit geleistet hat und ihm dieser Umstand auch bewusst war, führt noch nicht zur Annahme einer konkludenten Vereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung mit Durchrechnung auf Grundlage des § 4a AZG.

  2. Dem Schichtplan nach § 4a AZG muss eine, sich an der Wiederholung eines gleichbleibenden Turnus orientierende Arbeitszeiteinteilung entnehmbar sein.

  3. Dass die Bekl keine BV zur Regelung des Schichtbetriebs abgeschlossen hat, erschwerte dem Kl nicht die Geltendmachung seiner Ansprüche.

[1] Der Kl war seit 1981 AN der Bekl bzw ihrer Rechtsvorgängerinnen und war seit 1997 bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 2018 in der Wechselschlosserei der Bekl im Turnusdienst beschäftigt. Die Mitarbeiter der Wechselschlosserei arbeiteten nach einem einen (sic!) – siebenwöchigen Schichtturnus umfassenden – Dienstplan. Im Rahmen des Schichtplans folgte zweimal auf eine 7 Tage-Woche mit 56 Stunden eine 3 Tage-Woche mit 24 Stunden. In den zwei „kurzen“ Wochen wurden zwei Tage als Ersatzruhetage gewertet. In den übrigen Wochen des Turnus waren 40 Stunden Arbeit vorgesehen. Rechnet man die Stunden im siebenwöchigen Turnus durch, ergibt sich eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Der Kl erhielt kein Überstundenentgelt für die in den beiden „langen“ Wochen verrichteten Überstunden.

[2] Der Schichtplan wurde unter Mitwirkung des BR entwickelt. Eine BV zur Einführung und Ausgestaltung der Schichtarbeit wurde jedoch trotz dazu vorhandener kollektivvertraglicher Ermächtigung nicht abgeschlossen. Eine schriftliche oder (ausdrückliche) mündliche Vereinbarung über die Leistung von Schichtarbeit haben die Parteien nicht getroffen.

[3] Der Kl begehrt die Zahlung von 46.868,60 € brutto sA an Entgeltdifferenzen. Inhaltlich macht er Entgelte und Zuschläge für die im Rahmen der Schichtarbeit im Zeitraum 2015 bis 2018 geleisteten Überstunden sowie eine sich aus der Nichtberücksichtigung solcher Überstunden ergebende Abfertigungsdifferenz geltend. Der Schichtplan berechtige die Bekl mangels Vorliegens einer BV bzw einer individuellen Vereinbarung nicht zur Durchrechnung der Arbeitszeiten des Kl über den Zeitraum von sieben Wochen. 294

[4] Die Bekl stellte die rechnerische Höhe des Klagebegehrens außer Streit. Sie wendet, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen ein, dass der Schichtplan mit dem Kl konkludent vereinbart worden und jedenfalls gesetzeskonform sei. Abgesehen davon seien dem Kl pro Monat 173 Stunden bezahlt worden, für die er nicht noch einmal einen Überstundengrundlohn fordern könne. Die Ansprüche des Kl seien verfallen.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl teilweise Folge. Es bestätigte den Zuspruch von 18.687,48 € brutto sA und wies das Mehrbegehren von 28.181,12 € brutto sA mit der wesentlichen Begründung ab, dass in diesem Umfang die Ansprüche des Kl verfallen seien.

[...]

[9] Die Revisionen der Bekl und des Kl sind mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[...]

I. Zur außerordentlichen Revision der Bekl:

[10] Die Bekl macht geltend, vor dem Hintergrund der tatsächlichen Handhabung des Vertrags sei die Schichtarbeit mit dem Kl in zulässiger Weise nach Treu und Glauben konkludent und als tatsächliche Übung vereinbart worden.

[11] Ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0109021 [T6]). Dass der Kl Schichtarbeit geleistet hat und ihm dieser Umstand auch bewusst war, führt noch nicht zur Annahme einer konkludenten Vereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung mit Durchrechnung auf Grundlage des § 4a AZG. Die Annahme einer schlüssigen Erklärung setzt gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Duldenden) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraus (RS0109021 [T2]).

Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass dem Kl bei Beginn seiner Tätigkeit in der Wechselschlosserei lediglich die Dienstzeiten laut Dienstplan erklärt wurden. Freie Tage wurden nicht thematisiert. In weiterer Folge verrichtete der Kl die Dienste, zu denen er eingeteilt war. Er wurde auch nie über die rechtlichen Konsequenzen des Modells aufgeklärt, mag er auch nach einiger Zeit erkannt haben, dass nach einem Schichtplan gearbeitet wurde. Weiters – und von der Bekl in der Revision auch nicht in Frage gestellt – weist das Berufungsgericht darauf hin, dass der Kl in den beiden „langen“ Wochen des Schichtplans an sieben Tagen 56 Stunden gearbeitet hat, wofür ihm zwar in den auf diese jeweils folgenden „kurzen“ Wochen zwei Ersatzruhetage eingeräumt wurden, mit denen aber nur die Arbeit am Wochenende („Wochenendruhe“, Ersatzruhe iSd § 6 ARG) berücksichtigt wurde. Die vom Kl an den Wochenenden der beiden „langen“ Wochen gearbeiteten 16 Stunden wurden nicht am Zeitguthabenkonto gutgeschrieben, denn dort wurden nur „außertourliche“, also außerhalb des Schichtplans geleistete Überstunden des Kl erfasst.

[12] Anhand der vom Erstgericht festgestellten unstrittigen tatsächlichen Arbeitszeiten des Kl in den Jahren 2015 bis 2018 ist überdies ersichtlich, dass diese nicht durchgehend den im Schichtplan vorgesehenen Arbeitszeiten entsprechen, sondern ist abzuleiten, dass die Bekl den Kl je nach Bedarf auch zusätzlich, jedenfalls anders einsetzte; auch wurde der Rhythmus (sic!) nicht eingehalten. Damit basierte die Schichtarbeit des Kl nicht ausschließlich auf dem von der Bekl herangezogenen Schichtplan; eine sich an der Wiederholung eines gleichbleibenden Turnus orientierende Arbeitszeiteinteilung ist daraus nicht zu entnehmen (vgl Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 §§ 3 bis 4c Rz 47). Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kl weder die rechtlichen Konsequenzen des Modells überblicken, noch im Hinblick auf die gewährten „Ersatzruhezeiten“, die die ausgefallenen wöchentlichen Ruhezeiten (Wochenendruhe) ausgleichen sollten, für sich ableiten konnte, dass die in den zwei Wochen des siebenwöchigen Schichtturnus verrichteten Überstunden überhaupt (durch Zeitausgleich) ausgeglichen wurden, zeigt die Bekl vor diesem konkreten Hintergrund des Einzelfalls nicht auf. Mangels wirksamer einzelvertraglicher Vereinbarung des Schichtplans bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den Ausführungen der Bekl. [...]

[14] Die von der Bekl begehrte „Durchrechnung“ hat aber schon mangels eines wirksam vereinbarten Schichtplans keine Grundlage. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht diesem bereits im Berufungsverfahren eingenommenen Standpunkt der Bekl entgegen gehalten, dass die Verringerung der Arbeitsleistung in den „kurzen“ Wochen des Modells auf einer Gewährung der (von der Bekl selbst behaupteten) Ersatzruhe beruht habe. Für diese sei Entgeltfortzahlung geleistet worden, sodass eine Doppelzahlung des Überstundengrundlohns nicht vorliege. Auf diese rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts geht die außerordentliche Revision nicht ein. Setzt sich die Revision mit den Argumenten des Berufungsgerichts nicht auseinander, ist die Rechtsrüge in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043605; RS0043603 [T9]), sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

II. Zur außerordentlichen Revision des Kl:

[15] Das Berufungsgericht sah die Ansprüche des Kl auf Überstundenentgelte, die vor Dezember 2017 fällig wurden, als verfallen an, weil sie nicht gem § 44 Abs 4 des anzuwendenden KollV für DN der Bekl innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden seien. Der Kl wendet sich in seiner außerordentlichen Revision weder gegen die daraus resultierende Berechnung seiner Ansprüche durch das Berufungsgericht noch gegen die Rechtswirksamkeit der Verfallsklausel an sich. Er macht ausschließlich geltend, dass der Einwand des Verfalls im konkreten Fall gegen Treu und Glauben verstoße und sittenwidrig sei.

[...]

[17] Die Berufung auf eine – für sich allein betrachtet – noch nicht sittenwidrige Verfallsklausel kann 295 lediglich unter gewissen weiteren Umständen sittenwidrig sein: Dies ist etwa dann der Fall, wenn der AG dem AN die rechtzeitige Geltendmachung eines Anspruchs in einer Art und Weise erschwert oder praktisch unmöglich macht, die die spätere Berufung auf die Verfallsklausel als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt. [...]

[18] Der Kl macht geltend, dass sein Zeitguthaben von der Bekl auf zwei Zeitkonten verbucht worden sei. Die richtige Verbuchung von Zeitguthaben habe nur durch den Vergleich zweier Zeitguthaben überprüft werden können, was einem einfachen Arbeiter ohne entsprechende Vorqualifikation nicht zumutbar sei. Dem hat jedoch bereits das Berufungsgericht entgegengehalten, dass nach den Feststellungen für den Kl aus den Lohnzetteln ersichtlich war, wie viele Überstunden von der Bekl abgerechnet wurden. Da der Kl ausschließlich Überstunden geltend macht, die er im Rahmen des siebenwöchigen Schichtturnus geleistet hat und er in diesem Zeitraum in zwei jeweils „langen“ Wochen 56 Stunden anstelle der Normalarbeitszeit von 40 Stunden arbeitete, woraus sich 16 Überstunden errechnen, konnte er anhand der Lohnzettel überprüfen, ob diese Überstunden bezahlt wurden.

[19] [...] Darüber hinaus war es dem Kl grundsätzlich möglich, Einsicht in die Arbeitszeitaufzeichnungen zu nehmen und auch Lohnzettel auszudrucken. Der Kl war zwar nach den Feststellungen ohne Hilfestellung nicht selbst in der Lage, an den Computerterminals der Bekl Einsicht zu nehmen. Er konnte sich aber zu diesem Zweck an seine Vorgesetzten wenden, die ihm – nach Nachschau in das entsprechende Konto – auch die erforderlichen Erklärungen gaben. Aus den Konten ergaben sich die offenen Zeitguthaben. Für die Kontrolle der Zeitguthaben kam es daher auf das Fehlen eigener EDV-Kenntnisse des Kl nicht an.

[20] Ein allgemeiner Rechtssatz, dass sich der AG immer dann nicht auf die Verfallsklausel aus einem KollV berufen könne, wenn er selbst gegen kollektivvertragliche Bestimmungen verstoßen habe, ist dem Gesetz nach stRsp fremd (8 ObA 35/18g mwH; RS0051974 [T1, T3]). Dass die Bekl keine BV zur Regelung des Schichtbetriebs abgeschlossen hat, erschwerte dem Kl nach den Feststellungen im vorliegenden Fall nicht die Geltendmachung seiner Ansprüche. Darin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von dem vom Kl für seinen Standpunkt ins Treffen geführten E 9 ObA 93/19w.

[...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Bei der vorliegenden E handelt es sich um einen Beschluss des OGH, der sich in zwei Teile gliedert. Im zweiten Teil beschäftigte sich der OGH neuerlich mit der Zulässigkeit einer – nach dem KollV anzuwendenden – Verfallsklausel. Wesentlich mehr Sprengkraft enthält der erste Teil, in dem sich der OGH zur Vereinbarkeit von Schichtarbeit äußerte. Spezifische Problemstellungen zu den Tatbestandsmerkmalen des § 4a AZG waren jedoch nicht Inhalt der E. Im Zentrum stand vielmehr die Frage, ob die Leistung von Schichtarbeit und die darauf basierende Durchrechnung der Normalarbeitszeit durch mehrjährige Ausübung konkludent vereinbart wurde. Die folgende Entscheidungsbesprechung setzt sich nicht nur kritisch mit den vom OGH und den von den Parteien vorgebrachten Argumenten auseinander, sondern versucht darüber hinaus, einen alternativen Lösungsweg aufzuzeigen.

2.
(Kritische) Anmerkungen zum ersten Teil der Entscheidung

Es ist zwar richtig, dass der OGH den Inhalt von Willenserklärungen nicht in jedem Einzelfall konkret feststellen muss und deren Auslegung im Allgemeinen daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung begründet (Rn 11). Unter den Umständen des konkreten Falls ist allerdings die Begründung zum einen unvollständig und zum anderen wurden überzeugende Argumente, die für eine gegenteilige Beurteilung des vorliegenden Falls sprechen, nicht (ausreichend) berücksichtigt.

2.1.
Regelung von Schichtarbeit durch KollV, BV, Einzelvereinbarung oder einseitige Anordnung?

Anders als bspw die gleitende Arbeitszeit (vgl § 4b Abs 2 AZG [Gleitzeitvereinbarung]) verlangt die Schichtarbeitsbestimmung des § 4a AZG prinzipiell weder eine (schriftliche) Einzelvereinbarung noch eine BV zur Regelung des Schichtbetriebs. Allerdings sei daran erinnert, dass gem § 19c Abs 1 AZG die Lage der Normalarbeitszeit und ihre Änderung zu vereinbaren ist, soweit sie nicht durch Normen der kollektiven Rechtsgestaltung festgesetzt wird. Durch einen von der/vom AG angeordneten Schichtbetrieb wird nach hA die Lage der Arbeitszeit verändert, weshalb für Schichtarbeit trotz der fehlenden Anordnung in § 4a AZG eine Vereinbarung notwendig ist (vgl Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4a Rz 4; Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 47). Eine Norm der kollektiven Rechtsgestaltung zum Schichtbetrieb in Form einer BV liegt hier nicht vor, weil die bloße Mitwirkung des BR an der Entwicklung des Schichtplans die Formalvoraussetzungen des § 29 ArbVG nicht erfüllt (so auch OGH8 ObA 116/02wDRdA 2003/48, 542 [Löschnigg] = ecolex 2002/325, 828 [Mazal]).

Im vorliegenden Fall ist zudem zu berücksichtigen, dass der AN nicht seit dem Beginn seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 1981, sondern erst ab 1997 seine Tätigkeit im Schichtdienst verrichtete. Abweichend von § 19c Abs 1 AZG kann die/der AG gem § 19c Abs 2 AZG, unter Berücksichtigung der in Z 1-4 leg cit normierten Voraussetzungen, die vereinbarte Arbeitszeiteinteilung einseitig ändern. Zwar enthält der Sachverhalt diesbezüglich keine stichhaltigen Anhaltspunkte, dennoch wird dieses einseitige Änderungsrecht im vorliegenden Fall wohl nicht anzuwenden sein. Nach Klein (in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 47) scheitert nämlich die einseitige Umstellung auf Schicht- 296 arbeit bei AN, die zuvor fixe Arbeitszeiten hatten, im Regelfall an § 19c Abs 2 Z 3 AZG, da diesem weitreichenden Eingriff der/des AG in die Dispositionsfreiheit der/des AN berücksichtigungswürdige Interessen der/des einzelnen AN entgegenstehen. Im Fall OGH8 ObA 116/02w vom 13.6.2002 war die einseitige Einführung von Schichtarbeit für einen Leiharbeiter zudem aufgrund der verspäteten Ankündigungsfrist (Z 2) und dem fehlenden Änderungsvorbehalt (Z 4) unzulässig. Damit ist die Einführung der Schichtarbeit im konkreten Fall (freilich nicht in jeder Konstellation) tatsächlich von der Zustimmung des AN abhängig.

2.2.
Konkludente Zustimmung zur Arbeitszeiteinteilung durch mehrjährige Ausübung

Da § 19c Abs 1 AZG keine bestimmte Formvorschrift enthält, kann die Vereinbarung der Arbeitszeitlage schriftlich, mündlich oder konkludent zustande kommen. Wird zu Beginn des Arbeitsverhältnisses keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, findet die tatsächlich praktizierte Arbeitszeit Eingang in das Arbeitsverhältnis. Das gleiche gilt auch für spätere Änderungen. Nach Felten (in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 19c Rz 5) ist eine konkludente Zustimmung der/des AN insb dann anzunehmen, wenn diese/r die neue Einteilung der/des AG widerspruchslos befolgt. Das muss – entgegen der Ansicht des OGH – auch für den vorliegenden Fall gelten. Denn während der AN im Fall OGH8 ObA 116/02w der Einführung des Schichtbetriebs ausdrücklich widersprochen hat und sich stattdessen zu den vereinbarten Arbeitszeiten leistungsbereit erklärte, verrichtete der AN hier 20 Jahre lang und – nach den Angaben des Sachverhalts – widerspruchslos seine Tätigkeit nach dem Schichtplan der AG. In der Judikatur wurde eine konkludente Zustimmung zu einer bestimmten Arbeitszeiteinteilung schon bei weitaus kürzeren Zeiträumen angenommen (Im Fall OLG Wien9 Ra 1/04i ARD 5574/6/2005 war ein AN fast sechs Jahre im Nachtdienst beschäftigt, sodass die Beschäftigung im Nachtdienst Eingang in den Arbeitsvertrag gefunden hat). Zudem wurde der Schichtbetrieb – soweit ersichtlich – nicht bloß für diesen einen AN eingeführt, sondern für den gesamten Betrieb, weshalb auch das Vorliegen einer betrieblichen Übung angenommen werden kann. Selbst die Tatsache, dass von einer fixen Arbeitszeitlage auf ein Schichtarbeitszeitmodell mit Durchrechnungszeitraum umgestellt wurde, ist nicht weiter relevant. Da § 19c Abs 1 AZG schlicht von „Änderungen“ spricht, kommt es nach hM nicht darauf an, ob die Änderung nur vorübergehend oder auf Dauer ist, oder wie schwerwiegend der Eingriff ist (vgl Felten in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 19c Rz 5; Mosler in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 19c AZG Rz 17).

2.3.
Aufklärung über die rechtlichen Konsequenzen eines Arbeitszeitmodells

Ein Hauptargument für den OGH, die konkludente Zustimmung des AN im konkreten Fall zu verneinen, war, dass dieser nicht über die rechtlichen Konsequenzen des Modells aufgeklärt wurde. Dieses Argument ist mE allerdings im Lichte des allgemeinen Vertragsrechts nicht plausibel. Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrags (und seine spätere Änderung) sind gem den §§ 861 ff ABGB übereinstimmende (allenfalls konkludente) Willenserklärungen. Entscheidend sind dabei nicht der tatsächliche Wille der/des Erklärenden (Duldenden) oder das tatsächliche Verständnis der/des EmpfängerIn, sondern das Verständnis, das ein/e redliche/r ErklärungsempfängerIn von der Erklärung haben durfte (Vertrauenstheorie, vgl nur RIS-Justiz RS0017884; RS0014167). Es kommt nicht darauf an, ob der AN eine Umstellung auf Schichtarbeit wollte oder nicht, sondern ob ein redlicher Erklärungsempfänger die Handlungen des AN in der konkreten Konstellation als Zustimmung verstehen durfte. Im vorliegenden Fall wird man nicht nur einem redlichen Dritten, sondern auch dem AN unterstellen müssen, erkannt zu haben, dass die in den beiden langen Wochen des Schichtturnus geleisteten 16 Überstunden in den beiden kurzen Wochen im Verhältnis 1:1 und damit ohne Zuschlag ausgeglichen wurden.

Zwar sind strenge Anforderungen an die Annahme einer konkludenten Willenserklärung anzulegen, eine detaillierte Kenntnis aller erdenklichen Rechtsfolgen des praktizierten Arbeitszeitmodells ist für deren Vereinbarung allerdings nicht erforderlich. Andernfalls könnte man aus der E ableiten, dass nicht nur AN im Schichtdienst, sondern auch der viel größere Teil von AN, bei denen eine Umverteilung der Normalarbeitszeit gem § 4 AZG erfolgt, explizit über sämtliche rechtliche Konsequenzen des angewendeten Modells aufgeklärt werden müssen. Freilich können unterlassene Informationspflichten aber zu schadenersatzrechtlichen Ansprüchen führen.

Den Ausführungen des OGH, wonach die Annahme einer schlüssigen Erklärung gewisse Kenntnisse des Erklärenden voraussetzt, kann zudem die vorherrschende gemäßigte Rechtsfolgentheorie entgegengehalten werden. Demnach muss eine Willenserklärung auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sein, wobei es aber nicht erforderlich ist, dass die/der Erklärende alle Rechtsfolgen bedenkt und beabsichtigt. Die/der Erklärende muss also keinen genauen Überblick über alle konkreten Rechtsfolgen haben, die das Gesetz für den betreffenden Typus vorsieht (RIS-Justiz RS0014693; Pletzer in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 869 Rz 14 ff; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 869 Rz 4 ff; Verbunkic, RdM 2021, 55 [55 f]).

3.
Alternativer Lösungsvorschlag

Was in der vorliegenden E fehlt, ist die Beantwortung der Frage, ob es sich beim vorliegenden Arbeitszeitmodell überhaupt um Schichtarbeit iSv § 4a AZG handelt. Eine Legaldefinition zum Begriff „Schichtarbeit“ enthält § 4a AZG nicht. Nach hM kann damit jedoch nur eine Arbeitszeiteinteilung gemeint sein, bei der sich zwei oder mehrere AN an zumindest einem Arbeitsplatz ablösen, um in zeitlicher Aufeinanderfolge ihre Tagesarbeitszeit zu 297 erbringen (Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4a Rz 1; Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 38 f; Schrank, AZG7 § 4a Rz 13). Sinn und Zweck der schichtarbeitsspezifischen Sonderregeln des § 4a AZG ist es, eine Durchrechnung der Normalarbeitszeit auch ohne kollektivvertragliche Zulassung zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist die Erstellung eines Schichtplans (§ 4a Abs 1 AZG), der – wie oben ausgeführt – durch eine BV iSv § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG festgesetzt oder zwischen der/dem jeweiligen AN und der/dem AG vereinbart werden muss (Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4a Rz 2 ff; Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 47; Stegmüller, ZAS 2019, 232 [232 f]). Anhand des Schichtplans muss für jede/n AN ersichtlich sein, ob und zu welcher Schicht er/ sie an einem beliebigen künftigen Tag eingeteilt ist. Die jeweilige Abfolge der Schichten (= Turnus) ist zwar nach § 4a AZG zeitlich nicht begrenzt, muss aber jedenfalls Regelmäßigkeiten erkennen lassen. Dh, sie muss sich ab einem bestimmten Zeitpunkt in identischer Art und Weise wiederholen. Damit soll die absolute Vorhersehbarkeit der Arbeitszeiteinteilung für die AN gewährleistet werden. Anders lässt sich auch die zuschlagsfreie Überschreitung der wöchentlichen und täglichen Normalarbeitszeit ohne kollektivvertragliche Zulassung nicht rechtfertigen (vgl Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 38, 47; Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4a Rz 3; Stegmüller, ZAS 2019, 232 [233, 235]).

Im erstgerichtlichen Verfahren wurden die (unstrittigen) Arbeitszeiten der letzten drei Dienstjahre erhoben. Daraus ist abzuleiten, dass die AG den AN je nach Bedarf auch zusätzlich, jedenfalls anders, einsetzte. Außerdem wurde der Rhythmus nicht eingehalten. Die Schichtarbeit des AN basierte somit nicht ausschließlich auf dem von der AG herangezogenen Schichtplan (Rn 12). Dadurch war mE die notwendige Vorsehbarkeit der Arbeitszeiteinteilung, welche sich aus dem Schichtplan ergeben muss, für den AN nicht gegeben. Aufgrund der flexiblen Verwendung des AN beruht das Arbeitszeitmodell der AG genau genommen nicht auf einem „Schichtplan“ iSv § 4a Abs 1 AZG. In Wahrheit liegt der Arbeitszeiteinteilung vielmehr ein gewöhnlicher „Dienstplan“ mit bedarfsweiser Anpassungsmöglichkeit zugrunde. Dieser Dienstplan mag zwar, etwa hinsichtlich des Rhythmus, Ähnlichkeiten zum Schichtplan aufweisen, erfüllt aber nicht die Formalvoraussetzungen des § 4a Abs 1 AZG.

Folglich kann die Durchrechnung der Normalarbeitszeit innerhalb des Turnus nicht auf § 4a Abs 1 Z 1 AZG gestützt werden. In Bezug auf die Rechtsfolgen ist die E des OGH daher korrekt. Zwar scheint ihm dieser Zusammenhang nicht völlig entgangen zu sein, da er in Rn 12 auf Klein (in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 §§ 3 bis 4c Rz 47) verweist, wonach der im Schichtplan festgelegten Arbeitszeiteinteilung wiederholende und gleichbleibende Turnusse entnehmbar sein müssen. Er versucht damit aber lediglich seine These zu untermauern, wonach keine konkludente Vereinbarung zustande gekommen sei. Darauf kommt es aber – wie oben festgestellt – nicht an.

4.
Kein Ausgleich der Überstunden durch die Gewährung einer Ersatzruhe

Zur vollständigen Behandlung der Schichtarbeitsthematik fehlt schlussendlich noch eine Auseinandersetzung mit dem letzten Argument der AG, dem Ausgleich der Überstunden durch Ersatzruhe. Darauf ging der OGH mangels fehlender Rechtsrüge in der Revision berechtigterweise nicht näher ein. Soweit es sich aus dem Sachverhalt entnehmen lässt (vgl Rn 1, 11, 14), behauptete die AG, dass dem AN die in den beiden langen Wochen zusätzlich geleisteten 16 Stunden dadurch ausgeglichen wurden, dass ihm in den beiden kurzen Wochen jeweils eine Ersatzruhe im selben zeitlichen Ausmaß eingeräumt wurde, für die eine Entgeltfortzahlung geleistet wurde. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Ersatzruhe nach § 6 ARG lediglich das, aufgrund der Arbeit während der wöchentlichen Ruhezeit entstandene Erholungsmanko ausgleichen soll und daher unabhängig von der Entlohnung der Arbeit zusteht (Lutz/Heilegger/Dunst, ARG6 § 6 Rz 5 f). Die Vergütung der in den beiden langen Wochen geleisteten 16 Überstunden kann daher nicht mit dem Ersatzruheanspruch aufgerechnet werden, sondern steht zusätzlich zu. Außerdem soll die Ersatzruhe nicht den Regelfall, sondern nur die Ausnahme (nämlich dann, wenn die Wochenendruhe oder die Wochenruhe zulässigerweise gestört wird) darstellen (Lutz/Heilegger/Dunst, ARG6 § 6 Rz 2, 7).

5.
Anmerkungen zum zweiten Teil der Entscheidung

Im zweiten Teil der vorliegenden E beschäftigte sich der OGH mit der Rechtswirksamkeit der nach dem KollV anzuwendenden dreimonatigen Verfallsklausel. Anders als bei der Schichtarbeit stellen Entscheidungen zum Verfall von AN-Ansprüchen keine Seltenheit dar, sondern sind regelmäßig Gegenstand der höchstrichterlichen Rsp. Während sich die Literatur zu den Verfallsklauseln – insb bei zwingenden Ansprüchen der AN – bereits vielfach sehr kritisch zu Wort gemeldet hat (zB Felten/Pfeil, DRdA 2017, 79 [81 ff]; Jabornegg, DRdA 2015, 71; Eypeltauer, DRdA 2013, 377), erachtet der OGH diese, idR bis zu einer Grenze von drei Monaten, prinzipiell nicht als sittenwidrig (ausführlich begründet in OGH9 ObA1/14hDRdA 2015, 34 [krit Grillberger] = ecolex 2014, 728 [krit Eypeltauer] = ZAS 2015, 32 [zust Graf-Schimek]). Die Berufung auf eine Verfallsklausel ist nach der Judikatur nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn die AG den AN die Geltendmachung ihrer Ansprüche, insb durch gesetz- oder kollektivvertragswidriges Verhalten, ernsthaft erschweren oder praktisch unmöglich machen (so ua OGH9 ObA 93/19wDRdA-infas 2020, 21 = wbl 2020, 227).

Im hier vorliegenden Fall machte der AN geltend, dass der Verfallseinwand der AG im konkreten Fall gegen Treu und Glauben verstoßen würde, weil die korrekte Abrechnung der Überstunden nur durch den Vergleich zweier Zeitguthaben überprüft wer- 298 den hätte können. Zudem sei er ohne Hilfestellung nicht in der Lage gewesen, selbst an den Computerterminals der AG Einsicht in die Arbeitszeitaufzeichnungen zu nehmen. Dem erteilte der Gerichtshof aber eine Absage, da die Abrechnung der Überstunden anhand der Lohnzettel überprüfbar sei und sich der AN zur Feststellung der Arbeitszeit an seine Vorgesetzten hätte wenden können; fehlende EDV-Kenntnisse seien daher nicht relevant. Ebenso wenig würde die Tatsache, dass die AG keine BV zur Regelung des Schichtbetriebs und zur Durchrechnung der Arbeitszeit abgeschlossen hat, dem AN die Geltendmachung seiner Ansprüche ernsthaft erschweren. Diese E bestätigt die bisherige Rsp des OGH zum Verfall von zwingenden Ansprüchen der AN und vermag für die gegenwärtige Diskussion wenig beizutragen. Was allerdings bei der Gesamtbetrachtung der E doch etwas widersprüchlich erscheint, ist die Tatsache, dass der AN hinsichtlich der Verfallsklausel seine Ansprüche selbst überprüfen oder sich dazu an einen Vorgesetzten hätte wenden sollen, die Rechtsfolgen des Arbeitszeitmodells hingegen nicht selbst abschätzen hätte können bzw die AG ihn dahingehend hätte unterrichten müssen. Und das, obwohl die rechtlichen Konsequenzen der Verfallsklausel gravierender sind als die der Schichtarbeit.

6.
Fazit

Die Ansicht des OGH, wonach trotz mehrjähriger Verrichtung von Schichtarbeit keine konkludente Vereinbarung zustande gekommen sei, überzeugt nicht. Das Ergebnis – die Verpflichtung zur Vergütung der Überstunden – trifft allerdings zu. Das angewendete Arbeitszeitmodell entsprach mangels einem gesetzmäßigen Schichtplan nämlich nicht den Voraussetzungen des § 4a AZG und berechtigte folglich nicht zur Durchrechnung der Normalarbeitszeit.