101Dienstvertrag vs Werkvertrag – Höhe des Entgelts bzw Abrechnungsmodalitäten sind keine (wesentlichen) Abgrenzungskriterien
Dienstvertrag vs Werkvertrag – Höhe des Entgelts bzw Abrechnungsmodalitäten sind keine (wesentlichen) Abgrenzungskriterien
Die Bekl betreibt ein Bauunternehmen in der Slowakei. Die Erfüllung ihrer Aufträge wickelt sie ausschließlich über Subunternehmer ab. Zur Erfüllung eines Auftrags eines deutschen Unternehmens für Fliesenlegerarbeiten in Österreich beauftragte die Bekl für die Zeit von 7.5. bis 8.6.2018 drei selbständig tätige slowakische Staatsbürger als Subunternehmer mit deren Verrichtung. Diese drei Personen waren mit eigener Gewerbeberechtigung selbständig in der Slowakei unternehmerisch tätig und arbeiteten für verschiedene Auftraggeber. In dem dazu schriftlich zwischen der Bekl und den drei Subunternehmern abgeschlossenen Werkvertrag wurde ein Entgelt von € 15,- pro Stunde inklusive aller Abgaben und Steuern vereinbart. Die Bekl bezahlte ihren Subunternehmern einen Teil der Unterkunft. Einem Subunternehmer erstattete sie nach Rechnungslegung auch die Treibstoffkosten für die Anreise von der Slowakei.
Die drei Handwerker konnten ihre Arbeitszeit frei einteilen und waren hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort lediglich durch die Gegebenheiten und Wünsche des Kunden auf der Baustelle beschränkt. Die genaue Ausgestaltung der Arbeitsweise wurde ihnen von der Bekl nicht vorgegeben. Sie verwendeten für die Arbeiten jeweils ihr eigenes Werkzeug. Alle drei sind bei der zuständigen slowakischen Sozialkasse gemeldet und dort als Selbständige versichert. Nach Erfüllung dieses Auftrags waren die drei Subunternehmer nicht mehr für die Bekl tätig.
Die beiden Vorinstanzen und auch der OGH vertraten übereinstimmend die Rechtsauffassung, dass bei der geforderten Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit nicht überwiegen.
Nach § 1151 Abs 1 1. Halbsatz ABGB liegt ein Dienstvertrag vor, wenn sich jemand auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet; hingegen liegt nach § 1151 Abs 1 2. Halbsatz ABGB ein Werkvertrag vor, wenn jemand die Herstellung eines Werks gegen Entgelt übernimmt.
Dem Argument der Kl, aufgrund der arbeitsteiligen Vorgangsweise der Fliesenleger liege die geforderte Einbindung in die betrieblichen Abläufe der Bekl vor, konnte der OGH ebenso wenig folgen, wie jenem, dass eine grundsätzliche freie Arbeitszeiteinteilung schon deshalb nicht vorgelegen habe, weil sie sich in zeitlicher Hinsicht untereinander absprechen hätten müssen. Wenn die Kl auf die Abrechnungsmodalitäten verweist und argumentiert, dass eine Abrechnung nach Arbeitsstunden ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei, ist nach Ansicht des OGH dem zu erwidern, dass auch beim Werkvertrag der Regiepreis nach der Arbeitszeit bemessen werden kann und dies durchaus auch häufig vorkommt. Die Ausgestaltung der Entgeltzahlung hat daher nur wenig Indizwirkung für das Bestehen eines Arbeitsvertrags. Auch die Höhe des Entgelts, auf welche sich die Revisionswerberin ebenfalls bezieht, ist laut OGH grundsätzlich kein Kriterium für oder gegen einen Arbeitsvertrag.
§ 1 Abs 1 Satz 2 BUAG sieht vor, dass für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis iSd Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend ist. Deshalb sind aber nicht „andere Maßstäbe“ für die Beurteilung der AN-Eigenschaft in der Baubranche maßgebend, weil auch allgemein gilt, dass die rechtliche Qualifikation der Abgrenzung Arbeitsvertrag zum Werkvertrag nicht vom Willen und der Bezeichnung durch die Parteien abhängt. Maßgebend ist vielmehr die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen, insb die tatsächliche Gestaltung in Bezug auf die Arbeitsleistung. Da die Gewichtung der einzelnen Kriterien der persönlichen Abhängigkeit immer von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, ist dabei freilich auch die jeweilige Branche, in der das zu beurteilende Vertragsverhältnis abgeschlossen wurde, zu berücksichtigen. Dass speziell zur Baubranche ausreichende Rsp des OGH fehlt, begründet für sich alleine aber noch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.226
Laut OGH kann der Rsp zufolge beim Werkvertrag das maßgebliche Ergebnis der Arbeitsleistung, nämlich das selbständige Werk, auch im Verein mit anderen erbracht werden. Nach seiner Ansicht ist es zwar richtig, dass der VwGH in manchen Entscheidungen für das Vorliegen eines Werkvertrags verlangt, dass bereits im Vertrag und damit im Vorhinein ein Werk individualisiert und konkretisiert wird. Es müsse sich dabei um eine in sich geschlossene Einheit handeln. Für einen Werkvertrag sei ein „gewährleistungstauglicher“ Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können, essenziell. An diesem Kriterium scheitern in der Regel all jene Versuche, jene Dienstleistungen zu Werkverträgen umzugestalten, deren „Erfolg“ – so man einen definieren könnte – auch von einem Dritten abhängen.
Die Erwägungen des VwGH werden daher zwar ergänzend auch bei der Frage einer Einordnung als Arbeitsvertrag insoweit zu beachten sein, als es darum geht, ob der Vertrag tatsächlich eine Erfolgsverbindlichkeit begründet; darüber hinaus werden sie, soweit sie mit der stRsp des OGH nicht in Einklang stehen, vom Senat nicht geteilt.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision der Kl zurückzuweisen.