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Unionsrechtskonforme Berechnungsgrundlage der Urlaubsersatzleistung für den vierwöchigen Mindesturlaub ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt

RICHARDHALWAX

Die Kl war beim bekl Land vom 2.7.2012 bis 31.8.2020 beschäftigt, und zwar bis 31.8.2015 in Vollzeit und danach im Ausmaß von 66,66 %. Auf das Arbeitsverhältnis der Kl sind die Bestimmungen des Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark, LGBl 2003/29 (L-DBR), anzuwenden. Aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt die Kl gesamt € 2.506,60 brutto an Urlaubsersatzleistung bezahlt.

Die Kl begehrt – nach Einschränkung – die Zahlung von € 570,17 brutto sA an weiterer Urlaubsersatzleistung. § 187 Abs 2 L-DBR sehe als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Urlaubsersatzleistung lediglich das Gehalt und den Kinderzuschuss vor. Diese Bestimmung sei jedoch unionsrechtswidrig, sie verstoße gegen Art 7 der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4.11.2003 (in Folge: RL 2003/88/EG) und gegen Art 31 der Grundrechtecharta (GRC).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl teilweise Folge. Die Revision sei zulässig, weil der Frage der unionsrechtskonformen Auslegung des § 187 L-DBR über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die von der Kl beantwortete Revision der Bekl, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt. Gegen den abweisenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die von der Bekl beantwortete Revision der Kl, mit der diese die vollständige Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt.

Die Revision der Bekl ist laut OGH aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt. Die Revision der Kl ist entgegen dem Zulassungsausspruch unzulässig.

I. Zur Revision der Bekl:

Die Bestimmungen der §§ 187 und 147 L-DBR sehen einen engeren Entgeltbegriff für die Bemessung der Urlaubsersatzleistung vor als er im allgemeinen Arbeitsrecht zur Anwendung gelangt.

Nach der Rsp des EuGH ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut von Art 7 Abs 1 RL 2003/88/EG, dass jeder AN Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat. Dieser Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ist als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen, den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der RL 2392003/88/EG selbst ausdrücklich gezogen werden. Dieser Anspruch ist auch in Art 31 Abs 2 GRC, die nach Art 6 Abs 1 EUV den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge hat, ausdrücklich verankert, er darf nicht restriktiv ausgelegt werden.

Während Art 31 Abs 2 GRC jedem AN das Recht auf bezahlten Jahresurlaub garantiert, setzt Art 7 Abs 1 RL 2003/88/EG diesen Grundsatz um, indem er die Dauer des Jahresurlaubs festlegt. Da mit § 187 L-DBR die RL 2003/88/EG in das innerstaatliche Recht umgesetzt wird, ist der Anwendungsbereich der Charta im vorliegenden Fall eröffnet.

Die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass Art 7 RL 2003/88/EG auf die im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesene Kl anwendbar ist, wird von der Bekl in der Revision nicht in Frage gestellt.

Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht laut OGH ausgeführt, dass nach der Rsp des EuGH die finanzielle Vergütung, auf die ein AN Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, in der Weise zu berechnen ist, dass der AN so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt des AN, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend.

Dem gegenüber schränkt § 187 Abs 2 und 5 L-DBR iVm § 147 L-DBR den der Berechnung der Urlaubsersatzleistung der Kl zugrunde liegenden Entgeltbegriff auf den Gehalt (der Teil des Monatsbezugs ist) und den Kinderzuschuss ein. Eine in dieser Situation gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 187 L-DBR ist nicht möglich. Wendet man den Methodenkatalog des nationalen Rechts zur Auslegung des § 187 L-DBR an (§§ 6, 7 ABGB), so lässt die Zusammenschau der Abs 2 und 5 mit Abs 1 dieser Bestimmung keine richtlinienkonforme Interpretation zu, weil die Berücksichtigung weiterer, nicht in § 187 Abs 2 und 5 L-DBR genannter Entgeltbestandteile bei der Bemessung der Urlaubsersatzleistung bereits am eindeutigen Wortlaut der Bestimmung scheitert.

Dies hat zur Folge, dass die hier relevanten Bestimmungen des § 187 Abs 2 und 5 L-DBR, die die Bemessungsbasis der Urlaubsersatzleistung auf Gehalt und Kinderzuschuss einschränken, als richtlinienwidrig nach der Rsp des EuGH unangewendet zu bleiben haben, weil das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass unionsrechtlich nur ein Mindesturlaub von vier Wochen geschützt ist und sich die Kl darüber hinaus für ihren Anspruch nicht auf eine unionsrechtliche Grundlage stützen kann, wird von der Bekl nicht in Frage gestellt.

II. Zur Revision der Kl:

Die Kl macht geltend, dass Rsp fehle, ob der gesamte Jahresurlaub oder nur vier Wochen unionsrechtlich geschützt seien. Die Mitgliedstaaten könnten einen höheren Urlaub vorsehen, innerstaatlich werde nicht zwischen einem unionsrechtlichen „Mindesturlaub“ und einem innerstaatlichen „Zusatzurlaub“ unterschieden, aller Urlaub diene dem Gesundheitsschutz.

Dem ist laut OGH entgegenzuhalten, dass der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts nur hinsichtlich des unionsrechtlich erforderlichen Mindestanspruchs greift, wenn die innerstaatliche Rechtslage darüber hinausgeht.

Die Kl rügt in der Revision weiters eine ihrer Ansicht nach gegebene Verfassungswidrigkeit des § 187 L-DBR gegenüber § 186a L-DBR und regt die Vorlage des § 187 Abs 2 Satz 1 L-DBR an den VfGH gem Art 89 Abs 2 B-VG an. Es gebe keinen sachlich gerechtfertigten Grund, zwischen dem Anspruch auf Urlaubsersatzleistung von Landesbeamten und Vertragsbediensteten des Landes zu unterscheiden. Die Verfassungswidrigkeit betreffe nicht nur den unionsrechtlich geschützten Mindesturlaubsanspruch und die daraus resultierende Urlaubsersatzleistung, sondern den gesamten innerstaatlichen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung.

Die Kl selbst stützt ihren Anspruch allerdings nicht auf § 187 L-DBR sondern auf Unionsrecht, sodass die begehrte Anfechtung schon mangels Präjudizialität dieser Bestimmung nicht in Frage kommt. Darüber hinaus führt die von der Kl gewünschte Anwendung des Unionsrechts nicht zu einer Ungleichbehandlung der Vertragsbediensteten des Landes mit dessen Beamten, weil nach § 186a Abs 3 Satz 2 L-DBR auch bei den Beamten das Ausmaß der Ersatzleistung auf den unionsrechtlich gebotenen Mindestschutz eingeschränkt ist.