126Kinderbetreuungsgeld: Änderungsantrag während Ruhens des Anspruchs
Kinderbetreuungsgeld: Änderungsantrag während Ruhens des Anspruchs
§ 5a Abs 2 Satz 2 KBGG ist insofern teleologisch zu reduzieren, dass ein Elternteil unter den weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs 2 KBGG auch während eines Ruhens des Anspruchs einen Änderungsantrag stellen kann, sofern das Ruhen in den von ihm beantragten und gewährten Anspruchszeitraum fällt.
Die Kl ist die Mutter des am 30.7.2021 geborenen Kindes. In der Zeit vom 17.6. bis 4.11.2021 bezog sie Wochengeld. Am 26.8.2021 beantragte sie die Zuerkennung von pauschalem Kinderbetreuungsgeld als Konto in der Variante „365 Tage ab Geburt des Kindes“. 260Die bekl Österreichische Gesundheitskasse stellte eine Leistungsmitteilung aus, in der die Ausgleichszahlung zum Kinderbetreuungsgeld für die Zeit von 5.11.2021 bis 29.7.2022 mit € 33,88 pro Tag bemessen wurde. Am 3.11.2021 beantragte die Kl, die Änderung der ursprünglich gewählten Variante auf „851 Tage“.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Bekl den Änderungsantrag der Kl mit der Begründung ab, dass die Antragslegitimation der Kl gem § 5a Abs 2 KBGG fehle.
Mit ihrer Klage begehrte die Kl das pauschale Kinderbetreuungsgeld in der Variante „851 Tage ab der Geburt“ und brachte vor, dass sie der „beziehende Elternteil“ iSd § 5a Abs 2 Satz 2 KBGG sei, weil damit auch der antragstellende Elternteil gemeint sei, der tatsächlich noch kein Kinderbetreuungsgeld beziehe. Die Bekl hielt dem entgegen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 5a Abs 2 Satz 2 KBGG eine Änderung des Bezugszeitraums nur vom zu diesem Zeitpunkt tatsächlich beziehenden Elternteil gestellt werden könne. Während Bezugslücken wie einem Ruhen nach § 6 Abs 1 KBGG infolge Wochengeldbezugs sei daher eine Änderung der gewählten Variante nicht möglich.
Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Der Wortlaut des § 5a Abs 2 KBGG lege zwar rein begrifflich die Notwendigkeit eines tatsächlichen Bezugs nahe. Allerdings habe der Gesetzgeber mit dieser Regelung lediglich eine Änderung durch den zu diesem Zeitpunkt nicht bezugsberechtigten Elternteil verhindern wollen. Das zeige sich vor allem darin, dass er nicht auf den in § 3 Abs 5 KBGG verwendeten Begriff des „tatsächlichen Bezugs“ zurückgegriffen habe.
Mit ihrer Revision strebte die Bekl die Abweisung der Klage an. Die Revision der Bekl war zulässig, aber nicht berechtigt.
„1. Nach § 5a Abs 1 KBGG idF BGBl I 2016/53 ist die Anspruchsdauer (§ 3 Abs 1 und 2, § 5 Abs 1 und 2 KBGG) bei der erstmaligen Antragstellung verbindlich festzulegen, wobei der antragstellende und der andere Elternteil an den sich daraus ergebenden Tagesbetrag gebunden sind.
Darauf aufbauend normiert § 5a Abs 2 KBGG (idF BGBl I 2016/53) auszugsweise:
„Eine spätere Änderung der festgelegten Anspruchsdauer ist nur einmal pro Kind auf Antrag und nur bis spätestens 91 Tage vor Ablauf der ursprünglich beantragten Anspruchsdauer möglich. Die Änderung kann nur auf Antrag des beziehenden Elternteiles erfolgen. Die Änderung bindet auch den anderen Elternteil. Die Änderung der Anspruchsdauer ist […] ausgeschlossen, sofern dadurch vergangene Bezugszeiträume nachträglich geändert werden sollen. Die Änderung bewirkt, dass die Eltern so zu stellen sind, wie sie stünden, wenn von Anfang an die nun geänderte Anspruchsdauer festgelegt worden wäre, weshalb die durch die Änderung ausgelöste Neubemessung des Tagesbetrages einen Nachzahlungsanspruch oder eine Rückzahlungsverpflichtung für vergangene Zeiträume auslöst. [...] Hat der andere Elternteil bereits Kinderbetreuungsgeld bezogen, so ist eine Änderung nur bei ausdrücklicher Zustimmung dieses Elternteiles möglich ...“
Die Gesetzesmaterialien erläutern dazu zunächst, dass der erstantragstellende Elternteil mit der Wahl der Anspruchsdauer den Tagesbetrag festlegt, woran beide Elternteile gebunden sind. […] Zur Möglichkeit der Änderung der Bezugsdauer wird (nur) ausgeführt, dass die mit dem Antrag festgelegte Anspruchsdauer bei jedem Kind nur einmal durch einen der beiden Elternteile geändert werden kann, wozu „ein eigener Änderungsantrag vom beziehenden Elternteil“ einzubringen ist. Zudem wird darauf verwiesen, dass aus dem geänderten Tagesbetrag ein Anspruch auf Nachzahlung oder eine Rückzahlungspflicht resultiert, je nachdem, ob der Anspruchszeitraum verkürzt oder verlängert wird. Eine Änderung ist (demgemäß) „ohne weiteres möglich, wenn der andere Elternteil noch nicht Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. Hat der andere Elternteil bereits bezogen, so würde der ändernde Elternteil rückwirkend in dessen Rechtsposition eingreifen. Ein derartiger Eingriff kann ohne Zustimmung des Betroffenen nicht erfolgen. […]“
(ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 6 und 7). Daraus ergibt sich nur, dass grundsätzlich ein einvernehmliches Vorgehen beider Elternteile gewollt ist […]. Für die hier interessierende Auslegung des Begriffs „beziehender Elternteil“ lässt sich hingegen nichts Entscheidendes ableiten. […]
2. Der Ausdruck „beziehender Elternteil“ wird allerdings auch in den §§ 3 Abs 3, 24b Abs 5, 24e, 31 Abs 3b und 42 KBGG verwendet. Im Kontext dieser Regelungen ist naheliegend, dass damit jener Elternteil gemeint ist, der Kinderbetreuungsgeld tatsächlich bezieht. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass der Ausdruck auch in § 5a Abs 2 KBGG dasselbe bedeutet […]. […]
3. Das steht der von den Vorinstanzen im Ergebnis vorgenommenen teleologischen Reduktion aber nicht entgegen, durch die der ratio legis ja gerade gegenüber einem überschießenden Gesetzeswortlaut zum Durchbruch verholfen […] und unverständliche, nicht sachgerechte oder ungerechte Ergebnisse, die sich bei einer undifferenzierten Gesetzesanwendung ergeben, vermieden werden sollen (10 ObS 192/21i; 10 ObS 61/18w SSV-NF 32/46 ua). […]
3.1. Die Bekl stellt nicht in Abrede, dass der Gesetzgeber ein einvernehmliches Vorgehen beider Elternteile präferiert. […] Im Fall der Änderung der Bezugsdauer soll sodann der erstbeziehende Elternteil gegen eine für ihn allenfalls nachteilige spätere Änderung durch den nunmehr beziehenden Elternteil geschützt werden. Im Licht des darin zum Ausdruck kommenden Regelungsziels ist auch die hier interessierende 261Beschränkung der Antragslegitimation auf den „beziehenden“ Elternteil zu sehen. Damit soll verhindert werden, dass die Anspruchsdauer (bzw der Tagesbetrag) gegen den Willen des derzeit beziehenden Elternteils verändert wird, weil ihn die Änderung unmittelbar betrifft und er im Vertrauen auf die erfolgte Wahl der Anspruchsdauer unter Umständen bereits Dispositionen getroffen hat. Dieses Schutzbedürfnis fällt nicht weg, wenn es während des von ihm beantragten (und gewährten) Anspruchszeitraums zu einem Ruhen kommt. Insofern entspricht es dem Telos des § 5a Abs 2 KBGG, dem anderen Elternteil auch während solcher Zeiten keine Legitimation für einen Änderungsantrag einzuräumen. Warum jedoch während eines Ruhens nunmehr auch der andere Elternteil, dessen Bezug noch gar nicht begonnen hat oder der – wie hier – Kinderbetreuungsgeld gar nicht begehrt vor einer Änderung der Anspruchsdauer geschützt werden müsste, ist nicht erkennbar. Es ist auch nur schwer zu argumentieren, den anderen Elternteil an die ursprüngliche Wahl und die Änderung der Anspruchsdauer während des tatsächlichen Bezugs zu binden, ihn während Zeiten eines vor allem nur vorübergehenden Ruhens des Anspruchs hingegen genau davor zu schützen. […]
3.2. Richtig ist demgegenüber, dass ein Abstellen darauf, wer zuletzt den Antrag gestellt hat, nicht überzeugt, weil es sich nicht in die Konzeption des § 5a KBGG einfügt. Für einen Änderungsantrag nach § 5a Abs 2 KBGG ist vielmehr der Elternteil legitimiert, in dessen beantragten (und gewährten) Anspruchszeitraum die durch das Ruhen bewirkte „Bezugslücke“ fällt. Da ein Ruhen nur die Leistungspflicht des Versicherungsträgers sistiert, der Anspruch auf die ruhenden Leistungen hingegen gewahrt bleibt […], trifft das hier auf die Kl zu.
4.1. Zusammenfassend sind die Vorinstanzen daher zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass § 5a Abs 2 Satz 2 KBGG bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden – gemessen an seinem Zweck – überschießend ist. Die Regelung ist daher teleologisch dahin zu reduzieren, dass ein Elternteil unter den weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs 2 KBGG auch während eines Ruhens des Anspruchs einen Änderungsantrag stellen kann, sofern das Ruhen in den von ihm beantragten (und gewährten) Anspruchszeitraum fällt. […]“
In ihrer Revision vertrat die Bekl weiterhin den Standpunkt, dass der Gesetzgeber in § 5a Abs 2 KBGG bewusst vom „beziehenden
“ Elternteil und nicht etwa – wie in § 5a Abs 1 KBGG – vom „antragstellenden
“ oder vom „anderen
“ Elternteil spreche. Zudem führte sie aus, dass im KBGG kein Bezug in Höhe von „Null“ vorgesehen sei, daher könne als „beziehender Elternteil“ nur gelten, wer tatsächlich Kinderbetreuungsgeld erhalte.
Dem folgte der OGH nicht. Die Entscheidung wurde mit dem Gesetzeszweck begründet, an dem sich die letztlich den Gesetzeswortlaut korrigierende Auslegung orientierte. § 5a Abs 1 und 2 KBGG sollen Sicherheit für Fälle schaffen, in denen ein Einvernehmen zwischen den beiden Elternteilen nicht (mehr) besteht, indem vorweg der andere Elternteil an die Wahl der Bezugsdauer durch den Antragsteller gebunden wird. Nach Ansicht des OGH wäre es vor dem Hintergrund des klaren Schutzzwecks der Regelung ein nicht erklärbarer Systembruch, einem Elternteil innerhalb des von ihm beantragten und gewährten Anspruchszeitraums in Zeiten eines Ruhens des Anspruchs die Berechtigung zur Änderung der Anspruchsdauer zu verwehren.