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Versteinerung der vorläufigen Beitragsgrundlage bei Pensionsantritt verfassungskonform

ALEXANDERPASZ

Der Beschwerdeführer war bis 31.3.2018 Inhaber mehrerer Gewerbeberechtigungen, die er an diesem Tag zurückgelegte. Seit 1.4.2018 ist der Beschwerdeführer in Pension. Zum Zeitpunkt des Eintrittes seiner Pensionierung am 1.4.2018 war die endgültige Bemessungsgrundlage für das Jahr 2015 aufgrund des am 23.1.2018 übermittelten Einkommensteuerbescheides an die Stelle der vorläufigen Bemessungsgrundlage getreten, während die Beitragsgrundlagen für die Jahre 2016 bis 2018 noch nicht nachbemessen waren und auf vorläufigen Bemessungsgrundlagen basierten.

Der Beschwerdeführer beantragte die Ausstellung eines Bescheides wegen der Höhe seiner Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1.5.2015 bis 31.3.2019. Mit Bescheid wurde ausgesprochen, dass die Höhe auf Basis der Beitragsgrundlagen, für das Jahr 2015, die ausgewiesenen Einkünfte des Einkommensteuerbescheides 2015 bzw für die Jahre 2016 bis 2018, die vorläufigen Beitragsgrundlagen, berechnet sei. Letztere seien aufgrund der Auslösung des Pensionsstichtag 1.4.2018 zu endgültigen Beitragsgrundlagen „versteinert“ worden, 259da bis zum Stichtag in Ermangelung des Vorliegens entsprechender Einkommensteuerbescheide noch keine Nachbemessung möglich gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Dabei führte er im Wesentlichen aus, seine Gewerbeberechtigung – lautend auf „Musikverlag“ – sei nach wie vor aufrecht; er sei weiterhin selbständig erwerbstätig, weshalb die Beitragsgrundlagenermittlung nach § 25 Abs 6 GSVG greife und die endgültige Beitragsgrundlage an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlage trete, sobald die hiefür notwendigen Nachweise – der entsprechende Einkommensteuerbescheid – vorliegen würden. Das BVwG gab dieser Beschwerde Folge und behob den angefochtenen Bescheid. In weiterer Folge wurde dieses Erkenntnis durch den VwGH wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts aufgehoben. Zum Zeitpunkt des Stichtages 1.4.2018 sei zwar ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015, es seien jedoch keine Einkommensteuerbescheide für die folgenden Jahre vorgelegen, weshalb gem § 25 Abs 7 GSVG die vorläufigen Beitragsgrundlagen nach § 25a leg cit als Beitragsgrundlagen iSd § 25 Abs 2 GSVG anzusehen seien. Die spätere Vorlage der Einkommensteuerbescheide 2016 bis 2018 führe zu keiner Nachbemessung iSd § 25 Abs 6 GSVG.

Das BVwG stellte im neuerlichen Rechtsgang einen Antrag an den VfGH, § 25 Abs 7 GSVG als verfassungswidrig aufzuheben, da es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von aktiven Gewerbetreibenden, bei denen aufgrund vorläufiger Beitragsgrundlagen im Verhältnis zu definitiven Beitragsgrundlagen überhöht geleistete Beiträge gutgeschrieben bzw rückerstattet würden (Belastung nach einer der effektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitragsgrundlage), und jenen Gewerbetreibenden, bei denen dies nach ihrem Pensionsantritt nicht mehr möglich sei, selbst wenn sie weiterhin ein Gewerbe ausübten und Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielten (Belastung nach einer fiktiven, nicht der tatsächlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitragsgrundlage), komme.

Der VfGH hielt den Antrag für zulässig, in der Sache jedoch nicht für berechtigt. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber. Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden. Soweit das BVwG einen Verstoß des angefochtenen § 25 Abs 7 GSVG gegen das Versicherungs- und Leistungsprinzip der SV als verfassungswidrig erachtet, ist es auf die stRsp des VfGH zu verweisen, nach der in der SV, im Besonderen in der PV, der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt ist; es gilt in der gesetzlichen SV innerhalb einer Solidargemeinschaft nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitrags- und Versicherungsleistung. Hinsichtlich einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung ist auf die stRsp des VfGH zu verweisen, nach der ein Gesetz nicht schon dann gleichheitswidrig ist, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen. Der Gesetzgeber kann wohl von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen; dass dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig; ebenso wenig können daher Einzelfälle einer Begünstigung die am Durchschnitt orientierte Regelung unsachlich machen. Zudem ist auf die Bestimmung des § 25a Abs 5 GSVG hinzuweisen, die es ermöglicht, die vorläufige Beitragsgrundlage auf Antrag der versicherten Person zu ändern, wenn sie glaubhaft macht, dass ihre Einkünfte im laufenden Kalenderjahr wesentlich von den Einkünften im drittvorangegangenen Kalenderjahr abweichen, wodurch etwaigen Härtefällen in der Vollziehung des angefochtenen § 25 Abs 7 leg cit vorgebeugt werden kann. Die erhobenen Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit des § 25 Abs 7 GSVG treffen nicht zu. Der Antrag des BVwG war daher abzuweisen.