117Relevanz von Gewinnanteilen als Einkommen eines faktischen Geschäftsführers bei Anspruch auf Korridorpension
Relevanz von Gewinnanteilen als Einkommen eines faktischen Geschäftsführers bei Anspruch auf Korridorpension
Der 1957 geborene Kl erwarb bis zum 1.12.2020 531 Versicherungsmonate und machte ab 1.12.2020 einen Anspruch auf Korridorpension nach § 4 Abs 2 Z 2 Fall 2 Allgemeines Pensionsgesetz (APG) geltend. Seine Pflichtversicherung – er war als geschäftsführender Gesellschafter mit 25 % der Anteile bei einer GmbH beschäftigt – endete am 30.11.2020. Ab 1.12.2020 war die Schwiegertochter des Kl handelsrechtliche Geschäftsführerin, der Kl selbst war ab 7.12.2020 bis 30.4.2021 noch geringfügig bei der GmbH beschäftigt und ab 25.1.2021 als Prokurist im Firmenbuch eingetragen. Seit 25.1.2021 hält der Kl 65 % der Geschäftsanteile der GmbH. Revisionsgegenständlich ist die Frage, ob das im Zeitraum 1.12.2020 bis 30.4.2021 bezogene Erwerbseinkommen dem Anspruch auf Korridorpension entgegen steht.
Mit Bescheid vom 14.4.2021 lehnte die Bekl den Antrag auf Zuerkennung der Korridorpension ab und begründete dies mit der Kombination aus Prokuristentätigkeit und Gesellschaftsbeteiligung, aufgrund deren nicht nur das Entgelt aus der geringfügigen Beschäftigung, sondern auch der Gewinn aus der Beteiligung als Einkommen iSd § 4 Abs 2 Z 2 APG anzurechnen sei.
Das Erstgericht sprach dem Kl die Korridorpension ab 1.5.2021 rechtskräftig zu und wies das Mehrbegehren für den Zeitraum 1.12.2020 bis 30.4.2021 ab. Die gewählte Konstruktion der Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit und gleichzeitiger Bestellung als Prokurist mitsamt Erhöhung der Gesellschafteranteile um 40 % qualifizierte das Erstgericht als rechtsmissbräuchlich. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und sprach aus, dass der Anspruch auf Korridorpension ab 1.12.2020 dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es begründete dies mit den bedeutsamen Unterschieden zwischen einem Prokuristen und einem Geschäftsführer, weswegen es sachgerecht sei, nur bei letzterem Vermögensvorteile aus einer Gesellschafterstellung als Erwerbseinkommen iSd § 91 ASVG zu zählen.
Die Revision ließ das Berufungsgericht mangels Vorliegens von Rsp zu dieser Frage zu.
Der OGH betrachtet die Revision der Bekl als zulässig und teilweise iSd eventualiter gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.
Unstrittig ist, dass der Kl zum Zeitpunkt 1.12.2020 die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 Z 1 APG für die Korridorpension erfüllt und im streitgegenständlichen Zeitraum keiner Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit unterlag. Nach stRsp kann ein (nicht entnommener) Gewinn eines Gesellschafters ohne Anspruch auf ein angemessenes Entgelt für eine Tätigkeit für die Gesellschaft in dem Umfang als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zugerechnet werden, als er zusammen mit dem tatsächlichen Gehalt einem angemessenen Entgelt entspricht. Das formale Merkmal der Geschäftsführerstellung ist angesichts des § 539a Abs 2 und 3 ASVG laut OGH nicht entscheidend. Diese Rsp ist auch auf die Korridorpension zu übertragen. Grundsätzliches Ziel (auch) der Korridorpension ist es, Ersatz für verloren gegangenes Erwerbseinkommen zu verschaffen, nicht aber einem Anspruchswerber ein weiteres (zusätzliches) Einkommen zu verschaffen, wenn er sich nicht auch tatsächlich „zur Ruhe“ gesetzt hat.
Die Rechtssache erwies sich nach Ansicht des OGH noch nicht als spruchreif. Im weiteren Verfahren bleibt zu prüfen, ob dem Kl im Hinblick auf seinen (Mehrheits-)Anteil wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten auf die Beschlussfassung der Gesellschaft zukamen und er (faktisch) als Geschäftsführer tätig war.
Da der Kl jedenfalls erst ab 25.1.2021 als Prokurist tätig war und bis dahin auch (nur) 25 % der Gesellschaftsanteile innehatte, fehlte es dem Kl im Zeitraum 1.12.2020 bis 24.1.2021 an der für eine Beschlussfassung erforderlichen einfachen Mehrheit. Dass der Kl konkret weitergehende Gestaltungsrechte gehabt oder er bei Gestaltung seines Einkommens in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise wesentlich mitgewirkt hätte, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Die Bekl legte – ausgehend vom festgestellten Sachverhalt – mit ihrer Argumentation nicht dar, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht unrichtig erscheint. Mangels von der Bekl gesetzmäßig ausgeführter Rechtsrüge dahingehend kann eine rechtliche Überprüfung des Berufungsurteils für den Anspruch auf Korridorpension im Zeitraum von 1.12.2020 bis 24.1.2021 nicht vorgenommen werden. Insofern war der Anspruch in dem Zeitraum vom OGH zu bestätigen.
Für den Zeitraum ab 25.1.2021 jedoch kamen dem Kl als 65 %-iger Gesellschafter wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten auf die Beschlussfassung der Gesellschaft zu. Bezüglich der Frage, ob der Kl ab diesem Zeitpunkt (faktisch) als Geschäftsführer tätig 246war, liegt ein Feststellungsmangel vor, der im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge in dritter Instanz wahrzunehmen ist. Die angefochtene Entscheidung ist demnach für den Zeitraum 25.1. bis 30.4.2021 aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Sollte sich danach eine (faktische) Geschäftsführertätigkeit im relevanten Zeitraum ergeben, wären noch Feststellungen hinsichtlich der Höhe der dem Kl zustehenden Gewinne erforderlich. Dieser Betrag wäre dann (zusätzlich zum bereits festgestellten Erwerbseinkommen) als Erwerbseinkommen iSd § 9 Abs 1 Satz 1 APG zu berücksichtigen und führte bei Übersteigen der nach § 5 Abs 2 ASVG in Betracht kommenden monatlichen Geringfügigkeitsgrenze zu einem Wegfall der Korridorpension im Zeitraum vom 25.1. bis 30.4.2021.