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Kein Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bei Karenzurlaub für Pflege der erkrankten Mutter im Beobachtungszeitraum

SOPHIAMARCIAN-EROGLU

Der Kl ist zwar zuzugestehen, dass sie während des Karenzurlaubs (weiter) kranken- und pensionsversichert war. Diese KV und PV wurde aber nicht durch die Ausübung der […] Erwerbstätigkeit […] begründet, sondern wegen der Pflege eines nahen Angehörigen […]. Dabei handelt es sich aber nicht um die Ausübung einer […] Erwerbstätigkeit.

Unbezahlte Sonderurlaube und andere unbezahlte Freistellungen („Karenzverlängerungen“) sind hingegen nicht gleichgestellt und daher nicht anspruchsbegründend.

Sachverhalt

Die Kl, eine Beamtin, begehrte anlässlich der Geburt ihres Kindes am 30.12.2021 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Im Beobachtungszeitraum, 182 Tage vor Beginn des Beschäftigungsverbotes, war sie gem § 75c Abs 1 Z 2 BDG 1979 für eineinhalb Monate in Karenzurlaub, um ihre Mutter zu pflegen. Sie erhielt in dieser Zeit 55 % ihres Einkommens als Pflegekarenzgeld, danach bezog sie bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes ihr Gehalt.265

Verfahren und Entscheidung

Der zuständige Versicherungsträger lehnt mit Bescheid den Antrag der Kl auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ab. Begründet wird die Entscheidung damit, dass im Beobachtungszeitraum aufgrund der Pflegekarenz keine ununterbrochene Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG vorliegt.

Dagegen richtete sich die Klage der Beamtin, mit der Begründung, dass die Pflegekarenz einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sah ebenfalls keine tatsächliche Ausübung der Erwerbstätigkeit oder gleichgestellte Zeit iSd Gesetzes im Beobachtungszeitraum gegeben.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, da zu dieser Frage noch keine höchstgerichtliche Rsp vorliege.

Die ordentliche Revision der Kl sah der OGH als zulässig, aber nicht berechtigt an.

Originalzitate aus der Entscheidung

„1. Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens hat ein Elternteil für sein Kind (ua), sofern dieser Elternteil in den letzten 182 Kalendertagen unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß § 24 Abs 2 KBGG war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG). Unter Erwerbstätigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes versteht man die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit (§ 24 Abs 2 Satz 1 KBGG). Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes (§ 24 Abs 2 Satz 2 KBGG).

[…]

3.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt es beim Begriff der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 2 KBGG nicht auf Erwerbsabsicht oder Lohnsteuerabzug an, sondern es ist darauf abzustellen, ob eine „Erwerbstätigkeit“ ausgeübt wurde, die der Sozialversicherungspflicht unterlag, ob also aufgrund dieser Tätigkeit (vom Versicherten bzw dem Dienstgeber) Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden mussten (RS0128183).

3.2. Dementsprechend schaden etwa Zeiten einer Dienstfreistellung unter (zumindest teilweiser) Fortzahlung des Entgelts (10 ObS 5/21i SSV-NF 35/17; 10 ObS 129/20y SSV-NF 34/77; 10 ObS 99/20m SSV-NF 34/65 zu § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) nicht. Umgekehrt fehlt es an diesen Voraussetzungen beispielsweise bei einem unbezahlten Urlaub unter Wegfall der Pflichtversicherung (10 ObS 25/18a SSV-NF 32/25), bei Krankengeldbezug nach Erschöpfung der Entgeltfortzahlungspflicht (10 ObS 5/14d SSV-NF 28/8) sowie während des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung (10 ObS 164/17s SSV-NF 32/27) oder einer Kündigungsentschädigung (10 ObS 32/19g SSV-NF 33/25), weil das die Erwerbstätigkeit begründende Dienstverhältnis in diesen beiden letzteren Fällen bereits beendet ist. […]

[…]

4.2. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass sie während des Karenzurlaubs (weiter) kranken- und pensionsversichert war. Diese Kranken- und Pensionsversicherung wurde aber nicht durch die Ausübung der – unterbrochenen – Erwerbstätigkeit (im aufrechten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis) begründet, sondern wegen der Pflege eines nahen Angehörigen gemäß § 29 Abs 1 AlVG. Dabei handelt es sich aber nicht um die Ausübung einer (von der bisherigen verschiedenen) Erwerbstätigkeit. Die Klägerin bezog für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubs ein Pflegekarenzgeld nach § 21c Abs 1 BPGG, aber nicht als sozialversicherungspflichtiges Entgelt für die Pflegeleistungen. Die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung waren während dieser Zeit dementsprechend auch nicht von ihr bzw ihrem Dienstgeber (in dieser Eigenschaft) zu tragen (s § 29 Abs 4 AlVG).

Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, dass die gegenständlichen Zeiten für die Zwecke des Pensionsrechts vom Gesetz nicht als Pflichtversicherungszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit, sondern als (sonstige) Zeiten einer Pflichtversicherung behandelt werden (§ 29 Abs 2 letzter Satz AlVG iVm § 3 Abs 1 Z 2 APG; vgl auch § 225 Abs 1 Z 2a ASVG).

[…]

5.1. Diese Bestimmung nennt als gleichgestellte Zeiten ausdrücklich (nur) die vorübergehende Unterbrechung während eines Beschäftigungsverbots oder zum Zwecke der Kindererziehung nach den jeweils genannten oder gleichartigen Bestimmungen. Unbezahlte Sonderurlaube und andere unbezahlte Freistellungen („Karenzverlängerungen“) sind hingegen nicht gleichgestellt und daher nicht anspruchsbegründend (Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG2 192).

[…]

6.1. Die Anspruchsvoraussetzung des § 24 Abs 1 Z 2, Abs 2 KBGG sind infolge (mehr als 14-tägige) 266Unterbrechung der Erwerbstätigkeit durch die Klägerin im maßgeblichen Beobachtungszeitraum nicht erfüllt, sodass kein Anspruch auf das begehrte Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens zusteht.

Erläuterung

Der OGH knüpft in dieser Entscheidung an seine Rsp in ähnlich gelagerten Fällen an. So wurde bereits für den Anspruch auf Familienzeitbonus wegen eines Präsenzdienstes im Beobachtungszeitraum (OGH 30.7.2019, 10 ObS 38/19i) und für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld wegen einer Milizübung (OGH 10.9.2012, 10 ObS 57/12y), die in den Beobachtungszeitraum fiel, eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit angenommen und die Ansprüche verneint. Dies wurde damit begründet, dass die Beitragspflichten aus dem Dienstverhältnis aufgrund des Präsenzdienstes und der Milizübung ruhten, somit keine Pflichtversicherung aufgrund der Erwerbstätigkeit bestand. Da es sich sowohl bei einer Pflegekarenz wie im gegenständlichen Fall als auch bei einem Präsenzdienst um Zeiten einer Teilversicherung handelt, sind die Voraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG nach Ansicht des OGH nicht erfüllt, da weder Zeiten der Erwerbstätigkeit noch gleichgestellte Zeiten oder lediglich kurzfristige Unterbrechungen von bis zu 14 Tagen vorliegen.

Anders entschied der OGH im Fall einer freiwilligen, vierwöchigen Freistellung durch den DG bei fortlaufenden Bezügen im Beobachtungszeitraum (OGH 26.2.2021, 10 ObS 5/21i). Da in dieser Konstellation die Pflichtversicherung aufgrund der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, selbst wenn die tatsächliche Arbeitsleistung entfällt, ist die Voraussetzung der Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG dennoch erfüllt.