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Zur prozessrechtlichen Behandlung einer Klage gegen eine gelöschte Kapitalgesellschaft

GREGORKALTSCHMID

Der Kl begehrt mit seiner bei Gericht am 23.12.2021 eingebrachten Mahnklage mit dem Vorbringen, er sei AN der Bekl gewesen, von dieser an offenen Gehaltsansprüchen 33.333,33 € brutto sA. Nachdem der antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl an der in der Klage sowie als Anschrift der Bekl im Firmenbuch ausgewiesenen Adresse nicht zugestellt werden konnte (der Vermerk der Post am Rückschein lautete „verzogen“), beantragte der Kl am 27.1.2022 die Zustellung des Zahlungsbefehls an derselben Adresse im Wege des Gerichtsvollziehers, ferner

  • die Zustellung an der unter einem bekannt gegebenen Adresse des ehemaligen Geschäftsführers D* M* (dessen Geschäftsführerfunktion im November 2021 im Firmenbuch unter gleichzeitiger Eintragung von S* T* als Geschäftsführer gelöscht worden war), dies unter Hinweis darauf, dass er nach wie vor Gesellschafter sei;

  • die Zustellung an der unter einem bekannt gegebenen Adresse des neuen Geschäftsführers;

  • die Zustellung an der unter einem bekannt gegebenen Adresse eines weiteren Gesellschafters (Mag. S* T*);

  • zu all dem in eventu die Bestellung des zuletzt Genannten zum Zustellkurator.

Der vom Gericht antragsgemäß um Vollzug ersuchte Gerichtsvollzieher konnte die Zustellung nicht vollziehen, weil es sich bei der angegebenen Anschrift um eine Steuerberatungskanzlei handelt, bei welcher die Bekl nur Kunde war.

Am 28.4.2022 wurde die Bekl im Firmenbuch amtswegig wegen Vermögenslosigkeit gem § 40 FBG gelöscht, worüber das Erstgericht den Kl am 29.4.2022 mit dem Bemerken, bis zu einer allfälligen weiteren Antragstellung würden keine weiteren Zustellversuche gesetzt werden, in Kenntnis setzte.

Der Kl beantragte am 5.5.2022 unter Hinweis auf seine am 27.1.2022 gestellten Anträge die Fortsetzung der Zustellung. Dabei brachte er vor, die amtswegige Löschung sei zu Unrecht erfolgt, weil die Bekl einen von ihr entwickelten Börsenindex und eine Software erfolgreich verkauft habe. Das Geld sei dann aber offensichtlich beiseitegeschafft worden. Beweismittel für dieses Vorbringen wurden vom Kl dem Gericht nicht angeboten.

Das Erstgericht wies hierauf den Antrag auf Fortsetzung der Zustellung ab. Es sei aufgrund der Löschung im Firmenbuch gem § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit davon auszugehen, dass die Bekl nicht mehr parteifähig sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kl gegen diese Entscheidung nicht Folge, erklärte aus Anlass des Rekurses das Verfahren für nichtig und wies die Kl zurück.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es liege keine höchstgerichtliche Rsp dazu vor, ob der Kl iSd OGH-Entscheidung 8 ObA 2344/96f vom 22.10.1998 das Verfahren gegen die gem § 40 FBG gelöschte GmbH auch dann ohne Nachweis, dass diese noch über Vermögen verfügt, fortsetzen könne, wenn die bekl GmbH zwar nach Einbringung der Mahnklage aber noch vor wirksamer Zustellung des Zahlungsbefehls an sie gem § 40 Abs 1 FBG im Firmenbuch gelöscht wurde.

Der OGH erachtete das Rechtsmittel des Kl als zulässig, aber nicht berechtigt und führte aus:

Wird die bekl Kapitalgesellschaft während eines anhängigen Prozesses gelöscht, so hat der Kl ein Wahlrecht. Auf sein Begehren ist das Verfahren fortzusetzen. Strebt der Kl nicht die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft an, ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

Voraussetzung für das Bestehen dieses Wahlrechts des Kl ist nach Rsp und Lehre, dass die Klage bereits an den Bekl zugestellt wurde und damit Streitanhängigkeit eintrat. Trat die Vollbeendigung der Bekl bereits vor diesem Zeitpunkt ein, ist die Klage wegen Fehlens der Parteifähigkeit zurückzuweisen. Gegen eine vollbeendete und damit nicht parteifähige Gesellschaft kann nämlich kein Prozessrechtsverhältnis mehr begründet werden. Die angefochtene Entscheidung steht hiermit – entgegen der Ansicht des Kl, der insofern irrig das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur annimmt – im Einklang.

Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen des Kl zu angeblich noch vorhandenem Vermögen der Bekl befasst. Seine Beurteilung, dass dieses Vorbringen unzureichend war, um trotz erfolgter Löschung der Bekl im Firmenbuch gem § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit von Vermögen auszugehen, ist nicht korrekturbedürftig. Auch in seinem an den 243OGH gerichteten Rechtsmittel beschränkt sich der Kl auf Vermutungen, so wenn er etwa meint, das aus dem (angeblichen) Verkauf des im Fortsetzungsantrag genannten Index erzielte Vermögen (Kaufpreis) könne sich „nicht in Luft aufgelöst“ haben. Der Kl ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass Vermögen auch zur Tilgung von Schulden verwendet worden und aus diesem Grund nicht mehr vorhanden sein kann.